Angst in meiner Wohnung voller Erinnerungen

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
Antworten
Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Asa
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 21
Beiträge: 19

Angst in meiner Wohnung voller Erinnerungen

Beitrag Mo., 14.01.2013, 05:56

Hallo,

ich bin zum ersten Mal seit Monaten wieder für einige Tage alleine in meiner Wohnung. Ich reise viel und die letzten Male in meiner Wohnung hatte ich immer Freunde hier. Ich bin erst Samstag angekommen und überlege schon, die Zeit bis zur nächsten Reise bei meinen Eltern zu verbringen.

Es ist nicht schön, alleine in dieser Wohnung zu sein. Auf dem Sofa hat mein Exfreund mich an meinen Haaren hoch gezogen. Neben dem Esstisch hat er mich auf den Boden geschmissen. Im großen Gang, dem Eingangsbereich, kniete er auf mir und hat eine schier endlose Hasspredigt auf mich los gelassen. Im Schlafzimmer kniete er mit einem Messer über mir. Neben dem Sofa drückte er mir das Messer in die Hand und presste meine Hand inkl. Messer an seinen Hals. Auf dem Sofa schnitt er sich mehrmals in..ich weiß nicht mehr, ob es sein Schenkel, oder sein Arm war - ich war zu sehr auf die jetzt mögliche Flucht konzentriert. Im Arbeitszimmer konnte ich mich einschließen. Den Schlüssel zur verschlossenen Haustür hatte er schon längst. Auf dem Balkon hat er mir ein oder zwei Wochen später zwinkernd gesagt, er wisse nicht, was ich meine, schließlich habe ich ihn doch mit einem Messer bedroht und verletzt.

Ich war geschockt, über Wochen hinweg. Mein Vater hat mir etwas über Vergebung im Geiste erzählt. Meine Mutter wollte schnell wieder den alltäglichen Smalltalk führen. Mein Psychater hat gefragt, ob es mich erregt hätte und warum ich mich eigentlich so dunkel kleiden würde, ob es mir etwa nicht so toll ginge. Meine bis dahin beste Freundin meinte, ich würde ja auch echt scheiße, irgendwie krank aussehen.

Morgen, inzwischen heute, wollte ich eigentlich in die Stadt gehen, einkaufen. Das habe ich schon lange nicht mehr gemacht, nicht alleine. Aber ich habe tierische Angst, er könnte mich sehen, mich vielleicht sogar ansprechen. Oder ich könnte ihn sehen.

Noch etwa zwei Wochen, dann ist es 1 1/2 Jahre her.

Nach den Wochen im absoluten Schock zustand - ich hatte noch nicht ganz verstanden, dass mir Gewalt angetan wurde, dass ich zur Polizei gehen sollte, zumindest Fotos von meinen Verletzungen machen sollte - war alles irgendwie ganz toll, ich fühlte mich wohl, befreit und ausgeglichen. Selbst sein plötzlicher Anruf, in dem er ganz offensichtlich Erwartete, ich würde ihm nachtrauern, konnte mich nicht aus der Bahn werfen. Alles war gut. Bis es eben auf einmal nicht mehr immer so gut war. Und dann war es nur noch manchmal gut. Dann nur noch recht selten. Und nun ist es so selten gut, dass der Moment schon vorbei ist, bevor ich meinen kleinen guten Augenblick begriffen habe und mich schon nicht mehr daran erinnern kann.

Die Verfolgungsangst wächst, die Angst, er könnte plötzlich in meiner Wohnung oder im Haus meiner Eltern sein. Ich bin mir nicht sicher, welches Gefühl es ist, das ich habe, wenn ich in meiner Wohnung bin und in jedem Zimmer ein immer gleicher Film der Gewalt abgespielt wird.

Ich habe Angst und fühle mich so unendlich schutzlos und ausgeliefert. Immer, aber vorallem in dieser Stadt. Ich habe einige Zeit mit dem Gedanken gespielt, ein kleines Messer oder einen Pfefferspray in meiner Tasche mit mir zu tragen, nur um mich sicherer zu fühlen. Aber ich weiß, er trägt immer mindestens ein Messer bei sich - griffbereit, nicht im Chaos einer Handtasche. Willkommen in der oberen Mittelschicht.

Ich weiß auch gar nicht, was ich mir hier von euch erhoffe. Superkräfte wären vermutlich hilfreich. Oder auch nur ein paar dutzend Bodyguards.

Danke fürs zuhören.

Grüße

(Hinweis Admin: Betreffzeile von "Eine traurige Geschichte" auf obige präzisiert. Bitte zukünftig - siehe Netiquette! - möglichst aussagekräftige Betreffzeilen wählen! Danke.)

Werbung

Benutzeravatar

lemon
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 58
Beiträge: 2005

Beitrag Mo., 14.01.2013, 07:06

Guten Morgen Asa,

ich denke diese schrecklichen Erlebnisse werden mit der Zeit etwas verblassen, darauf solltest du vertrauen.
Ich würde die Wohnung kündigen, wo so viele Erinnerungen stecken, vorrübergehend kannst du ja zu deinen Eltern ziehen und mir dann was neues suchen,

lemon
[center]Das, was wir Menschen am meisten brauchen,
ist ein Mensch, der uns dazu bringt,
das zu tun, wozu wir fähig sind.[/center]

Benutzeravatar

Traurige Seele
Forums-Gruftie
Forums-Gruftie
weiblich/female, 34
Beiträge: 610

Beitrag Mo., 14.01.2013, 10:22

Hallo,

ja ich sehe das wie lemon, suche Dir eine neue Wohnung in der Du Dich wieder sicher fühlen kannst.

Hast Du schon mal an eine Therapie gedacht um das Ganze zu verarbeiten? Ich denke das wäre sinnvoll. Psychiater sind da oft etwas hart, das musste ich leider auch erfahren. Die sagen man sol seine Tabletten schön einnehmen und in 3 Monaten wiederkommen. Ich habe mich nach 2 Jahren Tabletten Einnahme auch auf die Suche nach einer Therapeutin gemacht und ich kann heute nur sagen es war der richtige Weg. Wenn man den richtigen Therapeuten gefunden hat hat man auch jemanden an der Hand der einem zuhört und eine auch das Gefühl gibt man wird verstanden.

LG TS
Ein Weg von 1000 Meilen beginnt mit dem ersten Schritt

Folge Deiner Intuition

Benutzeravatar

HeAndMe
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 40
Beiträge: 146

Beitrag Mo., 14.01.2013, 12:46

Hallo Asa,

es tut mir sehr, sehr leid, was Du erleben mußtest.
Du hast sehr viel Stärke gehabt und gezeigt, damit die schrecklichen Geschehnisse nach der Trennung nicht dein Leben dominiert haben. Das war gut und wichtig! Überlebenswichtig für deine Seele!
Und tatsächlich waren ja auch bestimmte, direkte Bedrohungen erst einmal verschwunden!
Erst mal aufatmen nach dem Ende einer traumatischen Zeit (denn das war es), hat es sich so angefühlt?

Aber nun ist einige Zeit vergangen, du hast viel Kraft verloren, bei deinem "Überlebenskampf".
Und Deine Seele sehnt sich nach viel mehr als nur zu überleben.
Nach einem Leben nämlich, in dem allen Sinne, Empfindungen und Gefühle, Erinnerungen miteinander ein rundes, gutes, Ganzes ergeben.
Das geht aber nur, wenn Du einmal verarbeiten konntest, was Dir geschah!

Wie das geht, das "Verarbeiten"?
Es bedeutet darüber zu reden, bis die Gedanken ihren Schrecken verlieren.
Bilder vorsichtig an Dich heranzulassen, bis sie verblassen und in den Hintergrund treten.
Bis dein Fühlen, Denken, Handeln wieder frei sein kann!

Dafür braucht man jemand der das Schlimme erst einmal aushält, mit Dir zusammen.
Jemand, der nicht selber irgendwie emotional mit "drin" steckt (wie deine Freundin, Mutter etc).
Einen guten Psychotherapeuten.


Heandme
man müßte mit allem rechnen- auch mit dem Guten

Werbung

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Asa
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 21
Beiträge: 19

Beitrag Mi., 06.02.2013, 10:09

Lieben Dank für eure Antworten!

Ich würde inzwischen sehr gerne eine Therapie machen, einfach nur reden können - nur, wie schon erwähnt, reise ich sehr viel und habe ja schon Probleme damit, alleine in die Stadt zu gehen.

Benutzeravatar

Mariye
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 26
Beiträge: 8

Beitrag Mi., 06.02.2013, 10:38

hallo,

ich würde dir auf jeden Fall raten aus der Wohnung zu ziehen.
Viel zu viele Erinnerungen, die nicht schön sind hängen daran und
lassen dich nicht zur Ruhe kommen.
Eine neue Wohnung könnte also auch eine neue Chance bedeuten.

Auch würde ich an deiner Stelle ernsthaft über eine Therapie nachdenken.
Du hast geschrieben, dass du früher alles verdrängen konntest, dann die
Erinnerungen öfters kommen und nun sehr häufig da sind.
Das alles ist ein Zeichen, dass es noch nicht verarbeitet ist.
Im Moment erinnern die Ereignisse, sie kommen willkürlich. Aber du kannst
lernen mit ihnen umzugehen, diesen Bildern die Angst zu nehmen.

Wenn du angst hast, vielleicht könntest du anfangs eine Freundin mitnehmen,
die dich begleitet. So bist du nicht ganz allein.
Ich kann verstehen, dass du angst hast. Aber was würdest du machen, wenn
du dir das Bein gebrochen hast? Währscheinlich würdest du auch zu einem
Arzt gehen und es behandeln lassen. So ist es auch mit der Seele. SIe wurde
verletzt und nun muss sie behandelt werden.

Leider kann das Geschehene nicht rückgängig gemacht werden, aber man
kann lernen mit ihnen umzugehen.

Ich wünsche dir alles Gute Mariye

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Asa
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 21
Beiträge: 19

Beitrag So., 10.02.2013, 06:48

Mein Umzug ist bereits geplant und wird im August vonstatten gehen.

Und nochmal, ich reise viel, bald geht es für einige Monate in die USA, sprich ich habe definitiv keine Möglichkeit, eine Therapie zu machen. So gerne ich eine solche auch machen würde.

Ich war letzten Abend mit einer guten Freundin aus, dabei tauchte plötzlich ihr Exfreund auf - alleine, er war nur in den Club gekommen, weil er sich erhofft hatte, sie dort zufällig anzutreffen. Obwohl sie ihn dazu aufgefordert hat zu gehen, blieb er in immer unmittelbarer Nähe, hat uns unaufhörlich grinsend beobachtet.
Das Ganze hat mich bei Weitem mehr gestört, als meine Freundin. Ich habe mich gestalkt gefühlt, obwohl ich ja eine Aussenstehende bin. Tatsächlich lief in meinem Kopf ein Gespräch ab, wie ich meiner Freundin erkläre, dass unsere Freundschaft unsinnig ist und beenden werden sollte. So bescheuert das auch klingt, ich kann mir momentan nicht vorstellen, so bald wieder etwas mit ihr zu unternehmen. Ich bin wütend auf sie, dabei weiß ich, dass ich nur mein Verhalten von damals in ihr wiedererkenne und überkritisiere, also bin ich eigentlich auf mich wütend, bzw. auf mein ehemaliges Ich.

Wenns so weiter geht, werde ich noch die USA Reise absagen, um hier eine Therapie beginnen zu können...

Benutzeravatar

mondlicht
Forums-Gruftie
Forums-Gruftie
weiblich/female, 55
Beiträge: 657

Beitrag So., 10.02.2013, 23:54

Hallo Asa,
Asa hat geschrieben:Wenns so weiter geht, werde ich noch die USA Reise absagen, um hier eine Therapie beginnen zu können...
Das hielte ich für eine gute Idee!

Sind deine vielen Reisen Teil deiner Eigentherapie oder welchen Grund gibt es, die Notwendigkeit deiner Reisen höher als die Notwendigkeit einer Therapie zu bewerten?
Also für mich klingt das ziemlich riskant, was du da machst. Ich würde solche Bilder nicht in mir arbeiten lassen wollen. Und diese Episode mit deiner Freundin zeigt ja, wie stark du gefangen bist in deiner Geschichte, wie schnell du sie überträgst.
Mensch Asa, du bist noch so jung! Such dir eine gute Therapeutin! Die USA laufen dir schon nicht weg.

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Asa
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 21
Beiträge: 19

Beitrag Do., 28.03.2013, 17:24

Die Reisen gehören zu meiner Ausbildung eben dazu. Und machen natürlich auch Spaß.
Sobald, ganz egal wo, der Alltag einkehrt, kommen meine Ängste wieder. So gesehen könnte man ja fast meinen, ich würde vor meinen Ängsten davonlaufen..

Vor über einem Monat noch konnte ich mit dem Satz "Ich würde solche Bilder nicht in mir arbeiten lassen wollen" nicht viel anfangen. Inzwischen dämmert mir die Bedeutung so langsam.
Ich weiß, dass mein Männerbild, meine ganze Sexualität und die Beziehung zu meinem Körper einen erheblichen Schaden erlitten hat, nach diesem Vorfall mit meinem Ex, und das wird immer deutlicher.

Mir fehlen die Worte.

Oh, und, es gibt einfach zu viele Gründe, die gegen eine Therapie sprechen.

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag