Elternliebe

Alle Themen, die in keines der Partnerschafts-Foren passen, bei denen es aber in weitestem Sinne um Beziehungen, soziale Kontakte usw. geht, Adoption, Pflege usw.
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Dosenöffner
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Elternliebe

Beitrag Di., 21.10.2014, 09:47

Ich weiß nicht, ob das Thema hierher passt und poste meine Gedanken einfach mal.

Meine Frage ist: Warum lieben manche Eltern ihre Kinder nicht, obwohl immer behauptet wird, dass Mutterliebe beispielsweise ein Gefühl sei, das ganz automatisch kommt. Das scheint bei vielen Leuten auch so zu sein, aber wieso nicht bei allen?

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Hiob
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Beitrag Di., 21.10.2014, 12:34

Hallo Dosenöffner.

Es kommt drauf an, ob die Eltern eine enge Beziehung zum Kind aufbauen konnten und sie in ihrem Leben überhaupt die Ruhe und den Frieden haben, diese Beziehung zu erleben. Allein der Zeitdruck, die Angst vor finanzieller Verelendung, das Erschöpftsein und die vielen Termine/Pflichten lassen eigentlich dieses ruhige Umfeld bei den wenigsten zu. Das eigene Leben verschwindet, wenn man arbeitet und Kinder hat, man arrangiert sich dann damit, erträgt es damit leichter. Aber gerade Frauen haben meist so ab 45 (wenn die Kinder langsam aus dem Haus gehen) eher als die Männer die Gelegenheit durch eine Sinnkrise die Suche nach den eigenen Bedürfnissen wieder aufzunehmen. Denn Kind und Arbeit hatten das eigentlich verunmöglicht. Daher findest du auch so viele Frauen ab diesem Alter in den Therapien, Esoterikseminaren oder in den Büchereien. Bei Männern meist etwas später, meist nach der Scheidung und dem Ruin des „aufgebauten Lebens“. Die findet man dann oft im Wald.

Die Lebenszeit und Kraft, die dann auch noch das Kind kostet, ist halt für die meisten kaum zu ertragen. Sie retten sich dann mit „ich muss ja für das Kind sorgen“. Das klingt verantwortungsvoll, alle Verwandten klopfen ihnen auf die Schulter, weil diese Einstellung „erwachsen“ klingt und so merken sie immer weniger von dem, was sie wirklich selber wollen...aber die ganzen schlaflosen Nächte, das Müdesein, die ständigen Planungen, wer wen von wo abholen und absetzen muss und einspringen, wenn ein anderer ausfällt, die Termine und Stunden in Wartezimmern, mit Angst oder dem Gefühl wieder zu wenig Zeit zu haben. Das alles lässt in den Eltern das Gefühl entstehen, dass sie auf ihr eigenes Leben verzichten mussten. WEGEN dem Kind. Und dieses Gefühl, mal mehr mal weniger gut unterdrückt, vergiftet natürlich jeglichen vielleicht mal in der Vergangenheit gehegten Kinderwunsch und die romantiche Vorstellung von sonem kleinen Wonneproppen.

Aus meiner Sicht folgt daraus, dass die Eltern das Kind eindeutig spüren lassen, dass es den Eltern was zurückgeben muss. Wenn du die Eltern deiner Freunde oder deine anschaust, wirst du das m.E. ab 30 ausnahmslos bemerken. Die Methoden, das zu verschleiern sind ausgereift, allerdings denke ich, ist es dennoch leicht spürbar, gerade in Stressituationen. Am Ende soll das Kind den Eltern etwas zurückgeben. Zurückgeben in Form von Stolz, Sicherheit, Freude, Zeit, Anteilnahme, Gesellschaft...usw. Nur wenn es den Eltern gelingt, ihr eigenes Leben gleichzeitig auch zu erleben, wird die Liebe zu den Kindern von Bedingungen entkoppelt. Bedingungslose Liebe. Weißer Schimmel.

Im Grunde stellt sich bei den wenigsten die Realität von Kindern als Bestätigung des Traumes heraus, für die Mehrheit ist es einfach ermüdend, enttäuschend und stellt sich als Hindernis heraus. Das alles merken natürlich die Kinder mehr oder weniger gut. Ebenso wie die Eltern selbst. Mit „du bist doch mein Kind“ und „Mutterliebe“ lässt es sich einfach leichter ertragen. Für beide Seiten.

Hiob

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Beitrag Di., 21.10.2014, 12:57

Danke für die umfangreiche Antwort.

Bei meinen Eltern z. B. gab es keine Existenzängste oder finanziellen Probleme. Meine Mutter war Hausfrau und immer daheim, Stress kannte sie nicht. Ich war "fabriziert" worden, damit meine Eltern heiraten durften (Schwiegereltern waren mit der Wahl der minderjährigen Tochter nicht einverstanden). Mir fehlte es materiell an nichts, aber ansonsten lief ich nur nebenher, war irgendwie immer im Weg oder überflüssig.

Bei einem anderen Fall im Bekanntenkreis war das Kind unerwünscht, wurde aber aus religiösen Gründen nicht abgetrieben - geliebt wurde es nie, die Mutterliebe kam einfach nicht auf.


kaja
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Beitrag Di., 21.10.2014, 13:09

Ich denke gerade beim Thema Mutterliebe wird unglaublich viel verklärt und idealisiert.
Das führt zu der Vorstellung einer Liebe die nicht nur unglaublich groß ist, sondern automatisch da ist, nur weil die Frau ein Kind geboren hat. Dieser ganze Pathos rund um die Mutterliebe macht es wohl schwer zu trennen was realistisch ist und was nicht. Natürlich hat die Natur vorgesehen, und mit entsprechenden Hormonen dafür gesorgt, das eine Mutter eine Bindung an den Säugling hat, aber es gibt auch immer Ausnahmen von der Regel.

Weshalb Eltern keine enge emotionale Bindung zu ihrem Kind haben kann zig Gründe haben und auch am Zeitgeist liegen. Ich denke nicht das automatisch Elternliebe vorhanden sein muss nur weil man ein Kind gezeugt oder geboren hat.
Seltsamerweise wird sich bei fehlender Liebe durch die Eltern oft auf die Mutter eingeschossen und die Rolle des Vaters vernachlässigt.

Kinder zeugen/gebären kann (fast) jeder, Eltern sein dagegen nicht.
After all this time ? Always.

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leuchtturm
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Beitrag Di., 21.10.2014, 13:32

Mir fehlte es materiell an nichts, aber ansonsten lief ich nur nebenher, war irgendwie immer im Weg oder überflüssig.
hast du das bei deinen Eltern mal angesprochen?

Die allermeisten Eltern würden das vermutlich anders sehen. Es gab Generationen, da zeigte sich die Liebe für die Familie, für die Kinder in materieller Versorgung.
Diese Eltern haben sich oft abgrackert für die Familie, wollten den Kindern allerhand "bieten", vom Urlaub bis zu Geschneken oder markenklamotten. Oft würden sie völlig verständnislos reagieren, wenn man sie mit dem Vorwurf mangelnder Elternliebe konfrontiert. Denn auf ihre Weise haben sie ihre Kinder geliebt.

Selbst Eltern, die viel "falsch" machen, einfach weil sie überfordert sind, lieben meist ihre Kinder. Sind aber nicht imstande, diese Liebe auf andere als ihre eigene Art zu demonstrieren.

Mutterliebe wird tatsächlich oft rührselig überfrachtet. Man setzt voraus, eine Mutter müsse ihr Kind immer und unbegrenzt lieben, müsse einiges für das Kind auf sich nehmen, dürfe im Extremfall kein eigenes Leben haben. Müsse ihre Liebesgefühle immer und ungefragt zeigen, so, wie man es sich vll. als Kind wünschen würde.
Eltern sind auch Menschen. Mütter sind auch Menschen. Sie haben ihre Fehler, ihre Schwächen, ihre Unzulänglichkeiten. Ob und wie sehr (ist das überhaupt messbar?) sie irh Kind geliebt haben, als es klein war, könnte man in einem Gespräch thematisieren. Ich wette, dass sich dann zwei Meinungen unverrückbar gegenüber stünden:
Ich habe mich nicht genug geliebt gefühlt. <--> wie haben dich geliebt und alles für dich getan.

Da hilft nur ein Perspektivwechsel. Von beiden seiten. Und zu akzeptieren, dass Mutter- oder Elternleibe sich genauso unterschiedlich zeigt wie die Menschen unterschiedlich sind.

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Dosenöffner
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Beitrag Di., 21.10.2014, 13:39

leuchtturm hat geschrieben:
Mir fehlte es materiell an nichts, aber ansonsten lief ich nur nebenher, war irgendwie immer im Weg oder überflüssig.
hast du das bei deinen Eltern mal angesprochen?
Ja, sicher! Aber darauf eingegangen wurde nicht, meine Eltern wollten immer nur zusammenglucken und miteinander was unternehmen oder allein sein. Ich war dann meist bei der Oma geparkt, mit der ich mich nicht sonderlich gut verstand. Ständig buhlte ich um die Aufmerksamkeit meiner Mutter, arbeitete viel im Haushalt, damit sie mich wahrnehmen sollte... allerdings war ich dann wieder völlig abgemeldet, wenn mein Vater wieder da war. In der Pubertät dann wurde ich aufsässig, zickig und rebellisch, stellte allerhand an. Es war ein Schrei nach Aufmerksamkeit, allerdings wurde ich dann nur als missraten betitelt.

Wahrscheinlich ist es in der Tag so, dass Mutterliebe verklärt dargestellt wird. Gibt es diese Liebe also gar nicht? Also diese selbstverständliche Liebe, die auf einmal da ist und nie mehr weggeht?

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leuchtturm
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Beitrag Di., 21.10.2014, 15:38

Gibt es diese Liebe also gar nicht? Also diese selbstverständliche Liebe, die auf einmal da ist und nie mehr weggeht?
eine Mutter wird ja nicht von Null auf 100 Mutter. Sie hat also Zeit und durch die Schwangerschaft ganz viele Momente, in denen sie sich auf ihr Muttersein vorbereiten kann. Nur: die wenigsten haben eine realistische Vorstellung davon, was es heißt, Kinder zu haben. Wie oben schon beschrieben. Viele junge Frauen sind in der Tat mit ihrem Kind überfordert. Sie sehen ja auch kaum, wie so ein Alltag (und die Nacht!!) mit Baby oder Kleinkind aussehen kann.

Natürlich gibt es das, dass man nach der Geburt sein Baby auf dem Bauch hält und sich total in es verliebt. das ist einfach unbeschreiblich
Aber das hat nichts mit den Weichzeichner-Szenen aus Filmen oder der Werbung zu tun. Unsicherheit prägt oft den ersten Umgang mit dem (1.) Kind. Monatelanges Nicht-Durchschlafen macht das Muttersein auch nicht gerade zum romantischen hei tei tei-Erlebnis. Viele Mütter sind ungeduldig, weil unsicher. Es gibt schwierige, weil anstrengende Kinder. Und es gibt immer wieder Phasen, in denen man sein Kind auf den Mond schießen könnte.
Das heißt nicht, dass diese Eltern ihr Kind nicht lieben!!!
Nur zeigt sich dies Liebe eben nicht im Alltag mit Violinengefiedel, Weichzeichner, seligem Lächeln und einer soften "ich bin glücklich, wenn es dir nur gutgeht-" Haltung.
Eltern müssen Grenzen setzen. Das wird z.B. von Kindern, gerade in der Pubertät, als Einengnung oder Nichtgeliebtwerden interpretiert. Setzen sie zu wenig Grenzen, wird das oft als Desinteresse angesehen.

Du scheinst in einer Familie aufgewachsen zu sein, in der die Eltern ein liebevolles Verhältnis zueinenader entwickelt haben. Das ist doch super!

Hast du Geschwister?
In der Pubertät dann wurde ich aufsässig, zickig und rebellisch, stellte allerhand an. Es war ein Schrei nach Aufmerksamkeit, allerdings wurde ich dann nur als missraten betitelt.
wie du schon schreibst: Pubertät eben Das gehört dazu. Sich Loslösen geht nur, indem man das Bisherige, bisherige Werte in Frage stellt. Und klar, den Eltern scheint das wie eine Katastrophe zu sein, weil ihre jahrelange Erziehung torpediert zu werden scheint. Dazu kommt die Angst, das Kind könnte in schlechte Gesellschaft geraten, die Schule schmeißen, wasauchimmer.

Ein ganz normales Prozedere, was nichts, aber auch absolut nichts darüber aussagt, ob dich deine Eltern geliebt haben oder nicht

deine obige Frage, ob Elternliebe immer bleibt? Ich kenne Konstellationen, in denen ich verstehe, dass die Liebe zum eigenen Kind, wenn es erwachsen ist, auch schwinden kann. Darüber aber besser mehr per PN.
Zuletzt geändert von leuchtturm am Di., 21.10.2014, 15:41, insgesamt 1-mal geändert.

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mitplauderin
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Beitrag Di., 21.10.2014, 15:38

Mutterliebe ist ein Trick der Natur. Das Hormon Oxytocin wird im Gehirn der Mutter bereits während der Geburt ausgeschüttet und überschwemmt den mütterlichen Körper, wenn das Baby beginnt, an ihrer Brust zu saugen. So sichert die Natur das Überleben der Babys. Untersuchungen ergaben, dass die Bindung zwischen Mutter und Kind weniger ausgeprägt ist, wenn das Neugeborene unmittelbar nach der Geburt von der Mutter getrennt wird. Nicht nur diese Trennung war früher gang und gebe, auch das Stillen war lange Zeit verpönt. (Und wenn ich heute erlebe, wie hoch die Zahl der nicht medizinisch induzierten Kaiserschnitte ist, wird mir wieder etwas angst und bange)

Vlt. magst du ja deine Mutter mal danach fragen. Wie war das damals, als ich geboren wurde? Durfte ich bei dir im Zimmer/im Bett/auf deinem Bauch schlafen? Hast du mich gestillt und wie lange? Diese Fragen sollen allein der Information, um des besseren Verstehens willen, dienen und keinesfalls als Vorwurf gesehen werden.


pandas
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Beitrag Di., 21.10.2014, 15:58

mitplauderin hat geschrieben:Mutterliebe ist ein Trick der Natur. Das Hormon Oxytocin wird im Gehirn der Mutter bereits während der Geburt ausgeschüttet und überschwemmt den mütterlichen Körper, wenn das Baby beginnt, an ihrer Brust zu saugen. So sichert die Natur das Überleben der Babys.
Da spielen sicher mehrere Faktoren hinein als biologistische Instinkte und Hormone. Mutterliebe als Trick zu bezeichnen erscheint mir zu sehr entgegen dem Faktum des Menschseins, welches auch die Gabe zur Mutterliebe umfasst, wenn auch diese gestört sein kann, ebenfalls aus vielen Faktoren. Auch geht es bei der Mutterliebe gerade ja nicht nur um Primäres wie Nahrung geben und Körperwärme, es gehört auch die geistige Förderung u.ä. dazu.
mitplauderin hat geschrieben: Nicht nur diese Trennung war früher gang und gebe, auch das Stillen war lange Zeit verpönt.
Aber wie soll dies denn dann entstanden sein, wenn doch die Hormone die Mutter zu einer körperlich nahen Beziehung zum Baby drängen? Schließlich besteht die Menschheit zu einem nicht unerheblichen Teil aus Müttern.
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard

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mitplauderin
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Beitrag Di., 21.10.2014, 16:36

Hallo pandas,

habe mich womöglich missverständlich ausgedrückt. Also, der Trick der Natur besteht für mich darin, dass die Natur es so eingerichtet hat, dass das Liebeshormon Oxytoxin während der Geburt und durch das Stillen vermehrt produziert wird um diese Bindung zwischen Mutter und Kind zu fördern.
Auch geht es bei der Mutterliebe gerade ja nicht nur um Primäres wie Nahrung geben und Körperwärme, es gehört auch die geistige Förderung u.ä. dazu.
Also primär, wenn es ums Überleben geht, geht es nur darum. Und ein Baby ist nun mal eine Frühgeburt, auch wenn es zeitgerecht geboren wird. Es kann weder selbstständig Nahrung zu sich nehmen, noch sie vor Feinden schützen u.v.m. Geistige Förderung u.ä. folgt.
Aber wie soll dies denn dann entstanden sein, wenn doch die Hormone die Mutter zu einer körperlich nahen Beziehung zum Baby drängen?
Drängen ist das Wort. Wenn das Drängen unterbunden wird, hat dies zur Folge, dass die Oxytoxinausschüttung gehemmt wird. Kein/wenig Hormon, keine/wenig Bindung - bitte, das ist jetzt flapsig formuliert. Jedoch meine ich doch, dass wir die (Aus-)wirkung von Hormonen, so gering ihr Gehalt in unserem Körper auch sein mag, sehr unterschätzen. Aber das ist wiederum ein anderes Thema.

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Dosenöffner
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Beitrag Di., 21.10.2014, 16:49

Meine Eltern hatten mehr als eine liebevolle Beziehung zueinander, ich würde es als symbiotische Beziehung beschreiben. Einer konnte ohne den anderen nicht sein, und ein Dritter störte nur die traute Zweisamkeit. Mein Eltern waren nie länger als einen Tag getrennt, wenn mein Vater auf Geschäftsreise weiter weg war, kam er jeden Abend heim, auch wenn er 600 km fahren musste bis in die Nacht.

Geschwister habe ich keine, meine Eltern wollten nicht mehr Kinder und meine Mutter hatte tierisch Angst davor, ihre perfekte Figur zu verlieren. Gestillt wurde ich mindestens ein Jahr.

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mitplauderin
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Beitrag Di., 21.10.2014, 17:09

Nun, um solche Familiensysteme aufzudröseln zu können braucht es meiner Meinung nach professionelle Begleitung.

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Rosenfüchsin
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Beitrag Mi., 22.10.2014, 20:37

Hallo,

ich glaube, wie Leuchtturm, dass die meisten Eltern ihre Kinder lieben. Aber wenn sie diese Liebe nicht "zeigen" oder vermitteln können, dann nützt das dem Kind nichts, sondern das Kind wächst heran mit einem existenziellen Mangel. Einem Gefühl von "ich bekomme nicht, was ich brauche, also liebt ihr mich nicht. Also bin ich nicht liebenswert." Diese Verallgemeinerung ist ganz häufig - Menschen suchen ein Muster hinter dem, was passiert. Kinder versuchen, sich die Welt zu erklären- und sie möglichst so zu erklären, dass sie darauf irgendwie Einfluss haben können ("Wenn ich mich sehr anstrenge, dann werden sie mich liebhaben!").

Elternliebe würde ich nicht beschreiben als etwas, das "automatisch" einfach so da ist, auch wenn die Natur einige Tricks und Kniffe bereithält, um den Prozess zu unterstützen. Sondern Elternliebe wächst auch (wie andere Liebe auch). Selbst in Fällen, wo die Eltern von einem sehr starken Liebesgefühl quasi "überwältigt" werden, muss die Liebe zum Kind weiter wachsen, gefestigt werden und sich immer weiter entwickeln.
Daher ist Elternliebe auch störungsanfällig - einige Eltern kommen gut mit der Phase zurecht, wo das Kind sehr abhängig ist und im Wesentlichen Nahrung, Schlaf und Nähe braucht. Das kann schon dann schwierig werden, wenn das Kind beginnt, echten Kontakt zu fordern. Zum Beispiel Trost, der nicht nur aus Nahrung besteht.
Bei wieder anderen Eltern geht alles gut, bis das Kind ins Trotzalter kommt und immer mehr Eigenständigkeit entwickelt. Und die Pubertät ist dann noch so ein riesiger Meilenstein.

Deine Eltern, Dosenöffner, könnten daran gescheitert sein, ihre Zweierbeziehung "triadisch zu öffnen", d.h. stabile Beziehungen von 3 Menschen untereinander aufzubauen. Daran scheitern nicht wenige Beziehungen - nur i.d.R. bleibt dann ein Elternteil mit dem Kind allein.

Aber woran immer es liegt, dass du dich nicht geliebt gefühlt hast und fühlst von ihnen: DAS ist das Wesentliche für dich, denke ich. Vielleicht wird es irgendwann mal wichtig für dich zu verstehen, WARUM das so war, aber ich halte das für den zweiten Schritt (und da kann die Frage interessant sein, wie das Verhältnis deiner Eltern zu ihren Eltern jeweils war, ob sie eine stabile Bindung hatten - oder was dazu geführt haben kann, dass sie die Stabilität ihrer Paarbeziehung keinesfalls irgendwie gefährden wollten/ konnten, nicht einmal zugunsten eines gemeinsamen Kindes).

Doch- eine Sache ist wichtig: Dass deine Eltern dir ihre Liebe nicht zeigen konnten, lag mit Sicherheit NICHT daran, dass du nicht liebenswert gewesen wärst oder bist. Sondern daran, dass deine Eltern keine andere Möglichkeit hatten (subjektiv empfunden) anders mit dir und der Situation umzugehen. Es lag nicht an dir. Nicht daran, wie du warst oder nicht warst.

Hier kommen ein paar rhetorische Fragen (die du nichthier beantworten sollst/ brauchst...) als Beispiele dafür, was ich für wichtige Fragen (als ersten Schritt) halte (wie gesagt, die Frage WARUM? kommt in meinen Augen erst danach irgendwann. Wenn überhaupt).

Was hast du für Erinnerungen, was für Situationen gab es, in denen du dich nicht geliebt gefühlt hast? Wie hat sich das angefühlt für dich als Kind?
Wie hast du dir das als Kind/ Jugendliche erklärt? Was hast du für Schlussfolgerungen gezogen? Was hast du für Strategien entwickelt, um damit umzugehen?
Wie haben dich diese Gedanken und Strategien beeinflusst, auch noch als Erwachsene?

Um sich solchen und ähnlichen Fragen zu nähern, kann eine Therapie sehr hilfreich, oft notwendig sein. Aber es lohnt sich .

Rosenfüchsin

P.S.: Übrigens ist der Aufbau einer stabilen Bindung und verlässlichen Beziehung zwischen Mutter (Elternteil/ Bezugsperson) und Kind unabhängig vom Stillen. Stillen kann den Prozess erleichtern, muss aber nicht (nicht jede Stillbeziehung ist harmonisch) - und flaschengefütterte Kinder haben deswegen keine schlechtere Chance auf eine stabile Bindung.
Ich habe in meinem Job Mütter gesehen, die haben ihr Kind quasi ausschließlich gestillt (über Monate) - aber nie Blickkontakt zu ihm gesucht, nicht mit ihm geredet oder es anders als durch Stillen getröstet. Auf diese Art kann das Kind keine stabile Bindung aufbauen und sich nicht gesund entwickeln. Gleiches kann man natürlich auch mit Flaschennahrung machen (wobei die Flasche nicht ganz so schnell zur Hand ist, wie frau eine Brust rausholen kann) - ich will nur sagen: die Form der Nahrungsaufnahme sagt erstmal noch nichts über die Qualität der Bindung (oder die Entwicklung dieser Bindung) aus.
Wir alle brauchen die Liebe am meisten, wenn wir uns fühlen, als hätten wir sie gerade gar nicht verdient.
"the ones who are hardest to love, probably need it the most" -Dan Millman

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Beitrag Do., 23.10.2014, 08:15

So, dann erzählen wir mal ein bisschen:)

Also, meine Mutter stammt aus einem gutbürgerlichen, intakten Elternhaus und wuchs mit mehreren Geschwistern auf. Sie war ein braves Vorzeigekind mit Bestnoten, auf das die Mutter sehr stolz war. Durch ihre Strebsamkeit verschaffte sie sich gewisse Vorteile (Kleider, Schminke, Geld fürs Kino), die ihrer Schwester aufgrund ihrer Aufsässigkeit versagt blieben. Ich versuchte das auch, aber bei mir funktionierte es leider nicht.

Ganz anders lagen die Dinge bei meinem Vater. Sein Vater starb bei einem Unfall, als er noch ein Baby war und so wuchs er mit seinem 12 Jahre älteren Bruder bei der alleinerziehenden Mutter auf. Er war ein Problemkind von der Art, wie man es heutzutage zu den "Strengsten Eltern der Welt" schickt, trieb sich mit 15 in dunklen Kneipen mit Kriminellen und Zuhältern herum und kam nächtelang nicht heim. Die Mutter musste viel arbeiten, um sich und die Kinder durchzubringen und so war er die meiste Zeit auf sich allein gestellt. Sein Bruder war der stets bevorzugte Liebling der Mutter. Dann lernte er meine Mutter kennen und wurde sozusagen über Nacht "zahm".

Wann ich mich geliebt fühlte? Hm, als Kind wusste ich nicht, wie sich Liebe anfühlt, so kann ich nur mutmaßen. Jedenfalls war ich glücklich, wenn ich mit meiner Mutter allein war, denn dann beachtete sie mich endlich. Oder wenn ich mit meinem Vater allein war und am Auto rumschraubte in der Garage. Ich wollte nur eins: möglichst schnell erwachsen werden, um einen Mann zu finden, damit ich auch endlich für jemanden wichtig würde (ich wollte wie meine Mutter Sonne, Mond und Sterne für einen Mann sein, die Person, um das sich sein ganzes Universum dreht). So fing ich schon sehr früh mit Männergeschichten an, damals immer mit sehr viel älteren Männern...


montagne
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Beitrag Fr., 24.10.2014, 14:01

Ich würde es eher so Ausdrücken: Fast alle Eltern lieben ihre Kinder. Aber bei nicht wenigen reicht diese Liebe nicht aus, um die (vor allem innerseelischen) Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die aus dem Weg geräumt werden müssen, damit das Kind die Liebe auch spüren kann.
Du sagst es selbst, Dosenöffner. Deine Eltern waren symbiotisch miteinander. Du hattest dort keinen Platz, eine Triangulierung gab es nicht. Es ist aber eben eine wichtige Aufgabe von jungen Eltern, aus der Dyade eine Triade zu machen. Idealerweise müsste man davor schon der Dyade entwachsen sein und BEIDES können, Zweisammkeit und Dreisamkeit. Wer das vorher nicht hatte und ich denke das sind nicht wenige, hat schon mal eine große Hürde zu überwinden. Manchen gelingt es, anderen nicht.

Ich frage mich das auch manchmal, warum manche Eltern sehr viele Hürden überwinden und andere kaum welche oder gar Rückschritte in ihrer eigenen Entwicklung zu machen scheinen. Ich denke da spielen sehr sehr viele Faktoren eine Rolle. Manche mögen nebensächlich sein, sind es aber wohl nicht. Ändern kann man ja eh nichts daran. Wichtig finde ich irgendwann auf sich zu gucken, wie man die dadurch entstandenen eigenen Hürden überwinden kann, um diese Defizite nicht oder wneiger stark weiterzutragen und um einfach glücklicher zu sein, als die Eltern es waren. (Ich kann mir nicht vorstellen, bzw. kenne so manche zerbrochene Eltern-Kind-beziehungen, dass Eltern mit sich und ihrem Leben wirklich zufrieden sind, glücklich sind, wenn das Verhältnis zu den Kindern nie wirklich gut war.
amor fati

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