Psychisch kranke Tochter

In diesem Forumsbereich können Sie sich über Schwierigkeiten austauschen, die Sie als Angehörige(r) oder Freund(in) von psychisch Erkrankten bzw. leidenden Personen konfrontiert sind.
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Jumime
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Psychisch kranke Tochter

Beitrag Di., 24.06.2025, 22:33

Hallo zusammen,
auf der Suche nach Austausch bin ich hier gelandet und möchte mich kurz vorstellen.
Ich habe vier Kinder, bin geschieden und meine älteste Tochter (23) ist psychisch krank. Außer, dass sie im Autismusspektrum ist, hat sie eine Zwangserkrankung, eine Essstörung, verletzt sich regelmäßig selbst und ist immer wieder (so auch im Moment) suizidal.
Oft bin ich einfach hilflos und traurig, dass es ihr so schlecht geht und natürlich habe ich auch Angst um sie. Ihre Geschwister erleben vieles mit und auch deswegen mache ich mir Sorgen. Meine jüngste Tochter ist 15 und ich frage mich schon, was das alles mit ihr macht.
Ich wäre sehr dankbar, wenn sich hier Austausch und Kontakt ergibt. Zwar habe ich liebe Freundinnen und auch Familie. Aber so richtig nachfühlen können sie meine Situation logischerweise nicht.
Freue mich also über Antworten.
Liebe Grüße, Andrea

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Weltengänger
Helferlein
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Beitrag Mi., 25.06.2025, 08:47

Jumime hat geschrieben: Di., 24.06.2025, 22:33 Freue mich also über Antworten.
Liebe Andrea,

wenn wir in diese Welt gesetzt werden, sehe ich es so, dass die Umstände aus höherer Sicht keine zufälligen sind. Sie können als Herausforderungen gesehen werden. Was sagen denn aus eigener Sicht die anderen Geschwister und insbesondere die jüngste Tochter zu ihrer Position und ihrem Verhältnis zur ältesten?

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Louna
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Beitrag Mi., 25.06.2025, 10:44

Hallo Jumime,

ist Deine Tochter in ambulanter Therapie? Das wäre sicher hilfreich für sie und für Euch alle Anderen würde ich auch dazu raten. Bei mir in der Umgebung gibt es ambulante Therapien wo Jugendliche / Heranwachsende eine Einzeltherapie machen und aber die gesamte Familie in Gruppengesprächen (nur für die Familie) sich therapeutisch begleiten lassen können. Da könnten dann Deine anderen Kinder auch zu Wort kommen. Vielleicht gibt es so etwas auch bei Euch?

Ich war auch mal in der Lage Deiner ältesten Tochter, meine jüngere Schwester hat keine psychischen Beeinträchtigungen davon getragen, fühlte sich aber sehr wohl vernachlässigt.

Wenn Deine Tochter suizidal ist, wäre es die erste Ansprechpartnerin eine Psychiaterin. Auch ein stationärer Aufenthalt in Akutstation kann helfen, das schlimmste abzufangen.
Ich war so oft in der Psychiatrie stationär dass ich das gar nicht mehr zählen kann. Das kann wirklich helfen um in einer akuten Krise raus zu kommen. Nicht alles stationäre ist schlecht. (schlechte Schafe gibt es überall).
Wenn Du Angst um sie hast, wird da kein Weg vorbei führen. Vielleicht wird sie dich hassen für eine zeitlang oder nicht mit Dir reden, aber sie wird weiter leben.
Danach wäre wirklich ambulant oder eine langfristige psychosomatische Station etwas Gutes, wo viel aufgearbeitet werden kann.

Wenn sie allerdings alles ablehnt, kannst Du nichts tun. Sie ist erwachsen. Das ist schlimm. Aber bei akuter Selbst und Fremdgefährdung kannst Du jederzeit den Notdienst rufen, der sie einweist.


Waldschratin
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Beitrag Mi., 25.06.2025, 14:23

Hallo Jumime,
erstmal herzlich willkommen hier und einen guten Austausch wünsche ich dir!

Was mir noch eingefallen ist : Du kannst dir auch vor Ort noch Unterstützung organisieren, z.B. Kontakt zum SPDI (Sozialpsychiatrischer Dienst) aufnehmen. Klingt schlimmer, als es tatsächlich im Alltag abläuft. Da kann man ohne große Beantragung etc. Gespräche vereinbaren, auch mal regelmäßig, und die kennen normalerweise die besten Anlaufstellen für dich/euch in eurer Stadt/eurem Bezirk.

Je nach Stadt und Bezirk gibt es meist einige Alltagsentlastungen, an die man im ersten Moment gar nicht denkt.
Ich z.B. bekomme über den Bezirk Rollitransport ausschließlich für private Unternehmungen (Teilhabe am sozialen Leben) aufgrund Depressionen und Traumafolgestörungen.

Der SPDI begleitet und berät einen aber auch in allen sonstigen Lebenslagen und zwar auch Angehörige und Familien etc.

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lisbeth
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Beitrag Mi., 25.06.2025, 15:01

Jumime hat geschrieben: Di., 24.06.2025, 22:33 meine älteste Tochter (23) ist psychisch krank. Außer, dass sie im Autismusspektrum ist, hat sie eine Zwangserkrankung, eine Essstörung, verletzt sich regelmäßig selbst und ist immer wieder (so auch im Moment) suizidal.
Ist deine Tochter in Behandlung? Und kennen sich die Behandler mit Autismus (auch bei Frauen) aus? Oder wird sie von Therapeuten/innen, die sich null auskennen mit Standard-Therapie-Rezepten "gequält" und muss sich dann die Vorwürfe anhören, dass bei ihr ja nichts helfen würde? Vorsicht bei Medikamenten, die können bei Neurodivergenz oft paradox wirken, oder extrem stark (dann Dosierung entsprechend nach unten anpassen).

Was nach außen wie "Zwang" oder "Essstörung" aussieht, kann bei Autisten oft auch der Versuch sein, ein völlig überreiztes und überstimuliertes Nervensystem zu beruhigen. Da kommt man mit 'normalen' VT-Methoden oft nicht weiter, im Gegenteil, das kann die Probleme dann noch verstärken, weil das Verhalten, das eigentlich zur Beruhigung dient, als unerwünscht gelabelt wird und so noch eine stabilisierende Coping-Strategie wegfällt.

Ich habe selbst eine ASS (spät diagnostiziert, mit Ü50) und gerade das hat mich in der Vergangenheit in den Therapien zur Verzweiflung gebracht, dass mein Bedürfnis nach Struktur und Routine und Wiederholungen als "zwanghaft" gelabelt wurde. Oder meine soziale Zurückgezogenheit (wegen Überreizung) als "generalisierte Angststörung". Die normalen VT-Methoden wie Exposition haben bei mir nicht weitergeholfen, sondern zu einer Verschlimmerung geführt, weil daraus noch mehr Überforderung resultierte. Und ja, die Depressionen inkl. Suizidalität wurden dann auch schlimmer, weil ich das Gefühl hatte, völlig "verkehrt" zu sein und bei mir ja scheinbar keine Therapie wirklich wirksam war.

Was mir am Ende geholfen hat, war besser zu verstehen, wie ich die Welt wahrnehme und mich selbst darin ernstnehmen, inkl. meiner ganz eigenen Bedürfnisse, anstatt mich um jeden Preis an die von außen erwartete "Normalität" angleichen zu wollen (wie es von mir ein Leben lang gefordert worden war). Das sind letztlich individuelle Erkenntnisse aus einem langen Prozess, der auch nie richtig abgeschlossen sein wird.

Was ich dir als Mutter empfehlen kann: Versuche, deine Tochter und ihre Art der Wahrnehmung besser zu verstehen, sie darin ernst zu nehmen und sie darin auch zu unterstützen. Die psychischen Komorbiditäten bei Autismus sind oft ein Zeichen für totale Überforderung, dafür, dass es der autistischen Person in einer Welt, die nur auf neurotypische Menschen ausgerichtet ist, überhaupt nicht gut geht. Finde heraus, was deine Tochter braucht, damit es ihr besser geht. Kann deine Tochter sich mitteilen, wie es ihr geht, was ihr zu viel ist? Braucht sie Unterstützung bei emotionaler Differenzierung? Wie sieht es mit Stimming aus? Das ist für Autisten oft auch wichtig, zur Selbstregulierung, wird aber oft von Angehörigen unterbunden, weil nach außen alles möglichst "normal" wirken soll. Zwang hilft nicht weiter. Zur Ruhe kommen, zu erleben, dass die eigenen Bedürfnisse "ok" sind (solange sie nicht sie selbst oder andere gefährden). Und vor allem: Holt euch Input und Unterstützung von Menschen, die sich mit ASS auskennen, die vielleicht auch selbst betroffen sind.
Alles Gute für euch!
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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münchnerkindl
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Beitrag Fr., 27.06.2025, 10:47

Jumime hat geschrieben: Di., 24.06.2025, 22:33Außer, dass sie im Autismusspektrum ist, hat sie eine Zwangserkrankung, eine Essstörung, verletzt sich regelmäßig selbst und ist immer wieder (so auch im Moment) suizidal.


Wenn deine Tochter Autistin ist hat sie nicht zusätzlich die Zwänge, die Essprobleme und das SVV. Zwänge und Zwänge rund ums Essen sind integraler Teil des Autismus und deswegen keine zusätzliche Erkrankung.

SVV kann darauf hinweisen dass sie mit ihren Umweltbedingungen überfordert ist und das ein Ventil ist.

Ich würde mich unbedingt nur an Fachpersonal wenden das speziell für die Behandlung von Autisten geschult ist. Das normale "psycho-Gesundheitssystem" könnte für einen Autisten die Probleme schlimmer machen statt besser.

Sie ist 23. Evtl wäre es besser wenn sie mal für eine Weile in ein betreutes Wohnen für junge Autisten zieht sodass du da auch mal etwas Abstand bekommen kannst?

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HonigImKopf
Helferlein
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Beiträge: 42

Beitrag So., 10.08.2025, 15:59

Hallo Jumime,
es ist sehr wertvoll, dass Du Deine Ängste mit uns diskutierst. Wir nehmen uns Deiner Belastungen mit aller Ernsthaftigkeit an, so gut das hier möglich ist.

Neben der medikativen und behandlungsbasierten Unterstützung kann es sich ergänzend anbieten, dass Dir Deine Tochter eine General- und Vorsorgevollmacht mit Patientenverfügung erstellt - vorausgesetzt wenn Deine Tochter das will und zu Dir entsprechendes Vertrauen hat.
Mit dieser Art von Vollmacht vermeidest Du, dass eines Tages Ämter, Krankenhäuser und Ärzte etc. über Deinen Kopf hinweg Dinge wie zum Beispiel Versorgung mit Medikamenten und Nahrung, Regelung persönlicher Angelegenheiten und Unterbringung für Deine Tochter entscheiden. Kraft dieser Urkunde kannst Du also direkt mit Ämtern, Behörden, Ärzten, Krankenhäusern etc. im Interesse Deiner Tochter handeln. Bei Bankvollmachten haben die Banken meist eigene Vollmachten, sodass die amtliche Vollmacht des Notars dort leider nicht funktioniert.
Das nur als Hinweis, falls Dir Deine Tochter eine Bankvollmacht erteilen will.

Oftmals lassen sich solche Vollmachten durch Vordrucke bei der Stadt- oder Kreisverwaltung erstellen. Das jeweilige Amt ist jedoch nicht für die Verwahrung des Originals zuständig. Das obliegt entweder Deiner Tochter oder Dir. Wenn das Original irgendwann mal nicht auffindbar ist, gibt es logischer Weise auch keine Vollmacht.

Empfehlenswerter wäre aus diesem Grund die Errichtung einer notariellen Vollmacht, weil das entsprechende Original der Urkunde beim Notar verwahrt wird. Du erhältst nach Beurkundung eine Ausfertigung, welche das Original der Urkunde im Rechtsverkehr ersetzt. Deine Tochter erhält eine Kopie bzw. Abschrift oder beglaubigte Abschrift. Achte bei der Vorbereitung einer solchen Urkunde bitte unbedingt darauf, dass der Notar Dir unbegrenzt viele Ausfertigungen aushändigen darf. Fehlt dieser Zusatz und hast Du Deine Ausfertigung nicht mehr, ist eine Erteilung weiterer Ausfertigungen durch den Notar bedauerlicher Weise nicht möglich.

Die notarielle General- und Vorsorgevollmacht wird empfohlener Weise darüber hinaus beim Zentralen Vorsorgeregister registriert. Das ist eine behördliche Institution die für ganz Deutschland gilt:

Infos finden sich hier:
https://justiz.de/onlinedienste/bundesn ... /index.php

und auch hier:
https://www.vorsorgeregister.de

Bei entsprechenden Bedarf darum bitte nicht "einfach mal eben schnell irgendwas" aufsetzen, sondern juristische Unterstützung in Anspruch nehmen.
Kein Mensch ist 100% gesund: Wir sind alle untertherapiert ;)
> Persönliche Meinungen werden mit Rücksicht auf das öffentliche Forum nur über PN diskutiert. <

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