Suizidal und depressiv. Wie lange geht das gut?

In diesem Forumsbereich können Sie sich über Schwierigkeiten austauschen, die Sie als Angehörige(r) oder Freund(in) von psychisch Erkrankten bzw. leidenden Personen konfrontiert sind.
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Krang2
[nicht mehr wegzudenken]
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weiblich/female, 40
Beiträge: 1691

Beitrag Di., 09.08.2016, 22:42

Hallo,

ich sehe es auch so wie du, daß man Depressive (ähnlich wie Alkoholiker) nicht zu ihrem (Lebens-)glück zwingen kann, sondern eben nur eine Laientherapie anbieten kann. Das ist meine Erfahrung mit Verwandten, Freunden und vom Hörensagen.
Um dich selbst zu schützen, kannst du dir einmal ganz bewußt vor Augen führen und aufschreiben, was dich zum Weiterleben ermuntert, was du für dich Lebenswertes siehst. Diese Argumentationsliste kannst du dir dann jederzeit durchlesen. Vielleicht kannst du mit deinen Freunden auch bewußt üben, in einer sehr negativ empfundenen Situation etwas Positives zu entdecken, das ist anfangs ungewohnt und ungefähr so, wie wenn man sich zwingt, einen fetten, schlaffen, untrainierten Körper langsam wieder in Form zu bringen, aber es stellen sich rasch Erfolge ein. Lade die Betroffenen ein, mit dir rauszugehen, Sport zu treiben (gesünder als Medis und mindestens genauso wirksam), wenn sich sich in einem dunklen Zimmer verschließen, und wenn es nur für eine halbe Stunde am Tag ist, oder erledige etwas Sinnvolles mit ihnen zusammen (was dir vielleicht auch ermöglicht, etwas zu erledigen, z.B. ein Gang zur Bank, zum Laden o.ä.). Versuche in Gesprächen über die Probleme immer wieder danach zu fragen, wie die Vorstellungen von einem positiveren Leben aussehen, welche davon wie zu verwirklichen wären, und dann läßt sich daraus in kleinen Schritten etwas planen. Damit brecht ihr aus dem Gedankenkarussell aus.
Mitleid ist wichtig, aber damit allein ist keinem geholfen, zuviel davon verstärkt teilweise sogar noch das Gefühl von Ohnmacht und Schwäche und Selbstmitleid bei den Betroffenen. Gib deinen Freunden das Gefühl, daß ihr Wille der Schlüssel zu dem ist, was sie sind und werden können (natürlich nur bezogen auf die Anteile ihrer selbst und der Umwelt, die sie aktiv beeinflussen können, doch das ist mehr, als sie denken).
Ich habe auch das Problem, daß ich fast nur von problematischen Persönlichkeiten umgeben bin, da mich "normale" Menschen nicht akzeptieren bzw. vorschnell als unpassend aburteilen. Zerrissen und orientierungslos fühle ich mich auch oft. Vielleicht magst du depressive Menschen, weil sie interessanter wirken? Ich unterhalte mich gern mit ihnen, weil sie in vielen Situationen tiefgründiger, offener und authentischer sind. Die "Normalen", das sind die, die wie erwartbar funktionieren, die das sagen und tun, was die Gesellschaft von ihnen erwartet. Kürzlich mußte ich mir von solchen Leuten anhören, daß es kein passendes Gesprächsthema fürs Mittagessen sei, wie man einmal sterben wolle oder wie man glaubt einmal sterben zu müssen. Die "Normalen" haben Angst, insofern stimmt es tatsächlich, daß sie Verdrängungskünstler sind. Sie haben Angst, in den Abgrund zu stürzen, wenn sie zu tief hineinschauen. Die Depressiven denken, daß sie nicht wieder herauskommen, aber das stimmt genauso wenig.

Ach so, noch ein Erfahrungswert: Zum Jugendamt oder überhaupt zu staatlichen Stellen zu ehrlich und vertrauensvoll zu sein ist schon für so manchen zum Bumerang geworden und hat aus einer schwierigen Situation ein Drama gemacht. Man ist dem Mitarbeiter aus Gedeih und Verderb ausgeliefert, und woher willst du wissen, daß es kein Paragraphenreiter ist, oder jemand, dessen Wertvorstellungen von deinen um Lichtjahre abweichen? Wenn schon Beratung, dann anonym, unverbindlich oder zumindest über einen Mittelsmann, den man vorschickt.

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