Wie authentisch/offen/ehrlich dürfen Psychotherapeuten sein?

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Latoui
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Beitrag Sa., 13.07.2019, 08:01

Stimme Stern bei allem zu. In der Regel sind Therapien auch recht kurz in der Dauer angesetzt, so dass ein Therapeut nicht wirklich gut wissen kann, ob der Satz passt.

Ist der Satz beispielsweise für einen Workaholic sinnvoll, wenn er in Therapie erfährt, dass auch ein Therapeut über seine Grenzen hinaus arbeitet? Oder für einen Arbeitssuchenden? Damit seine Scham wieder aufflammt?
Es wäre einzig ein solidarisches sich Unterhakeln, "was sind wir für selbstlose, gute Menschen", wir sollten egoistischer sein, wir beide.
Ansonsten? Wo ist der Lerneffekt, verstehe ich nicht.

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Anna-Luisa
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Beitrag Sa., 13.07.2019, 08:05

Jenny Doe hat geschrieben: Sa., 13.07.2019, 07:50 Es ist unprofessionell für DICH. Für andere nicht. Ich habe oben beschrieben wie ich genau das als hilfreich erlebte.

Vielleicht wäre jetzt mal ein guter Zeitpunkt um zu sagen "Jedem das, was ihm hilft"
Und was ist, wenn eine Patientin sagt, ihr Therapeut hat ihr sehr geholfen, da er ihren Wunsch nach sexueller Nähe erfüllt hat?
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stern
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Beitrag Sa., 13.07.2019, 08:11

Latoui hat geschrieben: Sa., 13.07.2019, 08:01 In der Regel sind Therapien auch recht kurz in der Dauer angesetzt, so dass ein Therapeut nicht wirklich gut wissen kann, ob der Satz passt.
Und egal ob es angeblich passt oder nicht: Das schützt den Therapeuten/Arzt auch nicht unbedingt vor Haftungsansprüchen, wenn jemand die Regeln der ärztlichen oder psychotherapeutischen Kunst über Bord geworfen hat.

Es ist oft so, dass Patienten (aufgrund der abhängigen Position oder störungsbedingten Variablen) nicht sofort erkennen, dass etwas sehr wohl schädlich war, das zunächst "verteidigt" wurde (oder in der Medizin kann es auch Spätfolgen geben, also etwas, das sich nicht sofort abzeichnet).

Regeln der ärztlichen und psychotherapeutischen Kunst, gibt es jedenfalls nicht zum Spaß. Es ist (wie schon geschrieben wurde) nur statthaft Therapien lege artis anzubieten... ansonsten Haftung. Schon allein deswegen werden die wenigsten davon abweichen. Was evtl. sogar als grob fahrlässig oder vorsätzlich auszulegen wäre, wennn man voll-bewusst medizinische oder therapeutischen Standards missachtet - mit noch gravierenden Folgen für den Behandler.
Zuletzt geändert von stern am Sa., 13.07.2019, 08:17, insgesamt 3-mal geändert.
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Anna-Luisa
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Beitrag Sa., 13.07.2019, 08:11

Pianolullaby hat geschrieben: Fr., 12.07.2019, 22:10 Ich frage mich, was genau Dir diese Antworten geben?
Was erwartest Du Dir denn von diesen Antworten,
bzw.was bringt es Dir? bzw. hat das Deine Therapeutin gesagt oder woher hast Du diese Sätze`?
Ich frage lediglich aus Interesse. Angeregt durch zahlreiche Threads in denen dringend nach Offenheit/Ehrlichkeit und Authentizität des Therapeuten verlangt wird.

Nein, meine Therapeutin hat solche Sätze nicht verwendet. Ich habe sie gewählt, um zu verdeutlichen, dass absolute Offenheit (...) von seiten des Therapeuten nicht möglich sein sollte.

Und was gibt es dir, mich danach zu fragen?
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Jenny Doe
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Beitrag Sa., 13.07.2019, 08:13

Und was ist, wenn eine Patientin sagt, ihr Therapeut hat ihr sehr geholfen, da er ihren Wunsch nach sexueller Nähe erfüllt hat?
Dann ist das für den denjenigen so. Nicht alles was von unserer Gesellschaft als "Trauma" usw. definiert wird, wird auch von jedem als Trauma erlebt. Es gibt Menschen, die mit Ereignissen klarkommen oder gar als hilfreich erleben, an denen andere zerbrechen.
Das heißt nicht!!!, dass das Verhalten des Therapeuten korrekt war.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Anna-Luisa
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Beitrag Sa., 13.07.2019, 08:18

Jenny Doe hat geschrieben: Sa., 13.07.2019, 08:13
Und was ist, wenn eine Patientin sagt, ihr Therapeut hat ihr sehr geholfen, da er ihren Wunsch nach sexueller Nähe erfüllt hat?
Dann ist das für den denjenigen so. Nicht alles was von unserer Gesellschaft als "Trauma" usw. definiert wird, wird auch von jedem als Trauma erlebt. Es gibt Menschen, die mit Ereignissen klarkommen oder gar als hilfreich erleben, an denen andere zerbrechen.
Das heißt nicht!!!, dass das Verhalten des Therapeuten korrekt war.
Und was, wenn die Patientin mit Verspätung begreift, dass sie vom dem Therapeuten missbraucht wurde, da es ihm keineswegs um sie ging?
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Jenny Doe
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Beitrag Sa., 13.07.2019, 08:21

Und was, wenn die Patientin mit Verspätung begreift, dass sie vom dem Therapeuten missbraucht wurde, da es ihm keineswegs um sie ging?
Dann beginnen das Leid und die Verarbeitung des Ereignisses und ggf. auch das Gerichtsverfahren entsprechend später.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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stern
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Beitrag Sa., 13.07.2019, 08:26

Das untersagt man nicht wegen 2 oder 3 denen das angeblich nichts anhat, sondern wegen 98, von den es Erfahrungswerte gibt, welche Schäden daraus erwachsen können.

Oder soll man auch sagen: Chirurgen müssen Bestecke nicht mehr desinfizieren, denn es schadet doch nicht jedem. Bei 2 Leuten konnte sogar die Immunabwehr mithilfe von infiziertem Besteck verbessert werden. Nee, geht nicht. Es geht um die 98, die vor Infektionen zu schützen sind... soweit, dass es möglichst gar nicht erst zu einer Infektion kommt.
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Beitrag Sa., 13.07.2019, 08:31

Jenny Doe hat geschrieben: Sa., 13.07.2019, 08:21
Und was, wenn die Patientin mit Verspätung begreift, dass sie vom dem Therapeuten missbraucht wurde, da es ihm keineswegs um sie ging?
Dann beginnen das Leid und die Verarbeitung des Ereignisses und ggf. auch das Gerichtsverfahren entsprechend später.
Da ja noch immer von professionellem Empfinden die Rede ist: Findest du es richtig, dass Kinder die zu Hause regelmäßig verprügelt werden, aus der Familie geholt werden? Die Kinder wollen diesen professionellen Eingriff oft nicht. Vertrimmt zu werden, finden Sie oft weniger schlimm, als die Aussicht von ihren Eltern getrennt zu werden. Viele finden das Handeln ihrer Eltern auch nicht als übergriffig (unprofessionell). Sie werden ja nur erzogen, und Mama und Papa wissen was sie tun.

Aber es würde nicht erst eine in Obhutnahme stattfinden, wenn das Kind sagt:"JETZT leide ich erst und brauche Hilfe. ...."
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Beitrag Sa., 13.07.2019, 08:33

Das ist interessantes Thread. Hier wird ein beliebiges Missbrauchsszenario aufgestellt und dann werden die Teilnehmer der Diskussion, welche das Bild einer vollkommen sterilen Therapie nicht immer als hilfreich betrachten, wie vor einem Gericht befragt. Und die Missbrauchsszenarien schaukeln sich hoch bis Unendliche.

Es gibt auch stabilere Patienten, welche den einen oder anderen Spruch problemlos vertragen. In meiner Welt würde das ein guter Therapeut nicht pauschal an alle Patienten anwenden, sondern auch schauen, wer vielleicht lockerer ist und wer kränkbar ist. Das ist schon bemerkbar nach Erfahrungen der vergangenen Gesprächen mit dem Menschen, welcher Mensch da so welche Neigung hat. Das kann sogar ich manchmal erkennen und bin keine Therapeutin.
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Anna-Luisa
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Beitrag Sa., 13.07.2019, 08:39

Was ist denn eine "sterile Therapie"?
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Beitrag Sa., 13.07.2019, 08:41

Wie gesagt: Die Fragestellung war eine offene.

Man kann nicht in Leute hineinsehen... Therapeuten sind keine Hellseher, was im Einzelfall verkraftet wird. Daher gibt es auch Grenzen, die extern und allgemeingültigen gesetzt werden, was statthaft ist.

Es geht in einer Therapie auch nicht darum, ob untherapeutische Äußerungen oder noch schwerwiegende Äußerungen oder Taten eines Therapeuten "problemlos vertragen" werden, sondern um den Lerneffekt aus therapeutischen Interventionen. Und viel nehme ich nicht mit, wenn mir jemand Privatkram erzählt, der keinen Bezug zu meinen therapeutischen Themen hat. Genau genommen: nichts. Oder noch ärger: Meine Zeit wird dafür missbraucht.

Und ich würde es bei jedem Dienstleister respektlos und unseriös finden, mit Worten wie "jetzt kommen auch noch Sie" begrüßt zu werden.
Zuletzt geändert von stern am Sa., 13.07.2019, 08:47, insgesamt 2-mal geändert.
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Beitrag Sa., 13.07.2019, 08:41

Anna-Luisa hat geschrieben: Sa., 13.07.2019, 08:39 Was ist denn eine "sterile Therapie"?
Eine, wo der Therapeut als Mensch gar nicht vorkommen darf, um dass da bei dem Patienten aus Versehen nicht etwas Empfindliches berührt wird.
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Beitrag Sa., 13.07.2019, 08:43

Für mich kommt es sehr darauf an, WIE und in welchem Zusammenhang ein Therapeut etwas tut oder sagt.

Und ich bin wie Stern der Meinung, dass ein Patient in einem nicht-missbräuchlichen Umfeld lernen sollte, sich zu schützen. Alles andere ist für mich eine Verdrehung und Verharmlosung einer schlimmen und folgenreichen Straftat!

Auch ich bin durch die Missbrauchserfahrungen in der Therapie zu dem (starken und klaren) Menschen geworden, der ich heute bin. Wie es Jenny Doe auch von sich schreibt. Dennoch sehe ich die Verantwortung voll beim Therapeuten, denn ich war in der Situation nicht in der Lage, mich zu schützen. Und genau deshalb sollte ich mich anvertrauen und öffnen können, ohne dass es ausgenutzt wird. Denn bei aller guten Entwicklung: Der Preis, den ich durch diesen sexuellen Missbrauch in der Therapie bezahlt habe, war sehr hoch - und ich denke, das ist bei allen Betroffenen so.

Dennoch: Wenn es nicht um diese krassen Dinge geht, bin ich eher jemand, der ehrliche Worte eines Therapeuten schätzt. In einem angemessenen Ton natürlich. Ich würde inzwischen sofort bremsen, wenn der Therapeut sein Privatleben ausbreiten würde oder ich das Gefühl hätte, er macht mich für seinen späten Feierabend verantwortlich. Aber es gibt auch Sätze, die meinen Therapeuten für mich nahbar und menschlich machen - und das darf für mich auch sein.

Ich glaube auch, dass jeder seine Grenze im Empfinden woanders hat. Dennoch gibt es für mich "Übertretungen", die eindeutig sind und bei denen ein Patient aus der Verantwortung genommen werden sollte. Weil er manches eben NOCH NICHT KANN und genau deshalb in einer Therapie GESCHÜTZT und unmanipuliert (!!) lernen soll. Klar kann man sagen, der Missbrauch war fürs Lernen "gut", aber dann heißt das gleichzeitig, man hätte es ohne den Missbrauch nicht gelernt??? Ich für mich sage da: Vorsicht, dünnes Eis. Jedem Therapeuten ist völlig klar, was er da tut. Und wenn diese Vorgehensweise für ihn "authentisch" ist und dazu gehört, dann gehört er "authentisch" und umgehend zur Rechenschaft gezogen.

Hier im Thread geht es aber ja eher um Aussagen und darum, wie ehrlich und offen Therapeuten sein dürfen. Für mich kommt es auf die Situation an. Mein Therapeut ist sehr authentisch, was aber dennoch nicht heißt, dass er viel Privates erzählt oder ich ständig seine Stimmungen zu spüren bekomme. Aber er weist mich zum Beispiel ehrlich darauf hin, wenn ihn etwas ärgert oder ich seiner Meinung nach selbst nicht authentisch bin. Und das finde ich gut und für die Therapie und meine Entwicklung sehr hilfreich.

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stern
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Beitrag Sa., 13.07.2019, 08:45

Ein Therapeut ist IMMER auch Mensch (was sonst?), aber einer der in seiner therapeutischen Funktion professionell sein zu hat... und die Regel der therapeutischen Kunst zu beachten hat.

Innerhalb DIESES Rahmens ist es sogar erwünscht, dass Empfindliches berührt wird - unerwünscht sind untherapeutische Bemerkungen.
Zuletzt geändert von stern am Sa., 13.07.2019, 08:49, insgesamt 2-mal geändert.
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