Austausch mit chronisch Suizidalen
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Broken Wing
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Ach ja, mit den verschiedenen Therapierichtungen und deren Erklärungen braucht man sich gar nicht zu befassen. Die Psychiatrie betrachtet die Suizidalität nun mal als Symptom einer Krankheit/Störung. Aus dem ICD-10 kenne ich jedenfalls keine chronische Suizidalität als eigenständige Störung.
Ein Symptom ist nun mal etwas anderes als eine Krankheit/Störung.
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Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]
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Broken Wing
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Zur Kompetenz: Klingt jetzt vielleicht etwas oberflächlich, aber so viel braucht man in der Psychiatrie nicht zu wissen. Im Grunde könnte ich auch als Psychiater arbeiten.
Hat jemand auch gemacht, der Gert Postl. Und das gar nicht so schlecht.
Ein DDR. hat gegenüber einem Dr. in der Psychiatrie Vorrang, während in der Mathematik auch ein Teenager ernstgenommen werden kann.
Hat jemand auch gemacht, der Gert Postl. Und das gar nicht so schlecht.
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Broken Wing hat geschrieben:Dennoch sind bei mir nicht ständig Suizidgedanken da.
Zwischen "ständig" und "chronisch" besteht, nicht nur, wenn es um Suizidalität geht, ein Unterschied.
Ich habe auch nicht "ständig" Suizidgedanken (und kenne keinen chronisch Suizidalen, der sie "ständig" und das dann noch über Jahrzehnte hin hätte).
Broken Wing hat geschrieben:Von denen muss man sich befreien.
Das sehe ich mittlerweile anders: Warum soll ich etwas anstreben, das ich jahrzehntelang versucht habe, das aber nicht erreichbar ist.
Mir geht es nunmehr um die Frage: Wie kann ich damit leben und womöglich gar ein bisschen besser leben als bisher?
Und aus genau diesem Grund habe ich diesen Thread eröffnet. - Dass nun auch Du, bw, mit so wohlfeilen "Befreiungstipps" wie 'Therapie; gute Bücher; sinnvolle Beschäftigung' ankommst, irritiert mich ein wenig, gelinde gesagt. Wir waren hier schon auf einem anderen Niveau.
- Wie gesagt: Ich fragte nicht nach Deiner Kompentenz, das hast Du vielleicht überlesen in der Eile? (Warum tat ich das nicht? Weil ich im Kontakt mit Psychiatern gelernt habe, dass das die ärztliche Berufsgruppe zu sein scheint, die noch strunzdümmer sein könnte als die Chirurgen; Ausnahmen bestätigen natürlich auch hier die Regel.)
Ach und eins noch, bw: Ich möchte Dich angesichts Deiner letzten postings bitten, doch nicht alles, was HIER an Differenzierungsarbeit bereits geleistet worden ist und vielleicht noch geleistet werden wird, plattzuwalzen durch Deine Schnellschuss-ICD- und sonstigen psychiatrischen Glossare und Seitenverweise. Danke!
(Wenn ich an psychiatrischen Definitionen interessiert wäre, würde ich sie an Ort und Stelle nachlesen; und wenn ich mit Psychiatern diskutieren wollen würde - als wenn das ginge ... -, würde ich sie aufsuchen.)
(Wenn ich an psychiatrischen Definitionen interessiert wäre, würde ich sie an Ort und Stelle nachlesen; und wenn ich mit Psychiatern diskutieren wollen würde - als wenn das ginge ... -, würde ich sie aufsuchen.)
Zuletzt geändert von Widow am Di., 26.01.2016, 21:38, insgesamt 1-mal geändert.
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ziegenkind
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eins vorweg: ich weiß nicht genau, ob ich chronisch suizidal bin. ich war es mal akut. und davor und dabei und danach, also auch jetzt ist ein im Hintergrund lauerndes Dumpfes. Meist morgens. ein düsteres, Angst durchmischtes Gefühl von schwer und hoffnungslos; eine Stimme im Kopf, die sagt, du kannst nicht, du taugst nicht, du widerst mich an. das ist schon immer, scheint mir. und mir scheint auch, es ist in mich hineingelegt von meiner mutter. zumindest dessen bin ich mir sicher: diese stimme reguliert auch das Verhältnis meiner mutter zu sich selber. meine Phantasie: um sich ihrer zu entledigen, hat meine Mutter diese Stimme in mir ausgelagert.
das fiel mir ein, durch Widows Wort von der Muttermilch mit der Manches kam.
anders als meine Vorschreiberin hilft mir jetzt aber gerade dieses Wissen oder diese Phantasie, dass diese Stimme ein Fremdkörper ist bei dem Versuch mit ihr zu leben. Ich werde diese Stimme nie loswerden - wusste auch meine Therapeutin. Aber ich kann sie verwerfen. nicht gegen sie wüten. ihr schon zuhören. aber ihr mitunter entgegenhalten: du meinst doch gar nicht mich.
das fiel mir ein, durch Widows Wort von der Muttermilch mit der Manches kam.
anders als meine Vorschreiberin hilft mir jetzt aber gerade dieses Wissen oder diese Phantasie, dass diese Stimme ein Fremdkörper ist bei dem Versuch mit ihr zu leben. Ich werde diese Stimme nie loswerden - wusste auch meine Therapeutin. Aber ich kann sie verwerfen. nicht gegen sie wüten. ihr schon zuhören. aber ihr mitunter entgegenhalten: du meinst doch gar nicht mich.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.
Vielleicht sollten wir hier tatsächlich einmal damit beginnen, uns über die Äußerungsformen unserer chronischen Suizidalität auszutauschen ...ziegenkind hat geschrieben: ein im Hintergrund lauerndes Dumpfes. Meist morgens. ein düsteres, Angst durchmischtes Gefühl von schwer und hoffnungslos; eine Stimme im Kopf, die sagt, du kannst nicht, du taugst nicht, du widerst mich an.
Meine sehen ganz anders aus als diese Beschreibung von ziegenkind.
Bei mir äußert sie sich als ein Locken, eine Hoffnung, ein Warmes, ein - Offenes.
Und zwar oft "einfach so". (Beim Erwachen vor dem Wachsein zum Beispiel. Oder beim Joggen. Oder am Schreibtisch. Beim Kaffee. Auf dem Fahrrad. : 'Und jetzt tot! Das wäre so schön. Wie komm ich dahin?')
Und oft auch inmitten solcher Gefühle, wie ziegenkind sie beschrieben hat.
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Broken Wing
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@ Widow: Na gut, ich tu dir den Gefallen. Walze hier nicht alles platt. Betone aber gerne, dass die Unterschiede künstlich sind und mir in der Praxis schon allerhand begegnet ist. Ganz davon abgesehen, dass das DSM und ICD auch nicht gerade miteinander Kompatibel sind. Vermutlich, weil amerikanische Patienten anders ticken als europäische.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]
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ziegenkind
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das ist interessant, Widow.
vielleicht hatte ich das, was du andeutest, ein paar Mal in Gestalt eines wiederkehrenden Traums, in dem es um das Liegenbleiben ging nach viel Mühsal und Kampf. Ich war wortwörtlich auf einem endlosen Weg durch schweres Gelände und bin irgendwann einfach nur liegen geblieben. das war eigentlich ganz wunderbar.
das sind aber fast gestohlene Momente. Meine Fremdkörper-Stimme hat gegen diese Träume fürchterlich gewütet.
vielleicht hatte ich das, was du andeutest, ein paar Mal in Gestalt eines wiederkehrenden Traums, in dem es um das Liegenbleiben ging nach viel Mühsal und Kampf. Ich war wortwörtlich auf einem endlosen Weg durch schweres Gelände und bin irgendwann einfach nur liegen geblieben. das war eigentlich ganz wunderbar.
das sind aber fast gestohlene Momente. Meine Fremdkörper-Stimme hat gegen diese Träume fürchterlich gewütet.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.
wenn ich an den Suizid dann ist da, ähnlich wie bei Widow...
eine Hoffnung auf einen besseren Zustand, Frieden! Erleichterung, Erlösung.
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never know better than the natives. Kofi Annan
Ich habe es immer genau entgegengesetzt erlebt, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob eben genau dieser "Zustand danach" das beschreibt, was Du als vielleicht "offen" beschreibst?Widow hat geschrieben:Vielleicht sollten wir hier tatsächlich einmal damit beginnen, uns über die Äußerungsformen unserer chronischen Suizidalität auszutauschen ...
Für mich waren diese Zeiten extrem qualvoll. Fremdbestimmt. Gefangen. Scheinbar ohne jeden sichtbaren, realistischen, möglichen Ausweg. Ohne jeden Glauben an mich selbst oder meine Fähigkeiten. Kurzum: Mir fehlte in diesen Zeiten jedes Gefühl/jeder Zugang zu meiner "Selbstwirksamkeit" und zu meiner eigenen "Bedeutung".
Mich zu "töten" hätte bedeutet die "Macht über mich zurück zu gewinnen", dass ist das was da mittlerweile - auch in der Therapie - bewusst reflektiert als "persönliche Erkenntnis" rausgekommen ist.
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ziegenkind
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Widow, darf ich fragen, wie das Offene und Warme mit der Muttermilch zusammengeht bei dir, die ich mir immer als vergiftet denke. Aber das kann mein Fehlschluss sein.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.
Vielleicht hast Du dann dieser Stimme (habe ich das jetzt richtig verstanden, ich bin mir da unsicher? Du meinst damit Deine Mutter-in-Dir, das Mutterintrojekt; und nicht Deine eigene Stimme, die gegen diesen Fremdkörper anredet?) Dein Leben zu "verdanken" - das wäre dann doch ganz lustig, denn dann hätte Deine Mutter es Dir doch mehr als nur einmal "geschenkt".ziegenkind hat geschrieben:das sind aber fast gestohlene Momente. Meine Fremdkörper-Stimme hat gegen diese Träume fürchterlich gewütet.
Warum nennst Du das "gestohlene Momente"?
Ich sehe gerade Deine Frage: Ich schrieb ja bereits, dass ich an meine Muttermilch (die ich nie erhalten habe) nicht mehr herankomme. Dass sie vergiftet war, glaub ich allerdings auch (da muss ich gar nicht an meine Schwester denken). Doch "hilft" das alles nichts.
Helfen könnte (mir) aber vielleicht - und hat es bislang wohl auch getan -, dass ich die Tatsache, dass ich vermutlich ursächlich aufgrund dessen, also dieser "Milch", dem Leben wenig bis nichts abgewinnen kann, in etwas Erträgliches umzutransponieren vermag, indem ich den Drang, aus dieser Welt zu verschwinden, mit der positiven Vorstellung von Wärme und Offenheit belege.
Wenn Du nun "soweit" bist, das GESAMTE Konstrukt als "Fremdkörper" und "Gift" für Dich zu identifizieren, dann ist das Deine Variante. Ich denke, die geht nur dann, wenn man von einem anderen Konstrukt gehalten wird. Also wieder etwas Fremdem. Und ich denke, Du hast sowas, ich nicht mehr.
Mittlerweile finde ich das völlig okay und möchte mit Dir und den andern, denen es so geht, nicht mehr tauschen.
@ saffia: Hm. "Frieden", ich weiß nicht. Bei mir ist es mehr so ein - ja halt irgendwie was Offenes.
(Liegt vielleicht daran, dass ich sah, wie der Tod in die Augen des Liebsten einzog. Das werde ich mein Lebtag nicht vergessen. Was da Platz fand, war so vollkommen fremd, ich habe bis heute kein Wort dafür. Und weil es sich allem entzog, was ich kannte und kenne und vorstellbar finde, ist es halt auch nicht "schrecklich". Und der Liebste, der fand's während seiner Annäherung - etwa ein oder zwei Stunden, vielleicht auch weniger - auch nicht "schrecklich".)
Frieden: weil dann das Gequäle aufhört. Ein Ende finden, der Schmerz aufhört, das gezerre, die Einsamkeit. Ja, wir wissen nicht was danach kommt....
Vielleicht ist das der Wunsch/Gedanke nach Frieden der mich immer lockt??
Vielleicht ist das der Wunsch/Gedanke nach Frieden der mich immer lockt??
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ziegenkind
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ja, den wirklich lustigen gedanken von dem doppelten geschenk hatte ich beim schreiben auch.
warum gestohlene momente? gute frage. ich glaube, ich neige mitunter immer noch dazu, mich mit meinem wütenden abwehrkampf gegen die inkorporierte abwertung und den selbstekel zu identifizieren. ist nicht wirklich gut, weiß ich "eigentlich". aber wenn man in dem konstrukt drinsteckt, ist jeder moment, der davon ablenkt, gestohlen, dem kampf entzogen.
bei dir lese ich heraus: man kann dem kampf auch ne lange nase ziehen und ihn ins leere laufen lassen.
vielleicht ist ja auch das ein raum und platz zum leben gebendes konstrukt? die vorstellung, wenn alles zu schraubstock-artig wird, kann ich immer noch einen ausfallschritt zur seite machen?
warum gestohlene momente? gute frage. ich glaube, ich neige mitunter immer noch dazu, mich mit meinem wütenden abwehrkampf gegen die inkorporierte abwertung und den selbstekel zu identifizieren. ist nicht wirklich gut, weiß ich "eigentlich". aber wenn man in dem konstrukt drinsteckt, ist jeder moment, der davon ablenkt, gestohlen, dem kampf entzogen.
bei dir lese ich heraus: man kann dem kampf auch ne lange nase ziehen und ihn ins leere laufen lassen.
vielleicht ist ja auch das ein raum und platz zum leben gebendes konstrukt? die vorstellung, wenn alles zu schraubstock-artig wird, kann ich immer noch einen ausfallschritt zur seite machen?
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.
Ich streiche jetzt mal das in meinem Mund arg moralinsaure "ein raum und platz zum leben gebendes" und hebe hervor:ziegenkind hat geschrieben:bei dir lese ich heraus: man kann dem kampf auch ne lange nase ziehen und ihn ins leere laufen lassen.
vielleicht ist ja auch das ein raum und platz zum leben gebendes konstrukt? die vorstellung, wenn alles zu schraubstock-artig wird, kann ich immer noch einen ausfallschritt zur seite machen?
"Man kann dem Kampf [auch dem gegen die Introjekte] auch ne lange Nase ziehen und ihn ins Leere laufen lassen" - das ist vermutlich das eigentliche Skandalon am Suizid.
Dass da einer hergeht, der allem, buchstäblich allem, eine lange Nase dreht und auch alles Kämpfen und Zappeln und Aushalten und all den Aufwand, der fürs Optimistischsein betrieben werden muss - und niemand wird wohl bestreiten, dass Leben über manche Strecken nichts anderes ist als genau das: ein mühseliges Kämpfen, Zappeln und Aushalten und dass darin ein irrsinniger Aufwand betrieben werden muss, um optimistisch zu bleiben (oder gar erst: es zu werden) -, dass der also all dem eine lange Nase zieht und es ins Leere laufen lässt,
indem er
einfach geht, nicht mehr mitmacht.
Allem - und jedem Menschen, der auf seinen "natürlichen" Tod wartet und währenddessen kämpft und zappelt und aushält und sich optimiert, um optimistisch bleiben zu können - eine lange Nase ziehen. Das ist vielleicht der eigentliche Skandal beim "Selbstmord".
(Hat Améry das nicht schon angesprochen? Naja, altes Thema, alte Fragen, sich wiederholende "Antworten".)
Zuletzt geändert von Widow am Di., 26.01.2016, 22:56, insgesamt 1-mal geändert.
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