Hu, jetzt habt ihr aber viel geschrieben, da komme ich ja kaum hinterher
Also zur Künstlichkeit von therapeutischen Beziehungen: ich sehe das eher als ein Zwischending. Eine echte Beziehung ist es nicht, eben aus dem Grund, weil der Therapeut nun einmal in einer bestimmten sozialen Rolle ist und sich selbst als Person da eher raushält. Was nicht heißt, dass es innerhalb dieses künstlichen Rahmens nicht echt ist.
Mir hilft das tatsächlich sehr, dass es eine bezahlte Beziehung ist. Ich kann den Gedankengang "er wird sowieso nur bezahlt" nachvollziehen, aber mir eröffnet genau das den sicheren Rahmen, den ich brauche. Vielleicht eher nach dem Motto "na wenigstens wird er dafür bezahlt", wobei das gar nicht so selbstabwertend gemeint ist wie es vielleicht wirkt. Es gibt mir einfach Sicherheit, genau zu wissen, wie der Rahmen aussieht und erleichtert es mir ungemein, überhaupt eine Beziehung aufbauen zu können. Da fallen so viele andere Dinge weg, die ich normalerweise in sozialen Beziehungen auch schwierig finde: wann melde ich, wie melde ich mich, wie viel Initiative muss von mir aus kommen, was ist, wenn nichts zurück kommt und so weiter.
Und das betrifft auch das Ende.
Ich denke, dass jede soziale Beziehung ein Verfallsdatum hat, das man in der Regel nur nicht vorher kennt. In einer Therapie kennt man es vorher und kann sich darauf einstellen. Das macht es viel leichter. Ich will nur einfach ein selbstbestimmtes Ende finden und nicht eines, was mir von der Kasse vorgegeben wird, weil ist dann auch mal gut, während ich noch nicht an dem Punkt angekommen bin, nicht mal ansatzweise, an den ich eigentlich hinkommen möchte.
Waldschratin, du schriebst, dass viele hier mit ähnlichen Problemen auch länger brauchen als von der Kasse vorgesehen. Das weiß ich ja und das entlastet mich auch irgendwie, auch dass es diesen Fonds gibt und dadurch irgendwo eine institutionalisierte Anerkennung, dass bei einem bestimmten Hintergrund die Kassenkontingente zu wenig sind. Aber dennoch denke ich, dass hier so viele so viel weiter sind als ich. Ich eiere so viel herum und wehre noch immer sehr, sehr viel ab, auch und gerade in Hinblick auf die therapeutische Beziehung. Da hat Solage schon irgendwie Recht, das wirkliche, gefühlsmäßige Einlassen schaffe ich noch immer nicht. Der Therapeut fragte mich mal, warum es nicht sein darf, dass er mir etwas bedeutet. Das ist ein Jahr her und im Wesentlichen hat es sich noch immer nicht verändert, dass das nicht sein darf.
Und ich stelle auch fest, dass ich gerade an einem Punkt stehe, bei dem ich jetzt wirklich mehr in die Tiefe gehen müsste, damit mehr vorangeht, und mir macht dieser Gedanke so unheimlich viel Panik.
Waldschratin hat geschrieben: So., 26.09.2021, 20:53
Ich hab meinen Thera ja vorher gefragt, ob ich aufzeichnen darf für mich. Und erwartet, dass es viel Diskussion über warum und weshalb und irgendwelche Abmachungen, was ich damit machen darf oder nicht geben würde.
Ja, genau das ist auch meine Befürchtung, dass das in eine endlose Diskussion führt.
Mir schwebt das schon länger im Hinterkopf herum, ihn mal danach zu fragen.
Nicht nur um die Stunde noch einmal ungefiltert und ungeschönt präsent zu haben, damit ich in solchen Momenten noch einmal mit etwas Abstand rekonstruieren kann, was da eigentlich passiert ist und was ich daraus gemacht habe, um mich so besser davon distanzieren zu können. Aber ich habe auch manchmal Erinnerungslücken und das mag ich gar nicht, das ist Kontrollverlust deluxe.
Ich werde mich morgen trauen und ihn fragen, aber kann mir halt schon vorstellen, dass er das vielleicht nicht ganz so toll findet und wir ewig diskutieren werden.
Waldschratin hat geschrieben: Mo., 27.09.2021, 10:27
Einerseits hab ich vermisst, dass da mal jemand an meiner Seite ist, "für mich" und das sehr sehr parteiisch.
Andererseits war halt alles "Mensch" mit Lebensgefahr verknüpft.
Lösung kam von den Tieren, und von Kindheit an eine mir selber ausgedachte Phantasiewelt, die herhalten musste, um mit der Bedürftigkeit klarzukommen, ohne dass ich Menschen in der Nähe haben musste.
Und genau DAS kenne ich wirklich 1:1 genau so. Ich hatte immer meine Katzen und ich hatte meine Bücher, mit denen ich in die tollsten Phantasiewelten fliehen konnte. Ohne das hätte ich meine Kindheit nicht überlebt, denke ich manchmal.
Aber diese Ambivalenz auszuhalten, überhaupt zuzulassen - das ist so verdammt schwer...