Sind Selbstmörder/innen Egoisten?

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Gärtnerin
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Beitrag So., 05.07.2009, 07:52

Wir schläfern wie selbstverständlich Tiere ein, um ihnen ihr unerträgliches Leiden zu nehmen. Dabei können wir bei den Tieren nicht einmal mit Bestimmtheit wissen, wie sehr sie wirklich leiden. Aber ein Mensch, der sein eigenes Leid als unerträglich einstuft, soll sich nicht davon erlösen dürfen?
Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, findet Gründe.

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hungryheart
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Beitrag So., 05.07.2009, 07:54

vallée hat geschrieben: Was mich allerdings wütend macht ist das viele Suizidanden andere Mensdchen psychisch beschädigen, manchmal sogar traumatisieren.
Die Hinterbliebenen, das ist nochmals heftig.
Aber auch andere Menschen, die den Suizid mit ansehen müssen

ich saß in einem zug, der ca. 2 stunden, nachdem sich eine frau vor einen zug geschmissen hatte in einen bahnhof einfuhr.

in meinen zug stiegen zahlreiche völlig verstörte 11-16 jährige, die den suizid aus nächster nähe mit angesehen hatten, jezt in die schule weiterfahren konnten, und die teilweise echt besorgniserregend erstarrt wirkten, ein.

aus ihren erzählungen entnahm ich, dass sich diese selbstmörderin mitten im berufsverkehr vor den augen zahlreicher entsetzter kinder und jugndlicher, die auf den zug warteten, um zur schule zu fahren, sich vor den zug geworfen hat.

die strecke ist über hunderte kilometer frei zugänglich.
dass die frau nicht wenigstens ein paar hundert meter weiter gegangen ist, sondern es vor den augen dieser kinder getan hat, halte ich für stock-aggressiv.

mal abgesehen davon, dass hunderte pendler stundenlang auf den schienen stehen durften, der zugfahrer wahrscheinlich traumatisiert wurde (habe mal eine doku zu dem thema gesehen. viele erleiden ein trauma, können nicht mehr in dem beruf arbeiten, leiden unter der sache sehr)...
aber die kinder mit reinzuziehen ...das geht gar nicht!


ansonsten sollte man da m.e. weder romantisieren ("achtung vor selbstmördern" "so viel gekämpft, wie kaum einer") noch verteufeln.

selbstmörder haben in der regel eine schwere depression, zu deren symptomen eine völlig eingeengte, negative sicht gehört, die auswege und lösungen und alternativen, die vorhanden sind nicht erkennen lässt.
insofern können selbstmörder ja nichts "dafür". sie sind einfach in der symptomatik ihrer krankheit gefangen.

naja
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Raziel
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Beitrag So., 05.07.2009, 16:45

Servus, Hungryheart
selbstmörder haben in der regel eine schwere depression, zu deren symptomen eine völlig eingeengte, negative sicht gehört, die auswege und lösungen und alternativen, die vorhanden sind nicht erkennen lässt.
insofern können selbstmörder ja nichts "dafür". sie sind einfach in der symptomatik ihrer krankheit gefangen.
Und was folgt als Konsequenz daraus?
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hungryheart
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Beitrag So., 05.07.2009, 19:19

Raziel hat geschrieben: Und was folgt als Konsequenz daraus?
für mich zumindest mal: eine nüchterne, weder romatisierende, noch verteufelnde einstellung zu selbstmördern.
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Raziel
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Beitrag So., 05.07.2009, 20:55

N'abend, Hungryheart
für mich zumindest mal: eine nüchterne, weder romatisierende, noch verteufelnde einstellung zu selbstmördern.
Das hattest du ja auch geschrieben. Nur stimmt mich in diesem Zusammenhang eben folgender Satz nachdenklich...
insofern können selbstmörder ja nichts "dafür". sie sind einfach in der symptomatik ihrer krankheit gefangen.
Verstehe ich das richtig? Du siehst Selbstmordtendenzen als Krankheit an?

Außerdem hat Selbstmord noch am wenigsten mit Romantik zu tun. Diejenigen, die dem freiwilligen Dahinscheiden etwas schönes abgewinnen können, sind entweder oder .
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Hamna
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Beitrag So., 05.07.2009, 22:23

heartcut hat geschrieben:Rilke, Du hattest wohl eine ziemlich schwere Zeit und hast geschrien und gelitten, Dich gewunden und eingesperrt, nichts mehr gegessen und auf diese Art rebelliert.
Selbstmörder konnten das vielleicht nicht mehr, weil der Leidensdruck zu groß war.
@heartcut - ich will mich auf gar keinen Fall über Selbstmörder stellen, nur weil ich mich damals dagegen entschieden habe! Wenn meine Beiträge diesen Eindruck hinterlassen, muss ich sie wohl nochmal überprüfen.

Meine Entscheidung gegen Suizid war weder ein eindeutiges Ja zum Leben noch die Stärke, den Leidensdruck aushalten zu können, sondern einzig die Verantwortung für meine Tochter. Wenn sie nicht wäre, würde ich schon lange nicht mehr leben. Und dieser Gedanke, durch sie ans Leben gebunden zu sein, ist mir eher eine Bürde als eine Erleichterung.


Edit:

heartcut, vielleicht habe ich dich falsch verstanden, aber durch deinen Beitrag und weil du mich persönlich angeschrieben hast, hatte ich den Eindruck du würdest denken, gerade ich würde Selbstmörder für egoistisch halten?!
Rilke hat geschrieben:Wer entschieden hat, seinem Leben ein Ende zu setzen, hat einen so großen Leidensdruck, dass er nicht mehr am Leben hängt, und dann bedarf es nicht des Mutes.
Ich denke doch, dass an diesem und anderen Sätzen nichts falsch zu verstehen ist, oder?
Zuletzt geändert von Hamna am So., 05.07.2009, 22:32, insgesamt 1-mal geändert.
Tu' heute etwas, auf das du morgen stolz sein kannst

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Marja
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Beitrag So., 05.07.2009, 22:26

Rilke hat geschrieben: Wenn sie nicht wäre, würde ich schon lange nicht mehr leben. Und dieser Gedanke, durch sie ans Leben gebunden zu sein, ist mir eher eine Bürde als eine Erleichterung.
Das klingt sehr traurig liebe Rilke! Woran liegt es, daß Dein Zustand ein Dauerzustand ist? Zumindest klingt das nun so.

Lieben Gruß h.

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Hamna
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Beitrag So., 05.07.2009, 22:36

heartcut hat geschrieben:
Rilke hat geschrieben: Wenn sie nicht wäre, würde ich schon lange nicht mehr leben. Und dieser Gedanke, durch sie ans Leben gebunden zu sein, ist mir eher eine Bürde als eine Erleichterung.
Das klingt sehr traurig liebe Rilke! Woran liegt es, daß Dein Zustand ein Dauerzustand ist? Zumindest klingt das nun so.

Lieben Gruß h.
Oh, hab gerade meinen Beitrag nochmal editiert

Ja, ich weiß nicht, es ist weniger ein Dauerzustand als ein Zustand, der immer wieder auftritt. Und in den letzten Jahren werden die Abstände immer kürzer. Sicher hat das jetzt mit meiner akuten Depression zu tun, und bestimmt kommt wieder eine Zeit, wo ich über einen längeren Zeitraum keinen Gedanken mehr an Suizid habe.

Aber wenn man sich immer nur durchs Leben kämpfen muss, wird man irgendwann müde und ist es einfach leid. Und die letzten Jahre waren überwiegend Kampf. Hoffe, es wird auch mal einfacher.
Tu' heute etwas, auf das du morgen stolz sein kannst

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lovely25
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Beitrag So., 05.07.2009, 23:05

Wir schläfern wie selbstverständlich Tiere ein, um ihnen ihr unerträgliches Leiden zu nehmen. Dabei können wir bei den Tieren nicht einmal mit Bestimmtheit wissen, wie sehr sie wirklich leiden. Aber ein Mensch, der sein eigenes Leid als unerträglich einstuft, soll sich nicht davon erlösen dürfen?


Das gab mir sehr zu denken!!!
Ist auf jeden Fall viel wahres dran!
Hoffnung ist nicht die Gewissheit, dass etwas gut ausgeht, sondern das alles Sinn macht egal wie es ausgeht!

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Marja
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Beitrag So., 05.07.2009, 23:08

@Rilke

Ich kenne auch Kampf und Erschöpfung - und das Gefühl, lebensmüde zu werden. In der Tat ist das Leben ein ständiger Kampf wenn man es nicht so glücklich erwischt hat, wie es ein paar Einzelfällen zu teil wurde. Ich denke die meisten Menschen haben zu kämpfen und die wenigsten haben es leicht. Es gibt jene auch, keine Fragen, aber die Mehrheit aller Menschen haben einen ÜberLebensKampf.
Wenn ich an die Prostituierten Kinder in manchen Ländern denke, und an die hungerleidenden, würde ich mich auch am liebsten auf der Stelle umbringen. Dieser Gedanke ist kaum erträglich.

but the show must go on


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lovely25
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Beitrag So., 05.07.2009, 23:09

sorry, dass zitieren ist bei mir immer noch so ein problem, dass sollte ein zitat von gärtnerin sein!!!

Hatte heute große Angst um eine Freundin, dass sie sich was antut.
Das ist so eine furchtbare Angst, obwohl ich sie oft verstehen kann.
aber man kann sie doch auch nicht einfach gehen lassen?

denke jetzt grad noch über das zitat nach...
stimmt auch irgendwie...
aber so wie heute, dass hält man dann einfach nicht aus.
Hoffnung ist nicht die Gewissheit, dass etwas gut ausgeht, sondern das alles Sinn macht egal wie es ausgeht!

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Marja
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Beitrag So., 05.07.2009, 23:11

Wir schläfern wie selbstverständlich Tiere ein, um ihnen ihr unerträgliches Leiden zu nehmen. Dabei können wir bei den Tieren nicht einmal mit Bestimmtheit wissen, wie sehr sie wirklich leiden. Aber ein Mensch, der sein eigenes Leid als unerträglich einstuft, soll sich nicht davon erlösen dürfen?
Ich finde dies auch nachdenkenswert! Vor allem das fettgedruckte hat mich beeindruckt.

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Carla1
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Beitrag So., 05.07.2009, 23:22

Gärtnerin hat geschrieben:Dabei können wir bei den Tieren nicht einmal mit Bestimmtheit wissen, wie sehr sie wirklich leiden.
Bei anderen Menschen wissen wir das doch auch nicht (obwohl die Kommunikation natürlich schon etwas einfacher ist). Daher finde ich es nicht in Ordnung, Suizidgedanken oder -handlungen anderer zu verurteilen.

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Annemarie
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Beitrag Mo., 06.07.2009, 07:14

Hi Ihr,

es steht mir nicht zu, jemanden zu verurteilen und ich werde es auch nicht tun. Was ich möchte, ist es aus meiner heutigen Sicht das "was wäre wenn" zu beschreiben.

Hätte ich damals nicht die Notbremse gezogen und endlich eine Therapie begonnen, weiß ich heute, daß ich mir wichtigen Menschen richtig große Probleme zurückgelassen hätte. Hauptsächlich meine ich damit meine Kinder, deren Rucksack, der ohnehin schon schwer genug ist/war, ich noch zusätzlich mit riesigen Brocken gefüllt hätte.

Mit diesen Gedanken bin ich heute richtig froh, nicht noch mehr Schuld auf mich geladen zu haben, statt dessen aber selbst dabei bin, meine eigenen Steine aus dem Weg zu räumen bzw. einen anderen Weg zu gehen.
Parallel dazu ist auch der Rucksack meiner Kinder um einiges leichter geworden

Diesen Gedanken möchte ich euch gerne da lassen, mit lieben Grüßen

Annemarie


Edit: Zur eigentlichen Frage:
Sind Selbstmörder/innen Egoisten?
Wirklich nicht böse oder gar verurteilend gemeint ... aber ja, wie ich finde. Wenn ich mich zurückerinnere, konnte ich - kurz gesagt - nur noch daran denken, daß ich es nicht mehr aushalte. Der Gedanke an die anderen Menschen um mich sind nach und nach verschwunden. Deshalb ja.

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Schneekugel
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Beitrag Mo., 06.07.2009, 09:02

Mindestens so egoistisch wie einer der mit Wurzelbehandlung auf dem Zahnarztstuhl sitzt und bei seinen Schmerzensschreie nicht daran denkt, dass der Nachbar vielleicht dadurch gerade beim Fernsehschauen gestört wird. ^^

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