Austausch mit chronisch Suizidalen

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SoundOfSilence
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Beitrag So., 31.01.2016, 00:39

Spielt bei euch bzw eurer Suizidalität der Gedanke eine Rolle, "ganz von vorne " anfangen zu wollen? So als ob ihr beim Poker alle Karten ablegt und neu bekommt......?

Ich denke das immer mal, dass ich das gerne würde. Und dabei glaube ich gar nicht so klassisch an Wiedergeburt..... Seltsam.
Hello darkness, my old friend...

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Widow
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Beitrag So., 31.01.2016, 01:03

@ SoS: Nein, ich habe früher nie an einen Neustart gedacht und ich denke auch jetzt nicht daran.

Erstens glaube ich nicht, dass irgendeiner "Karten" verteilt (um Dein Poker-Bild aufzugreifen);
zweitens denke ich, dass ich - um bei Deinem Bild zu bleiben - keine substantiell anderen Karten bekäme, selbst wenn sie neu verteilt würden;
drittens war im ersten "Spiel" jene Karte, die mir knapp vierzehn Jahre lang ein Leben in einem für mich vorher und nachher unvorstellbaren Glück ermöglichte.

(Dem Liebsten wünschte ich ein neues Spiel, denn dass er ein Leben mit mir zog, war sein Tod. Aber nun ist er eben dies: tot. Und wird nie wieder Karten spielen.)

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SoundOfSilence
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Beitrag So., 31.01.2016, 01:27

Für dich scheint es eine bittere Vorstellung zu sein, mein Karten-Bild, weil du dir so sicher bist, dass dein Liebster nun keine Karten mehr ausgeteilt bekommt... Das verstehe ich, und das tut mir, in gewissen Weise, leid.

Den Gedanken, dass man wieder die gleichen oder jedenfalls sehr ähnliche Karten bekäme, den habe ich heute schon mal ganz ähnlich gehört. Das finde ich ganz spannend - ist für mich doch absolut überzeugend der Gedanke, dass man niemals zwei "gleiche" Leben fände - und ein neues Leben also zwangsweise ein anderes wäre...!

Ich sehe es manchmal auch so, dass ´nach dem Leben hier eben irgendwas kommen muss - irgendeine gänzlich andere Daseinsform. Und auch das ist also ein neues, ein anderes Leben....... Im Vergleich zu jetzt jedenfalls. Nur: ist es das, ein Leben? Das ist die Krux.....

Zum Glück halten sich solche Gedanken immer nur kurz - sie ziehen rasch vorüber, eigentlich Dass sie wiederkommen, dass es schnell kippen kann - das mach für mich die Chronizität....
Hello darkness, my old friend...


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Widow
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Beitrag So., 31.01.2016, 02:00

SoundOfSilence hat geschrieben:Für dich scheint es eine bittere Vorstellung zu sein, mein Karten-Bild, weil du dir so sicher bist, dass dein Liebster nun keine Karten mehr ausgeteilt bekommt
Nein. Nicht deshalb ist diese Vorstellung für mich bitter.
Sondern, weil ich persönlich mein Menschleben bitter finde. (Ich fand's vor der Begegnung mit meinem Liebsten bitter, und ich finde es nun, danach, auch wieder nur bitter).

Wenn ich tot bin, dann möchte ich "tot" sein. So nicht-existent wie vor meiner Zeugung.
SoundOfSilence hat geschrieben: Den Gedanken, dass man wieder die gleichen oder jedenfalls sehr ähnliche Karten bekäme, den habe ich heute schon mal ganz ähnlich gehört.

Das ist einfach eine meiner dummen und unbegründeten Ängste.
- Ich glaube aber nicht an die.
Ich denke (und hoffe), dass ich nach meinem Tod so "bin" wie vor meiner Zeugung: Nicht vorhanden.

Und - so schwachsinnig das auch wieder ist - genau das ist mir ein Trost.

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Vincent
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Beitrag So., 31.01.2016, 02:04

SoundOfSilence hat geschrieben:Spielt bei euch bzw eurer Suizidalität der Gedanke eine Rolle, "ganz von vorne " anfangen zu wollen? So als ob ihr beim Poker alle Karten ablegt und neu bekommt......?
So oder so ähnlich hat mir heute auch schon jemand diese Frage gestellt. Ich antwortete, dass es völlig absurd ist, diese Frage überhaupt zu stellen.

Jedes individuelle Leben ist das Produkt einer unendlich dichten Kausalität, die uns einzigartig macht. Ein Zurück gibt es nicht. Es gibt nur ein Voran. Alles Seiende entwickelt sich fließend aus dem, was war, aus dem Vergangenen immer weiter.

Das, was war, war. Genauso, wie es eben war. Bis hierher. Und das wohl aus gutem Grund: Wir sollen uns offenbar unsere 'Bestimmung' bewusst werden lassen und mit unserem Bewusstsein auch unsere Wirkung.

Wir können immer nur, wie wir eben können. Wenn wir glauben, nicht mehr zu können, und daran verzweifeln, mögen solche Gedanken aufkommen, nochmal 'ganz von vorne' anfangen zu wollen. Nur mal angenommen, wir könnten das: Dann könnten wir auch wieder nur so, wie wir eben können. Wie zuvor schon. Wie immer und wie überall. Und wie jeder andere auch.

Ein Von-vorne-Anfangen, wäre dies möglich, wäre nicht mehr unser Leben. Es wäre ein anderes Leben. Also wäre es kein Neuanfang, sondern die Ver-Nichtung unseres Ich-Bewusstseins.

Freilich würden wir, sollte der Wunsch des 'Tabula rasa' wahr werden, nur wieder aus der selben genetischen Kombination als das Ich-Bewusstsein geboren werden, das in der Verzweiflung einen Neuanfang erbeten hat. Wir würden wieder in das selbe Umfeld hineinwachsen, die selben Institutionen durchlaufen, die selben Erfahrungen machen und irgendwann wieder wünschen, neuanfangen zu dürfen.

Wir sind, was wir sind. Da müssen wir durch!
"Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu." (Horvàth)

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Ayla
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Beitrag So., 31.01.2016, 10:32

Wie ist es, wenn man sich dem Wunsch als chronische Suizidaler stellt, wenn er kommt.
Wie ist es, wenn er kommt und ich sage ok, dann jetzt.
Wie sieht es dann aus.

Mache ich dann einen Rückzieher, weil ich nicht sterben will.
Es der Wunsch, das Chronische ist, das mich benutzt um mich in einem, diesem Zustand zu halten.
Das größte Problem mit der Kommunikation ist die Illusion, sie sei gelungen
Alle großen Wahrheiten waren anfangs Blasphemien

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Broken Wing
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Beitrag So., 31.01.2016, 10:33

Wir können gar nicht, werden lediglich gekonnt. Es gibt nur die Vergangenheit, die wir nicht beeinflussen können, aus der sich aber die Gegenwart ergibt. Ein Ereignis ist unbekannt, solange es vor uns liegt und schon geschehen, bevor wir es wahrnehmen. Das Licht eines stattfindenden Ereignisses muss bis zu unseren Augen eine Strecke zurücklegen und benachrichtigt uns über bereits Stattgefundenes.

Offenbar handelt es sich bei uns wirklich nur um Zuschauer in einem erbärmlich schlechten Kino ohne Popcorn.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]

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Candykills
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Beitrag So., 31.01.2016, 10:38

Draußen hat geschrieben: Es gibt keinen Ausweg mehr. Ich habe mich an das Leben gekettet. Manchmal (ganz manchmal nur in Bruchteilen von Sekunden ) macht es atemlähmende Angst.
Ja, das hast du. Aber auch eine Mutter ist nicht vor solchen Gedanken und Gefühlen gefeit. Solche Gefühle und Gedanken haben auch ihre Berechtigung wenn man eine Mutter ist und man sollte sich vielleicht fragen, woher sie immer noch rühren. Vielleicht ist es ja auch "nur" dieses Wissen darum, nun wirklich nicht mehr gehen zu können/dürfen. Wichtig ist doch, dass du dir deiner Verantwortung bewusst bist und das bist du, egal ob es diese Gefühle immer wieder noch gibt.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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Draußen
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Beitrag So., 31.01.2016, 10:42

Ach großes Weh,

ich habe hier nicht geschrieben, um von dir bewertet zu werden und auch brauche ich keinedeine Erlaubnis mich zu den chronisch Suizidalen zu zählen.

Ich war es , es gehörte zu mir wie atmen. Es ist vorbei und nichts anderes habe ich geschrieben. Ich habe auch von den Bruchteilen von Sekunden geschrieben, in denen ich mich erinnere . Wie es früher einmal war, wie es nie wieder sein kann. Deswegen wimmer ich nicht , ich staune.

Du erteilst mir bitte keine Erlaubnis und auch kein Verbot.

Für dich ist Leben die größte Strafe, der Tod wäre Erlösung. So bleibst du zwischen den Welten gefangen , bis du dir dein Leben dereinst verzeihen kannst. Bis dahin richten sich Sehnsucht , Angst und Zärtlichkeit auf den Grenzgrat.

Ich packe die Scheren ein und vergrabe mich wieder im Sand. draußen


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Widow
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Beitrag So., 31.01.2016, 13:57

Draußen hat geschrieben:Es ist vorbei und nichts anderes habe ich geschrieben. Ich habe auch von den Bruchteilen von Sekunden geschrieben, in denen ich mich erinnere . Wie es früher einmal war, wie es nie wieder sein kann. Deswegen wimmer ich nicht , ich staune.
Wenn es vorbei ist, dann hast Du hier nichts mehr auszutauschen.
Wenn Du staunen willst, statt zu wimmern, dann rassel hier nicht mit "Ketten".
(Und falls Dein Kind Dich irgendwann so verlässt, wie ich meine Mutter verlassen habe, die damit auch "nie im Leben" gerechnet hätte, dann wirst Du das "nie wieder" zurücknehmen.)
Draußen hat geschrieben:So bleibst du zwischen den Welten gefangen , bis du dir dein Leben dereinst verzeihen kannst. Bis dahin richten sich Sehnsucht , Angst und Zärtlichkeit auf den Grenzgrat.
Was für ein Schmarrn. Aber da das ohnehin OT ist, kommentiere ich es nicht weiter.

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Broken Wing
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Beitrag So., 31.01.2016, 14:31

Ach w, Bisschen was aushalten könntest du aber schon. Schließlich hättest du auch als Mutter enden können - mit Sui-Gedanken. Dass es nicht so gekommen ist, ist mit Sicherheit nicht auf deine Ratio zurückzuführen.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]


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Widow
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Beitrag So., 31.01.2016, 14:41

Broken Wing hat geschrieben: Schließlich hättest du auch als Mutter enden können - mit Sui-Gedanken. Dass es nicht so gekommen ist, ist mit Sicherheit nicht auf deine Ratio zurückzuführen.
Dass es genauso nicht gekommen ist, ist ausschließlich Ergebnis von rationalen Überlegungen: Ich habe mir damals nach dem einzigen ungeschützten Akt (war direkt nach dem Krankenhaus) sofort die Spirale einsetzen lassen und ein paar Tage später von der Ärztin erfahren, dass das gut so, weil wohl wirklich ein Abort gewesen ist.

Hätten wir - ohne Krankheit - ein Kind bekommen (was sehr unwahrscheinlich ist: Wir haben dafür zu lange über dieses Thema nachgedacht), dann wären aller Voraussicht nach meine Suizidgedanken genauso weggeblieben, wie sie das während all der Jahre des Zusammenlebens vor dem Krebs auch taten. Dass wir so lange über die Kinderfrage nachgedacht haben, war allerdings unter anderem auch der Tatsache geschuldet, dass ich auch damals "Leben" nicht sonderlich erstrebenswert fand. - Den Tod allerdings auch nicht .
Zuletzt geändert von Widow am So., 31.01.2016, 14:48, insgesamt 1-mal geändert.


ziegenkind
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Beitrag So., 31.01.2016, 14:48

widow, ich finde das fürchterlich, was du schreibst. wie soll das gehen? wie willst du dir ernsthaft sicher sein, wie das mit dir und der suizidalität gewesen wäre, wenn du doch ein kind bekommen hättest? und wenn es wirklich so gewesen wäre, vielleicht auch, weil du so geübt darin bist, dich in den decisionistischen schraubstock zu nehmen, dann muss das doch auch nicht bei anderen so sein. und wenn es bei anderen anders ist, dann musst du das doch nicht so hart und - wie ich finde - gemein verurteilen. menschen sind so wie sie sind. das darf sein. auch ambivalenz darf sein. vielleicht ist das da, wo die lebendigkeit ist, die ambivalenz. das weiß ich aber nicht.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


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Widow
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Beitrag So., 31.01.2016, 14:57

Von Ambivalenz war hier zuletzt nicht nur bei mir nicht die Rede, es wurde vielmehr ganz ambivalenzfrei behauptet, dass durch das Kind die chronische Suizidalität der Vergangenheit angehören würde. (Was wiederum ich fürchterlich finde, weil ich mich frage, was da alles dem Kind zugeschrieben wird an "Verantwortung" bzw. "Lebensinhaltsdasein" - für die Eltern, wohlgemerkt. Vielleicht reagiere ich übrigens genau deswegen so harsch - Du nanntest es "gemein": Weil meine Mutter, zumindest unbewusst, genau das mit ihren Kindern getan hat.)

Ich habe auch nicht behauptet, mir "ernsthaft sicher" sein zu können, ich schrieb von wahrscheinlich, vermutlich etc. Dass ich das, was ich damals für wahrscheinlich hielt, aber nach wie vor für wahrscheinlich halte, weil damals 40 Lebensjahre Selbst-Erfahrung dahinter standen - gut 10 davon, die letzten, ohne chronische Suizidalität -, das behaupte ich weiterhin.


ziegenkind
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Beitrag So., 31.01.2016, 15:03

vielleicht ist das ein ganz entscheidender unterschied, widow, dass draußen viel bewusster ist als deine mutter? ich lese bei ihr auch nichts davon,dass die suizidalität wie von zauberhand weg ist. ganz im gegenteil. ich lese von momenten der präsenz. ich lese aber auch die entscheidung, verantwortung dafür zu übernehmen, dass draußen ein kind hat, für das sie da zu sein hat und da sein will. du drehst den zusammenhang um, scheint mir, und glaubst, das kind sei da, UM die suizidalität weg zu kriegen. für diese lesart sehe ich keine anknüpfungspunkte im text.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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