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Mi., 03.02.2016, 01:58
Ich weiß nicht, ob es jemand verstehen kann, aber ich bin jemand, der sich trotz großer Angst und Verzweiflung gegenüber der Endgültigkeit und Macht des Todes immer wieder darauf freut und oft daran denkt. Als Jugendliche hatte ich Selbstmordgedanken aus dem Gefühl der Sinnlosig- und Ausweglosigkeit heraus, fast so als hätte ich mit 17 schon alles Nennenswerte erlebt und gesehen und gedacht. So simpel das klingt, aber mich überzeugte das Argument einer ehemaligen Bekannten: "Sterben werde ich sowieso, aber jetzt könnte ich noch was verpassen, ich bin neugierig, was noch kommt." Obwohl ich damals glaubte, es käme nichts Neues/Hoffnungspendendes/Spannendes mehr, war diese Logik der win-win-Situation damals unwiderlegbar.
Von ca. 20 bis heute nehme ich diese Gedanken meines eigenen Todes als positiv (mit einer makaberen Vorfreude) wahr, nicht obwohl, sondern gerade weil sich meine Einstellung zum Leben auch positiv verändert hat. Es ist also bei mir kein Kampf zwischen Sterben-wollen und Weiterleben-wollen, sondern ein widerspruchsfreies Nebeneinander zweier Gewalten, so wie Licht und Finsternis (ich weiß, klischeehafter Vergleich). Ich bin nicht suizidgefährdet, obwohl ich gern konkrete Vorstellungen durchgehe (was angeblich ein Alarmsignal sein soll) und auch mit anderen, die damit so offen umgehen wie ich, darüber spreche. Der Gedanke, ob und was nach dem Tod kommt, ist ebenfalls faszinierend für mich.
Ich habe auch bis heute nicht verstanden, weshalb die meisten so eine Scheu davor haben darüber wertfrei und neugierig zu sprechen, schließlich wird über Schwangerschaft und Geburt auch viel geredet (bezeichnenderweise sehr wenig darüber, daß damit auch Leid und Probleme neu geboren werden). Ich jedenfalls täte mir damit keinen Gefallen, etwas so Elementares aus meinen Gedanken zu versperren (ich würde dann auch weniger bewußt leben und den Sinn fürs Wesentliche verlieren). Die Vorstellung, meinen eigenen Tod genau zu planen und zu zelebrieren (ein König, dessen Namen ich nicht weiß, hat das getan), finde ich so toll, daß ich schon seit Längerem überlege, welches ein passendes Alter wäre. Ich sollte nicht zu jung und nicht zu alt sein, bin auch noch unsicher, ob ich das spontan entscheiden oder besser diszipliniert durchziehen sollte, bevor ich zu senil oder schwach werde, um überhaupt effektiv handeln zu können.
@brokenwing, natürlich weiß auch ich nicht, was mich erwartet (auch wenn ich darüber phantasiere und seinerzeit begeistert jede Folge von Outer limits/Twilight zone sah), aber trotzdem kann ich doch sterben wollen. Man kann auch Kinder kriegen wollen oder das erste Mal Sex haben wollen, ohne eine realistische Vorstellung davon zu haben, was einen erwartet.
Was mich traurig macht, ist die Tatsache, daß mich das auch einsam macht (zusätzlich zu den anderen Eigenheiten). Ich werde von "Normalos" schief angesehen oder kann nur mit wirklich suzidgefährdeten Menschen offen reden (meist Masochisten oder Depressiven, die eher aus einer Not heraus agieren). Wenn jemand sich tötet, bin ich einerseits zwar traurig, aber andererseits auch glücklich und freue mich für ihn. Das ist eine Art Überwältigung, für die normale Gefühle und Gedanken nicht ausreichen, ungefähr so, wie wenn man ein großartiges Naturschauspiel erlebt und nicht weiß, weshalb man feuchte Augen bekommt. Es fühlt sich auch so an, als wäre man dem Wesen der Existenz näher gekommen, hätte für einen undefinierbaren Moment etwas verstanden, was man gar nicht verstehen kann, Teil von etwas Größerem zu sein, ohne sich verloren zu fühlen (und ohne mir dafür eine Religion überstülpen zu müssen). Ich beneide und bemitleide diese Leute dann auch gleichzeitig, wobei das eigentlich unpassende Begriffe sind, die klingen zu selbstbezogen, wertend - ich sehe das teilweise wie von außen, wie wenn man eine Doku über Dinosaurier sieht. Wenn ich jemandem sage, daß ich auch finanziell erst mal nur bis 60 plane, denken die Leute, ich hätte Zukunftsängste oder eben Depressionen, ich wage dann gar nicht zu erwähnen, daß ich dann irgendwann meinen Tod planen möchte. Nur der Gedanke an Enkelkinder verkompliziert es etwas, auch die Befürchtung, daß ich nicht rechtzeitig die Kurve kriege (nicht den Mumm habe und immer weiter verschiebe). Einmal dachte ich, ich lasse die Vorsehung entscheiden (obwohl ich rational nicht daran glaube), und schwamm im See erschöpft weiter raus. Ich ging trotz Ermüdung nicht unter, und in bisherigen lebensbedrohlichen Situationen war mein Körper ziemlich "stark". Daher habe ich schon überlegt, mich von jemandem töten zu lassen, aber mein Leben in die Hände eines möglichen Sadisten zu legen, schreckt mich ab. Es wäre auch möglich, eine Vorrichtung zu bauen, bei der ich nur ein Knöpfchen drücken muß, ich schreibe das nur, damit klar wird, wie ich mich damit gedanklich auseinander setze.
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Krang2 am Mi., 03.02.2016, 02:41, insgesamt 3-mal geändert.