Hallo Widow,
Widow hat geschrieben:Ja. Das geht mir ähnlich. Bei mir "zu Hause", also in meiner Herkunftsfamilie, war Wut ein Zischen, ein ganz brandgefährliches leises Zischen. Nie, fast nie, wurde Wut laut, äußerte sich also nie, fast nie. Bis heute habe ich ein ähnlich gestörtes Verhältnis zu ihr wie Du, liebe Saffia:
das ist eine so treffende Bescheibung: "ein gestörtes Verhältnis zu Wut"! Manchmal merke ich wie der Kessel unter
Druck steht und dann? bsiher ritze ich nur, neulich bin ich einfach vor einem Auto auf die STraße gelaufen, der
Fahrer hat viel zu gut reagiert. Meine Freundin, die dabei war, schrieb mir gestern in einer mail, daß sie heute
noch (es ist 2 Wochen her) vor Angst Schweißausbrüche hat. Ich habe nicht nachgedacht, daß sie dabei war,
bin einfach weitergegangen....
Die Wut.... meine ganze Familie ist ständig wütden, jähzornig und es war überlebenswichtig, wenn ich mich
unter Kontrolle habe und auch unsichtbar mache. Ich durfte meine Wut niemals zeigen, daher habe ich alle
Gefühle so weit weggesteckt, daß sie sie in der Therapie lange suchen musste. Nur die Wut auf mich war
immer da und zeigte sich in massiven Essstörungen und SvV. Aber das hat niemand gesehen auch ich nicht.
Widow hat geschrieben:Mich macht auch so unendlich auf mich selbst wütend, zu sehen, dass alle anderen, die ich persönlich kenne, "es geschafft" haben. Trotz aller Scheidungen (genau besehen: wenige!), trotz der kiffenden Kinder (genau besehen: wenige!), trotz der Versetzungsprobleme (ja, davon einige), trotz der immer überlebten Krebse (der Eltern wohlgemerkt; von meinen Freunden und Bekannten hatte keiner selbst einen Krebs und auch kein Partner, immer nur "die Alten", und sogar die haben den bis heute überlebt, sind z.T. über 90). Alle leben. Alle sind mehr glücklich als unglücklich.
Mich macht das unendlich auf mich selbst wütend (weil es mich so unendlich auf diese Scheizzwelt wütend macht und auf meine Erzeuger, die mich in selbige reingewürgt haben, und weil ich es nicht schaffe, diese Scheizze einfach zu verlassen oder mit all dem irgendwie zurecht zu kommen und weil ich mir einbilde, dass alle anderen - wenn die damit zurecht kommen müssten, mit dem ich zurecht kommen soll, was die, die ich persönlich kenne, nicht müssen - das besser könnten).
Aber das, also wütend, darf ich ja nicht sein. Und ich habe auch nie gelernt, wie das eigentlich geht.
Genau das sehe ich auch immer wieder, alle anderen haben ihr Leben im Griff! Wie toll! Meine Mutter hat mir das auch
immer aufs Brot geschmiert, wie toll mein Bruder ist und sie meint gönnerhaft, daß ich ja auch ein wenig
geleistet habe. Mein Vater hält mein Leben für sinnlos, weil ich keine Kinder habe (das was ich wollte, weil ich
damit der Familie entkommen (da war ich 17) wollte (ich weiß nicht der beste Grund!) (sie haben tagelang
auf mich eingeredet damit ich der Ausschabung zustimme) gibt es nicht). Ich war bis zu meinem Zusammenbruch
erfolgreich im Job, sehr sogar, aber auch das wurde nur kleingeredet.
Wenn man von außenhört, daß alles doch sinnlos ist, und sieht, daß alle anderen ihr Leben so toll im Griff haben,
wozu dann noch weitermachen???
Widow hat geschrieben:Mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher, dass der ganz begeistert wäre, wenn ich auf andere wütend werden könnte (was aus den erwähnten Gründen scheitert) - nur nicht auf ihn selbst und seine Analyse. (Aber es geht ja weder das eine noch das andere.)
Haben wir den selben ? Meiner wartet auch bei jeder Reaktion auf die Wut, hat mir geraten einen
Punching-Ball in die Wohnung zu stellen, immer wieder fragt er mich, wenn ich etwas erzähle, ob das mich
nicht wütend macht. Nein traurig!
Als Kind war ich immer alleine, meine Freunde, wenn ich denn welche fand, fanden in den Augen meiner
Mutter keine Gnade. So habe ich gelernt alleine klarzukommen, aber manchmal ist dieses immer alleinesein
einer Einsamkeit gewichen, die schmerzt, weil es eben niemand da ist, der bei dem ganzen "bösen" hilft.
Saffia
never know better than the natives. Kofi Annan