Diagnosen

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

Lena
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Beitrag Do., 08.10.2015, 09:44

leberblümchen, ich verstehe schon, was Du meinst. Und mich beschäftigt das heute auch nicht zum ersten Mal, ich hab mir allgemein über das Thema Neid schon oft Gedanken gemacht.
Aber ich glaube, ich könnte eher nachvollziehen, wenn jemand sagt "ich ärgere mich darüber, dass der mit der schweren Kindheit diese Rücksicht / dieses Verständnis" bekommt als wenn man sagt "ich bin neidisch auf den mit der schweren Kindheit" - weil das bei mir (kann durchaus sein, dass es anders gemeint ist) ankommt als "hätte ich auch gerne" und das kann ich dann aber tatsächlich nicht verstehen.
Weil man dann vielleicht auch nicht sieht, dass einem die "schwere Kindheit" wirklich nicht ständig und überall Türen öffnet, ganz im Gegenteil. Viele Türen sind schneller wieder zu als man schauen kann. Und das passiert einem ständig und überall - aber eben auch dann, wenn man die schwere Kindheit hatte.
Vielleicht ist mit "Neid" viel mehr gemeint als ich es verstehe - für mich ist das Wort in dem Zusammenhang wirklich einfach sehr irritierend. So sehr ich das Dahinterstehende versuche zu sehen.

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Lena
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Beitrag Do., 08.10.2015, 09:47

Ergänzung: wenn ich merke, dass ich auf etwas neidisch bin, dann bedeutet das bei mir, dass ich mir das für mich auch wünschen würde. Zur Zeit bin ich zum Beispiel unglaublich neidisch auf verliebte Menschen und auf Familien mit Kindern. Weil ich mir das eben selbst so sehr wünsche. Das ist für mich die Bedeutung von Neid.

Edit: und ich bin jemand, der sehr versucht sich in das Denken anderer reinzuversetzen und das zu verstehen. Deswegen will ich auch dazu sagen, dass ich das gar nicht verurteile, wenn man dieses Gefühl hat. Es ist ja auch wichtig, dass man sich das eingesteht und für sich selbst rausfindet, was es bedeutet und was dahinter steht. Muss ja nicht in einem Forum passieren. Und Neid ist sicher was sehr normales und menschliches. Aber ich glaube, dass ich mir persönlich zwar schon mal - wie ich ja auch selbst vorher mal geschrieben habe - eine ganz banale Depression (um deren Schrecklichkeit ich ja trotzdem weiß) für mich gewünscht habe, aber trotzdem auf keinen Menschen neidisch bin, der die banale Depression hat. Ich weiß nicht, ob man den Unterschied verstehen kann.
Zuletzt geändert von Lena am Do., 08.10.2015, 09:54, insgesamt 1-mal geändert.


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leberblümchen
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Beitrag Do., 08.10.2015, 09:53

Lena, aber ich würde hier halt gerne den Versuch unternehmen, es zu trennen (was ohnehin nicht ganz möglich ist): das Leiden selbst einerseits und andererseits das, was Menschen damit verbinden, wenn sie darüber reden oder nachdenken. Über das Leiden selbst wird in diesem Forum ganz viel gesprochen, und das ist ja auch wichtig!

Aber darüber, wie wir darüber reden (und denken) und wie auch Therapeuten darüber reden, wenn sie Diagnosen kommunizieren, darüber spricht man selten bis gar nicht, weil das - wie man hier sieht - sehr tabuisiert ist. Dabei ist das Tabuisierte doch sehr reizvoll. Nicht weil es so toll wäre, sondern weil es einfach interessant ist. Es sind ja nicht nur schöne Dinge interessant.

Dass psychisch kranken Menschen viele Türen verschlossen sind und viele erst verschlossen werden, das ist leider so. Aber ich vermute, dass es da - je nach Kontext - große Unterschiede gibt. Wenn ich mich als Pilot bewerben will, spielt es sicher keine Rolle, ob ich mich dort als "Borderliner" vorstelle oder als "schwer traumatisiert" oder als "schwer depressiv". In anderen Kontexten mag das aber eine Rolle spielen, so meine Vermutung.

Ja, klar, Lena, und Menschen, die andere Menschen dafür beneiden, dass sie (so die Vorannahme) etwas bekommen, was sie selbst nicht bekommen, deren Gefühl ist erst mal auch nicht irgendwie abartig oder so.


Lena
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Beitrag Do., 08.10.2015, 09:55

Hmm, dass ich es abartig fände, habe ich aber auch nicht geschrieben. Befremdlich finde ich es, ja. Aber dazu stehe ich.

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ziegenkind
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Beitrag Do., 08.10.2015, 10:18

"Das sind vermutlich die Momente, in denen jemand auf die Idee kommen könnte, neidisch auf den mit der schweren Kindheit zu sein."

nee, das verstehe ich überhaupt nicht. ich würde verstehen, wenn man mit a, b und c nicht mehr wirklich was zu tun haben will, weil die gestörte kommunikationsstrukturen haben.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


Entknoten
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Beitrag Do., 08.10.2015, 10:23

leberblümchen hat geschrieben: Das sind vermutlich die Momente, in denen jemand auf die Idee kommen könnte, neidisch auf den mit der schweren Kindheit zu sein. Was ich nicht bewerten will, aber ich kann es verstehen. Was ich nicht so ganz verstehe, ist dass das nicht verstanden wird
Neidisch???

In gewisser Hinsicht verstehe ich ja diese Ansicht, aber nur in Teilen.

Fakt ist nämlich auch dass man als Betroffener sehr schnell das Gefühl bekommt sich noch etwas mehr beweisen zu müssen.
Mein "Ich bin eine gute Mutter" wird bei mir viel eher hinterfragt, argwöhnisch beobachtet und kritischer bewertet.

Offen mit seiner Geschichte umzugehen bedeutet nämlich nicht den verbalen "Kopfstreichler" zu bekommen, sondern viel eher damit konfrontiert zu sein dass die Leute voller Vorurteile sind!

Es wird nämlich gerne außen vor gelassen dass Menschen mit einem "traumatischen Hintergrund" (oder wie auch immer man es nennen mag!) vielleicht gerade deswegen eher sensibel im Umgang mit anderen sind.

Dass solche Vergangenheiten eigentlich nur bei anschließenden Tätern ODER Menschen mit schweren Folgestörungen (auch hier - wie auch immer man es korrekt bezeichnen mag!) zur Sprache kommen, führt dazu dass es zwar eine gewisse "Sensibilität" gibt, aber eher in die Richtung dass man sich immer beweisen muss.
("Es kann doch nicht sein dass du so stark bist!" - und das begegnet mir nicht nur um Partnerschaften!)

Und das Thema Partnerschaft ist noch einmal ein anderes Thema, denn wenn ich nach einer gewissen Zeit offen werde und darüber spreche, dann trauen mir Männer keine "gesunde Sexualität" zu. Mehr noch - manche wollen "damit nichts zu tun haben".

Mein Fazit?

Ich werde zukünftig nicht mehr offen sein. Ich werde schweigen.
Das Problem das ich nämlich auch bei mir sehe:
Es fällt mir schwer mich so zu akzeptieren wie ich bin.
Ich habe bisher immer geglaubt ich müsse mich erklären, sagen "woher das kommt", damit andere wissen worauf sie sich einlassen.
Ich war aber gerade dadurch (und durch meine permanente Selbstreflektion und dem Wunsch mein "Manko" loszuwerden) viel "formbarer" für andere.

Ich werde niemandem mehr meine Geschichte erzählen.
Wozu?
Der Großteil der Menschen sehen doch keinen Handlungsbedarf bei sich. Für so viele Menschen die mir begegnen sind es immer "die anderen die etwas ändern sollten".

Ich glaube diese Einstellung unterscheidet mich einzig und alleine von "Menschen ohne Diagnose".
Die, die eine Diagnose haben (also in Therapie sind und\ oder merken dass es auch an ihnen liegt), versuchen ja nun oft genug an sich zu arbeiten.

Also nein - bei einer "Traumatisierung" begegnet mir kein Mitleid. Keine Anerkennung. Kein Verständnis. Eher ein permanentes "mich beweisen müssen", und oft die Unterstellung "dass es mir viel schlechter gehen MÜSSTE als ich das Gefühl habe".
Dum spiro spero. Dum spero amo. Dum amo vivo.
Cicero


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leberblümchen
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Beitrag Do., 08.10.2015, 10:28

Eben, Entknoten: Dir begegnet das Gefühl, "beweisen" zu müssen, dass es wirklich "so schlimm" ist. Und warum? Weil die Vorannahmen darüber existieren, wie man als Traumatisierter sein muss, um in die konstruierte Gruppe zu passen.


ziegenkind
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Beitrag Do., 08.10.2015, 10:55

kein halbwegs seriöser therapeut teilt die von entknoten beschriebenen vorannahmen. in der therapeutischen differentialdiagnostik ist vielmehr das wissen darum, dass es unterschiedliche traumafolgestörungen, unterschiedliche strategien im umgang mit den folgen gibt, ein allgemeinplatz. ignoranten wird man nicht durch die änderung von diagnosen erreichen. ignoranten brauchen meine diagnosen nicht zu wissen.

wieder eine offene frage, hat irgendjemand von euch schon einmal mit anderen menschen über seine diagnose gesprochen? ich hab das auch in der therapie nur in einer stunde gemacht, in der ich meine berichte gelesen habe. mit meinem mann habe ich einmal darüber gesprochen, ihn gefragt, ob er, der mich gut kennt, auch so sieht. das war es. ich hab darüber hinaus nie auch nur den anhauch eines bedarfs verspürt, darüber zu kommunizieren.
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stern
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Beitrag Do., 08.10.2015, 10:57

ziegenkind hat geschrieben:wenn man angts hat der macht von kategorien zu unterliegen, dann wär es doch besser, sich um ein reflexives kontingenzbewusstsein zu bemühen, statt die unerfüllbare forderung nach schluss mit kategorien zu stellen. wahrnehmen, denken, sprechen, handeln - geht alles nicht ohne kategorien.
Ich bin, wie gesagt, nicht gegen Kategorien. Aber Stichwort Macht... hier: "Macht" der Meinungsäußerung:

Aber was schon ein Problem sein kann: Dass es schwer sein kann, wenn sich ein Behandler auf eine Kategorie eingeschossen hat. Und das führt ja nicht selten zu einer Streiterei zwischen Arzt/Kliniken und Patienten (auch bei somatischen Diagnosen). Eine Diagnose genießt sogar recht hohen Schutz, da die Schlussfolgerungen in Form einer Diagnose (meine ich) als Meinungsäußerung gelten... und das macht Korrektur oft sehr schwer. Möglich ist das eher bei falschen Tatsachenbehauptungen (z.B. Arzt schreibt falsche Geburtsdaten in den Brief) oder (gröbere?) Fahrlässigkeit, etc. Also in nur sehr eng umrissenen Fällen. Nun, in meinem Fall war das recht unproblematisch, da aus "technisch-menschlichen Gründen" ein Fehler unterlaufen ist... hätte der der Arzt sich das Urteil aber tatsächlich gebildet, z.B. als Verdacht (das konnte ich ja nicht wissen), wäre das schwer bis unmöglich gewesen, ein Korrektur zu bewirken. Nun... lt. Arzt gibt es diese Diagnose nicht einmal . Na gut, gibt es schon... scheint aber eher so eine akademische zu sein.

Ein Beispiel:
Bei der gebotenen Abwägung zwischen dem durch Artikel 1, 2 GG geschützten Persönlichkeitsrecht des Patienten und der Meinungsfreiheit nach Artikel 5 GG sowie der Berufsfreiheit nach Artikel 12 GG des Arztes könne eine Diagnose nur dann den Schutz einer Meinungsäußerung beanspruchen, wenn sie eine solche sei und den grundlegenden fachlichen Anforderungen genüge, die an eine ärztliche Diagnose zu stellen seien, insbesondere nicht grob leichtfertig, ohne die erforderliche Sachkunde oder ohne die erforderlichen Befunderhebungen erstellt sei. Diese Grenzen seien hier jedoch noch nicht überschritten worden. Der Beklagte besitze als Orthopäde ausreichende allgemeine Kenntnisse, Zeichen einer chronischen Alkoholintoxikation zu erkennen.
http://www.kanzlei-pms.de/index.php?opt ... 37:urteile
oder:
Das Widerrufsbegehren des Klägers sei ebenfalls unbegründet. Ein solches Begehren könne sich nur gegen unwahre Tatsachenbehauptungen richten, während die von der Beklagten attestierte Diagnose als medizinische Schlußfolgerung eine subjektive gutachtliche Wertung darstelle und als solche einem Widerruf nicht zugänglich sei. https://www.jurion.de/Urteile/BGH/1989- ... -ZR-293_88
Und auch das Argument, wer erfährt denn davon, greift für mich viel zu kurz... denn es gibt genug Sachverhalten, in denen die Schweigepflicht nicht mehr gilt (oder man als Patient jemanden von der Schweigepflicht zu entbinden hat).

Da ging es zwar nicht um Diagnosen, aber um Äußerungen... so ist mir in der Klinik mal aufgefallen, dass nur ein Teil mitgeschrieben wurde, ein wesentlicher Teil aber nicht. Irgendwann hat sie der PT dann auch noch darauf berufen, was ich angeblich geäußert hätte. Ich: Ich äußerte auch blabla. PT: Das steht da nicht. Ich: Kein Wunder, das haben Sie ja auch nicht mitgeschrieben (das war am Geräusch des Kullis offensichtlich). Ob das Absicht war oder Versehen, kann ich nur anhand der Reaktion mutmaßen... aber auch hier gilt: Wie will man sowas widerlegen, wenn nur Teilwahrheiten "aktenkundig" sind (was hier einen Unterschied gemacht hätte) ... mir geht es hier um das Prinzip, selbst wenn das (für mich) konsequenzlos bleibt. Vertrauensbildend ist sowas (für mich) jedenfalls nicht. Unsorgfältigkeit ebenfalls nicht.
Liebe Grüße
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Broken Wing
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Beitrag Do., 08.10.2015, 11:01

@ Entknoten: Das ist eben die Tücke des Neids. Ich kann da Geschichten erzählen. Die Leute sind echt unglaublich bescheuert. Und ja, neidisch auf Krankheiten.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie das war, als ich aufgrund der Erblindung vom Zeichenunterricht befreit wurde (Und damit auch von der Prüfung). Was es da für diskussionen gab. Natürlich hauptsächlich angezettelt durch die, die ohnehin schlecht waren.

Die Neider wollen die schlimme Kindheit, um etwas vorweisen zu können. Da käme sonst der Vorwurf, man sei selbst verantwortlich. Aber sie wollen nicht die Last der schweren Kindheit tragen. Um auf mein obiges Beispiel zurückzukommen: Die Leute wollen im Zeichenunterricht blind sein, aber ansonsten so weitermachen wie bisher.

Die Vorurteile. Da können hier wohl viele ein Lied davon singen. Echtes Mitgefühl ist wirklich selten.
Bei psychischen Erkrankungen besteht, falls nicht zu schwer ausgeprägt, die Möglichkeit, sie zu verschweigen. Zumindestens eine Zeit lang, was fremden gegenüber doch vorteilhaft ist.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]


Entknoten
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Beitrag Do., 08.10.2015, 11:05

ziegenkind hat geschrieben:kein halbwegs seriöser therapeut teilt die von entknoten beschriebenen vorannahmen.
Es geht hier auch nicht um Therapeuten, ebenso wenig wie sich hier Therapeuten äußern.

Ja, ich habe darüber gesprochen. Nicht mit allen, aber mit vielen.
Oft ergab es sich einfach, auch aus dem Umstand heraus dass ich u.a. fünf Jahre im Heim gewohnt habe etc.

Ich wollte darauf hinweisen dass es eben nicht nur Mitleid ist das einem begegnet. Und auch darauf dass es eben KEINE gute oder schlechte Diagnose gibt. Aber Schubladendenken. Immer.

Insofern braucht und sollte hier niemand "neidisch" sein, sondern vor allem eines - bei sich bleiben.
Pauschalisierungen, falsche Annahmen, laienhafte Diagnosen sind vor allem eines:

Vorurteile. Sie werden niemandem gerecht.
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Carpincha
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Beitrag Do., 08.10.2015, 11:07

leberblümchen hat geschrieben:
Was hat das denn jetzt mit Diagnosen zu tun? ...
... Es geht doch darum, dass viele (nicht alle!) Therapeuten diese Einteilung unternehmen und dass es für diese Einteilungen sogar Begriffe gibt - also, dass jemand sagt: "Ich mag attraktive Menschen mehr als weniger attraktive" halte ich für nicht besonders spannend. Aber dass das, wenn es System hat (und das hat es, wenn diese Begriffe existieren), Auswirkungen auf die hat, die als attraktiv oder unattraktiv wahrgenommen werden, das wird kaum wirklich problematisiert. ...
Ich frage mich, ob wir einfach komplett aneinander vorbei schreiben, denn ich kapier´s nicht. Die Einteilung in attraktive und unattraktive Patienten (meinetwegen yavis und hound), die ein Therapeut vielleicht vornimmt, ist doch eine von der Diagnose des Patienten ganz und gar unabhängige Einteilung. Ein Borderliner (oder Depressiver, Süchtiger usw.) kann ja jung, hübsch, intelligent und wortgewandt sein, während ein anderer schon älter und weder gutaussehend noch sonderlich helle ist. Deshalb meine Frage, was das jetzt mit Diagnosen zu tun hat.

Zum Thema Neid: Ich denke, wenn jemand einen anderen wirklich um dessen Erkrankung beneidet, steckt da in Wirklichkeit etwas ganz anderes dahinter. Also etwa der Wunsch nach Zuwendung oder Hilfe. Das tatsächliche Leid, das eine Erkrankung mit sich bringt, wird dann vermutlich entweder nicht erahnt oder ausgeblendet. Eine Ausnahme ist vielleicht ein gewisser Neid unter Magersüchtigen...


ziegenkind
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Beitrag Do., 08.10.2015, 11:08

Entknoten hat geschrieben: Ja, ich habe darüber gesprochen. Nicht mit allen, aber mit vielen.
Oft ergab es sich einfach, auch aus dem Umstand heraus dass ich u.a. fünf Jahre im Heim gewohnt habe etc.
das wiederum kann ich gut verstehen.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Beitrag Do., 08.10.2015, 11:11

Ich komme mal wieder nicht hinterher... bin auch noch nicht durch.

Aber auch der Zusammenhang "schlimmes erlebt - Diagnose" ist doch recht fragwürdig... na gut, völlig unabhängig ist das wohl auch nicht voneinander, aber es besteht definitiv kein 1:1 Zusammenhang.

Am Ende meiner Therapie wäre mir schon recht, wenn keine einzige Diagnose mehr nachweisbar wäre (was nicht bedeutet, dass alles behebbar ist)... inwieweit das realistisch ist, weiß ich nicht. Aber wie auch immer: Selbst wenn es keine Diagnose mehr gibt, ändert es ja nichts an den eigenen Erlebnissen. Und mir scheint, dass diese nicht immer "anerkannt" werden können.
Liebe Grüße
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Beitrag Do., 08.10.2015, 11:11

Broken Wing: Stimmt. Den Kampf um den Nachteilsausgleich kenne ich auch. Ich glaube aber, da ist es gar kein Neid (denn ich glaube nicht, dass jemand blind sein will oder so ähnlich), sondern eher die Angst davor, dass einem etwas weggenommen wird, was man eigentlich hat. Was wiederum mit der "Boot ist voll"-Mentalität zusammenhängt. Also nicht so "ich will so sein wie du", sondern eher so: "Ich hab Angst, dass du mir was wegnimmst, was ich habe und wovon ich selbst Angst habe, dass es mir nicht zusteht, woran ich also festhalten muss". In dem Falle also wird befürchtet, der Blinde bekommt die bessere Note (selbst wenn er gar keine bekommt...) als man selbst. Was dann völlig irrelevant wäre, wenn man selbst ein genialer Zeichner wäre. Bin ich aber unsicher über meinen eigenen Status und hab ich Angst, nach unten abzurutschen, kann ich es mir nicht leisten, anderen etwas zuzugestehen, was knapp ist: Erfolg und Belohnung und dann wiederum bessere Chancen.

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