Diagnosen

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

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leberblümchen
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Beitrag Do., 08.10.2015, 13:36

Dem wurde aber zu Beginn dieses Threads - unwidersprochen - widersprochen, à la: "Wirklich Traumatisierte haben es gar nicht nötig, um diese Begrifflichkeiten / Zugehörigkeiten zu streiten". Was halt auch nicht stimmt, wie sich hier immer und immer wieder zeigt. Und wie auch du es hier nun zitiert hast
Was übrigens rhetorisch wiederum leicht zu durchschauen ist, besagt es doch:

1.) Ich behaupte, genau zu wissen, wie man sein muss, um ausreichend (s. das o.g. Zitat aus dem Selbsthilfebuch) Mitgefühl zu beommen.

2.) Wenn du nicht so bist, wie ich das definiere (= Traumatisierte neiden nicht), dann bist du nicht traumatisiert.

3.) Damit hast du die Aufmerksamkeit, die mir zusteht, nicht verdient.

Gerade so, als sei das Traumatisiertsein etwas, was naturgemäß knapp ist. Das ist es natürlich nicht. Dennoch besteht da das Bedürfnis, sich unbedingt - aber nur indirekt angedeutet - abzugrenzen, von denen, die "nicht wirklich" traumatisiert sind. Damit wird sichergestellt, dass das eigene Leiden besonders stark ist, so stark, dass es natürlich nicht jedem Anderen, den man nicht persönlich kennt, zugestanden werden kann. Denn wenn man davon ausginge, dass das eigene Leiden von sehr vielen (zu vielen) anderen Menschen geteilt würde, wäre es nicht mehr "besonders schlimm". Es muss also in bestimmten Diskurs-Gruppen immer eine Aufteilung hergestellt werden in die, die mit einem selbst das schwere Schicksal teilen - und in die, von denen man sich aus o.g. Gründen abgrenzen muss. Damit wird mit jedem neuen Beitrag das eigene Traumatisiertsein immer wieder neu in den Vordergrund gestellt.

Wird dieser Vorgang thematisiert, kommt die nächste Argumentationsstufe: der Neidvorwurf. Der Andere wird also aus der - konstruierten - Gruppe der Traumatisierten diskursiv ausgeschlossen, und parallel wird ihm unterstellt, er wolle sich ungerechtfertigterweise in diese Gruppe "einschleichen", indem er die dieser Gruppe zugeschriebenen Attribute - scheinbar - relativiert dadurch, dass er sie thematisiert und indem er auf diese Weise die Zutritts-Schwelle deutlich senkt.

Wenn auch das nicht funktioniert, kommt das bekannte: "Das ist ja lächerlich, und meine Realität ist sowieso viel besser als dieser Diskurs". Was mit dem Thema offensichtlich gar nichts zu tun hat, was aber die Berechtigung dieses Diskurses infrage stellen soll.

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leberblümchen
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Beitrag Do., 08.10.2015, 13:38

stern, ich kenne den Text nicht, könnte mir aber vorstellen, dass der Autor lediglich auf eine Gefahr hinweisen wollte.


ziegenkind
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Beitrag Do., 08.10.2015, 13:44

ich glaub, wie einer oder eine mit dem leid von anderen umgeht, hat nun am allerwenigsten mit den störungen zu tun. es gibt leute, die agieren ihren kram aus und es gibt leute, die tun das nicht - mit und ohne trauma auf beiden seiten. mir scheint, das hät ähnlich, wie ich montagne verstehe, damit zu tun, wie ich mit meinen störungen umgehe, vielleicht auch damit, wie weit ich damit bin. mit der störung selber hingegen nicht. all das wird übrigens in den psychoanalytischen diagnosen thematisiert.

und wieder ein hübsches beispiel dafür, wie unter der hand kategorisiert wird OHNE ÜBER DAS EIGENE TUN nachzudenken.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


ziegenkind
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Beitrag Do., 08.10.2015, 13:45

wer hat eigentlich wo gesagt, traumatisierte neiden nicht? ich kann mich nur an die aussage erinnern, traumatisierte lehnen sich nicht beruhigt und entspannt zurück, weil sie traumatisiert sind.
Zuletzt geändert von ziegenkind am Do., 08.10.2015, 13:49, insgesamt 1-mal geändert.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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leberblümchen
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Beitrag Do., 08.10.2015, 13:47

vielleicht mal eben den Unterschied zwischen n und l analysieren.

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lamedia
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Beitrag Do., 08.10.2015, 13:49

leberblümchen, ist das wirklich Realität, dieses Spalten? Ganz pragmatisch gesehen: Ich glaube, dass es ja auch gute Gründe gibt, warum sich Frauen, die sexuelle Gewalt erlebt haben, miteinander solidarisieren und eine Art Gruppenverständnis herausbilden, einfach weil gemeinsame Erfahrung, auch negative, Kohäsion erzeugt. Und ebenso werden vernachlässigte Kinder sich untereinander vielleicht einfacher oder sogar nonverbal verstehen können. Oder Menschen, die in Heimen und Internaten aufgewachsen sind. Und was alle mit ähnlich "subidealen zwischenmenschlichen Erfahrungen" vielleicht verbindet: So ein Grundgefühl von Entwurzelung und Anderssein. Ich glaube, das ist gruppenübergreifend, da sind wir dann alle im gleichen Boot.


ziegenkind
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Beitrag Do., 08.10.2015, 13:50

danke für den hinweis. ich meinte natürlich neiden.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


Widow
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Beitrag Do., 08.10.2015, 13:53

Ich habe damit gerechnet, dass mir mein "Bekenntnis" um die Ohren gehauen und mir gesagt wird, dass 1. Neid in diesem Kontext (wenn nicht generell) ganz pfuibähbäh sei, dass 2. indem ich sage, dass ich solche Gedanken habe, ich sie dann wohl gewissermaßen zwangsweise auch ausagieren würde (was erst recht pfuihbähbäh sei), und dass 3. das von ganz schrecklichen Vorurteilen zeuge, die ebenfalls äußerst pfuibähäh seien.

Ich stelle klar:
1. Mein Neidgefühl bezieht sich nicht auf die erlittenen Traumata (nein, so masochistisch bin selbst ich nicht), sondern auf die - von mir unterstellten (ich schrieb es: Es sind meine Vorstellungen!) - daraus resultierenden Folgen wie: mehr Zuwendung, mehr Mitgefühl, mehr Hilfe, mehr Schonung, mehr Therapie. (Das hat montagne nochmals gut auf den Punkt gebracht, wofür ich mich bei ihr bedankt habe.)
2. Ich habe diese Gedanken selbst "bullshit"-Gedanken genannt und davon berichtet, dass ich de facto dagegen angehe. Das gelingt nicht immer, aber insgesamt doch so, dass ich da hoffnungsvoll bin. Und dennoch: Es kann sein, dass ich diese Gedanken niemals ganz verlieren werde.
Mir eins überbraten zu wollen, indem mal eben das Gegenteil behauptet wird, nur weil ich sie reflektiere und hier veröffentlicht habe, finde ich nicht fair.
3. steht in 1 und 2.

Eins noch: Ähnlich falsch gelesen wurde ich hier offenbar von der einen oder dem anderen zum Thema Mitgefühl/Mitleid: Ich finde mein Mitleid/gefühl, das manchmal reflexartig entsteht, wenn ich etwas von schlimmen Traumatisierungen mitbkekomme, selbst oft einfach zum Kotzen, weil es die Tendenz hat, den anderen auf etwaige [!] aus der Traumatisierung resultierende Defizite zu reduzieren und/oder ihn paternalistisch zu entmündigen. Auf jeden Fall birgt es die Gefahr von Überheblichkeit.
Die von jemandem - lamedia, glaube ich, war's - in die Diskussion eingebrachte Empathie ist mir sehr viel wichtiger, weil sie nach meinem Verständnis "neutraler", "offener" ist; doch ich habe sie nicht immer und schon gar nicht immer sofort.

Beste Grüße in die Runde
Widow


montagne
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Beitrag Do., 08.10.2015, 14:04

@leberblümchen:

Mir geht es nie primär ums widersprechen. Klar, wenn ich etwas lese und ich aus Theorie UND Praxis weiß, dass stimmt so nicht, dann sage ich es. Ich wiederspreche aber auch längst nicht allem, dem ich wiedersprechen könnte.
Hauptsächlich geht es mir darum, mich zu bestimmten Aspekten zu äußern. Zu allen kann und will ich mich nicht äußern. Kann aber auch nicht, ist viel zu viel hier. Fühle mich da auch nicht verantwortlich. Ich spreche da weder für noch gegen...
Und.. was hat eigentlich die Frage nach Selbsthilfegruppe mit der Frage ob Traumatisierte Begriffe brauchen oder nicht zu tun?

Schade, nur, dass du auf die erste Hälfte meines Posts nicht eingehen möchtest oder es nicht siehst. Ich jedenfalls schrieb nicht, Traumatisierte neiden nicht. Im Gegenteil, ich schrieb ja "die" Traumatisierten kämpfen genauso um ihre Ressourcen und lassen sich nicht gerne was wegnehmen, was sie schon haben. (Wie jeder halt.) Das impliziert für mich, das Traumatisierte ebenso Ressourcen neiden, die andere vielleicht mehr haben.


Aber eins muss ich mal sagen, das geht jetzt eigentlich nicht nur an dich leberblümchen:
Ja es haben viele User auch schon gesagt, ich muss es einfach heute nochmal sagen:

Warum immer "die" Traumatisierten vs. "die" nicht-traumatisierten? Wer soll das sein? Wenn ich hier mal die User ansehe, die ein "richtiges" Trauma haben und sich auch umfänglich erinnern können, so sind das teils grundverschiedene Menschen. ich will jetzt keine Namen nennen aber ich finds lustig und bestürzend gleichzeitig diese Menschen mit ihren Problemen in eine Schublae stecken zu wollen.
Genauso heterogen sind die nicht-Traumatisierten auch. Und dann auch die Frage, wann gilt man als nicht traumatisiert und nur gestört?
Die Abwesenheit von Erinnerungen, die Abwesenheit von Schlägen oder Missbrauch garantiert nicht, dass keine Traumatisierung stattfand. Zumal die Definition ja auch je nach Therapierichtung und gar je nach Autor unterschiedlich ist.

@stern:
Ohne die letzten beiden Absätze könnte es pauschal wirken. Ich habe aber 2 Absätze Zeit genommen, von mir aus nochmal zu erklären, wie es gemeint war. Von daher ist es definitiv nicht pauschal und wohl auch nicht Quatsch. denn genau diese Dynamik spielt sich doch hier in diesem Thread und in zig anderen vor unseren Augen ab, immer und immer wieder.
Zuletzt geändert von montagne am Do., 08.10.2015, 14:17, insgesamt 1-mal geändert.


ziegenkind
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Beitrag Do., 08.10.2015, 14:04

widow, ich weiß nicht wen du meinst. aber ich bin zutiefst überzeugt, es hilft ungemein, um etwas zu wissen und es zu benennen, um es NICHT auszuagieren.

ich glaub aber auch, es bei sich zu erkennen und dann zu sagen, haben alle anderen auch, wenn sie nur so ehrlich wären wie ich, ist wieder ein halber schritt zurück.

wobei ich tatsächlich glaube, dass JEDER mensch neid kennt. nur um was wir uns jeweils beneiden, ist oft sehr verschieden.

mit deinem kotzen bei patronisierendem mitgefühl nennst du selbst ein schönes beispiel. ich lerne beim hier lesen, dass es leute gibt, die davon gar nicht genug bekommen können. (achtung: keine wertung. eine feststellung. aber bitte auch nicht die der selbstberuhigung dienende generalisierung, was ich will, will doch eigentlich jeder. zielt auch wieder auf eine anerkennung im außen, die man sich nur im innen geben kann. was ich brauche, ist auch dann okay, wenn es nicht alle brauchen)
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


Widow
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Beitrag Do., 08.10.2015, 14:09

ziegenkind hat geschrieben:ich glaub aber auch, es bei sich zu erkennen und dann zu sagen, haben alle anderen auch, wenn sie nur so ehrlich wären wie ich, ist wieder ein halber schritt zurück.
Jetzt werde ich aber langsam wirklich ärgerlich!
Schau Dir (und nicht nur Du) doch bitte meine drei letzten postings an. Ich versuche dort, "bei mir zu bleiben" und von mir zu erzählen, und wenn mir eine Verallgemeinerung durchgerutscht ist, habe ich sie sofort zu problematisieren versucht (das ist vielleicht nicht in allen Fällen gelungen, aber ich übe noch).

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stern
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Beitrag Do., 08.10.2015, 14:18

lamedia hat geschrieben:Ich bemerkte Neid auch auf mich in den stationären Setting, ohne dass es jetzt um Trauma geht: Ich bin jemand, der schnell losheult und auch sichtbar leidet. Ich kann es einfach nicht steuern. Ich glaube, ich löste damit auch Antipathien und Neid bei Mitpatienten aus, denn es gibt viele Menschen, die können oder wollen ihr Leiden nach außen nicht zeigen und versuchen sogar, im Klinikalltag zu funktionieren und stark zu sein, sie werden aber auch eher übersehen.
Interessant. Ich konnte auch lange Zeit nicht weinen (was ich belastend fand)... aber ich hatte eigentlich nie den Eindruck, übersehen zu werden, deswegen zumindest nicht. In der Klinik hörte ich jedoch oft: Man muss nur weinen können... das wollen die Therapeuten... und dann gibt es dies oder jenes tolles. Wer nicht weint, schaut in die Röhre... (etwas überzogen, kommt dem, was ich mehr als 1x so vernommen habe, aber doch recht nahe). Darauf wäre ich selbst nie gekommen, denn ich fühlte mich nicht "benachteiligt"... aber weil man das (unter Patienten versteht sich... von Therpeuten nie) so oft hörte, beeindruckte mich das schon, ob vielleicht etwas daran ist.

Persönlich möchte ich selbstverständlich ernst genommen werden... aber was ich unverträglich finde, wenn ich als das "Hascherl" wahrgenommen werde. Mittlerweile weine ich (zu viel... nicht deswegen... und erlebe das mittlerweile auch eher als störend)... umso mehr Bedenken, dass das überinterpretiert werden könnte à la Frau stern, ich habe den Eindruck, ein stationärer Aufenthalt werde sinnvoll. Wenn man mir auf den Senkel gehen will, dann so.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Die Dummheit hat aufgehört sich zu schämen«
(Heidi Kastner)


ziegenkind
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Beitrag Do., 08.10.2015, 14:19

widow, ich habe doch mit keinem wort gesagt, dass du das nicht tust. ich glaube allerdings, dass das hier im faden sehr oft getan wird.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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stern
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Beitrag Do., 08.10.2015, 14:25

montagne hat geschrieben:@stern:
Ohne die letzten beiden Absätze könnte es pauschal wirken. Ich habe aber 2 Absätze Zeit genommen, von mir aus nochmal zu erklären, wie es gemeint war. Von daher ist es definitiv nicht pauschal und wohl auch nicht Quatsch. denn genau diese Dynamik spielt sich doch hier in diesem Thread und in zig anderen vor unseren Augen ab, immer und immer wieder.
ist ja egal... auch unter Berücksichtigung der letzten beiden Absätze sehe ich das etwas anders... mag's aber gerade nicht ausführen. Denn da müsste ich ziemlich ausholen.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
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(Heidi Kastner)


Vincent
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Beitrag Do., 08.10.2015, 14:29

(Alles Folgende noch nicht gelesen)
stern hat geschrieben:Und so erscheint mir es auch, wenn man usern einfach mal Eigenverantwortungsübernahme abspricht oder diese als (trauma-)gestört bezeichnet).
Woher kommt es denn, dass viele sich der Diagnose-Gebung des 'Behandlers', wie du ihn zu bezeichnen pflegst, fast demütig 'fügen', obschon bekannt ist, dass es neben 'schlechten' Diagnosen auch nicht selten 'schlecht gegebene' Diagnosen gibt? Es wird gern angenommen, was der Therapeut 'gibt'. Obwohl bekannt ist, oder man zumindest annehmen könnte, dass ein zweiter Therapeut möglicherweise zu einer ganz anderen Diagnose käme. Und ein dritter Therapeut käme eventuell zu noch anderen 'Ergebnissen'. Bei der ganzen (idealistischen und individuellen) Uneinigkeit, die da herrscht.

Die Patienten abstrahieren die Diagnose(n), indem sie deren Begriffe nach Gutdünken auslegen, abstrahieren sich selbst durch die Diagnose(n), oder der eigenen (höchstpersönlichen) Auslegung dieser.

Aber was trägt das zum Gelingen des Therapieprozesses bei? Inwiefern begünstigen diese ganzen Konstruktionen ein echtes Einlassen auf den Therapieprozess und das Erkennen von therapeutischen Wirkungsweisen?

Ich denke, letztlich ist diese Über-Identifikation des Patienten mit den abstrakten Konstruktionen (Diagnosen) eine Kompensation für den (selbsterkannten) Mangel an der Fähigkeit sich auf die Therapie einzulassen.

Somit gibt das Wissen über Diagnosen wohl gewisse (vermeintliche) Sicherheiten, die das mangelnde Vertrauen zu sich selbst (und zum Therapeuten) ausgleichen soll. Man könnte auch sagen, dass die Identifikation mit den Diagnosen im Grunde ein psychologischer Abwehrmechanismus ist.

Das wissen auch Therapeuten. Und wenn sie nicht dazu verpflichtet wären, Auskunft über die von ihnen definierten Diagnosen zu geben, würden sie die sicherlich auch lieber für sich behalten, als sie dem Patienten mitzuteilen.

So, und ich gehe jetzt gleich ganz entspannt zu meiner Therapie-Sitzung - völlig im Ungewissen darüber, welches meine Diagnosen sind.
"Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu." (Horvàth)

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