Zwiespalt: Ausstieg aus der Prostitution

Fragen und Erfahrungsaustausch über sexuelle Problembereiche wie Sexualstörungen, rund um gleichgeschlechtliche Sexualität und sexuelle Identität, den Umgang mit sexuellen Neigungen wie Fetischismus, S/M usw. - ausser Aufklärungs-Fragen.
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Lidocain
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Beitrag Fr., 29.11.2013, 19:37

Holunder hat geschrieben:Oje, liebe Lido ...
Lidocain hat geschrieben:Heute werde ich definitiv nicht mehr arbeiten!
Nur heute nicht???

Lido, du könntest auch vorerst über eine stationäre Therapie nachdenken, auch und vorallem um dich mit Hilfe eines Therapeuten zu sortieren und Abstand zu deinem Alltag zu haben.
Ja, heute auf jeden Fall nicht mehr.
Es ist Wochenende. Die wichtigsten Tage der Woche im Milieu.
Weiß nicht, ob ich morgen auch noch abends/nachts zu Hause bleiben kann.

Stationäre Therapie?
Ist das eine Art offene Psychiatrie dann?

Viele Grüße,
Lido

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leuchtturm
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Beitrag Fr., 29.11.2013, 19:44

Lido, warum weigerst du dich, auf die Zeichen zu hören, die dein Körper dir gibt?

Du hast hier zu schreiben begonnen, weil du erwägst, einen Ausstieg aus der Prostitution zu wagen.
Dein Kopf sagt halb ja, halb nein.
Dein Körper schreit geradezu JA zum Ausstieg.
Dadurch hat er dich in die Hände von Fachleuten geschickt.
Und was machst du?
gehst selbstverständlich davon aus, dass du gleich wieder anschaffst.
Statt die Chance, die Gunst der stunde zu nutzen, und ehrlich zu sein, den Fachleuten dein Dilemma zu erklären und so dir selbst die Chance zu geben, den Aussteig in Angriff zu nehmen.
Mir scheint fast, du willst gar nicht wirklich??

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Holunder
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Beitrag Fr., 29.11.2013, 21:00

Lidocain hat geschrieben:Stationäre Therapie?
Ist das eine Art offene Psychiatrie dann?
Ja. Man könnte auch sagen wie eine Kur, nur mit dem Schwergewicht auf die Psyche.
Lidocain hat geschrieben:Weiß nicht, ob ich morgen auch noch abends/nachts zu Hause bleiben kann.
Lido. ich würde dich jetzt gern schütteln!
Natürlich kannst du zu Hause bleiben. Wann willst du denn aussteigen?
Wenn du deine Gefühle schon so weit verdrängt hast, dann nimm doch wenigstens deinen Körper ernst.
Was muss denn noch passieren?

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ENA
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Beitrag Fr., 29.11.2013, 23:52

Vielleicht wäre so eine Auszeit wirklich ganz gut, allein schon, um etwas mehr Klarheit und Abstand zu haben. Dann bist Du erstmal nicht "von jetzt auf gleich ausgestiegen aus dem Milleu" (also die Entscheidung), sondern bist erstmal "krank" (ist ja ein Unterschied für den Blick von Außen, auch für Deinen Manager z.B.) und hast dann, wie gesagt, erstmal den Abstand, um für Dich zu gucken, wie es weiter gehen kann und denke, Du hast da dann eine Reihe an Fachleuten zu Hilfe (einen Teil hast Du ja jetzt schon), wenn der Weg wirklich aus dem Milleu draußen bleiben ist (was ich Dir wünschen würde).

Irgendwie bin ich grade ganz froh, dass Du Dich hierhin gewendet hast, um von Dir zu schreiben. Vielleicht hilft Dir das. Ist ja im Endeffekt auch schon ein Schritt nach draußen. Einen Schritt, Dich bzw. Deine Seele ernst zu nehmen.


ballpoint
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Beitrag Sa., 30.11.2013, 00:15

ENA hat geschrieben:Irgendwie bin ich grade ganz froh, dass Du Dich hierhin gewendet hast
Ich bin auch froh deswegen. Rührt micht dass du das so schreibst, ENA. So direkt, aus dem Herzen. Das kann nicht jeder.
caute

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sadmaso67
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Beitrag Sa., 30.11.2013, 04:03

Lidocain hat geschrieben:....
Du schreibst: "Dass du Nähe/Geborgenheit binnen der ersten 1-2 Jahre finden wirst... ist durchaus möglich; persönlich bezweifle ich das aber."
Warum bezweifelst Du das?
Hat mich ein wenig geschockt zu lesen...
...
Nein, das braucht dich nicht schocken;
mir ist auch durchaus bewußt, daß wenn wir über 1-2 Jahre sprechen ein total unterschiedliches ZEitgefühl haben; etwas, was für mich sehr schnell vergeht, udn für dich (vermutlich) eine sehr, sehr lange Strecke darstellt...

Ich nenne es eher mal Lauf der Dinge (anhand meiner Erfahrung);
und da spielen viel Faktoren rein, die weniger davon abhängen, was du bisher gemacht hast, sondern eher "auf die Person" ankommen.

Manchen ist´s egal, ob, und wie oft sie umziehen: Kaum den Koffer hingestellt, sind sie schon angekommen; und manche betrachten ihr Zuhause "ewig" nicht als "Zuhause"

Und wenn du aus Jubel, Trubel, Heiterkeit mal eben dahin gehst, wo Bürgersteige hochgeklappt werden; so dauert es, bis man die "Spielregeln" kennt, bis man mit den Umständen warm wird.
Und was Kontakte betrifft; nu, da ist´s ebenso;
etwas, was ich dann gerne mal damit vergleiche: Das man grad eben aus nem Ringelspiel ausstieg, noch voll mit Glücksgefühlen und Schwindel, braucht der Köper ein wenig Zeit, bis er sich an die ebene Erd gewöhnt.

Und dann kommt auch noch die Sparte dazu, daß du Männer derzeit (vermutlich) eher aus einer "Blickrichtung" her kennst (was auch okay ist);
und das es wohl seine Zeit braucht, bis sich da dein Blickwinkel wieder an die "normalität" gewöhnt (ungeachtet dessen, was man jetzt als Normalität bezeichnet)

Als Barkeeper kannte ich meine Gäste ja auch nur saufend und feiernd; wußte da auch zuviele Sachen, die man manchmal lieber nicht weiß; und es dauerte, bis man nicht jeden neuen MEnschen als "Gast der Bar" betrachtete


Auch wenn es dir leicht fällt "Kontakte" herzustellen/mit MEnschen zu sprechen; so können die ersten paar LEutchen durchaus ein Griff ins Klo sein -was sich erst nach ner gewissen Zeit herausstellt-; auch wenn man sie im Regelfall recht schnell abchecken kann; und dadurch bereit im Vorfeld gut aussortieren kann;

aber bis dann Mr. Right kommt; oder "der gute Kompromis"... das kann durchaus auch dauern; heißt aber nicht, daß man bis dahin nicht "erfüllende" Beziehungen führen kann.

Auch wenn du dich vlt. heute reif genug fühlst; weißt, was du willst;
aber manchmal spielt das Zeitmanagment der Welt nicht mit.

Also nimm es weniger mit Angst, oder mit Schock...
heißt ja nicht umsonst: Das LEben umkrempeln
aber all diese Kleinigkeiten dauern und greifen in sich ineinander;
und ich denke; es ist zumindest ein guter Anhaltspunkt dessen, was einen Zeitmäßig erwartet.
Ein Freund ist jemand, der Dein Lächeln sieht, und dennoch erkennt, dass Deine Seele weint...

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ENA
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Beitrag Sa., 30.11.2013, 08:54

sadmaso67 hat geschrieben: aber bis dann Mr. Right kommt; oder "der gute Kompromis"... das kann durchaus auch dauern; heißt aber nicht, daß man bis dahin nicht "erfüllende" Beziehungen führen kann.
Ja. ...und es ist ja nicht so, dass Leute mit anderen Jobs und Lebensläufen nicht auch Schwierigkeiten hätten, den Mr. oder die Mrs. Right zu finden. Bei manchen ist es früher, bei manchen später. Man weiß es nicht.
...und...ja, es waren 3 Jahre Prostitution. Es spielt aber auch eine Rolle, ob man 3 Jahre in dem Bereich gearbeitet hat oder 13...oder...30. (Jetzt an Lido gerichtet. Ich habe nur das Zitat genommen, um noch was zu ergänzen, was mir wichtig schien, zu sagen)

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Lidocain
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Beitrag Sa., 30.11.2013, 09:40

Guten Morgen,

mir fällt es einfach schwer jemanden, gerade auch einem Arzt, der mich behandeln musste, zu sagen, dass ich aufn Strich geh, obgleich ich Ärzte auch als Kunden hatte.
Das ist ja auch der Widerspruch in mir.
Ich kann mich artikulieren, will zur Gesellschaft gehören, wenn`s drauf ankommt, will (gerne) eine von den Normalos sein/werden und nicht chancenlos im Gewerbe bleiben.
Das Bild des Gewerbes ist eh zerstört, weil Prostitution nicht gleich Prostitution ist.
Mein Kundenkreis ist ein ganz anderer als der von den Mädchen, die für n paar Euros Sex haben müssen, damit sie irgendwo eine Familie ernähren können. Es ist für mich nicht (wirklich) existenziell - oder für jemanden aus meiner Familie.

Ich will ein Teil von dieser ganz normalen Welt werden, aber irgendwas in mir lässt das Vertraute nicht aus dem Rotlicht kommen.
Zudem bin ich ungeduldig und erwarte wahrscheinlich mehr von anderen (Thera, Coach und Manager), als von mir selbst.
Das ist schrecklich, nervt mich sehr und passt eigtl. gar nicht zu meiner Vita, da ich sehr früh autonom gehandelt habe.
Aber jetzt, mit 21, fühl ich mich wieder so klein und machtlos. Infantil.
Weiß nicht, wieso........ :(

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leuchtturm
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Beitrag Sa., 30.11.2013, 10:24

Zudem bin ich ungeduldig und erwarte wahrscheinlich mehr von anderen (Thera, Coach und Manager), als von mir selbst.
Das ist schrecklich, nervt mich sehr und passt eigtl. gar nicht zu meiner Vita, da ich sehr früh autonom gehandelt habe.
Aber jetzt, mit 21, fühl ich mich wieder so klein und machtlos. Infantil.
Weiß nicht, wieso........ :(
Ich vermute, wie gesagt:vermute,
das könnte daran liegen, dass du zwar sehr früh begonnen hast, dich selbst unter dem sexuellen Aspekt zu sehen, weil du über diese Schiene meintest, Anerkennung bekommen zu können.
Eine wirkliche Autonomie war das aber ganz sicher nicht, zudem war es mit 13 Jahren für die Seele der viel zu frühe und viel zu einseitige Weg.
Etwas anderes hast du aber nie kennengelernt. Deine eigene seelische Entwicklung vom jungen Teenager zum langsam reifenden Erwachsenen hast du abgekappt. Dir fehlen also sozusagen etliche Jahre, in denen man sich als Heranwachsender langsam selbst kennenlernt, seinen eigenen Standpunkt ausprobieren kann, sich selbst ausprobieren kann, Freundschaften schließt und auflöst, sich langsam an Verliebtheiten (auch platonische!) herantastet, kurz, seinen eigenen Weg tastend geht. Auch mal schnell vor und stolpernd wieder zurück.
Das alles fehlt dir vermutlich, weil du eben sehr früh deinen Körper sehr erwachsen hast behandeln lassen.

Und nun sagt dir dein Kopf: vielleicht so nicht mehr.
Dein Körper schreit: So bitte nicht mehr.

Insgesamt aber weißt du gar nicht, wohin der Weg genau gehen könnte. Damit meine ich nicht fehlende konkrete Ziele wie Ausbildung u.Ä., die hast du ja. Ich meine damit die Entdeckung der eigenen Gefühle. Der eigenen Seele.
Das kann nicht ratzfatz gehen.
Das braucht laaange Zeit. Die Pubertät dauert auch mehrere Jahre.

Und nun, wo dein Kopf halbwegs zu einem Wechsel des gesamten Lebensumfelds tendiert, macht das Angst. Was genau komtm danach? Was, oder wen werde ich entdecken, wenn ich meine vetrauten Verhaltensweisen ablege?
Wer wird mich noch mögen, wenn ich nicht die immer zu allem bereite Prostituierte bin? Werde ich mich selbst mögen? Für was werde ich mich dann mögen?

Unsicherheiten tun sich auf. Das merkst du, deshalb wünschst du dir, es möge alles ganz schnell gehen. Sozusagen: es schnell hinter sich bringen, was mir da unbewusst Angst macht.

Eine Abkürzung gibt es nicht.
Ich sehe immer wieder die Parallele zu Suchtabhängigen:
Unsicherheit bezüglich des Danach.
Neue unbeschrittene Wege müssen gefunden, gegangen, festgetrampelt werden.
Das macht Angst.

Lass dich beraten, es wird dir Klarheit bringen

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Pitt
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Beitrag Sa., 30.11.2013, 10:33

- Gedanken -,...

Ich kann es fast nicht glauben, dass eine 21-jährige junge Frau, die als Prostituierte arbeitet, schriftsprachlich so eloquent "unterwegs" ist.
Bei mir regt sich da der Gedanke "fake" im Hinterkopf.
Tut mir leid.
Es kann im Einzelfall auch mal sein, dass jemand einem Forum einen "Bären aufbindet".
Sorry, das sind nun mal meine Gedanken...
Und die möchte ich mal äußern dürfen....
Lg
Pitt

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Lidocain
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Beitrag Sa., 30.11.2013, 10:39

@leuchtturm:

Danke, das hast Du sehr gut geschrieben und schön formuliert.
Im Prinzip ist es genau so!

Leider ist Aufgeben momentan immer noch leichter, als weiterhin laaange zu kämpfen - auch das macht mir Angst.
Wenn einfach alles so bleibt wie es ist, dann versacke ich wohl früher oder später........oder.......ehrlich gesagt.........ich weiß nicht, wo das endet/enden könnte.
Für einen Großteil der Menschheit bin ich schon ganz unten :( Tiefer geht wohl kaum noch...

Ich hoffe nicht, dass ich irgendwann nochmal auf irgendwas drauf kommen sollte, dann ist es nämlich vorbei mit schillernden Zukunftsseifenblasen.

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leuchtturm
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Beitrag Sa., 30.11.2013, 10:55

Ich hoffe nicht, dass ich irgendwann nochmal auf irgendwas drauf kommen sollte,
heißt Drogen?

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Thread-EröffnerIn
Lidocain
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Beitrag Sa., 30.11.2013, 10:57

leuchtturm hat geschrieben:
Ich hoffe nicht, dass ich irgendwann nochmal auf irgendwas drauf kommen sollte,
heißt Drogen?
Ja, heißt Drogen.
Ist der endgültige Abstieg -.-


ballpoint
Forums-Gruftie
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Beitrag Sa., 30.11.2013, 11:31

Pitt hat geschrieben:Ich kann es fast nicht glauben, dass eine 21-jährige junge Frau, die als Prostituierte arbeitet, schriftsprachlich so eloquent "unterwegs" ist.
Ich habe Lidocain auf dieses Forum hingewiesen da ich ihre Identität kenne und ihr etwas Rückendeckung und Sympathie für den mutigen Entschluss wünsche.
caute

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Nico
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Beitrag Sa., 30.11.2013, 11:43

Was daran mutig sein soll in einem Forum zu posten erschließt sich mir allerdings nicht ganz..
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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