Sind Selbstmörder/innen Egoisten?

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Larfa60
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Beitrag Mi., 08.07.2009, 20:58

Ich erzähle hier mal die Geschichte von meinem 25jährigen Freund.

Nur als Beweis, dass man es schaffen kann auch wenn man ganz tief unten ist.

Mit 20 Jahren hatte er eine Freundin. Beide wollten eines Tages sich Wohnungen anschauen, da sie planten, zusammen zu ziehen. Sie überquerten eine Strasse, er ging wohl schon etwas früher los... als er sich umdrehte war sie noch dabei, die Strasse zu überqueren und sah ein Auto heranrasen. Sie wurde von dem Auto angefahren und meterweit weggeschleudert. Der Autofahrer raste einfach weiter. Mein Freund sackte sofort zusammen, konnte sich nicht rühren. Passanten riefen den Notarzt.
Er meinte später, dass als er sich umdrehte und sie sah, es aussah, als wolle sie sich noch von ihm verabschieden, bevor das Auto sie erfasste.

Sie war natürlich auf der Stelle tot. Ihre Eltern gaben ihm letztendlich die Schuld an ihrem Tod, er durfte nicht auf die Beerdigung. War aber dennoch da, um sich zu verabschieden von ihr.. danach.

Was geht in einem jungen Menschen vor, der mit ansehen muss, wie ein geliebter Mensch VOR SEINEN AUGEN überfahren wird? Und dem dann auch noch Schuldgefühle gemacht werden. Der Tot an sich war schon schlimm genug, aber dafür auch noch verantwortlich sein?

Er machte leider den Fehler und erzählte kaum jemandem davon. Er war außerhalb seiner eigentlichen Wohnstätte für ein halbes Jahr woanders eingeteilt vom Betrieb und daher wussten viele nicht von seiner neuen Freundin, die er dort kennen gelernt hatte. Er vergrub sich, benahm sich gegenüber seinen Freunden sehr grenzwertig und gemein.. er stiess sie ab, viele konnten das nicht verstehen. Klar, sie kannten ja nicht den Grund. Als er schlussendlich keinen mehr hatte, wandte er sich den Drogen zu. Das ging vlt. ungefähr 9-10 Monate lang. Er ging dennoch arbeiten, ließ sich nichts anmerken, aber eine Qual war es für ihn.

Dann kam der Tiefpunkt, die Depression, die Grenze wo es nicht mehr vorwärts geht. Es wurde unerträglich. Er erzählte mir, dass er eines Nachts an den Bahngleisen in der Nähe seiner Wohnung saß, und mit sich haderte, sich vor den Zug zu werfen.

Er tat es nicht! Er war so weit unten, es konnte nur noch besser werden! Er kümmerte sich um einen Therapeuten, ging ca. 3 Mal die Woche hin, bezahlte ihn sogar aus eigner Tasche, da die KH die Kosten nicht tragen wollte. Er ließ ungefähr 1000 Euro bei dem Therapeuten, aber es half ihm.
Der Therapeut riet ihm natürlich auch, den ehemaligen Freunden zu erzählen, was passiert war, die Kontakte wieder aufleben zu lassen. Das tat er auch.. bei jedem einzelnen. Nicht jeder hatte im Nachhinein Verständnis - er muss wohl dort ein ziemliches Arschloch gewesen sein. Aber mit vielen hat er heute wieder super Kontakt und es geht ihm blendend.

Am Anfang haben wir nächtelang über dieses Thema gesprochen. Ich finde bewundernswert wie er sich selbst aus der Scheiße geholt hat. Dass er den Mut hatte, weiter zu machen, zu kämpfen. SO ETWAS FINDE ICH BEWUNDERNSWERT. Alles andere wäre feige gewesen. Es gibt immer einen Strohhalm, so aussichtslos es auch sein mag.

Und viele Selbstmörder bringen sich leider schon wegen weniger "schlimmen" Dingen ums Leben.

Heute steht er fest im Leben, hat seine Arbeit, gehört da unter die Besten "Jungen", geht auf Lehrgänge, geniesst sein Leben, ist von jeglichen Drogen weg (richtig süchtig war er in meinen Augen nie) und hat einen breiten Bekannten- und Freundeskreis und ist da sehr beliebt.

Das hat er alles in 5 Jahren überwunden. Geprägt hat es ihn, und es wird nie ganz weg sein. Aber er ist nicht mehr depressiv und weiss, wenn er abermals in eine depressive Phase rutschen sollte, wo er Hilfe bekommt.

Es gibt für alles einen Ausweg. Das Leben ist schön. Man muss es SELBST nur so gestalten WOLLEN.
Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei und würd er in Ketten geboren. - Schiller

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Raziel
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Beitrag Mi., 08.07.2009, 23:41

Kältezeit hat geschrieben:Ich finde bewundernswert wie er sich selbst aus der sch*** geholt hat. Dass er den Mut hatte, weiter zu machen, zu kämpfen. SO ETWAS FINDE ICH BEWUNDERNSWERT. Alles andere wäre feige gewesen. Es gibt immer einen Strohhalm, so aussichtslos es auch sein mag.
Und weil dein Freund es selbst geschafft hat, müssen es alle anderen natürlich auch schaffen?

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich halte die Entwicklung deines Freundes auch für bewundernswert. Aber beantwortet dieser eine Fall damit die Ursprungsfrage? Nämlich, ob Selbstmörder pauschal Egoisten sind (oder auch feige)?

Sind Selbstmörder, die durch Krankheit oder Unfall körperlich am Ende waren, sich vielleicht nicht mal mehr rühren konnten, total von der Hilfe anderer abhängig waren, selbst mit starken Schmerzmitteln den Tag nur mühsam überstehen konnten und die Aussichten eher noch schlechter geworden wären, auch Egoisten?

Sind Selbstmörder(innen), die von klein auf in ihrem Elternhaus sexuell und psychisch misshandelt wurden, denen man das Gefühl gegeben hat, wertlos zu sein, an seinem/ihrem Schicksal selbst schuld gewesen zu sein, das ihnen niemand glauben wird und die später von nahestehenden Personen scheinbar im Stich gelassen werden; sind die feige, weil es mit einem guten Therapeuten ja immer noch einen Ausweg gegeben hätte?

Wenn das alles so leicht wäre: Warum gibt es dann dieses Forum?

Wie gesagt, ich habe großen Respekt vor deinem Freund und was er geschafft hat. Aber deine Schlussfolgerung, dass dieser eine Fall zeigt, das Selbstmord feige ist (so liest sich dein Post nämlich), weil es eben immer einen Strohhalm gibt, übt IMHO nur noch mehr Druck auf Suizidgefährdete aus. Wenn dein Freund es schon alleine schafft, dann müssen sie es ja auch alleine schaffen. Und wenn nicht? Haben sie dann versagt? Konnten sie nicht genug Mut aufbringen und waren damit wirklich feige? Wenn sie selbst es schon nicht schaffen, wie soll dann jemand anderes das können? Wer braucht denn so armselige Feiglinge noch? Letztendlich sehen sie ihren Freitod vielleicht sogar noch als Dienst an der Allgemeinheit an, denn so eine "Kreatur" braucht bestimmt kein Schwein.

Nein, Selbstmörder sind nach wie vor nicht über einen Kamm zu scheren. Und sie pauschal als Egoisten oder Feiglinge hinzustellen, verhöhnt praktisch im Ansatz schon das Schicksal, was zu diesen Suizidgedanken geführt hat, weil man dieses nicht ernst nimmt und erniedrigt sie damit erneut. Das sind die Momente, wo die Gesellschaft versagt. Wo diejenigen zu Egoisten werden, die Selbstmördern Egoismus vorwerfen.

Hier geht es auch nicht um die moralische Keule. Ich z.B. wüsste auch nicht auf Anhieb, wie man jemanden hilft, der mit dem Gedanken spielt, freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Diese davon abzubringen mit dem Hinweis, dass das Leben doch trotzdem lebenswert ist, müssen wie eine reine Verarsche für die Betroffenen klingen, wenn es doch gerade das Leben war, was sie zu ihrem Entschluss gebracht hat und man kann denjenigen, die helfen wollten, es aber nicht geschafft haben, auch keinen Vorwurf machen. Dann stellt man sich aber auch nicht hin und verurteilt diesen Suizid als egoistisch. Das gilt auch, wenn man die näheren Umstände nicht kennt.
Man liest sich
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Tradition ist nicht das Bewahren der Asche,
sondern die Weitergabe des Feuers.

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Marja
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Beitrag Mi., 08.07.2009, 23:53

@Kältezeit!

Finde ich auch beachtlich, welchen Kampfgeist Dein Freund da an den Tag gelegt hat. Das ist bestimmt nicht einfach gewesen für ihn.
Aber Raziel hat sehr recht, mit dem was er Dir sagt. Deine Schlußfolgerung ist zu einfältig. So einfach ist das nicht und jeder ist anders, jeder hat andere Vorraussetzungen.

Raziel schrieb
Nein, Selbstmörder sind nach wie vor nicht über einen Kamm zu scheren. Und sie pauschal als Egoisten oder Feiglinge hinzustellen, verhöhnt praktisch im Ansatz schon das Schicksal, was zu diesen Suizidgedanken geführt hat, weil man dieses nicht ernst nimmt und erniedrigt sie damit erneut. Das sind die Momente, wo die Gesellschaft versagt. Wo diejenigen zu Egoisten werden, die Selbstmördern Egoismus vorwerfen.
Das sehe ich genauso!

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Gärtnerin
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Beitrag Do., 09.07.2009, 12:32

Was vielleicht auch mal erwähnt werden sollte: Nicht nur junge Menschen mit miesem Elternhaus, Depressionen, Persönlichkeitsstörungen oder tragischen Verlusterfahrungen bringen sich um. Die Suizidrate ist am höchsten bei den über 85-jährigen Menschen.

Ein guter Artikel zum Suizid im Alter: http://www.stern.de/wissenschaft/mensch ... 31165.html

Suizidstatistik: http://de.wikipedia.org/wiki/Suizid#Statistik
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Larfa60
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Beitrag Do., 09.07.2009, 16:16

Ich sagte nicht, nur weil mein Freund es schaffte, müsste es jeder schaffen.

Es gibt auch genug andere Beispiele, ich habe nunmal nun einen persönlichen Fall beschrieben.

Ich meinte nur, es geht (fast) immer vorwärts.

Selbstmord bei akuter Erkrankung kann ich sogar nachvollziehen!

Aber nicht so sehr bei Problemen, die anderweitig noch bewältigbar wären.
Das "alles andere wäre feige gewesen" bezog sich speziell auf seinen Fall.

Wie hier oftmals geschrieben wurde, kann man oft das eine mit dem anderen nicht vergleichen.

Ich habe schon von Geschichten gehört, wo sich zumeist Jugendliche wegen weniger schlimmen Dingen umbringen wollten und umbrachten. So etwas kann ich nicht nachvollziehen.
Das ist für mich ein Aufgeben vor dem eigentlichen Kampf.
Wenn man natürlich aber jahrelanges Leiden erleben musste UND gekämpft hat, rechtfertigt das einen Selbstmord zwar nicht, macht ihn aber um einiges nachvollziehbarer.
Zuletzt geändert von Larfa60 am Do., 09.07.2009, 16:21, insgesamt 1-mal geändert.
Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei und würd er in Ketten geboren. - Schiller

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Gärtnerin
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Beitrag Do., 09.07.2009, 16:20

Leiden ist aber sehr subjektiv und nicht bloß abhängig von der "Schlimme" der Erfahrung.
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Lumpi
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Beitrag Do., 09.07.2009, 17:18

@Kältezeit

Deine Geschichte beeindruckt mich so sehr.
Willst du sie nicht veröffentlichen?
Hilft sicher tausenden Suizidalen sich nicht vor den nächsten Zug zu werfen.
Weil es geht ja immer "vorwärts".

All diese sinnlosen Selbstmorde!

tztztz

LG, Lumpi

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Larfa60
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Beitrag Do., 09.07.2009, 18:29

Lumpi hat geschrieben:@Kältezeit

Deine Geschichte beeindruckt mich so sehr.
Willst du sie nicht veröffentlichen?
Hilft sicher tausenden Suizidalen sich nicht vor den nächsten Zug zu werfen.
Weil es geht ja immer "vorwärts".

All diese sinnlosen Selbstmorde!

tztztz

LG, Lumpi
Ich entschuldige mich!

Dann lasse ich euch mal in eurem Selbstmitleid versinken und euch gegenseitig runterziehen. Ich wollte hier nur einige ermutigen. Ist wohl gescheitert.

Ich bedeuere jetzt schon, dass ich mir die 10 Minuten genommen, und es aufgeschrieben habe.

Die Geschichte sollte nur zeigen, wie es anders geht.

Wenn ihr hier aber weiterhin lieber schreiben wollt, wie ihr es so tun würdet und aus welchen Gründen, dann bin ich wohl fehl am Platze.

Viel Spass noch beim gegenseitigen bemitleiden. Dafür habt ihr anscheinend ja genug Kraft.

Wünscht euch
Kältezeit
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Lumpi
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Beitrag Do., 09.07.2009, 18:52

Vielleicht versteht man nichts, wenn man wirklich kalt ist.

Kennst du die Gedankenspiralen eines potenziellen Selbstmörders?

Dein guter Freund war auch so weit. Feiert er sich heute als Held wie du ihn?

LG, Lumpi

PS: wie du siehst habe ich mich auch nicht umgebracht - ich Held ich!


luciabava
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Beitrag Do., 09.07.2009, 19:07

Kältezeit hat geschrieben: Dann lasse ich euch mal in eurem Selbstmitleid versinken und euch gegenseitig runterziehen. Ich wollte hier nur einige ermutigen.
Ist es Selbstmitleid, wenn man Verständnis für Selbstmörder zeigt ...?
Mir ist es in meinem Leben schon sehr oft sehr schlecht gegangen. Und ich bin auch irgendwie stolz, weil ich immer wieder so zäh war und immer weitermache. Konkret habe ich nie an Selbstmord gedacht. (Vage schon oft.) In mir scheint es eine Art Mechanismus zu geben, der immer, wenn ich eine schlimme depressive Phase erreiche und alles über mir zusammenstürzt, dies gerade zum Anlass nimmt, mir klar zu machen, dass ich am Leben hänge. Der Schmerz, je größer er ist, erinnert mich daran, das mir mein Leben etwas bedeutet.
Aber ich meine auch, gerade weil ich weiß wie es ist, depressiv zu sein, keinen Ausweg mehr zu sehen, für die guten Dinge völlig gefühllos zu sein, dass ich deswegen verstehen kann, wieso sich jemand das Leben nimmt.
"Verstehen" im Sinne von nachvollziehen können ohne es gutzuheißen.
Meine Tante hat Selbstmord begangen, als ich ungefähr 5 war. Meine Mutter ist fast daran zerbrochen - sie war ihre 'Lieblingsschwester' und außerdem hatte sie durch einen Autounfall auch schon eine andere jüngere Schwester verloren, die fast wie ein eigenes Kind für sie war.
Meine Mutter hat das bis heute nicht verarbeitet - man kann sagen, dass ich deswegen mit einer psychisch kranken Mutter aufgewachsen bin und dadurch selbst eine Menge Probleme bekam. Aber ich kann irgendwie nicht anders, als mich mit dieser Tante irgendwie verbunden zu fühlen - ich kann mir vorstellen, wie groß ihre Verzweiflung gewesen sein muss. Keine Ahnung wieso, aber ich verurteile sie nicht.
Es ist schlimm, dass sie es getan hat, aber es ist nicht "feige". Es war ihr ureigenes Recht, selbst über ihr Leben und ihren Tod zu bestimmen und das hat sie gemacht. Ich bin auch stolz auf jeden, der gegen diese Krankheit kämpft - manchmal verhindert die Krankheit aber auch, dass derjenige überhaupt kämpfen will und kann. Deshalb freu ich mich über jeden, dem es mit Therapie bessergeht - aber ich würde demjenigen niemals eine Medaille dafür verleihen, dass er nicht Selbstmord begangen hat. Denn das steht mir nicht zu.

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Larfa60
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Beitrag Do., 09.07.2009, 19:18

Ich feiere hier niemanden als Helden.

Ich habe lediglich ein Beispiel gebracht. Dass dies aus meinem engeren Umfeld stammt, tut hier nichts zur Sache. Genauso hätte ich über jemanden, den ich nicht kenne geschrieben, wenn ihm ähnliches geschehen wäre. Also was soll das hier?

Deine Kommentare kannst du dir echt sparen.

Da versucht man hier mal etwas in den Thread einzubringen, dass mal zur Abwechslung etwas positiver ist, und muss sich noch blöde Kommentare reinziehen.

Tut mir Leid. Ich wollte mit der Geschichte niemanden an den Karren fahren, der es nicht schafft oder nicht schaffen will. Sondern eher dazu ermutigen, es doch wenigstens zu probieren. Es lohnt sich zumeist.

Und schliesse nicht von meinem Nicknamen auf meinen Gemütszustand. Denn dieser entspricht dem ganz und garnicht, Lump!

Ich gebe hier auch keinem eine Urkunde. Ich sage nur dass ich so etwas bemerkenswert finde. dass die ewigen Schwarzdenker dies nicht tun, ist mir klar. Einer meinte hier sogar, dass er Selbstmörder bewundernswert findet. Da hat komischerweise keiner reagiert. Aber wenn man findet, dass Menschen wahre Stärke zeigen, indem sie sich selbst helfen, ist das falsch?
Soso.
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Lumpi
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Beitrag Do., 09.07.2009, 19:40

Kältezeit hat geschrieben:
Tut mir Leid. Ich wollte mit der Geschichte niemanden an den Karren fahren, der es nicht schafft oder nicht schaffen will. Sondern eher dazu ermutigen, es doch wenigstens zu probieren. Es lohnt sich zumeist.
Es gibt definitiv schwere Erkrankungen wie die "Major Depression" zu deren Symptomen Suizidgedanken gehören können. Das sucht man sich nicht aus. Zusätzlich existieren Statistiken wieviel sich tatsächlich umbringen. Es findet etwas im Denken statt was ein "Gesunder" kaum verstehen kann.
Was soll jetzt der Depressive probieren? In Therapie zu gehen, wenn er ans Bett gefesselt ist, oder gar nicht zuhören/reden kann? Wenn er an keine "Heilung" mehr glauben kann.
Da passiert etwas im Kopf. Halte es für möglich, dass dein Freund nicht schwer depressiv war. Bei dieser Erkrankung kann man sicher nicht arbeiten gehen - oder er war wirklich ein außernatürlicher Held.

LG, Lumpi

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Larfa60
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Beitrag Do., 09.07.2009, 19:54

Ich sagte ja bereits, dass ich bei gesundheitlichen Störungen es irgendwo nachvollziehen kann. Ich schreib auch nirgendwo, dass ich generell JEDEN verurteile, der Selbstmordgedanken hat. Auch da gibt es Unterschiede.

An welcher Art und welcher Schwere Depression er litt weiss ich nicht. Spielt auch keine Rolle. Ich weiss nur, dass es eine war. Jemand der nach so etwas nicht in eine Depression rutscht, DER wäre wohl ein "Held".
Oder gefühlskalt.

Zu dem Arbeiten gehen, wäre wohl noch zu sagen, dass er anfangs alles unterdrückt hat, was mit dieser Geschichte zu tun hatte. Das ging schleichend. Pauschal kann man sicherlich nicht sagen, dass jeder arbeitsunfähig ist, der an einer Depression leidet. Jeder geht anders damit um, das mindert aber nicht die Schwere der selbigen.

Auch ich wäre in ein tiefes Loch gefallen, auch ich hätte die Bilder von dem Unfall dauernd vor meinem geistigen Auge immer und immer wieder sehen müssen. Vielleicht hätte ich auch an den Bahngleisen gestanden .. wer weiss? Ich wüsste nicht, ob ich in dieser Situation so stark gewesen wäre, weiter zu machen.

Ich finde es nur verhöhnend zu sagen, Selbstmörder seien stark und bewundernswert. Darum geht es mir. Da kommt mir nunmal die Galle hoch.
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Lumpi
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Beitrag Do., 09.07.2009, 20:13

Hallo Kältezeit,

ich behaupte, dass es krank ist in eine Depression zu rutschen. Eine Depression ist eben eine Erkrankung.
Darüberhinaus gibt es Bewältigung, Trauer oder Verdrängung.

Kanntest du den österreichischen Springertrainer Lipburger?
Er verstarb bei einem Autounfall. Der Springer Höllwarth lenkte das Auto und gewann ein paar Wochen später ein Springen.

Möchte noch erwähnen, dass es exakte Definitionen für psychische Erkrankungen gibt.
Mit leichtgradigen bis mittelgradigen Depressionen kann man vielleicht arbeiten gehen.
Bei schweren Depressionen wird schon Körperhygiene aufgrund der Antriebslosigkeit fast unmöglich.
Machte in einer solchen Phase einen psychologischen Test. Expressive und rezeptive Sprachstörungen wurden diagnostiziert.
Hätte niemals meinen Beruf ausüben können. Wie hätte ich davon ausgehen können, dass das wieder besser wird?
Ich war ein Pflegefall. Niemand konnte mir eine Ende in Aussicht stellen. Der Arzt versicherte mir auch, dass ich mich da selber nicht rausziehen kann.
Ein Medikament, das wirkte musste gefunden werden. Garantie gibt es nicht.
Hatte eindeutig zu wenig Antrieb mich zu suizidieren - und Angst.
Das ist auch das gefährliche an ADs. Sie steigern zuerst den Antrieb und nicht die Stimmung. Suizidgefahr steigt.

LG, Lumpi

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Schneekugel
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Beitrag Fr., 10.07.2009, 09:52

Was ich einfach etwas unbedacht oder ungewollt sarkastisch finde ist halt der lieb gemeinte Rat: "Wenn man nur kämpft dann kann man es schaffen..."

Für mich fehlt da immer noch das grundlegende Verständnis für den Kern des Problems, bei einem bereits totgestrampeltem Depressivem meinst du damit nämlich: "Du musst dir Mühe geben und deine ganze Kraft und Energie zusammenreissen. Dann schaffst du es die Selbstmordgedanken hinter dir zu lassen, und es steht dir nichts mehr im Wege dein gesamtes restliches Leben weiterhin zu leben und ertragen zu müssen und in Qualen zuzubringen. Na das muss dich doch motivieren, Yuchhe! Elende Jahre der Sinnlosigkeit und des Leides liegen noch vor dir und du hast die Chance diese erleben zu können."

Oder anders ausgedrückt klingt es so blöd als würde man eine Postwurfsendung bekommen: "Nehmen sie am Iron Man Bewerb teil (sinnbildlich für die Arbeit die es bedeutet), als Belohnung winkt eine Reise nach Nordkorea mit exklusiver Befragung durch nordkoreanische Verhörspezialisten! Der verbrauchte Strom bei den Befragungen ist im Preis natürlich inklusive! Tun sie sich die ganze Arbeit an um dafür etwas absolut durch und durch beschissenes zu Gewinnen!"

Eine wirklich Depression (Ich meine jetzt nicht durch ein aktuelles Ereignis eine zeitlang traurig sein, der verfrühte, plötzliche Tod einer Tante von mir kürzlich hat mich auch lange beschäftigt und auch mal Weinen lassen, ist aber keine Depression.) nimmt einem einfach die Möglichkeit glücklich zu sein. Das ist nichts mit Wollen usw... Da ist genug Wollen, nur irgendwann verzweifelt man weil Wollen einfach nicht hilft. Du schaust deine absolute Lieblingsserie, du siehst Gags von denen du weisst, dass du das eigentlich witzig finden müsstest , du weisst, dass du es witzig findest aber es passiert nichts. Du raffst dich auf und zwingst dich den Abend mit Freunden zu verbringen und weisst, dass da Freude aufkommen sollte, du wünscht es dir, du gehst extra deswegen hin, aber es tut sich nichts. Der verdammte Schalter im Kopf der die Stromzufuhr für "Freude" im Hirn aktiviert ist einfach tot. Und du kannst dann noch so oft auf diverse imaginäre Knöpfe drücken und an Apparaten rütteln, ohne Saft rennts halt nicht.

Die Phrase "aber der und der hat viel schlimmeres erlebt, deswegen hat man ja hiermit und damit gar kein Recht auf eine Depression" ist ungefähr so geistreich als würde man sagen: "Du warst 5 Minuten vor der Türe und jetzt hast du eine Lungenentzündung? Meine Cousine die war am Nordpol, das Zelt ist ihnen weggeflogen und sie mussten 3 Tage bei -40 Grad nur in ihren Parkas ausharren, die hatte ein Recht eine Lungenetzündung zu bekommen, nicht du. Also erklär deiner Lunge jetzt gefälligst, dass sie aufhören soll damit und geh gefälligst zur Arbeit." Ich meine seit wann interessiert sich ein Körperteil (und das Hirn ist nichts anderes) dafür ob es jetzt gesellschaftlich die Erlaubnis hat ausfallen zu dürfen? O_o

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