Was dem Therapeuten anvertrauen und was nicht

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Arbeiter
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Beitrag Do., 13.07.2017, 07:39

Hallo Jenny Doe,
ja, gestern abend hat sich einiges im Therapiegespräch geklärt.
Ich hatte einige Punkte eines Erwartungshorizontes skizziert,
zu dem er auch etwas sagen konnte.

Er versteht Analyse nicht nur als Zuhören,
was zwar wichtig wäre, damit der Patient sich Luft verschaffen kann,
sondern gezieltes Nachfragen als Anregung zur Problemlösung,
wobei sowohl Fragen von mir als auch von ihm eingebrachte
Gedanken im Gespräch erörtert werden können.
Ein Dogma gäbe es nicht, einen Alleindeutungsanspruch oder gar strikte Direktiven würde er nicht aussprechen.

Er sähe mich z.Zt. als einen Menschen, der eher Stärkung benötige
als eine Reibefläche, um Konflikte zu projizieren oder Streiten zu trainieren.
Wenn überhaupt, könne das in einem späteren Stadium erarbeitet werden, vorrangig sei aber meine Stabilisierung.
Insgesamt hatte ich doch das Gefühl, in ihm einen guten
Gesprächspartner zu finden.
VG
Carl
-

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Jenny Doe
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Beitrag Do., 13.07.2017, 08:06

Hallo Arbeiter,
Insgesamt hatte ich doch das Gefühl, in ihm einen guten Gesprächspartner zu finden.
Schön, dass Du es angesprochen hast und Du es klären konntest. Ich wünsche dir, dass sich jetzt alles zu Deiner Zufriedenheit wendet.
sondern gezieltes Nachfragen als Anregung zur Problemlösung
Hier musst du gucken, ob Dir das reicht, ob Du mit diesem Ansatz klarkommst oder ob Du mehr brauchst als "nur" Anregung. Meiner Erfahrung nach liegt hier ein Unterschied zwischen Psychoanalyse und Verhaltenstherapie. In der VT werden Dir viele (nicht alle) Problemlösungen direkt geboten in Form von Methodenanwendungen, wie z.B. "Stadtbummel" mit dem Therapeuten zur Angst-Konfrontation. In der PA erhälst eher Du Anregungen zum Problemlösen, das Problemlösen liegt mehr bei Dir.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Expect
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Beitrag Do., 13.07.2017, 09:07

Hallo Jenny,

vielleicht bin ich falsch informiert, aber geht es in der Psychoanalyse nicht darum, innere
Konflikte bei Patienten zu bearbeiten, die den Symptomen zugrunde liegen?

Viele Grüße
expect


Jenny Doe
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Beitrag Do., 13.07.2017, 09:55

Hallo Expect,

ja, darum geht es unter anderem. Aber auch wenn man sich seiner Konflikte bewusst wird und diese bearbeitet, sind die Probleme ja noch nicht gelöst. Dem muss noch etwas folgen, nämlich das aktives Problemlösen, das Handeln, das "die Situation ändern", ...
Wenn ich z.B. Stress am Arbeitsplatz habe und mir bewusst wird, "ah, ich habe die Probleme, weil ich aufgrund von Kindheitserfahrungen nicht gelernt habe mich durchzusetzen, ...", dann weiß ich erst mal nur um die Ursache. Aber ich weiß noch nicht, wie ich jetzt damit umgehen soll, wie ich mein Problem lösen kann. Da bietet die VT beispielsweise Soziales Kompetenztraining an, während dem man lernt, wie man mit den Problemen, die man hat, umgehen kann, wie man z.B. lernen kann sich durchzusetzen.
Das ist das, was von den Usern hier an der PA krtisiert wird, wenn sie sagen "die PA lässt einen alleine". Ist auch meine Erfahrung. Ich weiß allerdings nicht, wie es heute ist, die PA ist inzwischen modifiziert worden. Meine Erfahrungen sind letztmalig von 1998 - 2002 alt. Meine Erfahrung ist genau die, dass nach der Ursache gesucht wird, aber dann gehts nicht weiter. Auch wenn ich um die Ursachen weiß, weiß ich noch lange nicht, wie ich mein Problem denn jetzt lösen soll.

Ich halte die PA nicht für grundsätzlich falsch, wie viele anderen Menschen. Ich denke: Jeder Klient sollte gucken was er braucht. Will man sich mehr mit der Ursache beschäftigen, innere Konflikte auflösen, Kindheitserfahrungen verarbeiten, sich des Unbewussten bewusst werden, ... dann ist die PA die richtige Anlaufstelle. Reicht es einem hingegen zu lernen, Probleme schnell zu lösen, ... dann ist die VT der richtige Ort. Das jetzt mal so platt gesagt, in der Realität ist es komplexer, da auch die VT nach Ursachen sucht. Aber anders.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Expect
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Beitrag Do., 13.07.2017, 10:07

Hallo Jenny,

danke für Deine verständliche Erklärung. Ich denke, ich kann jetzt besser einordnen, was Du meinst.
Soweit ich informiert bin, gab es in den letzten Jahren Modifikationen beider Therapie-Schulen, die
positive Elemente der jeweils anderen übernommen haben. Was letztlich in der Therapie gemacht wird,
hängt wahrscheinlich auch von jedem einzelnen Therapeuten ab.

Liebe Grüße
expect


Ta_Ra
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Beitrag Do., 13.07.2017, 10:42

@expect

genau, es gibt immer wieder Modifikationen in den jeweiligen Methoden.
Aber egal welche Methode man auch wählt, es kommt immer auch stark auf die Therapeutenperson an, wie letztendlich gearbeitet wird.
Ich persönlich arbeite nach einer Methode, die mit Verhaltenstherapie im Grunde nichts zu tun hat, baue aber auch immer wieder Elemente davon in meine Arbeit ein, von denen sich herausgestellt hat, dass sie bereits gut geholfen haben.

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Expect
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Beiträge: 9

Beitrag Do., 13.07.2017, 10:50

@Ta_Ra,

danke für die Antwort. Interessant zu wissen.


Jenny Doe
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Beitrag Do., 13.07.2017, 11:05

Hallo Expect
Soweit ich informiert bin, gab es in den letzten Jahren Modifikationen beider Therapie-Schulen, die
positive Elemente der jeweils anderen übernommen haben.
Diese Modifikationen habe ich bei der VT miterleben können, aus eigener Therapieerfahrung, aber auch aufgrund meines Studiums.
Was letztlich in der Therapie gemacht wird, hängt wahrscheinlich auch von jedem einzelnen Therapeuten ab.


So ist es. Ich habe mein eigenes Studium erwähnt, weil mir genau das während meines Studiums stark aufgefallen war und auf mein Missfallen gestoßen ist. Obwohl die VT bereits längst modifiziert wurde, u.a. dahingehen, dass auch in der VT die Ursachensuche an Bedeutung gewonnen hat, wurde ich von einer Professorin (selber praktizierende Psychotherapeutin + Ausbilderin für angehende Psychotherapeuten) ausgebildet, die dem klassischen VT anhängt und der festen Überzeugung ist, die Ursachensuche sei grundsätzlich irrelevant. Dementsprechend einseitig fand meine (man kann schon sagen, subjektiv ideologische) Ausbildung statt. Was in einer Psychotherapie passiert hängt nicht nur vom Klienten ab, der die Themen bestimmt, sondern auch vom Therapeuten und dem, woran er selbst persönlich glaubt und für richtig hält. Deshalb ist es unmöglich von eigenen VT bzw. PA Erfahrungen auszugehen und zu sagen "PA bzw. VT ist grundsätzlich so und so".
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Arbeiter
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Beitrag Do., 13.07.2017, 12:04

Hallo zusammen ,
wir haben uns nun ja die letzten Tage sehr intensiv ausgetuscht und
es hat mir durchaus geholfen, meine Position zu festigen.
Fand es sehr gut, hier feedback zubekommen.
Auch das oppositionelle, das hat mir letztendlich genauso geholfen,
mich zu sortieren.
Ich bin zu der Überzeugung gelangt, daß dieser Mensch,
den ich nun näher kennenzulernen im Begriff bin,
ein Mensch ist, mit dem ich gut reden kann,
der Ahnung hat und dem ich Probleme anvertrauen kann.

Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen,
ob ich auch etwas zurückbehalten kann oder darf,
so bin ich in meiner Ansicht doch bestärkt, daß nicht alles
aus dem Privatleben in die Therapie hineingehört,
sondern daß ich darüber die Hoheitsrechte behalte, zu entscheiden,
was erzähle ich, was hingegen nicht.

Ich bin heilfroh:
daß es heute anders laufen kann als damals,
daß ich heute mich nicht so alternativlos ausgeliefert fühle,
daß ich trotz aller Probleme nicht so mit den Nerven herunter bin,
um keine Position mehr zu haben bzw. diese an mir zu schätzen.

Der Therapeut geht übrigens am 20.07. für 4 Wochen in seinen
Urlaub. Nächste Woche ist noch eine Sitzung, da wird sich wohl nicht
all zuviel Bewegendes tun, und dann starten wir erst im September
wieder, weil ich meinen Urlaub vom 08.08. bis 29.08.
nehme.

VG
Carl
-

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sandrin
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Beitrag Do., 13.07.2017, 13:26

Das klingt doch super, arbeiter. Und schön, dass du das noch vor der Pause klären konntest und diese Last nicht mit in den Urlaub nehmen musst.

Was ich noch sagen wollte: Kann es nicht auch sein, dass man in verschiedenen Phasen verschiedenes braucht? Ich merke das an mir. Ich komme mit einem analytisch begründeten Verfahren gut klar, solange es mir einigermaßen gut geht. Aber als ich dann wieder in eine Krise rutschte, war das bisherige Vorgehen der Therapeutin halt gar nicht mehr das Richtige. Da hätte ich deutlich mehr Bestärkung und Unterstützung gebraucht - und habe sie nicht bekommen! In einer schweren Zeit würde mir eine VT wahrscheinlich besser helfen, in den Zeiten, in denen ich nicht ganz so tief drinhänge, kann ich von einem psychodynamischen Verfahren gut profitieren. Meines Erachtens wäre da einfach mehr Flexibilität gefragt. Das nur als Ergänzung zu Jenny Does guter Zusammenfassung.

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Lockenkopf
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Beitrag Mi., 09.08.2017, 22:34

Arbeiter hat geschrieben: So., 09.07.2017, 08:02
Wenn Analyse im Klartext bedeutet,
daß der Therapeut nur passiv da sitzt und zuhört,
ohne Frage zu beantworten,
ohne selbst Tips oder Vorschläge zu einer Problemlösung einzubringen,
ist es für mich keine echte Hilfe und somit auch keine Therapie.
Genau das ist in der damaligen Therapie vor 20 Jahren auch passiert.
Auf so ein Hinhalten kann ich getrost verzichten.
In den letzten Wochen war es mir nicht möglich Dir zu antworten.
Aber, besser spät, als nie.

Es freut mich, das es dir jetzt nicht mehr wichtig ist Tips, Vorschläge und Problemlösungen von deinem Psychotherapeuten zu erhalten. Und Du es als richtigen Weg siehst, deine Lösungen mit Hilfe der Fragen des Psychotherapeuten selber zu finden.
Er versteht Analyse nicht nur als Zuhören,
was zwar wichtig wäre, damit der Patient sich Luft verschaffen kann,
sondern gezieltes Nachfragen als Anregung zur Problemlösung,
wobei sowohl Fragen von mir als auch von ihm eingebrachte
Gedanken im Gespräch erörtert werden können.
... strikte Direktiven würde er nicht aussprechen.
Es ist schön, das Du dass für Dich klären konntest. Denn es ist wichtig, sich bei seinem Psychotherapeuten gut aufgehoben zu fühlen.
Liebe Grüße
Lockenkopf

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Arbeiter
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Beitrag Do., 10.08.2017, 08:18

Hallo Lockenkopf,
ich sehe nach wie vor in der Problemerörterung meine Fragen im Zentrum,
an den Therapeuten, und dessen Gedanken dazu.
Da hast du mich irgendwie falsch verstanden.
Seine Vorschläge und Tips sind mir enorm wichig,
Wenn ich alles alleine beantworten könnte,
würde ich keinen Therapeuten benötigen.
Dessen hatte ich mich noch einmal vergewissert und daraufhin
mein OK zur Antragstellung bei der Kasse gegeben.

Damit ist für mich auch die Thematisierung hier im Forum
abgeschlossen.
Ich danke allen Usern für die beratende Anteilnahme und wünsche
eine schöne Urlaubszeit !
Heute abend geht mein Flug nach Malaysia....

LG
Arbeiter

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