Hallo Frau Holle
Nachdem meine Mutter von ihren belastenden Problemen berichtet hat, war die Antwort der Therapeutin, dass es ihr doch total gut gehe, die Belastungen lange Zeit zurück liegen und es anderen Patienten viel schlechter geht als ihr.

sowas kann man doch als Therapeut nicht sagen?
Wie bei vielen anderen Postings auch, so fehlt mir auch bei Deiner Beschreibung der Gesamtkontext. Will sagen: Da wird ein Satz eines Therapeuten aus vielen Therapiesitzungen rausgerissen, so dass der Satz nicht in einem Gesamtzusammenhang bewertbar ist.
Man kann das, was die Therapeutin gesagt hat, auch positiv verstehen. Wenn deine Mutter 80 Jahre alt ist noch selbst Kerzen machen kann und noch 2 Stunden auf dem Ostermarkt stehen kann um diese Kerzen zu verkaufen, dann kann ich nur sagen "Hut ab!". In diesem Alter (und auch wesentlich jüngere Patienten) liegen viele andere alte Menschen vor sich hinvegetierend oder hochgradig dement im Bett, völlig abhängig von der Hilfe anderer. So betrachtet hat die Therapeutin meiner Meinung nach Recht wenn sie sagt "Es ginge ihr gut, anderen Patienten geht es viel schlechter". Ich empfinde den Satz - ohne den genauen Kontext zu kennen - aufbauend. Ich habe diesen Satz auch zu Menschen im Altenheim gesagt, die noch selbstständig waren, körperlich und geistig noch fitt waren, während wesentlich jüngere Patienten nur noch pflegeabhängig im Bett lagen und nichts mehr machen konnten. So ein Satz soll das Ziel verfolgen den Patienten an das zu erinnern was er alles noch kann. Die Aufmerksamkeit wird damit auf Stärken, auf Ressourcen gerichtet, die der Patient (noch) hat. Dabei kann ein Vergleich mit Gleichaltrigen, denen es wesentlich schlechter geht, durchaus helfen. Ein Vergleich zeigt einem was man alles noch kann, im Vergleich zu anderen, die gleich alt sind.
Und was den Satz der Therapeutin angeht, dass die belastenden Ereignisse lange zurückliegen. Auch dieser Satz kann auf postive therapeutische Effekt abzielen. Die Therapeutin könnte mit diesem Satz das Ziel verfolgen Deine Mutter ins Hier und Jetzt zu bringen und im Hier und Jetzt zu verankern, indem sie ihr sagt, dass das Ereignis Vergangeneheit ist und heute keine Gefahr mehr besteht. So ein Satz kann dabei helfen belastende vergangene Ereignisse hinter sich zu lassen und vom Hier und Jetzt zu trennen, so dass ein Leben heute wieder möglich wird.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.