Extreme Empathie mit fremdem Schicksal

Hier können Sie sich über Belastungen durch eigene oder fremde schwere Erkrankungen, aber auch den Umgang mit Tod und Trauer austauschen.
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Rupulina_27020610
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Extreme Empathie mit fremdem Schicksal

Beitrag Sa., 18.10.2025, 19:24

Liebe Forum-Nutzer:innen,

ich bin neu hier und erhoffe mir durch mein Schreiben hier, Tipps mit dem Umgang zu meinem „Problem“ zu erhalten - vielleicht gibt es Menschen, die ähnliches erlebt haben.

Ich habe zwei kleine Kinder (2 und 5 Jahre alt), von denen der Erstgeborene ohne Voranzeichen 8 Wochen zu früh zur Welt kam. Die Zeit, die auf der Kinder-Intensivstation folgte hat mich stark geprägt. Ich hatte große Angst um ihn, obwohl er sich gut entwickelte - konnte nicht schlafen und die Situation hat mir psychisch extrem zugesetzt. Auch wenn es bald 6 Jahre her ist, kommen jedes Jahr diese Erinnerungen hoch und ich bekomme einen Klos im Hals.
Dies als Hintergrund um mein aktuelles Problem ggfls. besser einordnen zu können.

Über Instagram bin ich auf das Profil einer jungen Familie gestoßen (Kinder 3 und 6 Jahre alt), bei denen die jüngere Tochter unheilbar an einem Hirntumor erkrankt ist und aktuell im Sterben liegt. Der Vater nutzt den Instagram Kanal um über die Krankheit aufzuklären und schreibt sehr tiefgründige Texte. Das Mädchen ähnelt optisch leicht meiner Tochter.
Ich folge dem Account zwar nicht, jedoch ertappe ich mich ständig dabei, diesen zu suchen und die Beiträge anzuschauen. Dass das Mädchen den Kampf gegen die Krankheit verlieren wird, nimmt mich seit ein paar Tagen extrem mit. Ich habe viel geweint in den letzten Tagen, weil ich mir die Situation ständig bildlich vorstellen muss und automatisch auf meine Familien Situation übertrage. Ich kann kaum schlafen, kriege Angst, wenn es total dunkel ist und bekomme bei dem Gedanken, uns könne ähnliches passieren, leichte Panik.
Das Bild des Mädchens kommt immer wieder in meinen Kopf und ich schaue ständig nach, ob es noch lebt. Die Vorstellung mein älterer Sohn müsste seiner kleinen Schwester lebwohl sagen, macht mich extrem fertig.

Ich schätze, dass mein Verhalten mit der Angst um meine Sohn zusammenhängt, zusätzlich bin ich extrem nah am Wasser gebaut und sehr emotional. Mit dem Tod nachstehender Menschen kann ich gar nicht umgehen, es hat mich schon immer extrem belastet.

Ist mein Verhalten noch „normal“? Wie schaffe ich es, deren Schicksal nicht zu sehr an mich ranzulassen, sodass sogar meinen Alltag eingeschränkt ist?

Bitte entschuldigt den langen Text und danke vorab für eure Antworten 🙏

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Beitrag Sa., 18.10.2025, 19:49

Rupulina_27020610 hat geschrieben: Sa., 18.10.2025, 19:24 Ist mein Verhalten noch „normal“? Wie schaffe ich es, deren Schicksal nicht zu sehr an mich ranzulassen, sodass sogar meinen Alltag eingeschränkt ist?
Also Mitfühlen mit anderen Menschen, ist ja gerade DIE besondere Fähigkeiten, also menschlich und "normal" wenn du es so nennen willst.
Aber unser Gehirn ist für kleine Menschengruppe gebaut und nicht für Social Media. Mit wildfemden Menschen mitfühlen, ist nicht so gesund würde ich sagen.

Menschen sind in der Lage parasoziale Beziehungen aufzubauen zu wildfremden Menschen, die sie nie kennenglernt habe, als solche Beziehungen sind ja möglich zu Schauspielern, Sängern oder eben wildfremde Menschenmauf Insta oder sonst wo. Auch "normal", menschlich.

Ich an deiner Stelle würde für mich erkennen, dass mir das nicht gut tut und die Seite so komplett blockieren, dass sie mir gar nicht mehr zufällig angezeigt werden kann und Insta deinstallieren, es ein paar Wochen nicht nutzen.

So hab ich es zumindest gemacht mit den Insta-Profilen zum Thema psychische Krankheiten, die mich extrem runtergezogen habe.
Nutze jetzt Insta wieder, aber nicht mehr so, dass es mir damit schlecht geht.
"You cannot find peace by avoiding life."
Virginia Woolf

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chrysokoll
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Beitrag So., 19.10.2025, 10:29

Rupulina_27020610 hat geschrieben: Sa., 18.10.2025, 19:24 Ist mein Verhalten noch „normal“? Wie schaffe ich es, deren Schicksal nicht zu sehr an mich ranzulassen, sodass sogar meinen Alltag eingeschränkt ist?
Niemand zwingt dich, diesen Insta-Account dauernd anzusehen.
Es wäre für dich sicher sehr hilfreich das ganz bewusst zu lassen, das ist Selbstfürsorge. Zudem hast du offenbar die Frühgeburt deines Sohnes noch nicht ganz und nicht gut verarbeitet. Das könntest du, auch mit Hilfe, durchaus nachholen, damit dich das nicht mehr so belastet. Es gibt Selbsthilfegruppen zu dem Thema, schau dich doch mal um ob es so eine in deiner Gegend gibt.
Und du könntest auch mit einer Kurzzeittherapie das noch aufarbeiten.

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Malia
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Beitrag So., 19.10.2025, 18:35

Ich hatte große Angst um ihn, obwohl er sich gut entwickelte - konnte nicht schlafen und die Situation hat mir psychisch extrem zugesetzt.
Hattest du damals emotionale Unterstützung/Begleitung und konntest deine Empfindungen zulassen?
Oder musstest du dich zusammenreißen, weil du die Energie für dein Kind brauchtest?
Es ist eine Krankheit der Menschen, dass sie ihr eigenes Feld vernachlässigen, um in den Feldern der anderen nach Unkraut zu suchen.
Victor Hugo

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Sinarellas
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Beitrag Mo., 20.10.2025, 10:51

(nimm mit was du sinnig findest aus meinem text und lass weg, was nicht passt)

"Ist mein Verhalten noch „normal“? Wie schaffe ich es, deren Schicksal nicht zu sehr an mich ranzulassen, sodass sogar meinen Alltag eingeschränkt ist?"

Normal ist das was du so definierst, ich für mich definiere normal so, dass ich nicht unter Situationen von anderen derart leide, also wäre es für mich nicht normal wie du es schilderst.

Ich lese aus deinem Text Symptome einer PTBS heraus, hast du das Thema bearbeiten können? Es wirkt so, als hättest du die dramatischen Situationen noch längst nicht integriert - verständlicherweise.

Aus gesundheitlichen Gründen würde ich an deiner Stelle das Surfen von social Media auf ein Minimum reduzieren, bei manchen kann man eine Zeit einstellen und dann geht die app zu oder sowas. Finger weg von Inhalten die dich traurig machen und so mitnehmen. Das kannst du erst konsumieren, wenn die alte Verletzung besser verheilt ist .
..:..

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Weltengänger
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Beitrag Di., 21.10.2025, 14:10

Rupulina_27020610 hat geschrieben: Sa., 18.10.2025, 19:24 Ist mein Verhalten noch „normal“? Wie schaffe ich es, deren Schicksal nicht zu sehr an mich ranzulassen, sodass sogar meinen Alltag eingeschränkt ist?
Hallo, Rupulina!

Es man ein Ausweichen bedeuten, um die Gefühle nicht allzu sehr auf die eigene Familie zu übertragen und damit dein Verhältnis zu ihr nicht zu belasten oder gar zu schädigen. Wenn du fragst, ob das noch normal sei, so klingt deine Beschreibung in meinen Ohren doch eher als etwas Natürliches, solange die eigene Familie an den entscheidenden Stellen nicht vernachlässigt wird. Du hast unbewusst eine Möglichkeit gesucht, stellvertretend trauern zu können, andere dabei nicht belasten zu können und nur der distanzierte Beobachter zu sein, um damit deine Familie nicht zu belasten, sie zu schützen.

Grüße von
Weltengänger

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DiemitdemHundgeht
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Beitrag Di., 21.10.2025, 15:06

Ich weiß, welchen Account du meinst und habe mir selbst die letzten Wochen viele Gedanke um dieses Schicksal gemacht. Ich würde sagen das ist erstmal normal, wenn man empathisch und sensibel veranlagt ist. Ich glaube der Punkt ist eher, dass man guckt, wie man es schafft, dass es einen nicht zu sehr belastet im Alltag. Das kann durch Beschränkung des Konsums von Social Media oder auch den Nachrichten sein, aber auch, dass man gewissen Tätigkeiten zum Beispiel nicht nachgeht, weil sie zu belastend wären.
Also ja, mich hat das auch sehr bewegt, auch ohne, dass ich da irgendeine eigene Story zu im Hintergrund habe…

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