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Apollon
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M,


Post Tue, 11.Mar.03, 17:58      Depressionen: Die andere Seite des Vorwurfs Reply with quoteBack to top

Die Depression ist die andere Seite des Vorwurfs.

An wen richtet sich der ursprüngliche Vorwurf? Meistens an die Eltern. Ein solcher Vorwurf ist aber „verboten“. Gleichzeitig bestraft man sich selbst, wenn man sich anmaßt, die Eltern zu richten. Die logische Konsequenz ist die Depression. Die ideale Kombination aus Selbstbestrafung und heimlicher Aufrechterhaltung des Vorwurfs. Aus der Sicht der Eltern ist der schlimmste Vorwurf, den ein Kind ihnen machen kann. Der Vorwurf lautet: Das Leben daß Du mir geschenkt hast, ist so schlecht, daß ich es nicht nehme. Ich sterbe lieber. Oder ich verletze euch jahrelang, indem ich drohe, es zu tun. Immerhin wart ihr es, die mich in dieses beschissene Leben gezwungen habt. Dafür nehme ich mir jetzt das Recht, euch Schmerzen zuzufügen.

Es ist der Vorwurf eines Menschen, der sich konsequent weigert, Verantwortung für sich und sein Leben zu übernehmen. Jemand der als Erwachsener, heimlich, immer noch die Schuld bei den Eltern für all seine Probleme sucht. Und genau deshalb nicht weiterkommt. Manche sind es schon seit immer gewohnt, den Vorwurf zu leben, und glauben deshalb die Depression sei einfach eine Krankheit. Und eine Krankheit hat man halt. Sagen ja auch die Ärzte. Und erst die genetische Disposition. Juhu! Erst recht keine Verantwortung mehr.

So etwas kann ich natürlich nicht der 70jährigen depressiven Mutter eines Kumpels von mir sagen. Die wird sich nicht mehr ändern. Sie wartet halt bis sie stirbt. Aber ich kann es einem 20jährigen sagen, der so tut als ob aufgrund der „Krankheit“ sein ganzes Leben eine vorherbestimmte Qual wäre. Das ist es nur, solange er den heimlichen Vorwurf aufrecht erhält, und sich damit weigert, Verantwortung zu übernehmen.

Ich wundere mich nicht, warum der Beitrag "von Seropram auf Cipralex umsteigen" die meisten Aufrufe hat. Es halt der leichtere Weg. Persönlich habe ich kein Problem wenn sich jemand für den Weg entscheidet, jedoch ärgert es mich, wenn die Leute, die ihn "gehen", dann über ihr im Endeffekt sinnloses Leben jammern.
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marie32
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Post Tue, 11.Mar.03, 18:59      Reply with quoteBack to top

hi apollon,

hab gerade deinen beitrag hier gelesen, und mich juckte es in den fingern...

wie bei vielen anderen deiner beiträge bin ich einerseits beeindruckt von
A) der tiefe, in der du dich mit bestimmten themen beschäftigst
B) deinen analytischen fähigkeiten, die sicherlich vielen helfen, sich diesen themen zu nähern, vor allem auch menschen, die nicht über eben diese analysefähigkeit verfügen
C) deiner direktheit.

allerdings: ist das leben wie eine mathematikaufgabe, bei der man zu schwarz - weiß, richtig - falsch-ergebnissen kommen kann?...das gefühl ist die variable, die du m.e. manchmal unberücksichtigt läßt...auch in der tonality, in der DU schreibst.

ich will dir nicht zu nahe treten. hab mich nur einfach auch gefragt, was MICH eigentlich so verletzt hat. und ich glaube es war genau das: diese distanz, in der du auch über mich geredet hast, so, als wär ich kein mensch, der das vielleicht liest und was dabei empfindet, sondern ein case aus irgendeinem lehrbuch, den du auseinandernimmst. ich war in der situation einfach verletzlich (is glaub ich normal, wenn man sich outet, da zieht man sich irgendwie aus). und dann so ein statement aus völliger distanz. das erwischt einen eiskalt.
anders: man braucht in der situation des "hilfesuchenden" glaub ich beides:"geborgenheit"/ sich sicher fühlen können (=emotional) und klare lösungshilfen / schubse (rational). nicht nur eins von beiden.

is das jetzt off topic? wohin damit?

wünsch dir nen schönen rest vom abend
liebe grüße von
marie
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Sara
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Post Tue, 11.Mar.03, 19:50      Reply with quoteBack to top

Hallo Apollon

Ich weiß jetzt nicht genau ob man innere Leere mit Depression gleichsetzen kann......hm, in gewisser weise schon.

Also ich hab gehört, daß diese innere Leere immer dann auftaucht wenn man mit seinen "abgestorbenen" Anteilen in Berührung kommt.

Außerdem trifft das doch nicht auf jede Form der Depression zu, denn was ist mit Depressionen die sich aus Trauer entwickeln oder aufgrund von Vergewaltigungen o.ä.......also nach irgendwelchen Ereignissen ?

In vielen Fällen ist das schon völlig richtig was Du geschrieben hast, aber ich würde das nicht pauschalisieren.

Viele Grüße
Sara
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wara
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W


Post Tue, 11.Mar.03, 20:16      Reply with quoteBack to top

@marie: jetzt hat Apollon doch NICHT auf einen Beitrag direkt geantwortet, sondern allgemein.... Warum dann doch das Verletzt sein?

@Apollon: mir tut es weh, zu lesen, aber mir hilft es auch.
Allerdings frag ich mich, was fuer ein Sinn der letzte Abschnitt mit den Medis hat.

Quote:
ärgert es mich, wenn die Leute, die ihn "gehen", dann über ihr im Endeffekt sinnloses Leben jammern.


Warum? Was hat das mit DIR zu tun? Woher ruehrt DEIN Aerger? Niemand zwingt dich ja, postings zu lesen oder dich davon in IRGENDEINER WEISE betreffen zu lassen.
Ich glaub, das ist wieder Aerger, der in dir ist und den du auf Leute projezierst. Kann das sein?

Lieber Gruss

wara
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Apollon
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M,


Post Tue, 11.Mar.03, 23:13      Reply with quoteBack to top

marie32: Es tut mir leid.

sara: Bei Deinem Beispiel bleibt dann der Vorwurf an den Täter. Der immerwährende Vorwurf führt zur Depression und verhindert die Lösung.

wara: Ich weiß es nicht, vielleicht liegt es daran daß ich früher selbst chemische Substanzen (Ecstasy -> akutes Antidepressivum könnte man sagen) genommen habe, um Defizite auszugleichen, und auch hier noch etwas zu lösen habe. Ich weiß schon, solange ich nicht gelassen bleiben kann, habe ich es noch nicht hinter mir gelassen.
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wara
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W


Post Tue, 11.Mar.03, 23:32      Reply with quoteBack to top

Apollon wrote:
solange ich nicht gelassen bleiben kann, habe ich es noch nicht hinter mir gelassen.


so ein schoener Satz, Apollon......

Ja, ist es nicht genau das, warum wir uns immer wieder das Leben schwer machen? Weil wir alte Wunden noch nicht hinter uns gelassen haben und sie staendig in neue Situationen mitreinnehmen.

Ach, ich wollte auch, ich haette schon einiges mehr hinter mir gelassen.

Aber Aerger zeigt oft noch nicht verwundenes an - das haben heute mit diesem thread ja einige gemerkt....

DANKE!!!!!

wara
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marie32
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Post Wed, 12.Mar.03, 7:09      Reply with quoteBack to top

moin moin,

wara wrote:
Ja, ist es nicht genau das, warum wir uns immer wieder das Leben schwer machen? Weil wir alte Wunden noch nicht hinter uns gelassen haben und sie staendig in neue Situationen mitreinnehmen.


ja, wara. genau so ist's. und ich kann das - zumindest für mich - noch erweitern, mit:
"...und weil wir auch immer wieder vergessen, dass wir da kein monopol drauf haben, sondern es anderen menschen genauso geht."

ich hab schon wieder was gelernt. das sich-austauschen mit euch tut gut.

danke.

Apollon wrote:
marie32: Es tut mir leid.

fühlt sich gut an, das zu lesen. du gibst mir nämlich gerade das gefühl, dass du meine emotionen ernst nimmst. dank dir.


einen schönen, gelassenen tag uns allen Wink
liebe grüße von
marie
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