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NoChoice
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Post Wed, 10.May.06, 8:26      Versagen bei Vorstellungsgesprächen Reply with quoteBack to top

hallo,

ich bin in einem umfeld aufgewachsen, wo ich sehr oft psychisch erniedrigt wurde. mir wurde immer das gefühl gegeben, daß ich nichts wert sei, nichts kann, etc. dann hatte ich lange zeit einen chef, der mir eben dieses gefühl wieder gegeben hat. jahrelang hab ich das mitgemacht, nur um nicht arbeitslos zu werden.

seit januar bin ich arbeitslos geworden und in der zwangslage mir einen neuen job suchen zu müssen. ansich will ich unbedingt wieder arbeiten gehen, weil ich ne anerkennung brauche, das gefühl was zu schaffen im leben. aber schon der gedanke an ein vorstellungsgespräch lässt mich psychisch zusammenbrechen, weil ich dieser leistungsanforderung job nicht gewachsen bin.

seit märz mache ich übergangsweise eine weiterbildung, um wenigstens nicht ganz durchzuhängen. mit den leuten verstehe ich mich super, aber selbst da hatte ich vorher panische angst abgelehnt zu werden.

nun schreibe ich aber seit monaten bewerbungen und muß auch zu vorstellungsgesprächen. diese gespräche werden für mich immer schlimmer. ich wurde viermal eingeladen. vor dem ersten gespräch war ich super nervös, hab tagelang nicht geschlafen, blanke panik. das gespräch selbst hab ich irgendwie über die bühne bekommen, war an sich ganz gut. aber ich fühlte mich trotzdem sehr minderwertig und schlecht hinterher, und wollte da nie wieder hin. hab hinterher nur noch geheult und mit keinem mehr gesprochen, weil ich mich so schlecht fühlte.

beim zweiten gespräch versagte ich so ziemlich in allen lagen. war vollkommen gehemmt und mir fielen keine antworten ein, sogar meine stimme versagte vollkommen, wie peinlich! sie wollten sich danach innerhalb 3wochen bei mir melden, ich hab nie wieder von ihnen gehört. nach diesem gespräch war ich tagelang ganz unten. dann eine andere firma, diese erwarteten soviel, daß ich schon nach dem ersten telefonat den termin für das vorstellungsgespräch absagte. hatte das gefühl, die gegenseite sieht es ebenso, daß ich nicht geeignet bin. wieder das gefühl, keinen beruflichen anforderungen gewachsen zu sein, nichts zu können, zu nichts zu taugen. jetzt wieder eine einladung zu einem vorstellungsgespräch, diesmal ein job, den ich garnicht wollte. hab es nur als übung bzw. training angesehen, mal ruhig in ein gespräch zu gehen, da ich ja nichts erwarten brauche. bis zur begrüßung war ich noch ruhig, danach wieder totales versagen. nur noch sinnlose antworten gegeben. alles falsch beantwortet. es war der blanke horror. habe danach nur noch geheult, wie jedesmal. jetzt wollten die mich trotzdem für zwei tage probearbeiten. ich fühle mich so schlecht nach dem gespräch, daß ich die nie wieder sehen will. und habe wieder abgesagt. probearbeiten würde für mich wieder diesen leistungsdruck bedeuten, und darunter versage ich jedesmal. der vermittler des jobs war total sauer, als ich abgesagt habe. immer noch besser als arbeitslos zu sein, meinte er dann. es tut mir weh, wenn die leute ja nicht wissen, was mein problem ist, warum ich absage, und dann so reagieren.

ich weiß nicht mehr weiter? ich bin jetzt an einem punkt, daß ich nicht mal mehr bereit bin, auch nur eine bewerbung zu schreiben, weil ich weiß daß ich spätestens beim gespräch versagen werde. ich habe immer das gefühl, daß ich nichts kann, nichts bin, und daß jeder das sofort auf den ersten blick sieht. und ich kann nichts dagegen machen, daß ich dann totale blackouts habe, wo ich keinen satz mehr auf die reihe bekomme.

es ist schwer das alles verständlich zu beschreiben, aber es geht soweit, daß ich diesen schmerz danach nicht mehr ertragen kann. es tut so weh, sich wie ein nichts zu fühlen, jemand der in dieser gesellschaft versagt. ich habe generell das problem, daß ich um diesen schmerz endlich loszuwerden nur noch den ausweg sehe, mein leben zu beenden. ich war übrigens vor zwei jahren schon in stationärer und ambulanter psychotherapie, aber in der momentanen situation bricht wieder alles über mir zusammen, und ich weiß nicht mehr weiter.

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Hiob
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Post Wed, 10.May.06, 14:02      Re: Versagen bei Vorstellungsgesprächen Reply with quoteBack to top

Ich vermute, dass dich jetzt weiter bringen wird, wenn du durch dieses Tal durchwatest, „nichts wert“ zu sein, ein Versager zu sein und keine Anerkennung mehr zu bekommen. Es kann sein, dass dieses ständige „versagen“, wie du es bezeichnest, so lange auf dich wirken muss, bis du es verstehst und durchdringen kannst.

Ein seltsamer Kommentar von mir, vermute ich, klingt gar nicht lieb, aber ich meine, dass dein nächster Job diese Aufgabe nur verschieben wird. Befreie dich bitte von diesem Gespenst, nichts Wert zu sein, wenn du nicht funktionierst und nicht arbeitest. Leben ist m.E. nicht dazu da, zu funktionieren. Die Gesellschaft pflanzt dir das ein, um dich auszunutzen. Dein innerer Sklaventreiber treibt dich mit Hilfe von Schuldgefühlen u.ä. besser an, als es ein externer Aufseher schaffen würde. Ein externer Aufseher müsste manchmal aufs Klo oder schlafen. Dafür ist Pädagogik im weitesten Sinne da und hat in deiner Vergangenheit in den meist wohlwollenden Nuancen deiner nächsten Mitmenschen auf dich eingewirkt. An mir ist dieser Kelch übrigens auch nicht vorüber gegangen, sondern ich durfte mehrmals kräftig daraus trinken.

Ich würde eine große Pause mit den Bewerbungen machen, den Sommer genießen, lesen, wandern, Urlaub machen, reisen, zur Ruhe kommen, dich erschnüffeln und im Herbst mit neuem Mut und einem klareren Bild von dir und deinem Leben, weiter machen. Lass dir bitte Zeit.

Liebe Grüße
Hiob
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lost24
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Post Wed, 10.May.06, 14:15      Re: Versagen bei Vorstellungsgesprächen Reply with quoteBack to top

ich verstehe deine situation, NoChoice, bin momentan selbst auf suche nach arbeit. hatte bisher auch nur ein paar vorstellungsgespräche, in denen ich mich auch nicht total gut verkauft habe, da ich in solchen situationen auch stark mit mir kämpfen muss.

den tipp mit dem warten würde ich so nicht unterschreiben, aus folgenden gründen:

du hast zwar angst vor den vorstellungsgesprächen und auch versagensängste (ich übrigens auch), bräuchtest aber wohl die bestätigung, dass du genommen wirst für eine stelle und dass du dort erfolgreich längere zeit arbeitest (heißt nicht sofort wieder rausgeschmissen wirst). dann kommst du dir auch nicht mehr so minderwertig vor, wenn du arbeitest und du hast weniger zeit zum grübeln.

zweitens ist der arbeitsmarkt leider knallhart, auf psychische einschränkungen wie wir sie haben wird leider in 99% keine rücksicht genommen, weil in der warteschlange hunderte andere stehen, die den job auch machen wollen. d.h. die eigenen chancen auf eine anstellung nehmen mit zunehmender zeit der nichtbeschäftigung leider ab, in gleichem maße wie das gefühl bei einem wächst, man sein irgendwie ein loser, den keiner will.
hier beschreibe ich nur die realität. ginge es nach mir, würde ich es auch nicht so verbissen sehen und ruhig freiräume den leuten gewähren, sprich mal ein halbes jahr zur ruhe kommen, sich klar werden, was man will.
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Hiob
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Post Wed, 10.May.06, 18:00      Re: Versagen bei Vorstellungsgesprächen Reply with quoteBack to top

Quote:
von lost24 : und dass du dort erfolgreich längere zeit arbeitest (heißt nicht sofort wieder rausgeschmissen wirst). dann kommst du dir auch nicht mehr so minderwertig vor, wenn du arbeitest und du hast weniger zeit zum grübeln.


Stimmt schon. Warum nicht, so denken die meisten. So hält sich der Irrsinn innerhalb deiner Persönlichkeit und innerhalb der Gesellschaft am Leben und die Wunde offen. Ob es eine Wunde ist, wird dir dein Leidensdruck sagen. Ich wollte hier nur einen kleinen Hinweis verstecken. Die Realität ist nicht immer so, wie sie „scheint“. Und ich finde es manchmal schade, wenn die Menschen den Schatten hinterher tanzen, anstatt zu kucken, wo die (Licht-)quelle ist. Wenn dir der Schatten zwischen den Fingern zerrinnt und du darunter leidest, kuck doch mal, was den Schatten geworfen hat.

Viele Grüße
Hiob
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darkstar
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Post Wed, 17.May.06, 16:06      Re: Versagen bei Vorstellungsgesprächen Reply with quoteBack to top

Hallo NoChoice,

bewerbungen sind wohl immer eine schwierige situation. man will ja unbedingt einen guten eindruck hinterlassen. richtig schwierig wird es dann, wenn man auch noch probleme mit dem selbstwert hat. ich persönlich hab dann immer das gefühl "wann merken die, daß ich doch nix kann?" - was objektiv gesehen blödsinn ist.

hast du eigentlich schonmal versucht, die situation durchzuspielen? besonders gut eignen sich freunde dazu, aber ich glaube auch alleine kann man da einiges machen.

es ist einfach eine unbekannte situation und deswegen kann es helfen durch das üben eine gewisse vertrautheit zu gewinnen. und du kannst dir standardantworten zurechtlegen. klar, nicht alles ist mit standardantworten getan, aber es gibt schonmal eine gute basis. und du mußt es ja auch nicht unbedingt beim ersten vorstellungsgespräch umsetzen.

ich hatte zum beispiel bei vorträgen immer riesige probleme - plötzlich wußte ich nicht mehr was ich sagen wollte, hab vergessen sachen zu sagen und mich dann geärgert. teilweise hab ich ziemlich rumgestottert (bei prüfungen übrigens genauso). mir hat dann geholfen alles ein paar mal durchzusprechen - und ich hab gemerkt, daß mir das psychisch schon sehr schwer gefallen ist und ich es immer bis zum letzten moment vor mir her schob. dazu kam dann auch, daß mir schlichtweg die übung gefehlt hat. heute geh ich meine vorträge immer noch sehr oft durch, aber es ist schon viel weniger geworden.

vielleicht hilft dir das mit dem üben ja auch ein wenig?

Viele Grüße,
D*
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Alizinha
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Post Fri, 19.May.06, 15:00      Re: Versagen bei Vorstellungsgesprächen Reply with quoteBack to top

lost24 wrote:

du hast zwar angst vor den vorstellungsgesprächen und auch versagensängste (ich übrigens auch), bräuchtest aber wohl die bestätigung, dass du genommen wirst für eine stelle und dass du dort erfolgreich längere zeit arbeitest (heißt nicht sofort wieder rausgeschmissen wirst). dann kommst du dir auch nicht mehr so minderwertig vor, wenn du arbeitest und du hast weniger zeit zum grübeln.

zweitens ist der arbeitsmarkt leider knallhart, auf psychische einschränkungen wie wir sie haben wird leider in 99% keine rücksicht genommen, weil in der warteschlange hunderte andere stehen, die den job auch machen wollen. d.h. die eigenen chancen auf eine anstellung nehmen mit zunehmender zeit der nichtbeschäftigung leider ab, in gleichem maße wie das gefühl bei einem wächst, man sein irgendwie ein loser, den keiner will.


arbeiten als allheilmittel??

1. finde ich es paradox, jemand zu sagen, der schreibt, dass sie wegen ihrer bewi-gespräche keine arbeit bekommt, sie solle eine arbeit annehmen, damit sich die probs bessern.

2. warum keine pause nehmen und sich in der zeit erholen durch die vorgeschlagenen ruhepole und energietanker?
eine phase ohne arbeit muss nicht zwangsläufig depressiv sein.
und wenn die arbeitswelt so hart ist und dort kein platz für psychische probleme ist, ist es ja fast zwangsläufig sich eine auszeit zu nehmen, um die seele auf vordermann zu bringen.
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