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ausreißer
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Post Fri, 26.May.06, 19:26      "No Go Areas" Reply with quoteBack to top

Hallo Ihr Lieben,

weil ich mich auch zu denjenigen rechnen muß, die den ganzen Tag am Computer sitzen um existentiellen Aufgaben nachzugehen, sich stattdessen aber ungefähr die Hälfte der Zeit auf Nebenschauplätzen bewegt, d.h. konkret: mindestens zwei mal pro Stunde mit Newsfeeds und Co. überspült wird, bin ich zur Zeit quasi im Minutentakt mit neuen Schreckensmeldungen rechtsextremistische Übergriffe ,insbesondere in den neuen Bundesländern, betreffend konfrontiert. Als ich mich in den letzten Tagen schließlich ein wenig umgehört habe, wissen wollte wie mein Umfeld und die virtuelle Meinungswelt sich diesbezüglich positioniert, sind mir nicht nur einmal vor Wut und Enttäuschung fast die Tränen in die Augen geschossen.
Auf einmal häufen sich - abgesehen vom medialen Hype - Erfahrungen, die westdeutsche Mitmenschen nach der Wiedervereinigung in ostdeutschen Groß- und Kleinstädten mit neonazistischen Gewalttaten machen mussten in einem Ausmaß an, das mir mit derart offensichtlicher Verachtung im Unterton bis dato noch nie untergekommen ist. Plötzlich führt die vollkommen berechtigte Warnung Heyes vor bestimmten Regionen zu einer Debatte, in der die betroffenen Landstriche weiter die Augen verschließen, relativieren wollen, indem auf selbstverständlich auch in Westdeutschland vorhandene Fremdlenfeindlichkeit verwiesen wird. Darauf, dass man auch in Neukölln und St.Pauli nachts nicht gerne allein unterwegs ist usw. Der Westen argumentiert damit, dass hier die Übergriffe eben nicht stattfinden, weil das Opfer die falsche Nationalität hat - und ist aus dem Schneider. Sieht das Image der Heimat im internationalen Raum durch das braune Pack gefährdet, beruft sich auf zweideutige Statistiken und kramt seitenweise Geschichten aus dem Nähkästchen, in denen Jobs im anderen Deutschland nicht angenommen werden, weil die Gattin mit der falschen Hautfarbe hier ihres Lebens nicht mehr sicher wäre.
Dresden und Leipzig werden mit Rostock, Luckenwalde, Forst und wievielen brandenburgischen Dörfern, deren Namen mir bis dato nichtmal ein Begriff waren, über einen Kamm geschert und besonders aufgebrachte Exemplare klagen darüber, dass sie bei der Fahrt durch den Osten am liebsten den Aufenthalt an der Raststätte meiden würden - aus Angst von Glatzen eine übergezogen zu kriegen.

Bis heute dachte ich, jetzt ist auch der Ruf nach der Mauer nicht mehr weit... aber siehe da: bis heute war ich auch nicht wirklich auf dem Laufenden...

Jeder halbwechs vernünftige Tourist will über Gefahrenzonen im Urlaubsland informiert sein ... und hier führt die Aufklärung über die Realität, zu der Fremdenhass eben definitiv gehört, zu so viel Hass, Ignoranz und arroganter Überheblichkeit Deutscher gegen Deutsche?

Ich kanns wirklich kaum glauben... geht das nur mir so, oder macht das hier noch wem Angst?

Und was ganz anderes: warum verdammt nochmal wollen so viele nicht glauben, dass natürlich der Osten anfälliger für faschistisches Gedankengut ist?
Selbst wenn die Heranwachsenden, die heute zuschlagen `89 wohl gerade erst laufen gelernt haben und somit natürlich nichts von staatlicher Lenkung und Kontrolle mitgekriegt haben, auch vorm sozialistischen Schulsystem noch mal davongekommen sind, den Zusammenbruch und all die enttäuschten Hoffnungen in die blühenden Landschaften der BRD nicht mehr am eigenen Leib erfahren haben und ihre Perspektivlosigkeit wohl nicht direkt auf den gesellschaftlichen Umbruch zurückzuführen sind....


Last edited by ausreißer on Fri, 26.May.06, 19:30; edited 1 time in total
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ausreißer
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Post Fri, 26.May.06, 19:29      Re: "no Go Areas" Reply with quoteBack to top

Aber sie alle haben schließlich Eltern! Die vielleicht nie selbst Menschen abgeknallt haben, deren einziger Wunsch die Freiheit war, die aber mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit jahrzehntelang Tür an Tür mit Hütern des Systems gelebt haben und dies vermutlich noch immer tun. Die selbst Opfer waren oder die Augen zugemacht haben, oder, oder, oder.... Mir platzt bei soviel die-deutsche-Vergangenheit-hat-doch-gar-keine-Relevanz-mehr-für-uns auf der einen, bei soviel Hin- und Herschieberei der Verantwortung, bei dem Geschrei nach mehr Staat und mehr Erziehung von oben auf der anderen Seite wirklich der Kragen... bin ich zu naiv?
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Post Fri, 26.May.06, 20:44      Re: "No Go Areas" Reply with quoteBack to top

naiv auf was bezogen?

ich vermute, du willst einfach mal deinen momentanen gedanken luft machen, aber ich mag trotzdem ein paar sachen dazu anmerken/fragen...

Quote:
sind mir nicht nur einmal vor Wut und Enttäuschung fast die Tränen in die Augen geschossen.


wut und enttäuschung worüber?
zuviel verallgemeinerung, zuviel hetze ost gegen west?

du beschreibst hier zum teil tatsachen, die sich nunmal leider nicht leugnen lassen! und die befürchtungen vieler menschen kommen nicht von ungefähr.

Quote:
warum verdammt nochmal wollen so viele nicht glauben, dass natürlich der Osten anfälliger für faschistisches Gedankengut ist?


naja, eigentlich glauben das doch fast alle - versteh ich jetzt nicht...
aber unabhängig davon, macht es die sache ja nicht besser!
und da es imho tatsächlich so ist, ist dann sowas "besonders aufgebrachte Exemplare klagen darüber, dass sie bei der Fahrt durch den Osten am liebsten den Aufenthalt an der Raststätte meiden würden - aus Angst von Glatzen eine übergezogen zu kriegen." nicht verwunderlich...

Quote:
Hass, Ignoranz und arroganter Überheblichkeit Deutscher gegen Deutsche?
Ich kanns wirklich kaum glauben... geht das nur mir so, oder macht das hier noch wem Angst?


nein, wirklich angst macht mir das (deutsch gegen deutsch) nicht. angst machen mir diese scheiß faschodeppen - aber die hatten wir hier im westen ja auch schon immer, wenn auch nicht so gehäuft... deshalb verteufel ich aber noch lange nicht den gesamten deutschen osten ("land & leute") und versuche, den ganzen derzeitigen medienrummel nicht zu nah an mich ranzulassen.

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Last edited by katma on Fri, 26.May.06, 21:26; edited 1 time in total
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Post Fri, 26.May.06, 21:02      Re: "No Go Areas" Reply with quoteBack to top

...
und den landkarten mit den extra eingezeichneten "no go areas" steh ich auch etwas gespalten gegenüber...
auf der einen seite natürlich sinnvoll und zu befürworten - aus der sicht der faschos aber auch fast schon ein triumpf, wenn sie stolz auf "ihre" eingezeichneten gebiete schauen können...

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Post Fri, 26.May.06, 21:17      Re: "No Go Areas" Reply with quoteBack to top

Hallo Ausreißer!
Als jemand, der noch in der DDR aufgewachsen ist, und jetzt mit dem Euro die dritte offizielle Währung des Landes mit sich rumschleppt, bin ich wohl jemand der quasi aus erster Quelle mitreden kann.
Du wirst dich wundern, aber selbst zu DDR-Zeiten gab es Faschotum. Weit weniger wie jetzt, und extrem unter Beobachtung weil natürlich unverstanden, gabs kleine Splittergruppen in traditionell weniger "roten" Städten und Stadtteilen (z.B. Wulfen, oder Torgau, oder ich glaub Berlin-Marzahn) Natürlich wurden sie totgeschwiegen, und es gab keine öffentlichen Auftritte. Weil, es passte nicht zum antifaschistischen Staat. Ab und zu ne Verhaftung wenn jemand zu sehr auffiel, aber sonst kam nichts. Na gut, bei uns damals gab es den Zwiespalt zwischen Privat - und Öffentlich. Wer öffentlich negativ durch äußerungen oder Aktionen auffiel war erstmal weg vom Fenster.
Aber seit der Wende, seitdem, dank der massenweisen Vernichtung von Arbeitsplätzen und Lehrstellen durch Treuhand und miese Heuschreckenunternehmer, die Rattenfänger von NPD, Reps und Co. erschreckend viel Zulauf bekommen haben, hat sich das extrem verschlimmert. ist teilweise zu ner richtigen Faschoplage geworden.
Beispiel: Halle, Sachsen-Anhalt. Zu Ostzeiten Zentrum des Chemiedreiecks, über 3/4 der arbeitsfähigen Einwohner des Stadtteils Halle Neustadt (bis 1990 war es ne Stadt für sich mit ca.64.000Einwohnern) haben in einem der umliegenden Chemiebetriebe gearbeitet. Heute ist DOW Chemicals stolz drauf, auf dem Gelände aller früheren VEB-Teilbetriebe zusammen 1.500Leute in Arbeit zu haben. Halle ist was Arbeitslosigkeit angeht Spitze in allen Städten der EU mit 27,x %. Wer kann zieht weg, wer nicht kann muss damit leben, dass sich die ganze Stadt zum "sozialen Brennpunkt" mausert. Trotzdems in Halle grad mal bei ca. 6% Ausländeranteil gibt (Spätaussiedler nicht mitgezählt) ist der Anteil an Rechtsextremen ziemlich hoch. Allerdings - durch meine bundesweiten Arbeitseinsätze komme ich langsam zu dem Schluss dass das nicht trotz sondern wegen dem geringen Ausländeranteils sein könnte. Weil: In Frankfurt z.B. oder Berlin-Kreuzberg könnten es sich die Rechten gar nicht wagen so massiv aufzutreten.
In NeuFünfLand kann man ja z.B. die Ausländer noch nicht mal für den Verlust der Arbeit heranziehen, es gibt einfach viel weniger Ausländer als vernichtete Arbeitsplätze - doch war ich selbst mit dieser Meinung mal konfrontiert als ich mich auf ner Baustelle in den '90ern mit dort arbeitenden Tschechen unterhalten hatte: ganz offiziell als Subunternehmer reingeholt, wurde ihnen ihr Lohn in Kronen ausgezahlt (umgerechnet knapp 2,- DM pro Stunde) und sie durften sich noch vollpflaumen lassen, deutschen Bauarbeitern die Arbeit wegzunehmen!

Ja es stimmt - und ich schäme mich es eingestehen zu müssen - für Linke und Farbige (egal ob in D geboren oder nicht) sind manche Stadtteile bzw kleinere Städte NoGoAreas. Leider. Ich wünschte es wär nicht so.
Glücklicherweise konnte ich die Sensibilität meiner Jungs dazu nutzen, sie aus den Fängen des "WAW" rauszukriegen. Dass sie ne Zeitlang Alpträume hatten nach meiner Aktion (ein Besuch mit ihnen in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar) schien mir ein geringer Preis.
Nur, solange diese Rattenfänger noch aktiv sein dürfen, und solange die Jugend keine Zukunft hat, solang wird sich da wohl wenig ändern...

fürchtet
der "zwerg"

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Post Fri, 26.May.06, 21:28      Re: "No Go Areas" Reply with quoteBack to top

@Katma
Quote:
Und den landkarten mit den extra eingezeichneten "no go areas" steh ich auch etwas gespalten gegenüber...
auf der einen seite natürlich sinnvoll und zu befürworten - aus der sicht der faschos aber auch fast schon ein triumpf, wenn sie stolz auf "ihre" eingezeichneten gebiete schauen können...

Diese karten gibt es schon Embarassed Im Internet. Zu finden unter "National Befreite Zonen"
Drunter dreckig grinsend diese Emblems der jeweiligen Org. Evil or Very Mad


Tschuldigung ich hätte mich nicht hier involvieren sollen Confused Ich krieg schon vom drüber nachdenken Frust. Deswegen, wenn ihr gestattet werd ich mich ausklinken, bis ich mich wieder beruhigt hab.

Tschüß erstmal
der "zwerg"

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Post Fri, 26.May.06, 22:49      Re: "No Go Areas" Reply with quoteBack to top

@zwerg
ja, ich weiß - sowas lässt sich halt nicht ändern...

ich meinte jetzt auch eher diese karten, die extra zur wm gedruckt und den ausländischen wm-besuchern vorsorglich in die hand gedrückt werden sollen...

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Post Fri, 26.May.06, 22:55      Re: "No Go Areas" Reply with quoteBack to top

Hallo katma,

katma wrote:

wut und enttäuschung worüber?

Vermutlich habe ich mich mal wieder ungeschickt ausgedrückt - sorry. Darüber:
Quote:
Bis heute dachte ich, jetzt ist auch der Ruf nach der Mauer nicht mehr weit... aber siehe da: bis heute war ich auch nicht wirklich auf dem Laufenden...

Vielleicht ist es wirklich am vernünftigsten sowohl die Skandalmeldungen über all das, was rechte Idioten verzapfen, die es ja schon immer gibt, als auch die Idioten, die glauben, jetzt wäre auch innerdeutscher Rassismus endlich mit Tatsachen zu rechtfertigen, die es wahscheinlich schon ebenso lange gibt im
Quote:
ganzen derzeitigen medienrummel nicht zu nah an mich ranzulassen
Wenn ich sehe, dass sich auf einmal sogar in meiner Generation wieder Keile zwischen Menschen schieben, die scheinbar reibungslos miteinander leben, arbeiten, studieren, eigentlich aber eine Seite untergründig nicht erwünscht ist, sondern insgeheim von großen Teilen als Ganzes geringschätzt wird, fällt mir das zugegebenermaßen schwer.
Quote:
..tatsachen, die sich nunmal leider nicht leugnen lassen!
Versteh mich nicht falsch, meine Intention war weder, mich darüber aufzuregen, dass hier die Realität übertrieben würde. Was mich schockiert hat, waren eher die teilweise einfach undifferenzierten Reaktionen, die ich in den letzten Tagen wahrgenommen habe. Ja, die wollte ich loswerden, da hast Du recht. Und wenn das nur mir so geht, dann ist ja alles okay, dann bin ich beruhigt und habe einfach pech gehabt - ich wollte weder eine politische Diskussion anzetteln, noch dieselbe runterspielen.
Aber wenn das
Quote:
bei der Fahrt durch den Osten am liebsten den Aufenthalt an der Raststätte meiden würden - aus Angst von Glatzen eine übergezogen zu kriegen." nicht verwunderlich..
das Bild wäre, das ich von Ostdeutschland hätte, dann bliebe ich wahrscheinlich auch lieber, wo ich bin und würde es auch nicht wagen, Nicht-Deutschen Freunden zu raten, auch nur einen Fuß über die "Grenze" zu setzen.

Quote:
...Osten anfälliger für faschistisches Gedankengut ist?

Quote:
naja, eigentlich glauben das doch fast alle - versteh ich jetzt nicht...
Sorry, war wohl wieder ziemlich verwirrend formuliert. Sicher glauben das alle, ist ja nicht zu übersehen.
Weiß selbst nicht mehr so recht, worauf ich mit dieser Passage hinauswollte, wahrscheinlich erschien mir mein Umfeld in den letzten Tagen einfach nur zu wenig Verständnis dafür zu haben, was Menschen, die in diesem Teil unseres Landes großgeworden sind, für Deformationen erlitten haben, wie viele die Diktatur gebrochen hat und wieviele noch heute damit leben müssen, jeden Tag Menschen zu begegnen, die ihnen noch vor Jahren potentiell das Leben zur Hölle hätten machen können. Das sich das jetzt wieder ziemlich polemisch anhören mag und vor allem mit dem Threadthema nichts mehr zu tun hat, ist mir klar. Aber genausowenig wie die Angst vieler Menschen unberechtigt ist, sich in besagten Regionen aufzuhalten, genausowenig ist die Gewaltbereitschaft vieler Jugendlicher unbegründet, die in ein z.B. brandenburgisches Kaff hineingeboren werden, in dem sich die Mehrheit der Bushaltestellengangs über Ausländerfeindlichkeit definiert, in dem es Ressourcen und Perspektiven schon lange nicht mehr gibt und in dem Menschlichkeit eben 40 Jahre lang anders definiert wurde als auf der anderen Seite. Dass ich damit ihre Taten rechtfertigen wöllte, liest hier jetzt hoffentlich niemand raus. Das die Gegenden deswegen weniger gefährlich wären hoffentlich auch nicht.
Irgendwie lassen mich Deine Fragen, worauf ich eigentlich hinauswollte, jetzt schon meinen eigenen Beitrag als Hetzthread sehen... War nicht meine Absicht... als solche hatte ich eigentlich auch höchstens die, zu erfahren, wie andere das Klima wahrnehmen, das durch Meldungen wie die aktuellen auf mich gewirkt hat...
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Post Sat, 27.May.06, 13:07      Re: "No Go Areas" Reply with quoteBack to top

Hallo,

mich ärgern diese Meldungen auch, aber ich glaub, das machen sie teils aus noch anderen Gründen.

Medien sind Meinungsmacher, auf jeden Fall. Und diese Pauschalverunglimpfung aller Ossis als Rechte treibt mich mit einem solchen Schwung an die Decke, dass ich dort erst einmal gezielt Luft ablassen muss, um wieder runterzukommen. Klappt aber auch nur bedingt.
Ich bin gar nicht sicher, ob es im Osten (anteilig) mehr Rechte und/oder rechte Gewalt gibt als im Westen Deutschlands. Die Wahrnehmung wird aber durch die Medien in diese Richtung auf jeden Fall beeinflusst. In dem Fall von Potsdam z.B. (woraufhin alle (un-)denkbaren Folgemeldungen gebracht wurden, die es andernfalls vielleicht nicht gegeben hätte) wurde ja von Anfang an von einem ausländerfeindlichen Hintergrund gesprochen. Ob's stimmte oder nicht, war gar nicht klar. Und ich wüsste jetzt konkret auch noch nicht, ob es sich bei den Tätern denn um Ossis gehandelt hat...

So, und an der Stelle wird schon deutlich, dass dieses Ost-/West-Gequatsche dazu führt, dass man automatisch annimmt, im Osten wären eben die Ossis, und die sind eben die Rechten.
Ich weiß sehr genau aus dem norddeutschen Raum, dass sich dort im Sommer viele Rechte auf Zeltplätzen zusammenrotten. Und nicht selten kommt es auch zu beängstigenden Aktionen. Aber es ist so, dass sich dort Rechte treffen, die zu einem großen Teil eben auch aus dem Westen Deutschlands kommen.
Aber das wird so nicht mehr wahrgenommen, denn diese Dinge finden ja im Osten statt.

Exemplarisch Blickpunkt ländliche Gebiete Sachsens: Ja, es ist zum Kotzen, dass die Rechten dort politisch ziemlichen Einfluss haben. Krass ist, dass die dort alles andere als ausländerfeindlich rüberkommen, sondern durch Stadtfeste u.ä. eine Wohlfühl-Atmosphäre schaffen, in der sich die (überwiegend arbeitslosen und sich unnütz fühlenden) Menschen angenommen wähnen.
Und das fehlt mir in der "Realität der Massenmedien" (Luhmann): Das Hinterfragen von z.B. Wahlergebnissen auf Grundlage der Lebenslage in solchen Gebieten, die eben nicht etwas mit einer eher rechten Denke oder Persönlichkeitsstruktur von Ossis zu tun hat. Die Rechten dort sind "bloß" blöderweise in der Lage, die Bedürfnisse dieser Menschen aufzugreifen.
Dass sich dann Politiker aller Coleur hinstellen und den Osten verteufeln, finde ich teils lachhaft, teils empörend. Bitte nicht die gesamtdeutsche Politik in Frage stellen und Zusammenhänge erkennen!

Nun ja, soweit erst einmal...

@zwerg:

Quote:
Aber seit der Wende, seitdem, dank der massenweisen Vernichtung von Arbeitsplätzen und Lehrstellen (...) hat sich das extrem verschlimmert.

Sicherlich auch, ja. Aber da steckt auch eine Dynamik drin wie bei einem Ball, den man unter Wasser drückt, denke ich. Je länger und fester man ihn unter Wasser hält, desto schneller und heftiger kommt er hochgeschossen, wenn man ihn loslässt...

Bleibt kritisch!

Viele Grüße,
Toughy

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Es ist wichtig, jemanden dort abzuholen, wo er gerade ist. Aber manchmal ist es auch wichtig, jemanden dort zu lassen, wo er gerade sein will.
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Post Sat, 27.May.06, 14:16      Re: "No Go Areas" Reply with quoteBack to top

Na ja, mir wurde neulich erst bei einem Gespräch mit Jugendlichen hier in DA bewusst, wie in meiner ursprünglichen Heimat die Lage ist.
Eine Punkerin klagte zum Beispiel "Immer wenn ich meine Großeltern in Weißenfels besuche, muss ich aufpassen dass ich zu bestimmten Zeiten bestimmte Plätze meide, weil da jeder vierte in meinem Alter ein Skinhead ist...", oder ein etwas jüngerer wusste zu berichten, dass sein Vater vor 13 Jahren - ebenfalls als Punk - auf dem Weg vom Theater zur Bahn von Skins nicht nur verprügelt sondern angeschossen wurde, dass sie deswegen ziemlich schnell hierher gezogen waren. Und dass sie deswegen seither noch nie bei Besuchen in der Heimatstadt seines Vaters (im Ostteil wohlgemerkt) dort irgendwo in so öffentlichen Einrichtungen waren.
Allerdings habe ich erst vor zwei Jahren jemanden wiedergetroffen, mit dem ich '93 mal zusammengeraten war. Dieser Typ war damals Faschoskin, und ich kam aus nem Internationalen Studentenklub. Ich wurde von ihm beleidigt und angegriffen, hatte ihn aber schnell kampfunfähig machen können. Wie gesagt, Vor zwo Jahren treffe ich ihn wieder: als Verkäufer in nem Dönerladen! er müsse halt auch sehn wie er mit dem Rücken an die Wand kommt hat er nur gemeint, und das damals wär halt jugendliche Dummheit gewesen, Fehlgeleitetsein - und er hätte seine Lektion schon gelernt...
Kommt mir irgendwie so vor wie ein Statement der Onkelz... gruebel

Es stimmt, manche Meldungen in den Medien könnten einem das Messer in der Tasche aufklappen lassen wenn man eins hätte, und die Pauschalisierung ist auch vomit ...
Und ob anteilmäßig die Zahl der Rechten im Osten oder im Westen höher ist kann auch ich nicht beurteilen - aber: wenn man die Zahl der Rechtsextremen in Verhältnis bringt mit der Zahl der Ausländer - und dieses Verhältnis dann Ost gegen West vergleicht - dann siehts für Ost mehr als mau aus.
Vor allem: der Großteil der Ossis hat ja noch nicht mal wirklich ne "rechte" Meinung! Wir hatten ja damals oft ausländische Studenten, Fremdarbeiter, die hier Arbeitserfahrung und Qualifikationen erworben haben, Touristen aus dem Ausland in der DDR - selbst in dem Dorf wo ich aufgewachsen bin: in dem Betrieb dort arbeiteten Kubaner, Mosambikaner, Vietnamesen usw. mit - aber das war in Ordnung, weil es gab diese Existenzängste, diesen Jobneid, diese ganze Konkurrenz untereinander nicht. Bei der Unteroffiziersschule die ich besuchte gabs ne ganze Kompanie Syrer, die da mit ausgebildet wurde. Es war mehr oder weniger normal. Deswegen empfand ich es als nicht soo unnormal, als ich das erste Mal im "Westen" war.
Aber - was ich nicht mehr verstand, wo ich selbst einen leichten Anflug von Xenophobie bekam, das war als ich in Frankfurt/M. arbeitete, und ich war im proppevollen Supermarkt (man stand sogar wegen Einkaufswagen an) der einzige Deutsche! Da bekam das faschistoide Schlagwort "Überfremdung" tatsächlich für diese Situation eine Bedeutung für mich! Embarassed Auch wenn man in den Medien liest, dass in Schulklassen wenige Deutsche und viele Ausländer zusammengesetzt werden. Sorry -ich bin zwar selbst nicht rechts, wurde sogar noch weiter links erzogen als es eigentlich die typische Parteilinie war - aber da weiß ich echt nicht mehr was ich sagen soll. Und bei solchen Sachen wundert mich der Erfolg der Rechten auch nicht mehr.
Nur, was mich wundert ist: dass der Erfolg dort am größten ist wo zwar die Arbeitslosigkeit, nicht aber das Ausländerproblem so massiv ist. Eigentlich sollte doch eher die Linke dort mehr Erfolg haben? gruebel

sich nur noch über die Menschen wundernd,
verabschiedet sich mit nem lieben Gruß

hallo
der "zwerg"

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Post Sat, 27.May.06, 20:27      Re: "No Go Areas" Reply with quoteBack to top

ausreißer wrote:
Irgendwie lassen mich Deine Fragen, worauf ich eigentlich hinauswollte, jetzt schon meinen eigenen Beitrag als Hetzthread sehen..

nein, sorry - so wollte ich meine fragen nicht verstanden haben!


abgesehn von der medienhetze spielen die persönlichen erfahrungen sicher auch eine ganz wesentliche rolle. wer als westler im osten erstmals auf gewaltbereite skins getroffen ist, wird wohl auch anfälliger sein für solche meldungen...

was sich irgendwelche politiker jetzt gegenseitig zuschieben, lässt mich ziemlich kalt und da stimme ich toughy in dem punkt
Quote:
Bitte nicht die gesamtdeutsche Politik in Frage stellen und Zusammenhänge erkennen!

völlig zu.

klar, es ist schade das es bei vielen menschen zu solch krassen vorurteilen und billigen verallgemeinerungen gegen den osten gekommen ist - und das oftmals alles in einen topf geschmissen wird.

allerdings gehöre auch ich zu denen, die mit sehr gemischten gefühlen richtung osten fahren...
als ich zum ersten mal in leipzig war, 97, hatte ich den eindruck, mich freiwillig in die höhle des löwen begeben zu haben. eben weil ich niemals zuvor so viele kahlköpfige personen ganz "selbstverständlich" in den straßen hab rumlaufen sehen. vielleicht ähnlich wie (hallo zwerg!) das auftreten der türken in frankfurt...
in einem hinterhof beobachteten wir im vorbeilaufen 3 skins, die sich an einem alten auto zu schaffen machten. einer auf dem dach, 2 drumrum, die die scheiben einschlugen und gegen das blech traten etc.
der hammer war, "normale" passanten, omis mit einkaufstüten u ä. gingen völlig unbeeindruckt daran vorbei - höchstens mal ein leichtes kopfschütteln...
mich hat das ganze völlig geschockt! meine freundin meinte nur, sowas gehöre hier wohl ins "stadtbild", wenn sich keiner mehr großartig darüber wundert... und es ist nunmal so, dass solche aktionen hier im westen auf derart selbsverständliche weise (noch) nicht denkbar sind.

schlimmer noch empfand ich, dass die gesamte security für das festival auf dem wir waren von skinheads gestellt wurde. und es war mehr als unangenehm und beängstigend für mich, mich von solchen typen abtasten zu lassen, bevor ich ins konzert gehen konnte...auch wenn sie "freidlich" waren (aber klar, war ja ihr job und sie können schlecht die über 1000 besucher dumm anmachen - hintenrum kam aber natürlich doch mal der ein oder andere spruch...).

was ich eigentlich sagen will: im westen treten skins in der regel eher als gruppe in die öffentlichkeit, und zwar dann, wenn sie stress machen wollen, ansonsten halten sie sich bedeckt - in vielen teilen des ostens gehören sie ins "stadtbild", was uns westlern natürlich erstmal bedrohlich erscheint und (auch wenn es mir schwer fällt, dass so zu sagen) selbst faschoskins haben nicht rund um die uhr lust, randale zu machen.

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Post Sat, 27.May.06, 20:51      Re: "No Go Areas" Reply with quoteBack to top

hallo zwerg,

zwerg8 wrote:
Nur, was mich wundert ist: dass der Erfolg dort am größten ist wo zwar die Arbeitslosigkeit, nicht aber das Ausländerproblem so massiv ist. Eigentlich sollte doch eher die Linke dort mehr Erfolg haben? gruebel


dieses phänomen findest du nicht nur im ehemaligen o-deutschland, sondern überall. es läßt eigentlich deutlich erkennen, wie wenig reales hinter ausländerhass steht. und das wäre eigentlich eine sehr nützliche erkenntnis.

zu dem problem, dass im osten d´s skins gar so ungeniert herumlaufen können: könnte es damit zusammenhängen, dass die leute zu wenig gelernt haben, sich gegen solche dinge zu wehren, weil das ja früher eh der staat abgenommen hat als offizielle doktrin? und jetzt wissen sie noch nicht so recht, wo´s langgehen könnte, alle illusionen wurden ja geraubt und oft nicht mal die positiven seiten des früheren komm. regimes anerkannt. naja, nur so ein gedanke von mir...

zum eigentlichen thema: also, wenn ich weiß, dass irgendwo zuviele glatzköpfe rumlaufen, died z.b. ungeniert passanten anmachen, würde ich dort nicht gerne hinfahren. einfach, weil ich mich auch ein bisschen sicher fühlen will, wenn ich wo hinfahre. und das ist ja dann meist in der freizeit/urlaub...

lg, naomi

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Post Tue, 30.May.06, 12:02      Re: "No Go Areas" Reply with quoteBack to top

Hi, @all!
Naomi wrote:

zu dem problem, dass im osten d´s skins gar so ungeniert herumlaufen können: könnte es damit zusammenhängen, dass die leute zu wenig gelernt haben, sich gegen solche dinge zu wehren, weil das ja früher eh der staat abgenommen hat als offizielle doktrin? und jetzt wissen sie noch nicht so recht, wo´s langgehen könnte, alle illusionen wurden ja geraubt und oft nicht mal die positiven seiten des früheren komm. regimes anerkannt. naja, nur so ein gedanke von mir...
... und gar kein so weit hergeholter Smile Vieles von dem, was man mit der Wende abgeschafft hat, wurde in den letzten Jahren "neu erfunden"... Und das einem damals der Staat alle Politischen (und auch solche Art extremistischen) Sorgen abgenommen hat - und nicht nur die - das stimmt auch. Es war ... na ja im wahrsten Sinne des Wortes "Vater Staat", und wir, die Bürger dieses Staates, seine unmündigen Kinder, die man in allen Situationen an die Hand genommen und geleitet hat.

Quote:
zum eigentlichen thema: also, wenn ich weiß, dass irgendwo zuviele glatzköpfe rumlaufen, died z.b. ungeniert passanten anmachen, würde ich dort nicht gerne hinfahren. einfach, weil ich mich auch ein bisschen sicher fühlen will, wenn ich wo hinfahre. und das ist ja dann meist in der freizeit/urlaub...
Nur - bis eben auf verschiedene Städte/Stadtviertel weiß man das ja nie wirklich vorher... traurig

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Post Tue, 30.May.06, 18:53      Re: "No Go Areas" Reply with quoteBack to top

Wichtig erscheint es mir auch, sich von diesen verblödeten Glatzen nicht einschüchtern oder blöd anmachen zu lassen.

Prävention ist da wirklich angesagt, sie dürfen nie wieder hochkommen.

Und die paar Schwachköpfe niederzuhalten, dürfte kein Problem sein, wenn man rechtzeitig dagegen geht und konsequent Antifa macht.

kw

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Post Sat, 03.Jun.06, 0:32      Re: "No Go Areas" Reply with quoteBack to top

hallo zwerg8,

zwerg8 wrote:
Nur - bis eben auf verschiedene Städte/Stadtviertel weiß man das ja nie wirklich vorher...


da hast du natürlich recht. aber, ich muss schon sagen, bei dem was man über einige gegenden in der ehemaligen ddr liest, wird mir sehr mulmig.


hallo kleiner wast,

kleiner wast wrote:
Und die paar Schwachköpfe niederzuhalten, dürfte kein Problem sein, wenn man rechtzeitig dagegen geht und konsequent Antifa macht.


naja, leider sind es ja nicht nur ein paar schwachköpfe, sondern dieses gedankengut wird sogar durchaus von leuten vertreten, die gute berufe haben, und auch vermehrt von gebildeten leuten. das macht die sache ja so schwierig, weil es eben nicht nur die paar glatzköpfe sind.

falls euch interessiert, wie ein journalist eines österreichischen politjournals die fremdenfeindlichkeit und das neonazitum in d sieht, empfehle ich euch den artikel "zu gast bei feinden?" in der aktuellen ausgabe, lesbar auch unter www.profil.at zu lesen. und ich muss ehrlich sagen, mich gruselt oft in ö schon sehr, was die fremdenfeindlichkeit angeht, aber ich habe wirklich das gefühl, dass es in d offener und extremer ist. in dem artikel steht auch drin, dass dieses fremdenfeindliche und teils neonazistische gedankengut in der bevölkerung verankert ist, auch wenn´s viele nicht offen zur schau tragen.

mir fällt dazu auch ein, dass die eu ö für den eintritt einer fremdenfeindlichen partei in die regierung völlig zu recht sanktioniert hat. nur, warum hat man nicht italien unter berlusconi ebenfalls sanktioniert? also, ich sehe, dass die fremdenfeindlichkeit irgendwie in weiten teilen europas im steigen begriffen ist, leider.

um dagegen anzukämpfen muss schon ein bisschen mehr gemacht werden, als den glatzköpfen auszuweichen oder ein bisschen antifa zu machen (was immer du darunter verstehst).

lg, naomi

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