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Kamephis
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Post Thu, 08.Mar.07, 23:49      Ich weiß nicht mehr weiter Reply with quoteBack to top

Hallo, ich weiß nicht ob der Artikel hier richtig is, aber wenn net kann er immer noch verschoben werden...

Es geht um meine Freundin. Sie is 20, Studentin und hatte die dreckigste Kindheit die ich mir vorstellen kann. Ich glaub ich erzähl einfach mal:

Sie is als das Kind von zwei Alkoholikern aufgewachsen, ihre Eltern haben sie teilweise geschlagen, sie immer weniger geschätzt als ihre zwei älteren Brüder und sich nie um sie gekümmert. Sie ist wohl hochbegabt, aber das hat nie jemand bemerkt, deshalb hat sie von ihren Eltern und der ganzen miesen Situation am meisten und teilweise auch als einzige was mitbekommen. Sie hat angefangen ihre Eltern zu schützen, nachts wach zu bleiben, sich zwischen sie zu stellen wenn sie sich geschlagen haben, sie beim Job zu entschuldigen wenn sei besoffen waren etc.

In der Schule wurde ihre frühe Reife und Intelligenz nicht erkannt, ihr war langweilig und sie wurde von vielen fertig gemacht (sie war auch immer körperlich kleiner als die anderen).

So, das nächste woran ich mich erinnere, is dass sie mit ungefähr 10 Jahren vergewaltigt wurde. Das ganze hat niemand sonst mitbekommen, sie hats in sich reingefressen und darunter gelitten. Ich glaub ich bin die einzige Person der sie das erzählt hat mit der Bitte nichts zu unternehmen (das war dann auch 8 Jahre später)

ich habe sie mit 18 kennengelernt, als sie auf die gleiche Schule ging wie ich. Zu diesem Zeitpunkt hat sie ihr damaliger Freund mithilfe des Jugendamts von zuhause rausgeholt, sie hat in ner Studenten-WG gelebt und war da ziemlich einsam, aber wenigstens von zuhause weg.

Als wir uns kennengelernt haben hab ich erst langsam durchschaut dass sie im täglichen Leben eine Maske trägt. Sie hat sehr früh gelernt sich zu verstellen und fast niemand hat je mitbekommen dass es ihr net gut geht. Als ich mit ihr zusammenkam hab ich dann langsam aber sicher erkannt was Maskerade und was echt is, aber ich muss zugeben, dass ich ihr wahres ich bis heute nicht voll erkennen kann, obwohl ich sehr viel gelernt habe und mittlerweile sehr sensibel bin.

Weiter, ein halbes Jahr nachdem wir uns kennengelernt hatten hatte ihr Bruder (die Person, zu der sie noch den engsten Kontakt hatte in ihrer Familie und die am wichtigsten war für sie) einen tödlichen Motorradunfall. Danach gings ihr so dreckig dass die Maske erstmal gefallen is, aber sie hatte keine Möglichkeit ihre Trauer wirklich auszuleben und hat sie in sich reingefressen. Ihre Eltern haben sich ne Therapiegruppe und das öffentliche Beileid gegönnt, sie blieb in ihrem Schatten stehen.

Dann hatte sie Schimmel in ihrer Wohnung und musste ausziehen, zurück zu ihren Eltern, weil sie nichtmehr die Kraft hatte woanders hinzuziehen. Das hat sie abermals mitgenommen.

Als nächstes wurde vor fast nem Jahr bei ihrem Vater Lungenkrebs diagnostiziert, mittlerweile is er daran gestorben, ist mittlerweile auch fast ein halbes Jahr her.

Seither gehts eigentlich nur noch bergab mit ihr. Sie hält ihre Maske aufrecht, darunter zerfällt sie langsam aber sicher und ihr geht die Kraft aus. Heute erst hat sie mich zu sich gerufen und ich war den ganzen Abend bei ihr bis sie mit Tränen in den Augen in meinen Armen eingeschlafen is...

Aber ich weiß nicht wie ich ihr noch helfen soll, sie war schon bei mehreren Therapeuten, die alle keinen Zugang zu ihr gefunden haben, weil sie net will, dass man ihr hilft.

Ich weiß keinen Ausweg mehr, ihr könnt euch vorstellen dass es mir mittlerweile auch ziemlich zu schaffen macht und dass ich nicht mit ansehen möchte wie sie irgendwann auch gegen nen Baum fährt, was ihr glaub ich mittlerweile ganz recht wär. Sie hat gerade begonnen Antidepressiva zu nehmen aber die wirken noch lange nicht und werden ihr auch net helfen schätz ich.

ich hatte vergessen zu erwähnen,dass sie sonst praktisch niemanden hat, den sie an sich ranlässt, schon gar nicht ihre Mutter

Wir brauchen Hilfe, und zwar so schnell wie möglich!!!

Danke schonmal für alle Antworten
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Nachtvogel
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Post Fri, 09.Mar.07, 13:32      Re: Ich weiß nicht mehr weiter Reply with quoteBack to top

Hallo Kamephis!

Das ist wirklich eine schwierige Situation, in der ihr da seid. Auch kein Wunder, dass deine Freundin nach all dem, was ihr geschehen ist, langsam aber sicher in die Knie geht. Sie hat wirklich Glueck, dass sie einen so lieben Freund hat, der ihr beizustehen und zu helfen versucht. Sicherlich hilft es viel, wenn du ihr zuhörst und sie in die Arme nimmst; ihr Wärme und Verständnis gibst. Es ist auch sehr gut, dass sie sich wenigstens dir öffnen und von allem, was ihr so widerfahren ist, erzählen kann.
Das Problem ist nur, dass du damit vermutlich völlig ueberfordert bist. Du bist kein Therapeut und kannst sie aus ihrem Tief nicht rausholen. Du kannst sie auch nicht therapieren und ihr nicht helfen, mit dem, was ihr passiert ist, fertigzuwerden. Das kann nur ein guter Therapeut und es ist ein langsamer Prozess, der sich vermutlich bei einem so schweren Leben und Leiden ueber so viele Jahre auch länger hinziehen kann. Ich denke nicht, dass sie mit allem ohne eine Therapie klarkommt.

Du hast geschrieben, dass sie schon ein paar Therapien versucht hat - und das ohne Erfolg, weil sie sich nicht öffnen konnte. Ich denke mal, sie sollte es noch einmal versuchen. Sie braucht ja nicht die ganze Geschichte auf einmal zu erzählen, sondern ein kleiner Happen auf einmal reicht ja schon. Wenn sie z.B. erzählt, dass ihr Vater an Lungenkrebs gestorben ist, dann kann sich daraus ein Therapiegespräch entwicklen, das sich auf ihre Trauerarbeit konzentriert. Das wäre evtl. erst einmal das Aktuellste. Danach kann sie von einer anderen Sache erzählen usw. Eine erste Hemmschwelle kann ja auch ueberbrueckt werden, indem sie etwas zuhause aufschreibt und es dann dem Therapeuten gibt oder vorliest. Oder du kannst evtl. mit in die Therapie kommen. Vielleicht beruhigt sie es, wenn jemand mit dabei ist, zu dem sie Vertrauen hat.
Nicht zuletzt sind nicht alle Therapeuten gleich gut. Vielleicht seid ihr an ein paar "schwarze Schafe" geraten und solltet es deswegen noch einmal versuchen.


Antidepressiva können schon mal ein guter Schritt sein, um ihren Zustand etwas zu stabilisieren. Es dauert allerdings oft ca. 3 Wochen, bis die Wirkung so richtig einsetzt. Solange muss man schon Gedult haben.

LG, Nachtvogel
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Kamephis
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Post Sun, 11.Mar.07, 13:08      Re: Ich weiß nicht mehr weiter Reply with quoteBack to top

Hallo Nachtvogel,

danke für die Antwort, ich denke ich werd nochmal versuchen, sie davon zu überzeugen, dass sie einen neuen Therapeuten aufsucht. Das größte Problem damit war bis jetzt, dass sie sich net öffnen konnte/wollte und der Therapeut keinen Zugang zu ihr bekommen hat. Sie haben dann über Alltagsprobleme geredet und die Therapie hat gar keinen Fortschritt gemacht. Sie hat bei vielen Therapeuten schon deshalb nichts rausgelassen, weil diese eben nur ihren Job machen, sich quasi um sie kümmern weil sie dafür bezahlt werden. Aber sojemand gibt ihr nunmal nicht das Gefühl, dass ihr jemand bewusst helfen will, sondern höchstens helfen muss, weil dann wahrscheinlich auch noch ich das ganze in die Wege leite.
Die Therapie würde wohl wirklich nur dann was bringen, wenn sie entweder vorher sich was aufschreibt oder wenn ich mitkomm, wie du schon geschrieben hast. Sonst redet sie wieder monatelang über Kleinigkeiten (die natürlich auch wichtig sind, für die sie aber andere Leute hat, micht und ein paar Mädels), die wirklich wichtigen Dinge würde sie sonst gar net ansprechen.

Mein Hauptproblem wird jetzt erstmal sein, einen Therapeuten in der Nähe zu finden (Stuttgart und Umgebung), den vor allem sie und vielleicht auch ich gut erreichen können und der nicht wieder ein "schwarzes Schaf" ist. Hat zufälligerweise jemand hier im Forum einen guten Therapeuten im Raum Stuttgart (ich weiß dass das hier eigentlich ein österreichisches Forum ist, aber es gibt ja genügend deutsche Mitglieder hier) den er weiterempfehlen könnte?

Oder sonst noch nen Tipp worauf ich dabei achten sollte?

Ich hab mir auch schon überlegt mit ihr zusammenzuziehen. Das wär für sie meines Erachtens nach momentan das beste, das einzige Problem is, dass ich in nem halben Jahr für ein halbes Jahr ein Fachpraktikum mach und da wohl in ner anderen Ecke von Deutschland sein werde. Ich hab jetzt schon Angst davor, denn das bedeutet, sie ein halbes Jahr allein zu lassen... Eine Fernbeziehung wird ihr sicherlich net gut tun, deshalb find ichs gut, dass sie in letzter Zeit ein paar Mädels kennengelernt hat, mit denen sie gut klarkommt. Allerdings kennt sie die noch net lang genug um sich denen wirklich anzuvertrauen. Und hoffentlich wird sie bis dahin auch von zuhause ausziehen können (Bewerbung für nen Wohnheimsplatz läuft...)

Hat jemand sonst noch nen Tipp, was ich noch machen könnte? Ich versuch sie immer wieder abzulenken und ihr n bisschen Ruhe zu gönnen wenn sie bei mir is. Mit ihr reden lässt sie aber in letzter Zeit weniger als früher, vor allem weils ihr meistens mehr schadet als hilft find ich (wenn sie mir zum Beispiel von nem Alptraum erzähl oder sowas meint sie selbst dass es ihr nicht hilft damit klarzukommen und ihr eher schadet und außerdem mich noch beeinflusst... aber ohne Reden wirds nunmal nicht besser)

Kennt jemand diese Situation gut und kann mir helfen?

Danke schonmal im Voraus,

Grüße, Kamephis
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Nachtvogel
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Post Sun, 11.Mar.07, 15:07      Re: Ich weiß nicht mehr weiter Reply with quoteBack to top

Moin Kamephis,

Quote:
Das größte Problem damit war bis jetzt, dass sie sich net öffnen konnte/wollte und der Therapeut keinen Zugang zu ihr bekommen hat. Sie haben dann über Alltagsprobleme geredet und die Therapie hat gar keinen Fortschritt gemacht.
Möglicherweise seid ihr/ist deine Freundin auch ein wenig zu ungeduldig. Eine Therapie kann Jahre dauern. Den Erfolg kann man auch nicht einfach so messen wie z.B. die Genesung eines gebrochenen Beines anhand eines Röntgenbildes. Vielleicht solltet ihr auch ueberlegen, ob eine Therapeutin oder ein Therapeut besser wäre. Kann sie sich leichter einer Frau oder einem Mann öffnen?
Ich wuerde ihr auch erst mal mindestens einen Monat Zeit lassen, um den heissen Brei herumzureden und den PT dabei erst einmal ein wenig kennenzulernen, bevor das erste tiefere Problem angesprochen wird. Hoffentlich bekommt ihr das mit dem Therapeuten bald hin, dann hat sie schon einmal die Chance, sich an ihn/sie zu gewöhnen und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. In dem Falle ist es vermutlich auch nicht mehr soooo schwer, wenn ihr fuer eine zeitlang eine Fernbeziehung hat. Die regelmässigen Therapiezeiten und der Therapeut als Gesprächspartner helfen da sicherlich.

Quote:
Sie hat bei vielen Therapeuten schon deshalb nichts rausgelassen, weil diese eben nur ihren Job machen, sich quasi um sie kümmern weil sie dafür bezahlt werden. Aber sojemand gibt ihr nunmal nicht das Gefühl, dass ihr jemand bewusst helfen will, sondern höchstens helfen muss, weil dann wahrscheinlich auch noch ich das ganze in die Wege leite.

Ein Therapeut macht "nur" seinen Job, ganz klar. Das ist aber auch ganz wichtig, weil er sonst ja nicht objektiv bleiben kann. Es wird deiner Freundin kaum helfen, wenn ein Therapeut sie ganz aufrichtig bemitleidet. Sie will doch schliesslich professionelle therapeutische Hilfe. Das Gefuehl, dass jemand sich wirklich fuer sie interessiert und ihr bewusst helfen will, wird sie sicherlich bei dir haben - und das ist sehr gut so.

Quote:
Mit ihr reden lässt sie aber in letzter Zeit weniger als früher, vor allem weils ihr meistens mehr schadet als hilft find ich ... aber ohne Reden wirds nunmal nicht besser

Das kenne ich aber auch von mir selbst (war schwer depressiv und mir geht es jetzt nach ca. 1 1/2 Jahren Therapie besser). Anfangs hat mich das Reden nur noch mehr runtergehauen, weil halt alle Probleme da an die Oberfläche kamen. Im Laufe der Therapie wurde sozusagen eins nach dem anderen behandelt und schwächte sich dadurch ab. Jetzt bekomme ich nicht mehr die "volle Ladung" ab, wenn ich daran denke oder darueber rede, sondern nur noch einen kleineren Bruchteil, mit dem ich wesentlich besser klarkomme. Irgendwann hoffentlich gar nichts/kaum was mehr.
Verdrängen bringt aber auch nichts, das löst die Probleme nicht. Daher finde ich eine Therapie empfehlenswert, weil sie halt dabei hilft, sozusagen unter "kontrollierten Bedingungen" bzw. Hilfestellung des Therapeuten die Probleme nach und nach aufzuarbeiten.

LG, Nachtvogel
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