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Exosaurus
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Post Tue, 22.Jul.03, 6:13      Aktuelle Definition für : psychische Krankheit / Störung Reply with quoteBack to top

Confused

Ja, ich bin erst grade neu hier reingestolpert, so wie das da steht, nachdem ich so Einiges gelesen habe, scheint es mir dass die Leute hier ordentlich Tiefgang besitzen -- bin schon so einige Foren durchgegangen.

Zu einigen Bereichen hätte ich wohl was zu sagen, vielleicht mach ich das irgendwann, oder je nach Beobachtung der möglichen Reaktionen lass ich's dann auch mal.

Hier dachte ich einfach mal dran zu fragen, was die aktuelle oder anerkannte Definition für ~psychische Krankheit~ oder ~psychische Störung~ in der heutigen Zeit so ist, bzw. nach welcher Norm man hier vorgeht, welche Bedingungen erfüllt stehen müssen, um so eine Störung oder Krankheit annehmen zu können.

Da ich unter Anderem versuche, mir Meinungen und Ideen für ein kleines Buch zusammen zu sammeln, das sich zentrisch als auch im größeren Umfeld mit "reaktiver Depression" befassen soll, gerade der Wahrnehmung in solcher Situation im Vergleich zu Betrachteransichten oder auch geläufiger Aussage dazu von allen möglichen Standpunkten, könnte ich gleich noch fragen, ob fachlich betrachtet die "reaktive Depression" als Krankheit gehandelt wird, oder eher als natürliche Folgerung auf Lebenshergänge, auf die es anders zu reagieren im Grunde genommen unnatürlich wäre.

Mit dem Büchlein möchte ich mal Interessierten, Betrachtern, Aufgeschlossenen und anderen Betroffenen eine Möglichkeit bieten, sich Einblicke ins Wahrnehmungsspektrum von "reaktiv Depressiven" zu genehmigen, nicht aus fachlich vorgeprägter Sicht und auch nicht für wissenschaftliche Zwecke, sondern für den Menschen an sich und gegen das vorschnelle Stigmatisieren aus der Gesellschaft.

Die Richtlinien zur Festlegung, ob eine krankhafte Situation vorliegt, würden mich sehr interessieren, bzw. wer solche Richtlinien festlegt oder was zu der Sicherheit führt, dass Solche über den Menschen, von dessen Anzeichen manche darunter fallen, zu richten in der Lage scheinen.

Wer legt fest, welches Maß an Verletzung, Verlust oder Leid Jemand zu ertragen hat, bevor er daran zerbrechen kann?
Wer legt fest, ob diese Reaktionen nicht nur die üblichen Folgeprozesse auf tief einschneidende Erlebnisse sind?
Warum scheint es Gesetz, dass alles Positivierbare belobigt wird, während das negativ Begreifbare immer mit Störung oder Krankheit besetzt wird?

Wann ist von Leidensdruck zu sprechen, bzw. wird dem Menschen die Entscheidung belassen, seine eigene Befindlichkeit als Leiden oder Druck zu definieren, oder bestimmt das der Betrachter?

Anmerkung : Ich werde keine Aussagen oder Darstellungen in das Buch übernehmen, ohne mich zuvor nach der jeweiligen Erlaubnis zu erkundigen oder Ähnliches -- dies hier betrifft eher elementare Ansätze im Vorfeld der Planung, sozusagen.

Na da bin ich mal gespannt, was ihr dazu meint.

Viele Grüße aus den Exosphären der Gesellschaft,

Pit

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Post Tue, 22.Jul.03, 6:46      Reply with quoteBack to top

moin ,

normbegriffe sind gesellschaftlich geformt, auch das was als seelisch normal und was als krankhaft bezeichnet wird. nicht nur was körperlich, sondern auch was seelisch normal gewertet ist,wird intuitiv und selbstverständlich vorausgesetzt.

in der ärztlichen praxis wird das, was krank, und das, was gesund ist,nicht grundsätzlich problematisiert.

arzt und patient orientieren sich bei krank und gesund nicht an einer statistischen überindividuellen durchschnittsnorm, sondern an der individuellen werdensnorm des patienten.
sie ergibt sich aus der bisherigen kontinuität seiner äußeren und inneren lebensgeschichte. die hier vor augen beider stehende normalität ist nicht als dünne linie zu sehen , wie sie sich in psychologisdchen testsituationen darstellt, sondern als eine breite straße auf der sehr verschiedenartige menschen ihren weg finden.

gerade der erfahrene psychiater betont die die gesunde spielbreite seelischer eigenart.

es existieren in allen gesellschaften normen, öffentlich ausgesprochene und unausgesprochene, die mehr oder weniger entschieden ihre macht entfalten.
normen bieten einerseits halt, schutz und akzeptanz, abweichungen werden u.U. mit offenen oder versteckten sanktionen bedroht, was seelisch kranke auch zu spüren bekommen.

aus dem beschwerdeangebot des patienten und dem krankheitskonzept des arztes entsteht die krankheitsgeschichte des patienten.
seelische wie körperliche beschwerden oder ausfälle erscheinen dabei zunächst als abweichungen von der individualnorm. in der subjektiven erfahrung und in der ersten annäherung erscheinen seelische störungen wie angst auf die strasse zu gehen oder eine verlängerte trauer, gewöhnlich als persönliche, individuelle varianten und nicht ohne weiteres als überindividuell typische , u.U. als krankhaft zu bezeichnende abweichungen der norm.

mit wachsender erfahrung sieht der arzt die sich wiederholenden muster des erlebens und verhaltens und typisch ausgeprägten symptomgruppierungen und auslösesituationen.er findet charakteristische verlaufsformen und behandlungsmöglichkeiten bei konfliktreaktionen wie bei den neurosen und den abnormen persönlichkeiten.

in der ersten annäherung an dieses fachgebiet neigen medizinstudenten dazu, die bedeutung des individuellen , ja einmaligen im erleben des menschen zu überschätzen.
sie fürchten, dass das individuelle übersehen und entwertet wird.
demgegenüber ist aber zu betonen, dass die diagnose einer krankheit, auch einer seelischen wie abnorme trauerreaktion, zwangsneurose oder alkoholkrankheit, immer zugleich die frage nach dem einzelnen besonderen kranken offenhält, ja für die therapie notwendig macht.

es ist immer die frage,welcher mensch mit welcher inneren und äußeren lebensgeschichte in diesem fall von konfliktreaktion, neurose und abnormer persönlichkeitsentwicklung einmündet und wie sich seine einmalige persönlichkeit in diesen zusammenhängen darstellt.


im ganzen ist ein kritischer umgang mit dem normbegriff angemessen .
die kulturell, sozial und historisch geprägten wertmaßstäbe in den verschiedenen lebensbereichen sind gerade im medienzeitalter in ihrer macht zu reflektieren.
es besteht ein mehr oder minder großes spannungsverhältnis bei jedem zwischen seiner individualnorm, die von der ausgangssituation und dem lebensentwurf des einzelnen ausgehet, und gesellschaftlichen maßstäben oder auch gegenüber den statistischen durchschnittswerten, die u.a. auch in testuntersuchungen als normalität zu finden sind.

im zwischenmenschlichen bereich, im sexuellen etwa, ist schließlich eine dualnorm zu beachten, d.h. die verhaltensweisen und erlebnisformen, zu denen zwei partner im laufe ihres leben zusammenfinden.


aus walter bräutigam
reaktionen-neurosen-abnorme persönlichkeiten

p.s.

solche einleitung befindet sich in JEDEM fachbuch.
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