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sternschauerin
sporadischer Gast
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Wohnort Schweiz
W, 21


Post Tue, 29.May.07, 19:48      Nach der Gewalt im Kindesalter Reply with quoteBack to top

Hallo zusammen

Ich bin jetzt 21 Jahre alt, wohne alleine in einer schönen Wohnung, habe eine Ausbildung absolviert, arbeite erfolgreich in einem Beruf der mir gefällt, habe ein eigenes Auto, viele Freunde, viele Hobbies und liebe mein Leben über alles. Und doch gibt es eine dunkle Seite in mir, die mich immer wieder bedrückt, oder mich in gewissen Situationen so durcheinander bringt, dass ich nicht weiss, wie ich mich verhalten soll.

Von früh an wurde ich von meinen Eltern immer wieder geschlagen. Es waren die kleinsten Dinge, die bestraft wurden. Wenn sie mich nicht geschlagen haben, haben sie mich oft angeschrien und verbal fertig gemacht. Es gab keine lieben Worte, keine Zärtlichkeiten, nichts.
Mit ca. 11 Jahren stand ich da, merkte wie unglücklich ich bin, ich merkte, dass ich keine Freunde hatte und dass ich sehr anders bin als die anderen Kinder. Ich wollte mich ändern und ich habe es getan. Immer wieder habe ich alle um mich herum beobachtet und von ihnen gelernt. Es hat geklappt, nach und nach habe ich mich schlagartig verändert, viele Freunde und auch die Freude am Leben gefunden. Heute bin ich wohl genau das gegenteil von einem traurigen, einsamen Mädchen. Das was Zuhause vorsich ging, versuchte ich, so gut es ging von mir abprallen zu lassen. Aber es gab viele Male, da sass ich alleine Zuhause in meinem Zimmer und hab lange geweint.
Mit 19 Jahren bin ich von Zuhause ausgezogen. Ich denke viel nach über damals und das hilft mir auch. Nur manchmal holt mich die Vergangenheit wieder ein. Vor allem, wenn es um zwischenmenschliche Beziehnungen geht wie jemanden zu trösten, jemandem von seinen wahren Gefühlen zu erzählen. Oder legt mir jemand die Hand auf die Schulter, lähmt es meinen ganzen Körper, obwohl ich mich so sehr nach Zärtlichkeiten und Umarmungen sehne. Oft sehne ich mich danach, dass da eine Mutter oder ein Vater wäre, denen ich alles erzählen könnte, die mich trösten und in den Arm nehmen, wenn es mir schlecht geht.
Ich versuche es immer wieder, mich diesen Situationen zu stellen. Es kostet mich viel Überwindung, zum Beispiel mit jemand anderem über Gefühle zu reden und doch mache ich es immer wieder, denn aus allen Situationen lerne ich wieder dazu. Mich kennen alle als einen sehr aufgeweckten, fröhlichen Menschen, der viel lacht und sehr unternehmungslustig ist. Und doch bin genau ich es, der zwar auf Menschen zugehen kann, aber ab einem gewissen Grade nicht mehr weiss, was zu tun ist.

Mich würde es interessieren, ob es solche gibt, die ähnliches erlebt haben oder erleben und wie sie damit umgehen.

Liebe Grüsse
Sternschauerin
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Seelchen im Unglück
Helferlein
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Posts 60
Wohnort Saarland
W, 41


Post Wed, 30.May.07, 12:16      Re: Nach der Gewalt im Kindesalter Reply with quoteBack to top

Hallo Sternschauerin,

habe eine sehr ähnliche Kindheit erlebt und bin zu Beginn meines Studiums Zuhause ausgezogen.
Ich kann dir dazu nur gratulieren. Das war der beste Schritt.

Es hat bei mir noch lange gedauert, bis ich soviel Vertrauen zu einem Menschen aufbauen konnte, um mit ihm mein Leben zu teilen.
Aber es geht. Irgendwann wird jemand kommen und du es wird funktionieren....man kann Berührungen zu lassen, Gefühle werden ganz zart ausgetauscht und es ist was Wunderbares, wenn sie auch von jemand anderem gefühlt werden und nicht verletzt werden.

Vertrauen ist sehr wichtig. Wir haben das als Kind nicht gelernt. Das war eher ein ausgeliefert sein. Aber im nachhinein denke ich, dass meine Eltern mit und meinen beiden Brüdern auch ausgeliefert waren und überfordert waren. Das entschuldigt nichts, macht es für mich aber verständlich.

Mein Verhältnis zu meinen Eltern ist inzwischen eine reine Bekanntschaft, aber eine nette Bekanntschaft.

Da ich im Moment total am Boden bin, da meine 12 jährige, vertrauensvolle Beziehung beendet wurde, würde ich mir auch wünschen, zu meinen Eltern gehen zu können, mit ihnen reden zu können, Beistand und Unterstützung zu erhalten, aber da ist nicht einmal Mitgefühl drin. Vielleicht ein wenig. Meine Mutter meinte nur, das ist aber schade (mir bricht es das Herz und sie meint schade) und mein Vater schwieg den ganzen Abend. Ich könnte meine Eltern nicht in den Arm nehmen und sie mich auch nicht.

Also, wenn du ein paar gute Freunde hast, denen du vertrauen kannst, dann ist das der Himmel auf Erden wert. Deine Eltern sind erwachsen und werden sich nicht ändern. Irgendwann kommt dann auch jemand, dem man sich körperlich anvertrauen möchte...lass dir Zeit.

LG und viel Zeit
Seelchen

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ich weiß zwar nicht, ob es besser wird, wenn sich was ändert. Aber ich weiß, dass sich was ändern muss, damit es besser wird.(Lichtenberg)
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