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Dolie
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Post Fri, 21.Sep.07, 10:09      Könnt Ihr mir als Angehöriger ein paar Sachen erklären? Reply with quoteBack to top

guten Morgen!

ich bin froh diese Seite gefunden zu haben weil ich mich über schizophrenie informieren möchte.
Es geht um meinen Schwager,bei ihm wurde paranoide Schizophrenie festgestellt.
ich hatte zwar den Ausdruck schon gehört,konnte mir aber nicht wirklich etwas darunter vorstellen....
Er war mehrere male in einer Klinik (geschlossene Abteilung) und ist JEDES MAL wieder da abgehauen .Deshalb meine erste Frage: íst es wirklich so leicht möglich aus einer geschlossenen Abteilung "auszubrechen"?
Ich selber war dort noch nie,nur mein Mann hat ihn besucht,ist ziemlich weit weg von uns ,wir haben 3 Kinder,Schule etc. jedenfalls habe ich immer gedacht,dass es NICHT möglich sein sollte dort rauszukommen? Oder ist das ein Einzelfall,also nur diese eine Klinik?(Ludwigsburg)
Weil,und das ist gleich auch die nächste Frage,er geht dann immer in die Natur (z.B. in den Wald etc) und kommt nur abends in seine Wohnung,wo er seinen Mitbewohner etc. bedroht (er würde ihn töten,wenn er auch nur ein Wort sagt)kurz was isst und wieder abhaut.Ich muss dazu sagen,dass er nicht aus Deutschland sondern aus Ghana stammt.Er hat in seiner Stadt viele Bekannte bei denen er unterkommen könnte,wenn er nicht bei sich bleiben will,wenn er Angst hätte,dass die Polizei ihn abholt oder so.Aber er bleibt immer draussen und betet (?) sagt er zumindest.Er hat meinen Mann (zu dem er immer ein sehr,sehr gutes Verhältnis hatte) und einen Freund angegriffen und gebissen (und zwar nicht wenig,die rechte hand von meinem Mann ist auch heute nach 5 Wochen noch nicht wieder ganz so wie vorher) und mich würde von euch jetzt interessieren....was geht in ihm vor? Wie muss ich mir das vorstellen? Warum will er keine Medikamente nehmen! Kann es sein dass sie nicht helfen? Er sagte auch immer,die im Krankenhaus wollen ihn vergiften,das hätte er genau gehört.(unwahrscheinlich,sein Deutsch ist als sehr schlecht zu bezeichnen).ich dachte immer man ist eigentlich froh wenn einem geholfen wird...oder nicht?Also meiner Vorstellung nach war es so,dass er zwar schizophren ist aber wenn er die Medikamente nimmt die Symptome zurückgehen und er ein ganz (oder zumindest relativ) normales leben führen kann.
Es tut mir leid wenn meine fragen irgendwie banal klingen,aber seitdem ich erfahren habe dass er Montag schon wieder abgehauen ist, ist es mir einfach mal wichtig zu wissen wie so eine Therapie in einer geschlossenen Klinik aussieht.Wie KANN ER IMMER abhauen???
Und warum will er abhauen.Jetzt wird es ja auch kalt und zu essen....okay noch gibt es obst aber auch nicht mehr lange und sein Mitbewohner will jetzt wohl aus Angst vor ihm das Schloss wechseln lassen,weiss aber wohl noch nicht ob er das überhaupt darf. Die Polizei fahndet nur seeeehr halbherzig nach ihm,meiner Meinung nach,er wurde all die male immer von Bekannten entdeckt.

ich hoffe ich bekomme bei euch ein paar antworten und wünsche euch einen schönen Tag!!!

Dolie
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Rooger
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Post Fri, 21.Sep.07, 16:40      Re: Könnt Ihr mir als Angehöriger ein paar Sachen erklä Reply with quoteBack to top

Komplett nachvollziehen wirst du nicht können, was in ihm vorgeht, das mal vorweg.
Bei einer Psychose ist die Crux eben, dass das Gehirn des Betroffenen ihm Sinneseindrücke vorgaukelt, die keinerlei Entsprechung in der Wirklichkeit haben. Er hat also tatsäch "gehört" wie die Leute in der Klinik über seine Vergiftung gesprochen haben, etc.
Somit relativiert sich auch der Wunsch nach "Hilfe" den ein von Schizophrenie betroffener in diesem Sinne nicht verspürt. Er nimmt ja alles komplett anders war, als seine Umwelt.

Ehrlich gesagt bin ich aber auch ein wenig verwundert, dass ihm immer wieder die Flucht gelingt!!! Zum einen ist es (spreche ich aus Erfahrung) NICHT so einfach aus einer geschlossenen Abteilung abzuhauen, und zum anderen werden Leute von denen man eine Flucht vermuten kann, da auch ziemlich schnell fixiert, also ans Bett "gefesselt", bis die Neuroleptika wirken. Da würde evt. mal ein Gespräch mit den verantwortlichen Ärzten Not tuen.
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Post Fri, 21.Sep.07, 16:45      Re: Könnt Ihr mir als Angehöriger ein paar Sachen erklä Reply with quoteBack to top

Noch was zu den Medikamenten. Diese (Neuroleptika) haben durchaus SEHR unangenehme Nebenwirkungen und werden von vielen Betroffenen nur SEHR widerwillig genommen. Neuroleptika können auch zu sehr unangenehmen und entstellenden Spätfolgen führen. (Grimassieren, permanente Kaubewegungen, Speichelfluss, emotionale Verflachung etc.)
Es gibt aber auch modrenere Neuroleptika, die aber leider oft nicht bei Kassenpatienten angewendet werden.
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Post Fri, 21.Sep.07, 17:03      Re: Könnt Ihr mir als Angehöriger ein paar Sachen erklä Reply with quoteBack to top

Rooger wrote:

Es gibt aber auch modrenere Neuroleptika, die aber leider oft nicht bei Kassenpatienten angewendet werden.


hm, doch schon, aber die Nebenwirkungen sind trotzdem noch hammerartig. Stell Dir vor Du fühlst Dich die ganze Zeit wie ein total abgestumpfter Zombie der nicht in dem Masse mehr fähig ist Emotionen zu erleben.. Klar, das soll ja Wahnideen unterdrücken. Und was muss ein Medikament tun um das zu erreichen? Die Fantasie und Gedankentätigkeit mehr oder weniger unterdrücken. Und das ist nicht wirklich ein angenehmer Zustand. Okay, es kann individuell unterschiedlich sein wie schlimm diese Nebenwirkungen bei jedem Einzelnen wirken.. Trotzdem kann ich verstehen daß jemand Neuroleptika nicht nehmen will.

Ich kann mir vorstellen Dein Schwager brächte auch medizinisches Personal das seine Sprache spricht. Stell Dir mal vor Du bist in Afrika und wirst dort psychisch krank und wirst in eine klinik gesperrt wo Du nicht mal vernünftig mit den Ärzten reden kannst, wo die Kultur völlig anders ist. Klar daß er sich da nicht wirklich wohlfühlen kann...

Was man da aber machen kann, tja Confused
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Dolie
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Post Fri, 21.Sep.07, 18:46      Re: Könnt Ihr mir als Angehöriger ein paar Sachen erklären? Reply with quoteBack to top

danke schon mal für eure Antworten.Das mit den Grimassen hatte er am Anfang,später nicht mehr.Ich weiss aber nicht ob er ein anderes Medikament bekommen hat oder ob er gar nichts genommen hat...
Confused

das heisst,diese schizophrenie bedeutet dass er sich selber gar nicht als behandlungsbedürftig sieht? Ich habe eine Freundin die Depressionen hatte und ihr war durchaus bewusst dass die Tabletten und die Therapie ihr helfen....aber wenn er's gar nicht einsieht... Shocked

okay,dann bin ich zumindest schon mal ein bisschen schlauer.
mit der Sprache...das habe ich mir auch gedacht,aber er spricht zwar kein deutsch dafür aber sehr gut englisch...aber klar,über sich und seine Probleme in einer fremden Sprache reden ist auch nicht so einfach....

danke auf jeden Fall vielleicht kommen ja noch mehr antworten.

lg dolie
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Post Sat, 22.Sep.07, 8:15      Re: Könnt Ihr mir als Angehöriger ein paar Sachen erklä Reply with quoteBack to top

Solche Wahnideen sind eine sehr intensive Erfahrung, ich würde sagen viel intensiver als normale Alltagserfahrungen und fühlen sich sehr sehr real an. Das ist einem sehr viel näher als das normale Erleben.

Confused
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Leela
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Post Sun, 23.Sep.07, 13:42      Re: Könnt Ihr mir als Angehöriger ein paar Sachen erklä Reply with quoteBack to top

Hallo! also ich "leide" ja "nur" unter einer wahnhaften Störung, aber vl hilft es dir ja trotzdem etwas weiter:

Stell dir vor, du gehst auf der Strasse und hörst - nur als Beispiel - "schau mal die an! wie schaut die aus.. der sollte man den schädel einschlagen" - bekommst du da keine angst und willst weg?
Dein Bruder "hört", was er sagt - er sagt von sich aus die Wahrheit. Mir gehts oft nicht viel anders, wenngleich vl auch nicht so extrem. Mir hat zB vor einigen Tagen der nachbar ein Sackerl obst an die Tür gehängt und ich denke darauf hin, dass er mich vergiften will oder abhört, denn wie solle er sonst wissen, dass ich zB grad Hunger hab.. Mein freund und meine mutter haben gemeint, dass er nur nett sein will. Und weisst was: niemand kann mich dazu bringen, dieses Obst anzurühren. Jedes mal rausgehen war und ist für mich eine grooooße überwindung, nur ich bin eben doch so stark, dass ich im Laufe der zeit gelernt habe, vieles zu akzeptieren - ich lebe sozusagen in beiden Realitäten gleichzeitig. Das Tonband in der Wand ist da... und wenn du mit mir smalltalk führen würdest, würdest du nichts merken - bis zu dem punkt, an dem ich mich vl von dir angegriffen fühle - dazu brauche ich (!) nur etwas "falsch auffassen", es kommt zum streit und ich würde dich ev in meiner verzweiflung auch angreifen... alles leider schon passiert.

Was die medis angeht ist es so, dass die schon eine Faust ins Gsicht sind. Ich muss mich jeden Tag wieder dazu überwinden, dass ich das zeug schlucke und dann gab es phasen, wo ich einfach gedacht hab, dass DIE mir was schlechtes wollen (weil man sich aufgrund der Medis krank, müde und ruhiggestellt fühlt).. aber ich will mich ja besser fühlen..was soll das? na und dann hab ich sie abgesetzt, wollte nicht mehr, aber dann kommen die stimmen wieder und man merkt "hoppla, das hatten wir doch schonmal?" und man fühlt sich nur noch mies und dann muss man die Tabs wieder nehmen ..
und so gibts da oft tagtäglich einen Kampf. Oder etwas kleines passiert und in meinem Kopf wird das zu ner riesensache... Strassenbahnunfall in meiner Umgebung - Jemand will mich umbringen. Ich muss mich oft sehr zusammenreissen, nicht einfach auf alles - die medikamente, die therapien - zu sch***en. Weisst du und wenn man dann noch Stimmen hört - wie ich - dann "weiss" man dass sie real sind, denn man hat uU auch eine "Vorstellung" (man "weiss") woher sie kommen, wie die Personen aussehen, dass sie existieren... und da kann meine Psychiaterin mir noch 100x sagen, dass sie nicht existieren und ich werde es noch immer nicht glauben, denn ich höre SIE ja und sehe sie teilweise auch, was natürlich blöd ist, weil SIE nicht grade nett sind...und ich merke, wenn ich die Medis nehme, bin ich zwar zur häfte sediert.. aber ich höre SIE nicht mehr so oft und das ist gut, denn sie können mich zwar nicht körperlich angreifen, aber sie wollen mich fertigmachen.

Ich kann der geschlossenen auch nur deswegen entgehen, weil ich brav meine Medikamente schlucke (oder auch wieder nicht), mich in der Öffentlichkeit versuche so zu verhalten, dass ich nicht auffalle - was mir sowieso nicht gelingt, weil irgendwas ist immer - aaaber: ich habe gelernt, damit zu leben, mal besser - aber hauptsächlich schlecht. Also eure Realität oder was ihr darunter versteht, ist auch nach wie vor meine Hauptsächliche. Man fühlt sich komplett zerissen, vertraut nicht mal denen, die man liebt...
Ich bin gesund - die anderen sind die, die nen Dachschaden haben - und nein, ich möchte niemanden hier damit angreifen, aber ich weiss das!

und jetzt stellst du dir das noch 10x ärger vor und dann bist du in etwa bei deinem Bruder Sad

Du musst dir das so vorstellen - du würdest in seiner Situation auch nicht anders können...du würdest ganz gleich handeln.

Dass du dich hier informierst, finde ich übrigens toll!
Lg!

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Post Mon, 24.Sep.07, 13:46      Re: Könnt Ihr mir als Angehöriger ein paar Sachen erklä Reply with quoteBack to top

Leela wrote:
aber ich höre SIE nicht mehr so oft und das ist gut, denn sie können mich zwar nicht körperlich angreifen, aber sie wollen mich fertigmachen.


Hallo Leela,

ich hatte nur einmal eine Psychotische Episode. Ich hab auch Stimmen im Kopf gehabt die mir die schlimmsten Dinge erzählt haben und mich fertiggemacht haben..
Nach einigen Tagen Medis hab ich die abgesetzt und es ist GOTTSEIDANK nicht widergekommen... Da hatte ich einfach riesiges Glück...

Meine Theorie ist daß diese Stimmen die einen fertigmachen die eigenen negativen Gedanken sind die man über sich hat, sozusagen das Unterbewusste, was sich versehentlich so mit der Realitätsverarbeitung verschaltet hat daß man den Unterschied zwischen innerem Erleben und äusserem Erleben nicht mehr trennen kann...

Grüssle,

Petra
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Post Mon, 24.Sep.07, 14:56      Re: Könnt Ihr mir als Angehöriger ein paar Sachen erklä Reply with quoteBack to top

Hallo! Also Theorie, woher die Stimmen kommen, hab ich keine (ausser die, die ich selbst habe, also was ich eben weiss von diesen Stimmen, ich sehe ja auch ihre Umgebung zB) - ich hab mich nie vor ihnen gefürchtet, sie sind nur unangenehm, aber meist wieder ruhig, wenn sie merken, dass ich sie höre. Sie beschimpfen mich nicht, kommentieren meine Taten und Gedanken aber abwertend.
Man hat das Problem, nicht zu wissen, warum sind sie da, warum lassen sie mich nicht in Ruhe. Und vestärkt wird das alles dadurch, dass sie eben nicht meine (Gedanken-)Stimme haben, sondern andere Stimmen - die ich noch nie in meinem Leben gehört hab - zumindest nicht bewusst.

Medikamente nehme ich nun schon seit mehreren Monaten und sobald ich sie absetze, sind SIE 2 Tage später wieder da.. aber bei mir zieht sich das schon seit Jahren so dahin und ich komm - obwohl manchmal wieder alles den Bach runter geht - gut damit klar und ich denke eben auch, dass ich noch Glück gehabt hab. Es gibt eben gute Tage und schlechte.

Es ist aber nunmal schwer, zu akzeptieren, was ein anderer sagt, wenn man selbst was völlig anderes erlebt (!). Das wollte ich eigentlich damit sagen.

Das, was mir am meisten hilft, ist wenn mir zB mein Freund einfach zuhört - ohne zu werten & ohne zu sagen, dass er zB dieses oder jenes nicht versteht, dass es unlogisch ist etc - sodass man wieder etwas Vertrauen bekommt.

Lg! (übrigens auch petra zwinkernd.. )

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