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blues
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Post Thu, 04.Sep.03, 7:24      Jede Depression hat ihren Sinn Reply with quoteBack to top

Hallo liebe Forumsteilnehmer,

möchte mcih kurz vorstellen: mein Name ist Blues und ich habe seit ca. 15 (+/- 5) Jahren Despressionen.

Erste Anzeichen dafür hatte ich bereits als Kind als ich ca. 9-10 Jahre alt war - leider wurden meine Probleme (Schlafangst, Nahrungsverweigerung bis zu einem Krankenhausaufenthalt mit künstlicher Ernährung, generell Ängste und bereits sehr stark ausgeprägten Schuldgefühlen) von meinen Eltern nie ernst genommen genauso wie ich eigentlich nie ernst genommen wurde.
Aufgrund zahlreicher Umzüge ins Ausland kamen dann noch ganz starke Verlustängste hinzu.
Meine Eltern hatten seit jeher versucht, mich zu formen, mich zu manipulieren, mich komplett gegen meine Persönlichkeit zu erziehen, ja fast meinen eigenen Willen zu brechen (durch eingeredete Angst) und ich habe gekämpft anfänglich, obwohl man mir dauern einredete dass ich es eh nie zu irgendetwas schaffen werde, ich war der geborene Verlierer.
Nie hat man mir etwas zugetraut udn wenn ich den Versuch unternommen hatte etwas eigenständig zu lernen um mich dann über meinen Erfolg zu freuen, hat man mir das wieder mies gemacht.
Irgendwann hatte sich die erlernte Hilflosigkeit derart in mein Gehirn eingebrannt, dass ich zu resignieren begann und meinen Kampf aufgab, denn ich glaubt nicht an mich. Meine Eltern hatten mir immer eigeredet wie nutzlos, belastend, dumm und schlecht ich bin. Irgendwann habe ich es zwar mit Skepsis aber trotzdem geglaubt. Was bleibt einem auch übrig als Kind.
Ich mache meiner Mutter noch heute den Vorwurf mich psychisch über Jahre hinweg mißbraucht zu haben - erst als ich ca. 30 Jahre alt war und bereits selbst Mutter (jetzt bin ich 34) begann ich so richtig zu begreifen weshalb ich mit Depressionen zu kämpfen habe.
Im März 2000 hat es mich dann komplett danieder gestreckt - mein Körper und meine Seele konnten nicht mehr - die Energie und Kraft war weg, dafür fing ich nun an Stimmen zu hören, innerhalb von 3 Wochen 12 Kilo abzunehmen, hatte Konzentrationsschwierigkeiten, Schweißausbrüche, andauernd das Gefühl keinen Boden mehr unter den Füßen zu haben, ich war aggressiv und dann wieder todtraurig, ich begann mich immer mehr von meiner Umwelt zu isolieren, habe mich schliesslich geschämt für meinen Zustand und sah mich in der erlernten Rolle des Versagers total bestätigt. Ich konnte nicht mehr schlafen und war mit den Nerven am Ende - irgendwann konnte ich auch nicht mehr Laufen und musste mein Studium abbrechen. Dann kam sie die Todessehnsucht. Der Tod erschien mir als Trost, als Gewissheit, dass mein Leiden nicht endlos sein muss - ich wusste nicht wie und wann, aber ich wusste, dass ich mir die Option offenhalten werde, meinem tristen Dasein ein Ende zu bereiten, sollte ich es nicht mehr aushalten können.
Eines Morgens hörte ich meine Tochter singen - sie war damals 8 Jahre alt. Plötzlich war mir klar, dass würde ich meinem Leben ein Ende setzen, dieses Singen meiner Tochter aufhören würde und ich ihr unermeßliches Leid zufügen würde. Seit dem schiebe ich die Todesgedanken wenn sie aufkommen (und es wird immer seltener) ganz weit von mir und habe mir geschworen, solange meine Tochter noch nicht ihr eigenes Leben führt, ich weiter leben werde.
Ich schreibe später weiter, habe jetzt einen Termin beim Therapeuten.
Herzliche Grüße,
Blues
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Magdalena
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Post Thu, 04.Sep.03, 8:19      Reply with quoteBack to top

Hallo Blues,

ich kann dich nur zu gut verstehen. Ich leide auch an Depressionen. Ich kann nicht genau sagen seit wann, aber ich bin auch schon 35 damit geworden. Ich nehme Medikamente (auch Johanneskraut) und gehe in eine Selbsthilfegruppe, aber trotzdem habe ich immer wieder Todesgedanken, weil mir einfach alles zu viel wird. Das ist auch der Grund, warum ich so Angst davor habe, ein Kind zu bekommen. Ich habe Angst, dass ich das alles nicht schaffe.

Jetzt gehe ich ganztags arbeiten und das ist mir bereits teilweise zu viel - das tägliche frühe aufstehen - ich fühle mich oft wie in einer Tretmühle- wie ein Hamster der in seinem Käfig läuft - und das für nichts und wieder nichts.

Ja, bei mir war es auch so, dass mir meine Mutter nichts zugetraut hat und noch dazu bin ich erblich von meinem depressiven Vater vorbelastet.

Ich habe heute beschlossen, dass ich etwas in meinem Leben ändern muss, damit es mir wieder besser geht, aber ich weiss noch nicht genau was und wie.

Ich habe mir oft gedacht, ich muss weiterleben, weil meine Mutter total gebrochen wäre, wenn ich nicht mehr da wäre. Ich denke, dass für dich dein Kind diese Stütze ist. Und so sollten wir weiterleben für die, die uns brauchen.

Alles Liebe


Magdalena

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Schenken wir den wichtigen Dingen Aufmerksamkeit. Schenken wir sie den Menschen.
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Post Thu, 04.Sep.03, 9:57      Sinn der Depression 2.Teil Reply with quoteBack to top

Hallo Ihr Lieben,

schreibe nun weiter:habe also beschlossen zu leben und schiebe jegliche Gedanken an Selbstmord weit, weit weg...
versuche lieber an meiner verkorksten Psyche zu arbeiten, lese wie eine Verrückte Literatur zu diesem Thema, auch Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Neurologie oder Bioneurologie sind hierbei hilfreich. Wissen was mit einem los ist ist schon mal der erste Schritt zur Genesung.
Gerade auch der Blick auf die Hirnfunktionen und die Chemie im Hirn hat etwas sehr tröstliches für mich, denn so kann ich sehen, dass vieles im Zusammenhang mit der Depression auch neurologisch bedingt ist und dies nimmt mir ein wenig das Gefühl an meinem Leiden ganz und gar selbst schuld zu sein...wie eben Depressive so denken.
Habe hier einen sehr schönen Buchtipp: Stefan Klein, Die Glücksformel, oder woher die guten Gefühle kommen...denn gute Gefühle kann man lernen. Denn Leute wie wir MÜSSEN es erstmal lernen die guten Gefühle auch zu fühlen - denn leider konzentrieren wir uns durch jahrelange Konditionierung imer wieder zu sehr auf die dunklen und negativen Gefühle, weil wir es so gewohnt sind. Und genau hier liegt die Krux.

Viele herzliche Grüße,
Blues
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Post Thu, 04.Sep.03, 9:58      Sinn der Depression 3.Teil Reply with quoteBack to top

Ich bin von meinen Eltern so erzogen worden, dass prinzipiell erst mal alles eine Bedrohung ist, die Welt ist böse und der liebe Gott hält seine behütende Hand über alles und wird diejeniigen bestrafen, die nicht so handeln wie er es für richtig hält - also auch mich. Das hat mir schreckliche Angst gemacht als Kind...auch war das oberste Prinzip meiner Mutter, immer schön den anderen alles Recht machen. Nie eigene Position beziehen, immer schön unterordnen. Sie hat das sehr erfolgreich gemacht, dafür aber dann ihre ganze Härte für mich aufgehoben und ihren Frust an mir ausgelassen. Wenn ich nicht da tat was sie wollte, hat sie mich mit Liebesentzug bestraft und teilweise zwei Wochen lang mir keinerlei Beachtung geschenkt oder mir bewusst das Leben schwer gemacht, mich vor anderen bloß gestellt und sich selbst dadurch aufgewertet. immer wieder musste ich für sie da sein, sie in Beziehungsprobleme beraten (mit 12!!!), ihr beistehen als mein Vater sich trenenn wollte - das ging so lange bis ich 14 war und das erste Mal am Kippen war und einfach nicht mehr konnte, denn immerhin hatte ich ja auch noch Schule zu bewältigen. Habe mich auch damals schon total abgeschottet und endlos viel Zeit mit meinem Hund und dem Grübeln verbracht. Habe gemerkt, dass irgendetwas nicht stimmt, konnte mir aber nicht erklären was.
Meine Eltern haben nichts gemerkt.Irgendwie habe ich die Pubertät überstanden, hatte auch einen sehr liebevollen Freund mit dem ich dann nach dem Abitur nach Berlin gezogen bin zum Studieren. Ich fühlte mcih zum ersten Mal in meinem Leben einigermassen frei und genoß das Studentenleben - ich war glücklich Very Happy
Leider gin die Beziehung dann in die Brüche und ich wurde von meinem Psychologiedozenten vergewaltigt was mich mit meinen 20 Jahren damals komplett aus den Bahn geworfen hat. Habe mich wieder schuldig gefühlt, verletzt, schmutzig, hilflos...da war sie wieder die erlernte Hilflosigkeit, ich konnte den Mann noch nicht mal anzeigen und bin dann bei einer Nacht und Nebel Aktion aus Berlin zu meinen Eltern geflüchtet. Doch nie konnte ich es meinen Eltern recht machen, alles, alles was ich tat war schlecht. Irgendwann habe ich angefangen mich als schlechten Menschen zu sehen.
Mit 23 bin ich dann schwanger geworden und meine Eltern sind ausgeflippt.
Sie wollten, dass ich das Kind abtreibe. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich mich dem Willen meiner Eltern NICHT gebeugt und habe meine Tochter bekommen. Ihr Vater und ich hatten nie einen Zweifel, dass wir sie wollen und dass sie uns herzlich willkommen ist.
Nach zwei Jahren war ich dann aber alleinerziehend,auch diese Beziehung scheiterte. Meine Kleine ging dann in die Kinderkrippe und ich nahm nach der Babypause wieder mein Studium auf.
Die nächsten 3 Jahre ging es mir sehr gut Laughing


Last edited by blues on Thu, 04.Sep.03, 10:05; edited 1 time in total
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blues
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Post Thu, 04.Sep.03, 9:59      Sinn der Depression 4.Teil Reply with quoteBack to top

Auch ging ich eine neue Beziehung ein, wir zogen zusammen und waren eine kleine glückliche Familie. Nach drei Jahren war auch diese Beziehung am Ende, mein damaliger Partner war an Depressionen erkrankt. Nächtliche Panikattacken, Selbstmordversuch meines Partners und immer wieder meine Hilflosigkeit und irgendwie bin ich wieder in den Strudel rein geraten in dem ich noch stecke.
Zwischendrin hatte ich immer wieder extreme Existenzängste, hatte zu
wenig Geld für meine Tochter (ihr Vater zahlt keienn Unterhalt) und mich, musste noch mehr arbeiten, vernachlässigte deshalb mein Studium, hatte keine Zeit mehr für mich und war andauernd im Streß. Und irgendwann war sie wieder da und in mir die Depression und das blanke Entsetzen hatte mich wieder gepackt und so langsam ging ich stramm auf die 30 zu.
Da merkte ich, dass es so nicht weiter gehen kann, dass ich an mir arbeiten muss um glücklich sein zu können, und ich hatte solche Lust glücklich zu sein. Als es so schlimm war, dass mein Körper nicht mehr konnte udn ich so ausgemergelt war griff ich zu einem Sertralinhydrochlorid, Zoloft. Danach ging es wieder bergauf Surprised Langsam begann mein Körper sich zu regenerieren, die Freude am Leben kehrte zurück und ich genoss die nächsten jahre in vollen Zügen. Bin mit meiner Kleinen aufs Land gezogen, hatte einen tollen und gut bezahlten Job und alles war gut. Studium hatte ich ganz abgebrochen.
Dann kam eine neue Beziehung und langsam aber sicher verschlechterte sich mein Zustand wieder, bis sie wieder da war, die Depression.
Als mir mein Partner eine Affäre gestand versank ich wieder total im schwarzen Loch und habe getrauert und mich schuldig gefühlt, dass er mich betrogen hat. Mein Therapeut und ich arbeiten wie verrückt daran, dass dieser depressive Schub nicht die Auswirkungen ahben wird wie sonst und dass es so schneller wieder vorbei ist und ich muss sagen, das gelingt uns ganz gut. Ich bin unendlich froh an so einen fähigen Verhaltenstherapeuten geraten zu sein, das ist ein großes Glück!
Leute, ich kann nur sagen, arbeitet, arbeitet an Euch selbst, es lohnt sich auch wenn immer wieder diese tiefschwarzen Momente da sind.
mein Therapeut sagt immer: schlechte Laune ist nur ein Denkfehler.
Ich habe nun beschlossen mich darauf u konzentrieren was ich kann udn was ich gut mache . 33 lange Jahre habe ich nur darüber nach gedacht was ich NICHT kann und damit ist nun Schluß.
Eine Depression ist nicht das Ende, sie ist vielmehr ein neuer Anfang!
Viele Grüße,
Blues
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esthi
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Post Fri, 18.Jun.04, 14:47      Re: Jede Depression hat ihren Sinn Reply with quoteBack to top

hallo!
ich finds super, dass du soviel Mut hier verbreitest. da ich nicht besonders überzeugt davon bin dass es mir jemals besser gehen kann, bin ich immer etwas erleichtert, wenn ich von Menschen wie dir höre.
vielen dank, esthi
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krypton2
Helferlein
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Post Fri, 17.Dec.04, 21:24      Re: Jede Depression hat ihren Sinn Reply with quoteBack to top

Danke für deinen Erlebnissbericht Blues.
Das Leben/Lebensgefühl eines Menschen kann sich innerhalb von Tagen komplett ändern.
Daher passt der Spruch den ich mal gelesen hab:
Selbstmord ist eine dauerhafte Lösung für ein temporäres Problem.

@Magdalena:
Bei deinem Text musste ich überlegen ob ich ihn nicht selbst geschieben habe.
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Suset
neu an Bord!
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Post Thu, 10.Nov.05, 17:22      Re: Jede Depression hat ihren Sinn Reply with quoteBack to top

Smile Liebe Blues

Ich schreibe gerade an einer Service-Serie über Ängste, gemeinsam mit Wissenschaftlern und Ärzten. Da Du so ausführlich und interessant berichtet hast, wollte ich Dich fragen, ob Du mit mir in Kontakt treten willst, um uns mit Deiner Erfahrung zu unterstützen.
Ich würde mich sehr freuen.
Suset
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