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Samariter
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Post Sat, 13.Dec.03, 13:48      Psychotherapie oder Gehirnwäsche? Reply with quoteBack to top

Hallo,

ich bin neu hier und habe eine Frage an alle, die schon eine oder mehrere Therapien hinter sich haben. Es geht um eine meiner Freundinnen.

Liane (Name geändert) ist mehrfaches Scheidungskind, wurde während ihrer Pubertät sexuell mißbraucht und seit ihrer Kindheit von ihrer Mutter als Seelenmüllhalde benutzt, aber materiell sehr verwöhnt. Als ich sie vor vielen Jahren kennenlernte, war ihr das alles sehr bewußt, und um ihrer Familie zu entkommen, zog sie in eine andere Stadt. Als sich abzeichnete, daß ihre Eltern ihr hinterherziehen würden, wehrte sie sich nicht dagegen, sondern brach den Kontakt zu mir ab und begann mir alles vorzuwerfen, was sie früher ihrer Mutter vorgeworfen und bei sich selbst gesehen hatte.

Seit 1 1/2 Jahren macht sie ihre erste Psychotherapie (soweit ich weiß, bei bei einer Diplompsychologin); doch eine Besserung scheint nicht eingetreten zu sein. Mich attackiert sie nach einem Abbruch unseres münlichen Kontakts brieflich so heftig wie nie zuvor; sich selbst stellt sie in einer Sprache, die völlig aufgesetzt wirkt, als "glücklich" und "positiv" dar, wohingegen sie mir unterstellt, ich sähe alles nur negativ, könne nicht "loslassen" und nicht "wütend" sein. Für sie fühle sich "das Leben leichter an". Vor zwei Wochen hat sie mir nach einer unverhofften schriftlichen Entschuldigung und dreimonatiger Pause wieder heftige Vorwürfe gemacht - und mir im selben Brief geschrieben, ihre Eltern seien ihr inzwischen hinterhergezogen. Schon der Gedanke daran erschien ihr früher als Alptraum; jetzt stellt sie alles so dar, als sei es kein Problem mehr für sie. Nur will sie plötzlich die Stadt wechseln, weil sie "Lust" dazu habe. Freunde könne sie auch anderswo finden. Von Abschiedsschmerz oder Bedauern, alles angeblich so Schöne hinter sich lassen zu müssen, keine Spur. Und wieder stellt sie sich als positiv denkend dar und schreibt, wie leicht sich alles für sie anfühle. Mich aber betrachtet sie als ein "unendliches schwarzes Loch", das jeden "Frohmut" verschlucke.

Dies und vieles mehr macht mir große Sorgen; denn ich habe den Eindruck, daß Liane sich selbst und andere seit Beginn ihrer Therapie mehr über sich hinwegtäuscht und gespaltener ist als je zuvor, wozu auch ihr offensichtlicher beruflicher Erfolg beiträgt. Deshalb meine Fragen an alle Therapieerfahrenen:

1. Ist es normal, daß jemand über 1 1/2 Jahre Psychotherapie beinahe ohne Unterbrechung dazu neigt, alles Depressive und als negativ Bewertete nur in anderen zu sehen, vor allem in ehemals guten Freunden?

2. Was denkt ihr über den Erfolg einer Therapie, die dazu führt, daß eine Klientin, die früher recht differenziert über sich sprechen konnte, seit Beginn dieser Therapie nur noch Modewörter wie "leicht", "glücklich", "positiv" und "loslassen" benutzt, nicht auf Briefe eingeht und jedes Gespräch vermeidet?

3. Wie könnte ich Liane, die gern einmal wieder mit mir reden würde und mich zugleich als eine darstellt, die "runterziehend" sei, schonend auf ihre Widersprüche hinweisen?

Diese Frage ist mir besonders wichtig, denn ich spüre, daß Liane zusammenbrechen könnte, sähe sie plötzlich, daß sie im Rahmen ihrer Therapie alles andere als ein neuer Mensch geworden ist. Andererseits aber glaube ich, daß es falsch wäre, sie in ihrem aufgesetzten Selbstbild zu bestärken; denn ihre Problematik besteht ja gerade darin, daß sie stets die perfekte Tochter spielen mußte und es nun (anders als zu Beginn unserer Freundschaft) auch mir gegenüber tut.

Ich hoffe auf Tips von allen, denen es vielleicht einmal ähnlich gegangen ist wie Liane oder die mit einer nahestehenden Person ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie ich mit ihr.

Danke!

S.

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Annemarie
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Post Sat, 13.Dec.03, 21:38      Re: Psychotherapie oder Gehirnwäsche? Reply with quoteBack to top

Liebe Samariter,

eine Therapie bewirkt natürlich Veränderung ... und zwar insoweit, daß man dem eigenen "Ich" immer näher kommt. Unter "Gehirnwäsche" verstehe ich das komplette Gegenteil.

Ich kann mir aber gut vorstellen, daß es für Dich und auch für die anderen Deiner Freundin nahestehenden Menschen schwierig ist, mit ihrer Veränderung "mitzuhalten". Durch die Therapie ist sie nicht mehr so, wie sie früher war. Das wiederum soll aber auch so sein. Wenn sich in ihrem Verhalten, Sichtweisen nichts verändert hätte, wären auch ihre Probleme nicht weniger geworden.

So schwierig es auch sein mag, wenn Dir was an Eurer Freundschaft liegt ... und das tut es ja dem Anschein nach ... akzeptiere es und vielleicht kannst Du Dich sogar ein wenig darüber freuen, daß sie ihr Leben inzwischen selbst in die Hand nehmen kann.

Mein Mann hatte auch große Schwierigkeiten damit, sich an seine "neue" Frau zu gewöhnen. Ich hatte auch zu viel mit mir selbst zu tun, als ihm meine Veränderungen sensibel näherzubringen. Es war eher die "Friß oder stirb" - Methode, die er zu verkraften hatte.

Heute, mit gewisser Distanz zurückblickend, bewundere ich auch seine Stärke, diese Zeit mit mir durchgehalten zu haben. Besonders in den letzten Monaten hat er sogar sehr viel Geduld aufgebracht. Erkennen, wie gesagt, kann ich es aber erst heute.

Damit möchte ich Dir gerne sagen, mache bitte die Probleme Deiner Freundin nicht zu Deinen. Akzeptiere Ihre Vorgangsweise, sie muß damit dann auch leben. Eine der wichtigsten Kriterien einer Freundschaft ist die gegenseitige Akzeptanz.

Dir alles Gute und liebe Grüße,
Annemarie

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Post Sat, 13.Dec.03, 22:19      Re: Psychotherapie oder Gehirnwäsche? Reply with quoteBack to top

Hallo, Samariter

es ist mir nicht ähnlich gegangen wie Deiner Freundin und ähnliche Erfahrungen mit einer nahestehenden Person habe ich auch nicht, doch möchte ich Dir gern etwas zu Deinem Beitrag schreiben.

Anhand Deiner Schilderungen stellt sich mir die Frage, inwieweit Deine Freundin trotz der Problematik - von der Mutter als „Seelenmüllhalle“ benutzt zu sein oder noch zu werden und als Jugendliche einen sexuellen Missbrauch erduldet zu haben (nehme ich richtig an, dass es nicht der jetzige Ehemann ihrer Mutter ist ?) - ihre Eltern braucht, an sie gebunden ist.
Also eine Ambivalenz - einerseits zu wissen, dass die Beziehung sehr problematisch, sogar „alptraumhaft“ ist und anderseits sich doch nicht trennen zu können.

Über die Therapiemethode, die therapeutische Beziehung, das Therapiekonzept und die Therapieziele gibt es anscheinend keine genauen Informationen ?
Zu Deinen Schilderungen des Verhaltens Deiner Freundin fällt mir ein, dass diese Betonung des Positiven u.U. für Deine Freundin einen Schutzfaktor darstellen könnte, den sie für sich benötigt und den sie in ihrer Kindheit anscheinend vermissen musste.
Vielleicht soll dieses in der Therapie erst einmal aufgebaut werden, bevor sie sich mit ihren schmerzlichen Sachen auseinandersetzen kann ?

Das Verhalten Deiner Freundin - anderen, insbesondere ehemals guten Freunden - in zum Teil heftiger Weise Depression, negativ Bewertetes etc. zuzuordnen, nur sich selbst nicht, lässt schon an Projektionen denken, d.h. die eigenen Anteile werden verleugnet, in ein Gegenüber transportiert und dort kritisiert ...
Also das würde mir als Freundin schon sehr weh tun.
Vor allem, weil sie gar mehr recht „erreichbar“ scheint und vertraute Gespräche wie früher nicht mehr möglich sind.
Es wäre denkbar, dass sie Dich so heftig kritisiert, weil Du ihre Geschichte so gut kennst, mit der sie, so wie es aussieht, im Moment gar nichts zu tun haben möchte und gegen die sie anscheinend ankämpft.

Zu Deinen Fragen:

1. Ob dieses Verhalten nach 1 ½ Jahren Therapie „normal“ sind, weiß ich auch nicht - ohne Infos, wie diese Therapie geplant ist und sich gestaltet.
Von meinen eigenen Therapien (tiefenpsychologisch fundiert) kenne ich dieses nicht - im Gegenteil - so wie ich es erlebte und auch wünschte, ging es um das Erkennen der eigenen inneren Schmerzen und der eigenen Anteile in Hinblick auf zwischenmenschliche Beziehungen. Von einer Freundin hörte ich allerdings, als wir uns regelmäßig und intensiv austauschten, dass sie von ihrer Therapeuten (ebenfalls tiefenpsychologisch fundiert) sehr oft bestätigt wurde - da gab einfach viel „Honeymoon“ mit der Therapeutin - und das Arbeiten an den eigenen Anteilen stellte keinen Schwerpunkt dar. Ich habe sie dann auch nicht gerade als besonders selbstkritisch erlebt. Doch jede Therapie verläuft ja auch anders.

2. Dazu müsste man wissen, wie Deine Freundin sich tatsächlich fühlt - d.h. sind ihre „positiven“ Gefühle authentisch, überlagern praktisch zunächst einmal die problematischen Gefühle ?
Vielleicht mag sie nicht mehr auf Gespräche - wie sie früher geführt wurden, eingehen, weil ihr ein positives Lebensgefühl so wichtig ist ?

3. Hm, muss Deine Freundin auf Widersprüche hingewiesen werden ?
Dazu gehört ja auch ihre Bereitschaft, zuzuhören, Deine Feedbacks anzunehmen. Das scheint nicht der Fall zu sein - Du schreibst, dass Du spürst, sie könnte zusammenbrechen, wenn sie erkennen würde, dass sie im Rahmen der Therapie „alles andere als ein neuer Mensch geworden ist.“
Vielleicht braucht sie einfach mehr Zeit ? Ein "Umbasteln" in der Therapie kann lange dauern.
Und ich denke, sie soll ihren Weg gehen - so wie es für sie o.K. ist.

Nun sind es keine konkreten Antworten auf Deine Fragen, sondern zum Teil sogar noch mehr Fragen - doch vielleicht helfen sie beim Nachdenken.

Als hilfreich könnte ich mir vorstellen, Deiner Freundin zunächst einfach zuzuhören, z.B. wenn sie von ihrer Therapie erzählen mag und kritische Äußerungen zu lassen - sie so anzunehmen, wie sie ist.
Oder zusammen etwas zu unternehmen, ohne problematische Aspekte zu thematisieren.
Also erst einmal eine neue Basis miteinander schaffen.
Wenn sie allerdings selbst mit heftigen Kritiken Dir gegenüber beginnt, würde ich ihr schon sagen, dass Du sie so lässt, wie sie ist und sie es Dir gegenüber bitte auch so halten möge.

Abschließend wünsche ich Dir eine gute Entwicklung Eurer Freundschaft.

Mit freundlichen Grüßen,
Ele
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Post Sun, 14.Dec.03, 0:44      Re: Psychotherapie oder Gehirnwäsche? Reply with quoteBack to top

Liebe Ele, liebe Annemarie,

vielen Dank für eure Antworten.

Annemarie, du schreibst:

Quote:
Eine der wichtigsten Kriterien einer Freundschaft ist die gegenseitige Akzeptanz.


Das meine ich auch, und genau das ist es, was ich seit Beginn ihrer Therapie an Liane vermisse. Sie kann mich nicht akzeptieren, weil sie in mir einen Menschen sieht, der ich nicht bin - eben den Menschen, der sie selbst war und nicht mehr sein will. Schon ein Satz wie deiner versetzt sie in eine Anti-Haltung. Sie sei, schrieb sie einmal, nicht bereit, mit mir über Freundschaft zu diskutieren. Worum aber ging es? Um gegenseitige Achtung, Ehrlichkeit, Konstanz, Verläßlichkeit, Zuhörenkönnen; all das also, was sie selbst von anderen erwartet, ihnen aber nur zu geben bereit ist, wenn sie "Lust" darauf hat.

Dies ist das Problem, und du, Ele, hast den Begriff Projektionen genannt. Ja, es handelt sich um Projektionen; und ich habe den Verdacht, daß es zwischen Liane und ihrer Therapeutin so abläuft wie in der von dir erwähnten Therapie: es herrscht "Honeymoon", und das offenbar seit 1 1/2 Jahren. Doch welchen Wert haben solche Therapien? Natürlich könnte auch ich sagen:

Quote:
Und ich denke, sie soll ihren Weg gehen - so wie es für sie o.K. ist.


- aber ist ein Weg, der einen Menschen monate- oder jahrelang alle sozialen Übereinkünfte (Einhalten von Absprachen, Versprechen etc.) ignorieren läßt, der richtige, nur weil er für den jeweiligen Menschen o.k. zu sein scheint? Für Pädophile ist es bekanntlich auch völlig o.k., Kinder zu mißbrauchen; denn angeblich wollen sie ja den Sex mit Erwachsenen. Und Mißbrauchte (in diesem Fall war es einmal nicht der Vater oder Stiefvater) neigen leider dazu, diesen Mißbrauch fortzusetzen. Daraus, daß andere mit ihnen befreundet sind, leiten sie unbewußt das Recht ab, sie nach Belieben benutzen und beiseite schieben zu können, so wie sie einmal benutzt und beiseite geschoben worden sind. Manch eine Therapeutin scheint sie nichtsahnend darin zu bestärken, daß es "o.k." ist, was sie anderen antun.

In diesem Fall scheint es so zu sein; und deshalb bin ich mir sicher, daß Liane nicht mit mir über ihre Therapie reden wird: eben weil sie mich gut kennt und spürt, daß ich weiß, was alles im argen liegt. Bei einer früheren Schulfreundin war es ähnlich. Sie hing acht Jahre lang an ihrer Analytikerin, die Analytikerin an ihr, und alles endete damit, daß die Freundin sich von mir und allen anderen 'wissenden' Freunden distanzierte, sich nur noch mit Bewunderern umgab und sich auf dem Höhepunkt ihrer beruflichen Karriere umbrachte, nach einer rauschenden Geburtstagsfeier. Liane (die der Schulfreundin von ihrem Wesen her sehr ähnlich ist) kennt die Geschichte. Was also kann ich tun, damit sie sich nicht wiederholt? Vielleicht weiß ja jemand anders, wie man an jemanden herankommt, der nichts anderes will als Selbstbestätigung, auch in seinen schlimmsten Eskapaden, und der allen Anzeichen zufolge eine Therapie macht, die ihm mehr schadet als hilft, bzw. seiner Therapeutin etwas vormacht, um nicht wirklich an sich arbeiten zu müssen.

Euch beiden aber noch einmal vielen Dank, auch für die guten Wünsche, und liebe Grüße zurück.

S.

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Post Sun, 14.Dec.03, 15:10      Re: Psychotherapie oder Gehirnwäsche? Reply with quoteBack to top

Hi Samariter,

vielleicht musst Du ihr einfach noch mehr Zeit geben.

Es dauert bekanntlicherweise am längsten, sich selbst zu verstehen, zu begreifen - und naja, erst mal wahr zu nehmen.

Vielleicht ist sie durch die Thera auf das Thema Projektion gekommen - und "forscht" jetzt eben in ihrer Umwelt nach Projektionen. Dabei übersieht sie, was bei ihr tatsächlich los ist - aber wie gesagt - es braucht die längste Zeit sich selbst zu erkennen.

Den "Höhenflug" den sie jetzt hat, wird durch und in der Thera eigentlich wieder aufgefangen....

Und Dir kann ich eigentlich nur raten, authentisch mit ihr umzugehen - wenn Dir ihr Verhalten nicht recht ist, teil ihr das mit.


Lieben Gruß,

tanzendes_Irrlicht

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Post Sun, 14.Dec.03, 21:00      Re: Psychotherapie oder Gehirnwäsche? Reply with quoteBack to top

Hallo Samariter,

Deine Sorgen um Deine Freundin kann verstehen - insbesondere nach der Geschichte, die Du mit Deiner anderen Freundin erleben musstest.

Wie schon gesagt, gibt es wenig Einblicke in die Therapie, die Deine Freundin Liane absolviert, und ihr Verhalten muss m.E. nicht unbedingt auf eine schädliche Therapie hinweisen.

Sicher ist es schwer, zu erleben, wie sich Deine Freundin verändert hat und dass sie für "nomale" soziale Kontkakte keinen Sinn mehr hat, sondern anscheinend nur noch an sich selbst denkt bzw. anderen antut, was ihr selbst angetan wurde und ich verstehe - wie unerträglich und besorgniserregend Lianes Verhalten für Dich sein muss.
Soweit kein Kanal offen ist - zu hören, was Du ihr vermitteln möchtest, wird sie Deine Feedbacks nicht hören wollen und auf vermittelte Feedbacks u.U. noch heftiger oder mit Kontaktabbruch reagieren.
Und es würde ihr sehr weh tun und unter Umständen in ihre Wunden treffen - Du schreibst - sie könnte zusammenbrechen.

Ich denke, man kommt nur an Liane heran, wenn man sie im Moment so lässt, wie sie ist und sie nicht mit dem konfrontiert, was bei ihr "im Argen liegt" - außer wenn sie selbst anfängt, Dich zu kritisieren (s. vorherigen Beitrag).
Dass etwas "im Argen liegt", spürt sie sicher insgeheim selbst.
Doch wie tanzendes-irrlicht schreibt: "es braucht die längste Zeit sich selbst zu erkennen."
Und - sich zu verändern.
Ob und inwieweit das Bearbeiten in der Therapie geschieht oder ob dort nur Honeymonn angesagt ist, wissen wir ja nicht.
Es wäre auch möglich, dass sie ihre Probleme mit ihrer Therapeutin bearbeitet und Gespräche darüber nach außen abwehrt.

Mir kommen die Worte von Annemarie in den Sinn - wie geduldig ihr Ehemann mit ihren Veränderungen während der Therapie umging, welches sie zunächst aufgrund der Beschäftigung mit sich selbst nicht erkennen konnte - erst im Nachherein.

Vielleicht ist hier einfach Geduld wichtig ?

Mit liebem Gruß, Ele
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Samariter
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Post Wed, 17.Dec.03, 16:05      Re: Psychotherapie oder Gehirnwäsche? Reply with quoteBack to top

Liebes tanzendes_irrlicht, liebe Ele,

wieder einmal vielen Dank für eure Antworten - und ein kleines Outing. Ich bin nämlich (nicht nur ein meinen Augen) ein sehr geduldiger Mensch, der jahrelang warten kann. Gerade deshalb aber frage ich mich (und nun euch), ob Menschen wie ich (und auch viele Therapeuten) sich nicht oft zu viel Geduld abverlangen. Der Grund:

Ich beobachte immer wieder, daß es Menschen gibt, die ihre Mitmenschen hinhalten, wo sie nur können. Sie versprechen vieles, halten aber wenig oder gar nichts. Solche Menschen gab es schon immer; doch noch vor 30 Jahren galten recht strenge Regeln, nach denen sich die meisten gerichtet haben. Das soziale Miteinander war (ich rede jetzt nicht von den USA ...) leichter als heute.

Seit den 80er Jahren jedoch bemerke ich die zunehmende Tendenz, soziales Fehlverhalten immer mehr mit der jeweiligen Erziehung zu entschuldigen. Man könne nun einmal nicht anders; die Umwelt müsse sich gedulden. Das mag im Einzelfall zutreffen. Doch ich frage mich, ob es sich nicht viel öfter um eine willkommene Ausrede handelt - und ob es nicht gar zu viele Therapeuten gibt, die über der Empathie für ihre Klienten vergessen, was deren Mitmenschen erleiden und wie sehr Beziehungen daran kranken, daß (anders als noch vor 30 Jahren!) schon die einfachsten Benimmregeln nicht mehr eingehalten werden. Just diese empathischen Therapeuten aber werden erstens sehr gut bezahlt für ihre Geduld; und zweitens lassen sie sich jeden nicht eingehaltenen bzw. nicht rechtzeitig abgesagten Termin bezahlen. Zu Recht!

Weshalb also sollten Angehörige, Freunde und Kollegen von Menschen, die eine Therapie machen, eine Engelsgeduld zeigen, die nicht einmal Therapeuten aufbringen? Für sie ist es nicht gut; und letztlich, so denke ich, ist es auch für die Klienten nicht gut, sich alles erlauben, aber stets sicher sein zu können, daß es in ihrer Nähe Menschen gibt, deren Geduld unerschöpflich zu sein scheint. Weshalb sollte man ein inakzeptables Verhalten ändern, sofern es von den wichtigsten nahestehenden Personen geduldig hingenommen wird?

Ich denke, daß diese Art von Toleranz uns alle nicht gesünder gemacht hat, sondern noch sehr viel kränker, und wünsche mir bzw. allen, die in Therapie sind, professionelle Helfer, denen bewußt ist oder allmählich bewußt wird, welcher Schaden dadurch angerichtet wurde. Inzwischen hat sich bereits herumgesprochen, daß Kinder Grenzen brauchen. Und genau das gilt auch für psychisch labile Erwachsene. Oder seht ihr das anders?

fragt grüßend

S.

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Post Thu, 18.Dec.03, 22:33      Re: Psychotherapie oder Gehirnwäsche? Reply with quoteBack to top

Liebe Samariter,

Dein Beitrag regt zum Nachdenken an.
Also - ich glaube, ich kann verstehen, was Du meinst.
Es trifft wohl auch die Thematik der (nur deutschen ?) Ego-Mentalität - welche ab und zu in Zeitschriften (z.B.Psychologie Heute") einiges an Beachtung findet.

Meine Beobachtungen in Hinblick auf mein soziales Umfeld - und sei es eine Szene in der U-Bahn, aus der zwei Frauen mit einer Karre und zwei kleinen Kindern aussteigen, dann einfach stehen bleiben, so dass ein Aussteigen der Nachfolgenden nur möglich ist, wenn sie sich um Karre und Kinder herumschlängeln - lassen mich vermuten, dass eines nicht unbedingt Beachtung findet - die Standpunkte, die Wahrnehmung der Mit-Menschen.

Auch im beruflichen Umfeld erlebe ich diese Ego-Mentalität, z.B. wenn mir Gerichtsvollzieher (die Wohnungen zwangsgerämt haben) am Telefon erzählen, wie verwahrlost diese Wohnungen z.T. aussehen - die guten Möbel mitgenommen, den kaputten Kleiderschrank, den Müll, verschmutzte Kleidungsstücke, etc. einfach dem Vermieter hinterlassen, welcher die Kosten für die Entsorgung tragen muss. Es stimmt mich dann sehr traurig - dass Menschen so etwas fertigbringen, anderen ihren Mist zumuten.

Nun mehr Deinem eigentlichen Thema.
Ich denke - und so halte ich es auch in meinem Job (psychosozialer Bereich) - dass es auf jeden Fall wichtig ist, den Menschen / KlientInnen zu vermitteln, dass sie ihren Anteil leisten müssen - wie dieser auch im Einzelnen aussehen mag. Jeder verfügt über irgendwelche Kompetenzen.
Und in vielen Fällen habe ich beobachtet, dass die Menschen, soweit sie einiges "in die Hand genommen haben" wieder Mut fassten.
Ein ausschließlich forderndes Verhalten - ohne sich selbst um die eigenen Sachen zu kümmern bzw. ohne andere Menschen wahrzunehmen, sich auch mal um sie kümmern - tut m.E. nicht gut, nach meiner Erfahrung mit KlientInnen bzw. PatientInnen wirkt es sogar in Richtung "Verarmung".

Nach meinen Beobachtungen zeigt sich ein leiser Zusammenhang zwischen sozialem Verhalten (z.B. andere auch wahrzunehmen), einer Integrität z.B. in einen Freundeskreis und Äußerungen eines positiveren Lebensgefühls.
Beispiel: eine Patientin (jetzt 76), die ich früher während meiner Tätigkeit in einer Sozialstation gepflegt habe, hat schwere Artrose, ist von chronischen, z.T. heftigen Schmerzen geplagt, kann sich nur in einem Bürostuhl (rollend) in ihrer Wohnung bewegen. Und sie ist lebhaft zugewandt, sieht auch die Nöte ihrer Mitmenschen, spricht mit ihnen darüber, hilft ihnen, hat einen großen Freundeskreis. Ihre Freundinnen besuchen sie gern, helfen ihr gern und sie hat immer ein gutes Wort für sie, bedankt sich für Sonderjobs.
Sie nimmt - und sie gibt ! Es wirkt ausgewogen.
Obwohl sie vor einigen Jahren ganz plötzlich ihren Mann verloren hat, ist sie nach einiger Zeit wieder ein fröhlicher, aktiver, lebensbejahender Mensch geworden.
P.S. dazu: diese Frau ist in ihrer Kindheit von ihrer Stiefmutter mißhandelt worden, war verwahrlost und und musste oft hungern. Ihre Orientierungen und Kompetenzen hat sie sich als junge Frau z.T. schwer erarbeitet.
Dieses Beispiel ist ein Einzelschicksal und soll nicht vermitteln, dass jede/r Mißhandelte sich nur zusammenreißen muss und dann wird alles !

Zur Geduld: Geduld heißt für mich nicht, alles hinzunehmen, allem mit unerschöpflicher Geduld zu begegnen.
Wie ich geschrieben habe, würde ich heftige Kritiken seitens Deiner Freundin nicht einfach hinnnehmen, sondern mit ihr darüber reden.
Allerdings sehe ich einen Unterschied darin - jemanden seinen Weg gehen zu lassen, auch wenn man diesem kritisch gegenüber steht und glaubt, dass es der falsche Weg ist, und darin - ein ausschließlich forderndes, heftig kritisierendes Verhalten geduldig zu ertragen, ohne u.a. das eigene "Revier" aufzuzeigen.

Mit liebem Gruß,
Ele
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Post Mon, 29.Dec.03, 14:55      Re: Psychotherapie oder Gehirnwäsche? Reply with quoteBack to top

Liebe Ele,

hier nur mal eben ein später, aber großer Dank für deinen Beitrag wider die Egozentrik - und allen, die dies lesen, ein gutes und mitmenschliches neues Jahr.

S.

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Post Mon, 29.Dec.03, 18:15      Re: Psychotherapie oder Gehirnwäsche? Reply with quoteBack to top

@admin ...nun war mein Beitrag zu lang. Darf ich splitten ohne zu kürzen?

Hallo Samariter,

schön, dass Du den Thread noch einmal aufgegriffen hast!
Ich bin darüber hinweg gekommen (lach...stelz...ok ich habs vergessen Wink ) darauf zu schreiben. Aber genau das möcht ich, denn das von Dir und Ele angesprochene Thema finde ich ebenfalls sehr wichtig und es gibt vieles zu Lernen finde ich für uns alle, was Sozialverhalten, Sozialkompetenz, Tolleranz und aber auch Grenzen angeht!

Ich möchte noch ein wenig provokanter werden als Ele (nein, ihrs war ja gar nicht provokant Wink ) also... Ich meine, dass zwischen echter Grenze und einem Hinnehmen sehr stark unterschieden werden muss!

Wenn ich um mich sehe, glaube ich, dass sehr viele Menschen beides miteinander verwechseln. Sich wenig Gedanken über ihre Grenzen machen.
Grenzen muss jeder Mensch für sich finden - doch ich sehe nur wenige Menschen, die sie auch suchen.
In meinem letzten Posting in diesem Thread schrieb ich:

me wrote:
Und Dir kann ich eigentlich nur raten, authentisch mit ihr umzugehen - wenn Dir ihr Verhalten nicht recht ist, teil ihr das mit.


und

Samariter schrieb wrote:

Weshalb also sollten Angehörige, Freunde und Kollegen von Menschen, die eine Therapie machen, eine Engelsgeduld zeigen, die nicht einmal Therapeuten aufbringen? Für sie ist es nicht gut; und letztlich, so denke ich, ist es auch für die Klienten nicht gut, sich alles erlauben, aber stets sicher sein zu können, daß es in ihrer Nähe Menschen gibt, deren Geduld unerschöpflich zu sein scheint. Weshalb sollte man ein inakzeptables Verhalten ändern, sofern es von den wichtigsten nahestehenden Personen geduldig hingenommen wird?


hinnehmen.... ist passives Aushalten. Irgendwie mit der Situation klar kommen.
Mensch muss nichts ändern, denn er kann leiden.
Ich glaube manchmal, wir suchen uns alle unsere großen oder kleinen Probleme, Dinge, über die wir uns ärgern, sorgen, sonstwas können. Ich frage mich oft, warum jemand nicht aus einer Situation ausbricht, wenn sie denn nicht aushaltbar ist. Das ist sie dann nämlich doch wohl irgendwie.
Aber das ist in meinen Augen keine Form eines konstruktiven mitmenschlichen Umgangs.
Was bringt es, über die Nachbarin zu schimpfen, wenn mensch ihr doch einfach sagen kann, was einen stört?
Warum im Zug losmotzen und nicht einfach fragen, ob mensch sich dazu setzen darf?
Warum sich über den Partner aufregen, wenn mensch sich doch mit ihm auseinandersetzen kann?
Warum klagen so viele Menschen millionen Mal über ein und das selbe Problem ohne irgendwas daran zu ändern?
Ändern ist nicht leicht. Es dauert sehr lange manchmal und es kann auch sehr heftige Einschnitte bedeuten.

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Post Mon, 29.Dec.03, 18:17      Re: Psychotherapie oder Gehirnwäsche? Reply with quoteBack to top

.......

Samariter wrote:
Weshalb sollte man ein inakzeptables Verhalten ändern, sofern es von den wichtigsten nahestehenden Personen geduldig hingenommen wird?


Dieses Hinnehmen seitens der Zuhörenden/Helfenden Person muss seine Grenzen haben. Sonst ist es eine leere Hülle, ein passives Soap Opera schauen.
Ich bin nicht bereit, mir ewiges Kreisgedrehe anzuhören, habe nicht die Engelsgeduld, mir selbst produziertes Leid auf zu lange Sicht, anzusehen, anzuhören. Und ich spreche mir zu, so manchem, dem ich meine Meinung gesagt habe, hat dieses Grenzen setzen mehr geholfen, als wenn ich geduldig Situationen/Verhalten/Kreisdrehen ausgehalten hätte.
Und mir selbst geht es besser, wenn ich meine Grenzen setze.

Samariter wrote:
...bemerke ich die zunehmende Tendenz, soziales Fehlverhalten immer mehr mit der jeweiligen Erziehung zu entschuldigen. Man könne nun einmal nicht anders; die Umwelt müsse sich gedulden. Das mag im Einzelfall zutreffen. Doch ich frage mich, ob es sich nicht viel öfter um eine willkommene Ausrede handelt


Es ist eine Ausrede! Und doch ist genau das der Grund!!

Sozialisiert wird zu allererst in der Familie. Wer anders also als die Familie produziert soziales Fehlverhalten!?
Der Trugschluss ist, dies als unabänderliche Ausrede abzutun!
Erziehung passiert nicht einfach. Erziehung wird gemacht, ist etwas aktives. Viele antiautoritär erziehenden Familien sehen keinen Unterschied zum laisse faire. Aber darauf wollte ich jetzt gar nicht raus.
Ich halte nichts von dem Denken, wir Menschen seien durch unsere Erziehung determiniert.
Wir sind Menschen. Das heisst, wir sind in der Lage zu Lernen. Und wir haben ein Bewusstsein. Wir können viele Situationen in unserem Leben verändern, wenn wir einfach mal etwas anders machen würde als immer.

Anmerkung:
Ich möchte nicht das Unbewusste verleugnen (dass uns eben manchmal nicht anders handeln oder fühlen lässt) und auch spreche ich hier in diesem Thread nicht über Krankheiten wie schwere Depressionen, Borderline, Schizoprhenie oder ähnliches, sondern von dem ganz alltäglichen Wahnsinn der mich umgibt.

samariter wrote:
Inzwischen hat sich bereits herumgesprochen, daß Kinder Grenzen brauchen. Und genau das gilt auch für psychisch labile Erwachsene. Oder seht ihr das anders?


Nun, wie Du bemerkst, sehe ich das genau so Wink

Lieben Gruß,

Tanzendes_Irrlicht

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Post Sat, 03.Jan.04, 13:32      Re: Psychotherapie oder Gehirnwäsche? Reply with quoteBack to top

Liebes tanzendes_irrlicht,

dann sind wir also im großen und ganzen einer Meinung: Man darf sich nicht ständig beklagen, sondern muß auch bereit sein, Probleme dort anzusprechen, wo sie hingehören.

Von allen, die ich kenne, sind auch fast alle dieser Ansicht und vertreten sie anderen gegenüber vehement. Haben sie aber selbst ein Problem, bekommen sie die Zähne nicht auseinander. Und warum nicht? Sie behaupten, der jeweilige Mensch, den sie ansprechen müßten, könne die Wahrheit nicht ertragen. Und genau daran liegt es, daß so viele Menschen im Alltag nicht miteinander umgehen können. Um der (Pseudo-) Harmonie willen üben sie keinerlei Kritik an denen, von deren Bestätigung sie abhängig sind, weil sie glauben, man könne sie nicht mehr mögen oder gar lieben, wenn sie einen kritisieren. Tatsächlich aber sind sie es, die jede Kritik in der Sache als Angriff auf die eigene Person empfinden, dies anderen unterstellen, sich ergo zurückhalten und irgendwann explodieren.

Aus diesem Grunde auch habe ich meine Frage ins Forum gestellt. Denn ich weiß noch immer nicht, wie ich mit solchen Menschen umgehen kann: außer sie immer wieder zu bitten, Kritik rechtzeitig zu äußern, und ihnen zu zeigen, daß ich berechtigte Kritik auch akzeptiere. Doch genau dies scheint diverse Leute erst recht aggressiv zu machen: beneiden sie mich oder auch andere doch darum, Kritik aushalten zu können, sofern sie nicht aus boshaften Unterstellungen besteht und/oder unter die Gürtellinie geht.

Diese Art von Kritik aber scheint heutzutage beinahe schon die Regel zu sein. Immer mehr Menschen sind dermaßen kommunikationsgestört, daß sie auch von Fremden erwarten, wortlos verstanden zu werden, und innerlich vor Wut kochen, wenn ihnen nicht jeder Wunsch von den Augen abgelesen wird. Diese angestaute Wut macht sich dann denjenigen gegenüber Luft, die ihnen am nächsten und vielleicht sogar am liebsten sind. Und das neeaaavt!

findet grüßend der Samariter.

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Post Sat, 03.Jan.04, 14:05      Re: Psychotherapie oder Gehirnwäsche? Reply with quoteBack to top

Hi Samariter!

Samariter wrote:
Denn ich weiß noch immer nicht, wie ich mit solchen Menschen umgehen kann: außer sie immer wieder zu bitten, Kritik rechtzeitig zu äußern, und ihnen zu zeigen, daß ich berechtigte Kritik auch akzeptiere.


Hilfreich finde ich hier Modellernen Wink
Ich bitte niemanden drum, Kritik zu üben, sondern ich versuche zu zeigen, dass man mich kritisieren darf, ohne dass ich wer weiß wie beleidigt bin.
Auch versuche ich, in meinem Kritik-äußern möglichst sachlich zu bleiben und dies möglichst rechtzeitig zu machen.
Gelingt nicht immer, aber das Leben bietet (mir) viele Möglichkeiten zum üben Wink

Interessant finde ich:

Quote:

Diese Art von Kritik aber scheint heutzutage beinahe schon die Regel zu sein. Immer mehr Menschen sind dermaßen kommunikationsgestört, daß sie auch von Fremden erwarten, wortlos verstanden zu werden, und innerlich vor Wut kochen, wenn ihnen nicht jeder Wunsch von den Augen abgelesen wird. Diese angestaute Wut macht sich dann denjenigen gegenüber Luft, die ihnen am nächsten und vielleicht sogar am liebsten sind. Und das neeaaavt!.


Redest Du hier vom "Subtext"? Dem vorausgesetzen Verstehen, dass der andere schon weiß, was man meint, auch wenn man nur die Hälfte oder gar das Gegenteil sagt?
Da hakts tatsächlich wohl oft am Kommunikationsverhalten und weniger (wenn schon auch) am "ich werd nicht mehr geliebt, wenn ich xy sage.."
Diese Subtexte, meist von Frauen angewandt Wink , bieten viel Zündstoff! Und ich finds auch schwer, mir selbst klar zu machen, was ich sage und tatsächlich meine und noch schwerer, irgendwem zu vermitteln, "rede Klartext"....

meint grüßend und ohne Subtext,

Tanzendes_Irrlicht

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Toleranz ist, wenn sich die Menschheit in die Menschlichkeit verliebt. C.M.
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Post Sun, 04.Jan.04, 15:57      Re: Psychotherapie oder Gehirnwäsche? Reply with quoteBack to top

Ja, [nuu schreib ich dich also groß:] Tanzendes_Irrlicht,

tatsächlich ging es mir um den Subtext, d.h. letztlich um diese Phantasie:

1. Der andere weiß genau, was ich fühle oder denke.
2. Weil das so ist, muß er sich so verhalten, daß er all meine Bedürfnisse befriedigt.
3. Verhält er sich anders als ich will, so tut er es mit böser Absicht.
4. Dessen bin ich mir absolut sicher, denn ich weiß ja ganz genau, was der andere fühlt und denkt.

Quote:
Diese Subtexte, meist von Frauen angewandt , bieten viel Zündstoff!


Stimmt. Aber diesen Zündstoff gibt es auch zwischen Mann und Frau oder zwischen Mann und Mann - immer dann, wenn mindestens einer von beiden in einer narzißtischen Krise steckt oder gar eine Persönlichkeitsstörung hat.
Zwischen Frauen allerdings kann das Symbiotische besonders destruktiv wirken, weil es ja offenbar kaum eine gibt, die sich auf gesunde Art und Weise von ihrer Mutter gelöst hat. Funktioniert eine von zwei Besten Freundinnen nicht so, wie die andere es gern hätte, redet sie ihr also nicht nach dem Mund, ist sie von einem Tag auf den andern scheinbar plötzlich nur noch böse und wird als Die Böse Mutter phantasiert. Dies geschieht häufig von beiden Seiten aus.

Die Folge? Frauenfreundschaften haben meist etwas entsetzlich Klebriges, und jede noch so kleine Kritik in der Sache wird als Großangriff auf die Person empfunden. Wohl auch deshalb ist die Mär entstanden, mimosenhaft reagierende Frauen oder auch 'weibliche' Männer seien besonders sensibel. Aber sie reagieren nur extrem empfindlich auf alles, was sie daran erinnert, daß sie sich nicht mehr im Mutterleib befinden, und auf jeden, der sie nicht pausenlos mit dem füttert, was sie gerade brauchen.

Dieser pathologische Narzißmus aber wird in den westlichen Gesellschaften massiv dadurch gefördert, daß seitens der Medien allen suggeriert wird, sie könnten jederzeit alles bekommen. Das Internet ist der bisherige Höhepunkt dieser fatalen Entwicklung. Wer mit den Menschen in seiner Umgebung nicht mehr reden kann oder nicht reden zu können glaubt, findet immer einen Chatroom, wo er zu bekommen wähnt, was er sucht, frei von jeder persönlichen Verantwortung.

Eben darum fühle ich mich in keinem virtuellen Raum zu Hause, sondern nur dort, wo ich gerade sitze und hoffe, daß unsere kopflose Gesellschaft allmählich wieder zu Besinnung kommen möge. Denn authentische Beziehungen können nur zwischen authentischen Menschen stattfinden und nicht zwischen Phantasiegebilden, die mit Marianne Rosenberg quäken: "Ich bin wie du-huhu-huuu ..."

In diesem Sinne, mit einem Sonntagsgruß an dich und alle, die dies lesen:

S.

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Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu.
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