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So., 15.05.2022, 21:03
Hast du denn mit deiner Therapeutin schon mal über die Idee gesprochen? Vielleicht hat sie ja hilfreiche Kontakte (zB von anderen Patienten) die sie dir empfehlen kann?
Ich mache eigentlich schon ganz lange begleitend Kunsttherapie, wobei die aktuelle Kunsttherapeutin auch eine körperorientierte Ausbildung hat, dh das fließt auch immer wieder in unsere Stunden mit ein.
Dort geht es für mich vor allem darum, meine Gefühle (also auch den Körper) wahrzunehmen und zu lernen, meine Emotionen (besser) zu regulieren. Ich habe bei ihr sehr viel darüber gelernt, was bei Trauma und Traumaverarbeitung (Stichwort vegetatives Nervensystem, Hyperarousal, Dysregulierung des autonomen Nervensystems) körperlich passiert und habe mit ihrer Hilfe da auch viele Ansatzpunkte gefunden, die für mich gut funktionieren, um an diesen Stellen ansetzen zu können.
Eventuell kann es auch hilfreich sein, erstmal "nur" mit Achtsamkeitsübungen anzufangen, zB im Rahmen eines MBSR-Kurses. Da geht es u.a. auch ganz viel um Selbstwahrnehmung und Körperwahrnehmung, oder darum, wo Gefühle im Körper verortet sind/sein können, und auch darum einfach mal in sich reinzuspüren und Bedürfnisse wahrzunehmen. Feldenkrais fand ich in der Hinsicht auch hilfreich.
Eine Klinik, in der ich mal war, hatte auch mit Cranio Sacral Therapie gearbeitet, ich hab das anfangs eher belächelt, fand es aber dann sehr spannend, was da auf körperlicher Ebene in "Schwingung" versetzt wird und was das dann wiederum mit mir als Person macht. Da ging es ganz viel um Resonanz, in mir und in der anderen Person... Auch um Regulierung. Dabei findet Körperkontakt statt, aber auch immer nur das, was für mich ok ist und was ich / mein Körper auch verarbeiten kann. An für mich spannungsreiche/schwierigen Tagen saß die Therapeutin manchmal nur an meinen Füßen, ohne dass es überhaupt zur Berührung/Kontakt gekommen wäre und trotzdem war da ganz viel in meiner Wahrnehmung "spürbar".
Wichtig ist nach meiner Erfahrung, dass das kontinuierlich und regelmäßig läuft. Von Wochenendseminaren - egal welcher Richtung - würde ich dir auch eher abraten. Gerade wenn du das Gefühl hast, ziemlich komplett vom Körper abgekoppelt zu sein, sehe ich bei solchen workshopartigen Veranstaltungen die Gefahr, dass da viel zu viel auf einmal losgetreten wird, deutlich mehr als du vielleicht auch verdauen kannst. Bei mir kommen solche Reaktionen und Emotionen dann auch gerne mal zeitversetzt, manchmal auch Tage später, was dann bei solchen Dingen maximal ungünstig ist.
Wichtig ist auch, dass der/die Therapeut*in deine Grenzen akzeptiert, egal wo die verlaufen. Wenn du nicht weißt, wo deine Grenzen sind, sollten sie mit dir daran arbeiten, wie du das spüren kannst und wie du diesem Gefühl auch mehr vertrauen kannst.
Und: Ich würde mich an deiner Stelle nicht so sehr auf einen bestimmten Ansatz festlegen, je nachdem wo du wohnst, ist die Auswahl ohnehin sehr begrenzt. Ich würde mir die Personen, die für dich grundsätzlich in Frage kommen einfach mal der Reihe nach anschauen, sie zu deinen Themen befragen und welche Ideen sie dazu hätten. Und dann einfach mal schauen, wo dich der Prozess hinträgt. Wenn ich irgendwas nach Plan gemacht hätte, wäre ich nie im Leben bei der aktuellen Kunsttherapeutin gelandet...
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott