Näheprobleme in Therapie & glückliche Partnerschaft ?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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hope_81
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Beitrag Di., 16.12.2014, 17:17

viciente hat geschrieben:.. woran? daran, dass du eventuell alles zertrümmerst, das dir näher kommen könnte als du selbst es dir bisher vielleicht bist? .. oder sein willst - denn dann ruinierst du dich auch selbst damit. wie willst du denn nähe (eines anderen) ernsthaft zulassen (anstreben?), solange du sogar ständig distanz zu dir und deinem sein schaffst?
Ach süß, Viciente hat- wie immer- die Weisheit mit Löffeln...Nur weil unsere "Begegnung" scheiterte, heißt es nicht, dass...
Vielleicht hat es viel mehr mit dir als mit mir zu tun, aber das willste und kannste nicht sehen...
Du amüsierst mich und erweckst in mir tiefes Mitgefühl.
Denk mal drüber nach, statt dich zu imunisieren und dich über allen zu erheben und zu denken, die Weisheit mit Löffeln und so...
An dieser Stelle möchte ich, dass du mich wirklich künftig in Ruhe lässt und mich nie wieder zitierst. Ich hoffe, das klappt dann mal.
Zuletzt geändert von hope_81 am Di., 16.12.2014, 17:30, insgesamt 4-mal geändert.
Das Beste, was du für einen Menschen tun kannst, ist nicht nur deinen Reichtum mit ihm zu teilen, sondern ihm seinen eigenen zu zeigen.
Benjamin Disraeli

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montagne
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Beiträge: 4597

Beitrag Di., 16.12.2014, 17:21

Es sind unterschiedliche Beziehungen und unterschiedliche Arten von Nähe. So ist es zumindest bei mir. Beide sind weder vergleichbar, noch austauschbar. Einmal bin ich eine (halbwegs, na ja ) erwachsene Frau, die sich ganz okay containen und regulieren kann, u.a. durch die Abwehr, die ich habe.
In der Therapie wird diese Abwehr durchbrochen, schon allein durch das Setting. Und dann hat sich das Drama um Nähe und Distanz entfaltet und es wurde ausagiert, was eben bis dato mir unbewusst war. Es ist wie unter einer Lupe. Ich habe es auch im Alltag, ja, aber da könnte ich damit umgehen. In der Therapie wird es riesig groß und grell dargestellt.

Ich habe eh die Therapie, dass auch jemand, der "gesund" ist, in einer Therapie straucheln würde, würde er versuchen eine solch intensive Nähe herzustellen. Ich glaube gesunde könnten das auch nicht ohne Probleme. Denn ich finds persönlich schon krass und seltsam nachallen Maßstäben, wa sin einer Therapie "normalerweise" so abgehen kann.
Der Unterschied ist vllt. eher, dass gesunde Menschen es nicht tun würden, es nicht brauchen. Ich brauche es aber, um nachzuholen und um zu verstehen. Damit es mir Stück für Stück besser geht.


Und zumindest, was mich betrifft, klar hat sich meine Entwicklung durch die Therapie auch positiv auf meine Partnerschaft ausgewirkt.
amor fati


ziegenkind
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Beitrag Di., 16.12.2014, 18:43

hier haben ja schon viele geschrieben, die nicht betroffen sind und genau zu wissen meinen, dass die, die betroffen wären, notwendig lügen müssten in dem ein oder anderen punkt.

bei mir ist es so: ich kann asymmetrie nicht. die macht mir angst. eigentlich kann ich nähe nur, wenn und weil ich mich überlegen und deshalb sicher fühle. ich weiß, beziehung und liebe geht so eigentlich gar nicht. mir half ein irrtum: ich dachte damals vor mehr als 20 jahren, mein mann sei schwächer als ich, könne mir deshalb also nicht gefährlich werden. das ging ca. 3-4 monate so. und als mir mein wahrnehmungsfehler bewusst wurde, als ich ihn wirklich sah und erst einmal fürchterlich angst kriegte, auch davor, dass er mir wichtiger werden könnte, als mir lieb war, da wollte ich stiften gehen.

ich tat es nicht. ich konnte es nicht. es gab schon zu viele magische momente zwischen uns. ich hatte schon zu viel zu verlieren. und dann gab es diese nacht, in der ich geweint und gebeichtet und wieder geweint hab. gebeichtet hab ich auch meine wahnidee, er sei schwächer als ich. das war ein prekärer moment. meinem mann hat das sehr weh getan. aber er war stark genug, um bleiben zu können. mein denken in kategorien von stark und schwach war harter tobak für ihn. für mich auch in dem moment, in dem ich all diesen scheiß einmal laut aussprach.

ich entschied mich damals, den versuch zu unternehmen auszusteigen aus diesem starren modell. das war schwer, ganz schwer. und ganz oft hat es geknallt zwischen uns. aber ich bin glücklich und auch ein bisschen stolz auf uns, dass wir immer wieder die kurve gekriegt haben. mein mann ist der erste mensch auf der welt, bei dem ich nie und nicht daran zweifle, dass er mich liebt. wahrscheinlich auch deshalb, weil er nach dieser nacht bei mir geblieben ist.

meine therapeutin ist mittlerweie der zweite mensch, mit dem ich das gelernt habe, noch mal mit viel mehr schmerzen. sie hat mich immer daran erinnert, wenn es zu kippen drohte zwischen uns: bedenken sie, mit ihrem mann können sie das auch.

und jetzt, ein paar tage vor dem ende meiner therapie bin ich neugierig und zuversichtlich, dass da noch viel mehr nahe menschen in mein leben kommen. mit ein paar habe ich schon angefangen.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


montagne
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Beiträge: 4597

Beitrag Di., 16.12.2014, 23:26

Ich denke auch, dass es möglicherweise eben doch mit der konkreten Art des "Nähe-Problems" zu tun hat. Jemand mit einer stark ausagierenden Störung wird sich vielleicht schwerer tun, eine langfristig erfüllende Partnerschaft aufzubauen, als jemand der seine Störung eher internalisiert. Ich meine klar, irgendwie zeigt es sich immer, dennoch.
Ich weiß jedenfalls von mir, dass ich nach außen hin immer sozial recht angepasst war. Früher zwar auf meine Art unverträglicher, aber es hielt sich alles im Rahmen. Das Dama um Nähe und Distanz spielte sich in mir drin ab. (Die weitere Symptomatik war auch eher internalisierender Natur.) Durch die Therapie habe ich das Drama erstmal kenne gelernt und ja, DORT agiere ich aus. Ich tue es nicht absichtlich, es ist einfach passiert.

Und ich bin mir ganz sicher, wnen ich mich gegenüber meinem Mann oder Freunden, anderen Mitmenschen so verhalten hätte, wie gegenüber der Therapeutin, dann hätte ich jetzt vielleicht keine Ehe mehr und keine Freunde mehr. Jeder hat ja irgendwo Grezen dessen, was er aushalten kann. Ich habe mich aber nie so im Leben daneben benommen und so ausagiert, weder was schroffe Distanzansprüche anging, noch was agressives Verhalten oder anklammerndes Verhalten anging.
Jemand der aber so seiner Umwelt entgegen tritt, ja der hat es um ein vielfaches schwieriger langfristige, tragende Beziehungen aufzubauen. In der Therapie ist das alles deutlich anders.
amor fati

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Thread-EröffnerIn
Widow
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Beitrag Di., 16.12.2014, 23:50

Kurze Zwischenmeldung von der TE:

Vielen Dank erst einmal für alle konstruktiven Beiträge hier - gerade auch von denen, die wegen eines Nähe-Distanz-Problems in Therapie sind und gleichzeitig eine gelingende langjährige Partnerschaft zu leben imstande sind!

Dass ich es immer noch nicht verstehe, wie das zusammen geht, ist mein Problem. Doch ich finde es faszinierend, dass das geht.
(Ich wäre nicht in Therapie, wenn mein Partner noch leben würde. Ich habe, klinsch betrachtet, sicherlich ein sogen. Nähe-Distanz-Problem, aber ich habe seit meiner Adoleszenz viele Jahre lang nicht mehr darunter gelitten und leide darunter auch jetzt nicht sonderlich.)

Die Überlegung, ob in einer gelingenden, langjährigen Beziehung vielleicht gerade die "symbiotischen" Mechanismen auf gute Weise wirksam sein könnten, die in einer Therapie immer als "üble Muster" herauspräpariert werden, hat mich hinsichtlich dessen, was Therapien als "Glück" gelten lassen, einmal wieder nachdenklich gemacht (obwohl mein Partner und ich keine symbiotische Beziehung gelebt haben).

Der Gedanke, dass in einer gelingenden (was immer das sein mag) Therapie immer eine besondere Form von Nähe entstünde, die auch "Gesunden" vermutlich zu schaffen machen würde, hat mich ebenfalls zum Nachdenken über Therapie allgemein (und auch über meine speziell, in der das nicht geschieht) gebracht.

Die mitgeteilte Erfahrung, dass man 20 Jahre lang mit einem Partner - nach einer radikalen, einen selbst erschütternden Erkenntnis - sehr intensive Nähe leben kann, mit anderen Menschen aber kaum imstande ist, auch nur eine kleine Nähe zu leben (bzw. nur dann, wenn man sich ihnen überlegen fühlt), hat mich traurig gemacht; nachvollziehen kann ich das allerdings nicht, doch dass es nun, durch entsprechende therapeutische Erfahrungen, offenbar anders wird, finde ich erfreulich.

Gleichwohl: Das Threadthema, das sich auf hier im ptf gemachte Beobachtungen stützt, bleibt für mich rätselhaft. - Aber das macht ja nix.
Und das sollte auch nur eine Zwischenmeldung sein (als TE fühle ich mich - vermutlich dummerweise - immer verpflichtet, zu den Beiträgen irgendwann etwas zu schreiben; vielleicht sollte ich das einfach bleiben und es laufen lassen).
w

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Mia Wallace
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Beiträge: 1288

Beitrag Mo., 16.02.2015, 08:31

Widow hat geschrieben: Die mitgeteilte Erfahrung, dass man 20 Jahre lang mit einem Partner - nach einer radikalen, einen selbst erschütternden Erkenntnis - sehr intensive Nähe leben kann, mit anderen Menschen aber kaum imstande ist, auch nur eine kleine Nähe zu leben (bzw. nur dann, wenn man sich ihnen überlegen fühlt), hat mich traurig gemacht; nachvollziehen kann ich das allerdings nicht, doch dass es nun, durch entsprechende therapeutische Erfahrungen, offenbar anders wird, finde ich erfreulich.

Gleichwohl: Das Threadthema, das sich auf hier im ptf gemachte Beobachtungen stützt, bleibt für mich rätselhaft. - Aber das macht ja nix.
Und das sollte auch nur eine Zwischenmeldung sein (als TE fühle ich mich - vermutlich dummerweise - immer verpflichtet, zu den Beiträgen irgendwann etwas zu schreiben; vielleicht sollte ich das einfach bleiben und es laufen lassen).
w
Ich glaube, ich steh total auf der Leitung, denn ich verstehe Deine Frage nicht. Weshalb stellst Du das denn in Frage? Das ist doch genau das, was auch Deine Realität ist: Du hast doch ganz intensive, sogar einzigartige Nähe in einer Partnerschaft erlebt, hast aber in anderen Bereichen ein Nähe-/Distanzthema und tutst Dich schwer, in der therapeutischen Beziehung Nähe zu erleben -
KLAR ist das möglich.

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Miss_Understood
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Beiträge: 3550

Beitrag Mo., 16.02.2015, 10:44

Einfach nur mitlesend.
ch-ch-ch-chaaaaaaange

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Thread-EröffnerIn
Widow
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weiblich/female, 51
Beiträge: 2240

Beitrag Mo., 16.02.2015, 12:23

Mia, ich habe das Problem in Leben Nr. 1 nicht gehabt (glücklicherweise: zu der Zeit sind jene engen Freundschaften gewachsen, die auch jetzt noch von Bestand sind).


Igelkind
Forums-Insider
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weiblich/female, 43
Beiträge: 264

Beitrag Mo., 16.02.2015, 20:48

Hallo,

Ich bin genau so ein "Fall", und ich denke, meine Partnerschaft (17 Jahre) geht gut, weil mein Mann extrem viel Geduld für mich hat, und wenn auch oft kein Verständnis, dann doch mindestens Akzeptanz für meine Probleme und das daraus resultierende Verhalten. (Mein Anklammern / ihn ignorieren...)
Im Gegenzug versuchte ich, wie das Montagen beschrieb, mein Verhalten möglichst immer zu unterdrücken, meine Probleme und Gefühle zu verstecken, da ich wusste, es ist sonst mit mir nicht auszuhalten.
Ich benötigte 5 Jahre, bis ich die Nähe zulassen und mich meinem Mann genauso öffnen konnte, wie er sich mir gegenüber.

In der Therapie zeigen sich all diese Probleme, die ich in der Partnerschaft habe, wieder, und wie schon jemand sagte, wie unter der Lupe, also verstärkt.
Nun darf ich die Gefühle / Ängste und problematischen Verhaltensweisen auch zulassen und kann daran arbeiten.

Einer der Hauptgründe, Therapie zu machen, war auch, die Beziehung (meinen Mann) zu entlasten, besser mit Verlassen-werden / Trennungen (Geschäftsreisen) umgehen zu können und für mich selbständiger und unabhängiger zu werden.

Mein Mann ist sehr fürsorglich, und obwohl er nicht viel älter ist als ich, fühlte es sich von Anfang an eher wie eine Vater - Tochter - Beziehung an (für beide).
Irgendwie ergänzen wir uns da, aber wir wünschen uns eigentlich beide, gleichberechtigte und selbständige Partner zu sein, wobei ich das eben nur bedingt sein kann bis jetzt.
Anfangs hatte ich befürchtet, er wolle gar nicht, dass ich mich entwickle und unabhängig werde, ihn weniger brauche und weniger auf ihn fixiert bin.
Aber er unterstützt mich und die Therapie sehr, was für mich wirkliche Liebe bedeutet.

Durch die Therapie wurde mir auch bewusst, wie viel er doch noch mit mir still ertragen hat, obwohl ich meinte, es erfolgreich verstecken oder unterdrücken zu können...

Ob ich die Frage so etwas beantworten oder wenigstens erhellen konnte, weiss ich nicht.
Ich spreche einfach von meiner persönlichen Erfahrung.
LG Igelkind


Igelkind
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 43
Beiträge: 264

Beitrag Mo., 16.02.2015, 21:08

Ich wollte noch anfügen, dass ich die Frage (oder das Unverständnis) von dir, Widow, sehr gut nachvollziehen kann.
Und eine Zweckgemeinschaft würde ich das nicht nenne, eher eine Gemeinschaft mit vielleicht etwas besonderem Gleichgewicht.

Mein Mann ist zum Beispiel sehr sehr ausgeglichen.
Emotionen wie Angst, Trauer, Freude kommen bei ihm nur ganz ganz selten und für Aussenstehende kaum wahrnehmbar nach aussen.
Auf diesem stabilem Boden steht mein Vulkan...

Wir behandeln meine Probleme so, wie wenn es sonst einfach ein handicap wäre.
Das geht, weil ich mir bewusst bin, dass die Probleme in mir allein begründet sind, und mein Mann anerkennt, dass er zwar nicht die Ursache ist, aber mir manchmal trotzdem helfen kann, indem er sein Verhalten mir zu liebe anpasst. Er lässt mich nicht zu lange allein, bleibt ruhig wenn ich plötzlich wütend werde oder zu weinen beginne...usw.
Ich habe eine "Behinderung" und das behindert auch ihn, das ist ganz klar so.
Aber man kann sich trotzdem lieben und eine gelingende Partnerschaft führen, was auch immer gelingen genau bedeutet. Ich würde lieber sagen, erfüllte Partnerschaft.
(Manchmal mit Problemen gefüllt, aber etwas zusammen durchzustehen stärkt die Liebe zueinander auch.)

LG Igelkind

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SoundOfSilence
Forums-Gruftie
Forums-Gruftie
weiblich/female, 37
Beiträge: 592

Beitrag Do., 21.05.2015, 20:58

Einen schönen Gruß in die Runde und an die Witwe, die mir hoffentlich verzeiht, dass ich an ihrem Faden ziehe, den sie aus der Dachbodenluke hat baumeln lassen...

... aber es war einfach zu verführerisch

Das Thema reizt mich ungemein, denn diese Woche war der erste Termin bei meinem Scheidungsanwalt. Ich bin nämlich so ein Ewig-und-drei-Jahre-glückliche-Beziehung-geführt-trotz-Nähe-DistanzProblem-Mensch - und als mit zunehmendem Therapieerfolg dann die Beziehungsbrüche größer und größer wurden, passierte, was ich heute als Nebenwirkung einer Therapie betrachte, die Ehe ging kaputt.

Ich bin ein Mensch, der Nähe und Distanz schlecht regulieren kann, auch weil ich je nach "innerem Zustand" eben unterschiedliche, wechselhafte Bedürfnisse habe. Entsteht große Nähe, flüchte ich (mal bewusst, mal unbewusst, meist nicht steuerbar) - entweder, indem mein Körper sich davonstiehlt, meine Psyche auf Autopilot schaltet und ich dissoziiere, oder ich durch Intellekt und Humor eine erträgliche Distanz schaffe. Dabei stoße ich regelmäßig Menschen vor den Kopf, die dachten, dass wir eine nahe Beziehung führen und dann feststellen, das sich unerreichbar bin. Ich bin sympathisch, offen, nicht schüchtern, ein angenehmer Gesprächspartner - so lange wie ich die Kontrolle habe. Ich kontrolliere. Ich kann auch manipulieren, das tue ich aber kaum - denn manipulieren läuft ja auf der emotionalen Ebene (die mag ich nicht ) Am besten geht es mir in Beziehungen, wenn sich das Geschehen um eine andere Person dreht - und ICH das Geschehen KONTROLLIERE (oder jedenfalls meinen kann es zu kontrollieren). Ich war dementsprechend nicht nur ein Kontrolleur, sondern auch selber sehr kontrolliert und rational, selten emotional (wenn immer mit Maß!), immer vorausschauend. Ein Therapeut, der nicht meiner wurde, sagte einmal, ich trüge eine Maske, die müsse erstmal runter bevor ich therapierbar sei - damit hatte er absolut Recht. Nur konnte ich durch meine Maske hindurch nicht sagen, dass ich nicht mehr weiß wie man die Maske ablegt, und dass ich auch Angst hatte, dass hinter der Maske GAR NICHTS MEHR ist (Klar, warum ER nicht mein Therapeut wurde). Diese Fassade wurde zu meinem ganzen Ich...
Mein Mann war/ist das Gegenteil in vielen Dingen. Er ist passiv, evt ein wenig depressiv, scheut Veränderung, ist dabei aber ein sehr humorvoller Mensch, ist emotional relativ unkompliziert (entweder gut oder schlecht - Grautöne gibt es nicht) - und er mochte es, sich kontrollieren und umsorgen zu lassen. Für ihn ist es das, was er in einer Beziehung erwartet, was er als "sie kümmert sich um mich, ich bin wichtig" empfindet. Mein Mann ist nur schlecht in der Lage, sich in Andere hineinzuversetzen, er ist aber sehr loyal. Er genießt es, im Mittelpunkt zu stehen, gibt aber die Verantwortung gerne ab. Er leidet unter Verlustangst - die wird aber zumeist gut überdeckt von seinem Streben nach Unabhängigkeit. Er möchte nicht abhängig sein, aber er will es durchaus gemütlich haben...
Was passierte, als wir uns trafen? Wir haben und eingefunden in etwas, was in meiner Therapie als "sehr fragiles Gleichgewicht" bezeichnet wurde. Wir haben uns verliebt, ja, das auch! Wir haben uns, so schief wir beide standen, gegenseitig gestützt. 14 Jahre lang. Aber, wir haben uns auch blind gemacht für unsere (eigenen) Schwächen, wir mussten uns ineinander verhaken, um, so schräg wir auch immer standen, wenigstens stehen zu bleiben. Kollusion, liebe Widow, das ist das Zauberwort.
Und dann? Dann bin ich umgefallen, Und er hat mich nicht gehalten. Und dann hat mich jemand gerade hingestellt (naja, ein bisschen gerade) - aber es fehlte nun ihm die Stütze. Er stand schräg und er hatte Angst zu fallen. Und er hat meine Veränderung verwechselt mit meinem Verschwinden - und in seiner Verlustangst hat er geklammert und geklammert. Hat sich wie ein Ertrinkender an mich gebunden, als ob ich ein Schiffsmast wäre... Ich war aber kein Mast, nicht einmal ein Streichholz...
Und auf sein Klammern konnte ich nur reagieren, indem ich mir immer mehr Luft verschaffte - zuletzt sind wir, in einem Versuch, die Ehe zu retten, in getrennte Wohnungen gezogen. Und jedesmal, wenn ich ein wenig Luft bekam, war er schon da mit seiner Angst... Natürlich habe ich das in meiner Therapie thematisiert, versucht zu verstehen, zu ändern, zu retten. Und ja, wir haben auch drüber gesprochen, dass auch er eben eine Therapie bräuchte - nur hat er diesen Schritt dann nicht (mehr) gemacht - und dann ist noch ganz viel passiert, bis es aus war, bis klar war, da passiert nichts mehr... Aber das gehört nicht in diesen Faden.
Hello darkness, my old friend...

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SoundOfSilence
Forums-Gruftie
Forums-Gruftie
weiblich/female, 37
Beiträge: 592

Beitrag Do., 21.05.2015, 20:59

Was in diesen Faden gehört ist: Kollusion. Im günstigen Fall ergänzt sich ein Paar, im ungünstigen Fall auch - nur rücken sie sich dann eben nicht gerade hin, diese beiden Menschen die da aneinander lehnen, sondern sie verkeilen sich in ihrer Schräglage... So kommt es zu langjährigen, stabilen (fast unauflösbaren) Partnerschaften. Und ich glaube für jede Partnerschaft ist Veränderung, gerade auch durch Therapie, eine Herausforderung. Und man kann immer sagen, wenn ein Paar an einer Herausforderung scheitert, dann war etwas nicht in Ordnung. Aber das hat sich damals nicht so angefühlt...
Und bevor die lieben Leser jetzt denken, dass so eine Partnerschaft nicht glücklich sei - Mein Mann und Ich waren SO GLÜCKLICH wie es uns eben möglich war, wir waren SO EHRLICH miteinander, wie es uns eben möglich war, wir haben SO VIELE KLIPPEN UMSCHIFFT wie uns möglich war... Um besseres, um MEHR zu können, müssen wir erst Andere werden (Leben nr. 2, nr. 3 nr. 4 leben vielleicht) - und etwas Anderes ließe sich über keine Partnerschaft sagen, die ich kenne. Oder?

Jetzt habe ich einen guten Platz gefunden für meinen Nachruf auf meine Ehe, danke dafür!!

Silence

Eine Theorie gestatte ich mir aber noch: Ein Nähe-Distanz-Problem, weil der Wunsch nach Nähe übermächtig ist, wird in einer Partnerschaft durch eine Therapie eher eine Entlastung erfahren, denn die Last verteilt sich nun auf Partner und Therapeut. Ein Problem mit zu großer Distanz dagegen wird für den Pateinten zur doppelten Belastung, weil zusätzlich zur Nähe in der Partnerschaft nun noch die Nähe zum Therapeuten ertragen werden muss...
Hello darkness, my old friend...

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