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Do., 21.05.2015, 20:58
Einen schönen Gruß in die Runde und an die Witwe, die mir hoffentlich verzeiht, dass ich an ihrem Faden ziehe, den sie aus der Dachbodenluke hat baumeln lassen...
... aber es war einfach zu verführerisch
Das Thema reizt mich ungemein, denn diese Woche war der erste Termin bei meinem Scheidungsanwalt. Ich bin nämlich so ein Ewig-und-drei-Jahre-glückliche-Beziehung-geführt-trotz-Nähe-DistanzProblem-Mensch - und als mit zunehmendem Therapieerfolg dann die Beziehungsbrüche größer und größer wurden, passierte, was ich heute als Nebenwirkung einer Therapie betrachte, die Ehe ging kaputt.
Ich bin ein Mensch, der Nähe und Distanz schlecht regulieren kann, auch weil ich je nach "innerem Zustand" eben unterschiedliche, wechselhafte Bedürfnisse habe. Entsteht große Nähe, flüchte ich (mal bewusst, mal unbewusst, meist nicht steuerbar) - entweder, indem mein Körper sich davonstiehlt, meine Psyche auf Autopilot schaltet und ich dissoziiere, oder ich durch Intellekt und Humor eine erträgliche Distanz schaffe. Dabei stoße ich regelmäßig Menschen vor den Kopf, die dachten, dass wir eine nahe Beziehung führen und dann feststellen, das sich unerreichbar bin. Ich bin sympathisch, offen, nicht schüchtern, ein angenehmer Gesprächspartner - so lange wie ich die Kontrolle habe. Ich kontrolliere. Ich kann auch manipulieren, das tue ich aber kaum - denn manipulieren läuft ja auf der emotionalen Ebene (die mag ich nicht ) Am besten geht es mir in Beziehungen, wenn sich das Geschehen um eine andere Person dreht - und ICH das Geschehen KONTROLLIERE (oder jedenfalls meinen kann es zu kontrollieren). Ich war dementsprechend nicht nur ein Kontrolleur, sondern auch selber sehr kontrolliert und rational, selten emotional (wenn immer mit Maß!), immer vorausschauend. Ein Therapeut, der nicht meiner wurde, sagte einmal, ich trüge eine Maske, die müsse erstmal runter bevor ich therapierbar sei - damit hatte er absolut Recht. Nur konnte ich durch meine Maske hindurch nicht sagen, dass ich nicht mehr weiß wie man die Maske ablegt, und dass ich auch Angst hatte, dass hinter der Maske GAR NICHTS MEHR ist (Klar, warum ER nicht mein Therapeut wurde). Diese Fassade wurde zu meinem ganzen Ich...
Mein Mann war/ist das Gegenteil in vielen Dingen. Er ist passiv, evt ein wenig depressiv, scheut Veränderung, ist dabei aber ein sehr humorvoller Mensch, ist emotional relativ unkompliziert (entweder gut oder schlecht - Grautöne gibt es nicht) - und er mochte es, sich kontrollieren und umsorgen zu lassen. Für ihn ist es das, was er in einer Beziehung erwartet, was er als "sie kümmert sich um mich, ich bin wichtig" empfindet. Mein Mann ist nur schlecht in der Lage, sich in Andere hineinzuversetzen, er ist aber sehr loyal. Er genießt es, im Mittelpunkt zu stehen, gibt aber die Verantwortung gerne ab. Er leidet unter Verlustangst - die wird aber zumeist gut überdeckt von seinem Streben nach Unabhängigkeit. Er möchte nicht abhängig sein, aber er will es durchaus gemütlich haben...
Was passierte, als wir uns trafen? Wir haben und eingefunden in etwas, was in meiner Therapie als "sehr fragiles Gleichgewicht" bezeichnet wurde. Wir haben uns verliebt, ja, das auch! Wir haben uns, so schief wir beide standen, gegenseitig gestützt. 14 Jahre lang. Aber, wir haben uns auch blind gemacht für unsere (eigenen) Schwächen, wir mussten uns ineinander verhaken, um, so schräg wir auch immer standen, wenigstens stehen zu bleiben. Kollusion, liebe Widow, das ist das Zauberwort.
Und dann? Dann bin ich umgefallen, Und er hat mich nicht gehalten. Und dann hat mich jemand gerade hingestellt (naja, ein bisschen gerade) - aber es fehlte nun ihm die Stütze. Er stand schräg und er hatte Angst zu fallen. Und er hat meine Veränderung verwechselt mit meinem Verschwinden - und in seiner Verlustangst hat er geklammert und geklammert. Hat sich wie ein Ertrinkender an mich gebunden, als ob ich ein Schiffsmast wäre... Ich war aber kein Mast, nicht einmal ein Streichholz...
Und auf sein Klammern konnte ich nur reagieren, indem ich mir immer mehr Luft verschaffte - zuletzt sind wir, in einem Versuch, die Ehe zu retten, in getrennte Wohnungen gezogen. Und jedesmal, wenn ich ein wenig Luft bekam, war er schon da mit seiner Angst... Natürlich habe ich das in meiner Therapie thematisiert, versucht zu verstehen, zu ändern, zu retten. Und ja, wir haben auch drüber gesprochen, dass auch er eben eine Therapie bräuchte - nur hat er diesen Schritt dann nicht (mehr) gemacht - und dann ist noch ganz viel passiert, bis es aus war, bis klar war, da passiert nichts mehr... Aber das gehört nicht in diesen Faden.
Hello darkness, my old friend...