Die Legende des Therapeuten

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Draußen
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Die Legende des Therapeuten

Beitrag So., 10.01.2016, 19:47

Ihr Lieben ,

Heute möchte ich mich mit 2 Fragen an die Analyseerfahrenen umter euch wenden.

Ich hab ja eine bestimmte Vorstellung von meiner Therapeutin , so eine Mischung aus Fakten (Kinder, Ehemann und Werdegang so wie sie es in ihren Büchern erwähnt), eigenen Google Recherche Ergebnissen und andererseits das was ich an und mit ihr so erlebt habe. Das recht magere Bild habe ich großzügig mithilfe meiner Fantasie vervollständigt (ob es dabei bunter oder trister geworden ist, ist eine weitere Frage ).

Wenn ich in letzter Zeit mit meiner Analyse Schwierigkeiten habe, will ich meiner Analytikerin diese ganze Legende erzählen, sie ihr um die Ohren hauen oder vor die Füße kotzen . Letztmalig passierte das am Tag vor ihren Weihnachtsferien und so sind wir dann auch auseinander gegangen

Nun zu meinen Fragen :

1. Habt ihr auch eine solche Legende von eurem Therapeuten?

2. Hat vielleicht jemand schon mal gewagt diese Fantasien in allen Details vor dem Therapeuten auszubreiten und wie Gong das eventuell aus?

Ich danke euch allen schon mal für die ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema .

Draußen

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ziegenkind
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Beitrag So., 10.01.2016, 19:50

ja, draußen, hatte ich auch so eine legende. habe ich auch mal wenig sanft vor der ziege hufen gelegt. war eine schwierige stunde. einiges aus meiner legende stimmte und irgendwie war das für beide seiten kurze zeit schwer auszuhalten. gleichzeitig: das war eine ganz, ganz wichtige stunde: wegen vertrauen haben, wegen aushalten wo wir grundverschieden sind, wegen aushalten wo wir verdammt ähnlich ind, wegen realität reinbringen.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Tannenbaum
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Beitrag So., 10.01.2016, 19:53

Hallo Draußen

Deine Therapeutin schreibt Bücher? Cool!

Ich verstehe nicht ganz, was du meinst. Einfach die Fantasien, die man über das Leben seiner Therapeutin hat? Ja, diese Dinge habe ich auch schon angesprochen. Aber nicht wenn ich Mühe mit ihr hatte sondern wenn ich mich ihr näher fühlen wollte. Das war jedes Mal gut. Ich würde das gerne öfter tun weil sie mir oft mehr verrät als ich es erwarten würde.
Mich würde interessieren, ob ich das richtig interpretiert habe, dass du das für deine Therapeutin wie als Strafe siehst. Du möchtest ihr deine Fantasien "um die Ohren hauen" oder "vor die Füsse kotzen". Heisst das, du hast negative oder beleidigende Fantasien über ihr Leben?


leberblümchen
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Beitrag So., 10.01.2016, 20:02

Hallo, ich breite das schon aus, aber eher nüchtern und weniger wütend. Ich weiß nicht, ob du so was meinst? Ich sage dann: "Ich denke, dass Sie so und so sind" (das sind dann schon weniger angenehme "Unterstellungen", wobei er das Wort "Unterstellung" ablehnt, aber mir kommt es so vor) - und so was wird dann ruhig zur Kenntnis genommen (und manchmal hab ich dann das Gefühl, das Schweigen darauf "richtigerweise" so zu deuten, dass meine Annahme stimmt). Ich wüsste gar nicht, woran ich das festmache; kann man ja schlecht beweisen; ist nur so ein Gefühl. Oder noch eher: Ich hab das relativ sichere Gefühl, dass er meine Annahmen dann zum Anlass nimmt, darüber nachzudenken, ob es stimmen könnte. Diese Annahme wiederum versöhnt mich dann - und so wurde aus einem eigentlich unangenehmen Aspekt fast wieder etwas Positives.

Was mich ein bisschen verstört, ist, dass ich doch aufgrund bestimmter Details ziemlich sicher ganz wesentliche Dinge über ihn erfahren "muss", ohne das wirklich zu wollen. Aber da müsste ich mir schon die Augen zuhalten. Was mich also daran stört, ist, dass ich annehme, dass er das gar nicht bemerkt, dass er auf diese Weise sehr viel von sich preisgibt. Und mir fällt gerade auf, dass ich mich nicht traue, DAS anzusprechen, komischerweise. Ich könnte also sagen: "Ich glaube, Sie sind...", aber ich könnte nicht sagen: "Ich glaube, Sie sind..., weil Sie...". DAS erschiene mir übergriffig. Solange ich also offen zugeben kann, dass meine Vermutungen alleine meiner Phantasie entspringen, fällt es mir leicht, darüber zu sprechen. Sobald ich aber merke, dass ich es sogar begründen könnte anhand von "Beweisstücken", tue ich mich sehr schwer - obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich irre, ja viel größer ist, wenn die Vermutung nur der Phantasie entspringt.

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Widow
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Beitrag So., 10.01.2016, 20:23

Draußen hat geschrieben:Ich hab ja eine bestimmte Vorstellung von meiner Therapeutin , so eine Mischung aus Fakten [...] und andererseits das was ich an und mit ihr so erlebt habe. Das recht magere Bild habe ich großzügig mithilfe meiner Fantasie vervollständigt.[ ...]
1. Habt ihr auch eine solche Legende von eurem Therapeuten?
Nein, liebe Draußen. Ich hatte bislang keinen Drall, das, was ich weiß, durch meine Fantasie zu vervollständigen. (Dazu geht es zu selten um "unsere Beziehung", glaub ich. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich einiges weiß. Und was ich weiß, gefällt mir, zumindest überwiegend.)
Draußen hat geschrieben:Wenn ich in letzter Zeit mit meiner Analyse Schwierigkeiten habe, will ich meiner Analytikerin diese ganze Legende erzählen, sie ihr um die Ohren hauen oder vor die Füße kotzen . [...]
2. Hat vielleicht jemand schon mal gewagt diese Fantasien in allen Details vor dem Therapeuten auszubreiten und wie ging das eventuell aus?
Nein, das Bedürfnis habe ich ebenfalls nicht. Ich weiß auch - um ehrlich zu sein - nicht, welchen "Zweck" das haben sollte?
Willst Du sie mit Deinen Phantasien konfrontieren, um sie zu beschämen (à la: 'Ich halte dich für so eine Großkopferte, die nur Glück hatte und mich gar nicht verstehen kann!'); vielleicht liege ich da ganz falsch, aber mich irritiert der aggressive Ton, mit dem Du die Phantasie des Auskotzens artikulierst.
Draußen hat geschrieben:Letztmalig passierte das am Tag vor ihren Weihnachtsferien und so sind wir dann auch auseinander gegangen.
Das klingt nach großem Weh in den Ferien (und das täte mir sehr leid) ...
Darf ich fragen: Wenn Du das schon gemacht hast - wie hat denn Deine Analytikerin darauf reagiert? (Hat ihre Reaktion Dich enttäuscht? Dann würde ich Deine Fragen vielleicht besser verstehen können.)

Ein zartes Schnauben von Widerrist zu Widerrist
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Draußen
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Beitrag So., 10.01.2016, 20:29

Ziegenkind Danke. Irgendwie triffst du genau meine Hoffnungen und Ängste.

Tannenbaum ja es ist schwierig. Strafe wäre es in meinen Augen , wenn sie merkt WIE nah ich ihr bin (falls ich es bin). Oder wenn ich es nicht bin eine vernichtende Beschämung

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Draußen
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Beitrag So., 10.01.2016, 20:56

Leberblümchen zur Erklärung : Ich fürchte möglicherweise die Analyse zu beschädigen, wenn ich ihr durch mein Wissen zu nahe komme.
Es ist eher das ganze Bild, das ich von ihr habe ... ich brauche das für meine Analyse und dann ist da noch die Wahrheit , die ich nicht erfahren werde .... so oder so

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Draußen
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Beitrag So., 10.01.2016, 21:09

Widow meine Aggression, ja die irritiert mich auch. Gerade weil der Wunsch ihr den fiktiven Lebenslauf den ich für sie erstellt habe mitzuteilen immer nur dann auftritt , wenn ich Schwierigkeiten mit ihr habe. So auch vor dem Urlaub ... ich hatte eröffnet dass ich in Wut ihr ihre Geschichte erzählen will und wollte über das Warum nachdenken, sie aber wollte die Geschichte hören . Also war ich bockig (erstmals in meiner Analyse ) und keine von uns beiden wurde befriedigt.
Sie: Wollen Sie wirklich so in die Ferien gehen?
Ich: Das macht doch keinen Unterschied

Und ich habe keine Ahnung wieso

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mondlicht
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Beitrag So., 10.01.2016, 21:16

Hallo Draußen,

das ist eine sehr interessante Frage, vielen Dank für die Anregung. Ich fantasiere sehr viel über meine Therapeutin, habe das immer gemacht. Bin noch nie auf die Idee gekommen, das jeweils mitzuteilen. Warum nicht? Ich würde mich das nicht trauen, so viel von mir zu zeigen. Das finde ich jetzt gerade für mich die interessante Erkenntnis.
Was ich nicht verstehe:
Draußen hat geschrieben: Ich fürchte möglicherweise die Analyse zu beschädigen, wenn ich ihr durch mein Wissen zu nahe komme.

Wieso glaubst Du, der Therapeutin zu nahe zu kommen, wenn Du über Deine Fantasien sprichst?

Lieben Gruß!

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Draußen
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Beitrag So., 10.01.2016, 21:35

Mondlicht "Ich würde mich das nicht trauen, so viel von mir zu zeigen." Das ist wohl wichtiger als ich das auf dem Schirm hatte .... von mir zu zeigen ... deshalb wohl auch meine Angst mich selbst zu beschämen.

Zu deinem zweiten Punkt: Was wenn meine Fantasien ihre Wirklichkeit abbilden


Tränen-reich
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Beitrag So., 10.01.2016, 21:53

Draußen hat geschrieben:Was wenn meine Fantasien ihre Wirklichkeit abbilden
Wenn ich diese Befürchtung hätte, meine Therapeutin würde mir das nicht sagen und genau so würde sie mir das auch mitteilen. Für sie geht es nicht darum, dass ich ihre Wirklichkeit abbilde und das dann bestätigt bekomme, sondern, es geht da um mich. Sie ist also auf meine Phantasien mit Fragen eingegangen und so kam ich vom Hölzchen aufs Stöckchen.
Davon abgesehen, dass ich eh nichts von ihr wissen wollte, weil ich sie als weiße Wand behalten wollte.

Ich weiß ja nicht, wie deine da so tickt.

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Draußen
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Beitrag So., 10.01.2016, 22:04

Tränen-reich hat geschrieben:Für sie geht es nicht darum, dass ich ihre Wirklichkeit abbilde und das dann bestätigt bekomme, sondern, es geht da um mich. Sie ist also auf meine Phantasien mit Fragen eingegangen und so kam ich vom Hölzchen aufs Stöckchen.
Oje. Meine tickt da genauso . Ich kann im Moment dieses "Es geht da um mich." Nicht mehr hören . Immer wenn es ihr passt wird darauf ausgewichen. Irgendwie bin ich das leid . Es gab viel Chaos im letzten Jahr und wir hatten einige Zeit auch eine Art exklusiver Therapie davon hängt mir wohl was nach.

Ich bin grade nicht so konzentriert... morgen mehr.


Tränen-reich
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Beitrag So., 10.01.2016, 22:06

Liest sich so, als würdest du mehr von deiner Thera erfahren wollen..
Wenn ja, was bringt dir das dann?

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Draußen
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Beitrag So., 10.01.2016, 22:39

Ich bin mir nicht sicher , ob ich wirklich mehr von ihr wissen will. Eher weniger. Im letzten Jahr erfuhr ich zufällig, dass ihr Mann ins Krankenhaus musste. Ich habe mich erst Monate später getraut nachzufragen (in Träume verkleidet ) ob und wie er es überstanden hat. Und das gleiche vor paar Wochen nochmal. Sie hat mir gesagt ihr Mann sei erneut im Krankenhaus (da ging es um ein Telefonat in der Stunde ). Ich habe keine Ahnung, wie es ihm jetzt geht. Das würde mich ja auch gar nicht interessieren, wenn ich nichts von dem Krankenhaus wüsste .... argh ich gerate im Rage


Alyssa
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Beitrag So., 10.01.2016, 23:05

Widow: Ich habe genau deine Einstellung. Am Anfang wusste ich gar nichts von meinem Therapeuten - und war gerade deswegen neugierig. Dann hat er ab und an mal Kleinigkeiten erzählt, nie etwas wirklich privates, immer nur Dinge, wo es nur um ihn, seine Arbeit oder seine favorisierte Freizeitaktivität ging. Das hat mir gereicht, seitdem bin ich nicht mehr neugierig auf ihn bzw. sein Leben. Ich weiss, dass er ein stinknormales Leben führt wie Tausende andere auch, ich weiss, dass ihn wie jeden anderen Menschen Dinge ärgern und freuen können, dass er genervt, müde oder traurig sein kann. Und ich weiss, dass es ein paar klitzekleine Punkte gibt, in denen wir uns sehr ähnlich sind, aber dass es eben auch millionen Punkte gibt, in denen er völlig anders ist als ich. All das, was ich nicht weiss, muss ich nicht mit meiner Fantasie ausfüllen.

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