Ist Psychotherapie eine Heilmethode? (aus: Emot.Entt.)

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Aditi
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Beitrag So., 04.01.2009, 16:24

Jenny Doe hat geschrieben: Denn man sucht nicht nach der Ursache von etwas, unter dem man nicht (mehr) leidet.
Jenny
wieso leidet man unter etwas, wo es doch keine ursache gibt? - nach deiner definition!
das leiden ist aber da!
Wenn es gelingt die Symptome zu beseitigen, dann ist auch die Ursache gleichgültig. Denn man sucht nicht nach der Ursache von etwas, unter dem man nicht (mehr) leidet.
sorri, da ist doch ein widerspruch in deinen gedanken, oder? was war zuerst? das ei oder die henne? so kommt mir diese auseinanderklauberei vor.
aditi

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MinaM
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Beitrag So., 04.01.2009, 16:27

Hallo,
Aditi hat geschrieben:ich bin keine psychoexpertin, darum meine frage: im seelischen bereich reicht die symptombehandlung allgemein, oder gibt es auch hier differenzierungen?
Ich würde sagen es ist derzeit gar nichts anders möglich als Symptombehandlung.
Das ist jedenfalls in der Medizin so. Und wie es sich abzeichnet, wahrscheinlich aus in der PT, Eine grundlegende Heilung gibt es nicht. Andererseits kann man natürlich sagen, dass das lindern von Symptomen oder ihr vollständiges beseitigen, dass ist was „Heilung“ durchaus recht nahe kommt.

Und wenn du eine Allergie hast, ist das Vermeiden der allergieauslösenden Substanz quasi auch ein symptomatisch vorgehen. Warum ausgerechnet du auf etwas allergisch reagierst und ein anderer nicht, das ist ein Rätsel (die Ursache)
Aber die Lösung ist trotzdem einfach: die entsprechende Substanz meiden.

lg
MinaM
Zuletzt geändert von MinaM am So., 04.01.2009, 16:30, insgesamt 1-mal geändert.
Nichts bereuen ist aller Weisheit Anfang.
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Jenny Doe
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Beitrag So., 04.01.2009, 16:28

Hallo Aditi,
würde ich allerdings nur die symptome behandeln - die da sind, schmerzen, schwellung, abnormale stellung ect. - mit tbl, salben, bettruhe ect., ohne weiter zu schauen - nach der ursache suchen, mithilfe von röntgen z.b., wäre das grob fahrlässig.
Es gibt Abstufungen: Wenn meine Bekannte nicht mit auf die Brücke gehen mag (beobachtbares Verhalten, verbale Äußerung von ihr), -> dann kann das die Ursache haben/den Grund haben, dass sie Angst hat. -> Jetzt kann man weiter forschen, wo die Angst ihren Ursprung nahm. Man kann aber auch hingehen und sagen, "wir arbeiten an der Angst, egal, woher sie kommt" und den Klienten dazu ermuntern, sich Schritt für Schritt der Angst zu stellen und ihm zu erklären, wie er mit der Angst umgehen kann/soll.

Meine Therapeutin hat das so gemacht: Sie hat zuerst versucht, die Symptome wegzukriegen. Erst wenn das nicht klappte, dann forschte sie nach der Ursache. Sie geht somit den umgekehrten Weg als den, der in den meisten Therapie üblich ist, die sofort mit der Ursachensuche beginnen, ungeachtet dessen, worunter jemand leidet.
Ich fand diesen Ansatz sehr hilfreich. Von einigen Symptomen kenne ich bis heute die Ursache, den Ursprung nicht, wie z.B. von der Depersonalisation, unter der ich viele Jahre liit. Wann find sie an? Als meine Mutter mich schlug? Infolge von Drogenkonsum? ... Ich weiß es nicht und ich werde es auch nie erfahren. Aber die Ursache ist mir auch ziemlich gleichgültig, da mir meine Therapeutin dabei geholfen hat, dass ich nicht mehr depersonalisiere. Somit ist die Depersonalisation für mich kein Thema mehr, genausowenig wie die Frage nach der Ursache, auf die ich nie eine Antwort finden werde. Manchmal muss man einfach akzeptieren, dass man nicht alles weiß.

Viele Grüße
Jenny
Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben, damit wie das Leben leben können, das uns erwartet (Joseph Campbell). Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen (Hermann Hesse).


Jenny Doe
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Beitrag So., 04.01.2009, 16:38

wieso leidet man unter etwas, wo es doch keine ursache gibt?
Ich meine damit nicht, das es keine Ursache gibt.
Ich versuche es nochmal zu erklären:
Die Ursachenforschung erfolgt ja aufgrund der Symptome, mit denen ein klient in die Therapie kommt. Hinter dieser Ursachensuche steckt die Überzeugung, dass der klient geheilt ist, wenn ihm die Ursache bewusst wird.

Wenn es jedoch gelingt, die Symptome (ohne Ursachensuche) zu beseitigen, dann wird die Frage nach der Ursache unwichtig und uninteressant. (Man ist geheilt, hat keine Probleme mehr, was interessiert einen da noch, woher es einst kam?)
Siehe dazu auch mein obiges Beispiel zur Depersonalisation.

viele Grüße
Jenny
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Aditi
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Beitrag So., 04.01.2009, 16:44

Jenny Doe hat geschrieben: Manchmal muss man einfach akzeptieren, dass man nicht alles weiß.
jenny doe,
that´s it! es ist gut, das akzeptieren zu können. mir fehlte dieser hinweis irgendwie in den vorangegangenen beiträgen. und ich wollte nicht, dass diese erkenntnis verlorengeht.

mlg
aditi

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Aditi
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Beitrag So., 04.01.2009, 16:52

Jenny Doe hat geschrieben: Wenn es jedoch gelingt, die Symptome (ohne Ursachensuche) zu beseitigen, dann wird die Frage nach der Ursache unwichtig und uninteressant. (Man ist geheilt, hat keine Probleme mehr, was interessiert einen da noch, woher es einst kam?)
Jenny
da hast du schon recht - für menschen, denen die ursache nicht so wichtig ist.
ich gehöre zu der sorte von menschen, die gerne "wissen". wenn ich verstandesmäßig nicht nachvollziehen kann, weshalb ich reagiere, wie ich reagiere, wäre "heilung" kaum möglich. ich gehöre zu denen, die die ursache "brauchen" oder wissen wollen woher "es" kommt.

aditi

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Aditi
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Beitrag So., 04.01.2009, 17:05

ich muß wiederum differenzieren ...

das "symptom" ist angst und die ursache ist .... das was dahinter ist ... es ist der schmerz.
die angst davor, den schmerz nicht überleben zu können.

so gesehen, hast du absolut recht, die ursache - die ursache der vergangenheit - ist unerheblich. es gilt die erfahrung zu machen, dass man den schmerz überlebt.

aditi

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Aditi
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Beitrag So., 04.01.2009, 17:53

MinaM hat geschrieben:Und wenn du eine Allergie hast, ist das Vermeiden der allergieauslösenden Substanz quasi auch ein symptomatisch vorgehen. MinaM
ein symtomatisches vorgehen mit der erkenntnis der allergieauslösenden ursache. eine allergieauslösende substanz kannst ja quasi nur vermeiden, wenn du die substanz identifiziert hast. (und wir wissen, wie viele, 1000ende auslöser es gibt)
also, ist hier die kenntnis der ursache sehr wohl von bedeutung.

aditi

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MinaM
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Beitrag So., 04.01.2009, 18:21

Hallo,
Gärtnerin hat geschrieben:Bei all den interessanten Diskussionen um Sinn und Unsinn bzw. Wirksamkeit der Psychotherapie stellt sich mir immer wieder eine Frage: Welche Alternativen gibt es? Wie könnte man jemandem mit Depressionen oder Borderline anders oder besser helfen?
Ja die Frage nach den Alternativen die es gibt ist berechtig.
So wie es aussieht gibt es nur das, was es eben derzeit gibt, einen Psycho-Dschungel durch den sich der Klient durchkämpfen muss. Zigfach auf der faschen Fährte ist und dann vielleicht mit viel Glück auf seiner Odyssee nach Jahren auf etwas stößt, was ihm helfen könnte. Aber ich sag ja mit viel Glück, den es gibt sicher viele, die einfach nach Jahren auch auf nichts stoßen was hilft, ihr Zustand unverändert bleibt oder sich noch verschlechtert.
Da könnte es ja eine Alternative sein für solche Leute, einmal aus dem ganzen PT-Getriebe auszusteigen und sich wieder auf Selbsthilfe zu besinnen. Die Erkenntnis: "da gibt es keine Hilfe von Außen" könnte vielleicht doch bei einigen ihre Selbsthilfeenergien mobilisieren. Auch Menschen mit psychischer Störung sind schließlich noch Menschen mit Verstand und Vernunft. Warum sollten sie dann nicht auch aus eigener Kraft und ohne PT Lösungen für ihre Probleme finden können?
Die PT erzählt natürlich eine andere Geschichte. Sie sagt den Menschen ein, er sei unfähig und hilflos ohne Therapeut und „Experten“ . Was daraus entsteht ist eine Epidemie an Therapeuten-Abhängigen Menschen, die bereit sind jeden Psycho-Auswugs zu glauben und mitzumachen, sofern es ja von einem „Experten“ kommt. Die felsenfest überzeugt sind, dass sie sich nicht selber helfen können und je länger sie das mitmachen immer noch überzeugter davon sind. Wie haben das früher die Menschen ohne PT gemacht?
Bei alldem gilt es ja schon geradezu als subversiv den Gedanken überhaupt zu denken, dass es Lösungen außerhalb der PT und dafür innerhalb des Menschen gibt.
Das heißt nicht das er nicht Rat und Anregungen auch von Außen aufnehmen soll. Allerdings sollte er immer seine eigene Entscheidungsinstanz bleiben, auf die er hört, sozusagen sein eigener „Experte“.
Ob sich jeder selbst heilen kann bleibt natürlich offen - es gibt keine Garantie!
Das selbe wird aber doch auch von der PT gesagt, es gibt keine Garantie auf Wirksamkeit.
Ich meine das alles jetzt bezogen wie PT derzeit ist. Vielleicht entwickelt sie sich ja mal in Zukunft zu etwas wissenschaftlich fundierten und nachvollziehbaren, mit auch empirisch belegter Wirksamkeit. Aber davon ist sie heute noch meilenweit entfernt. Mir erscheint sie derzeit so Kunterbunt wie der Esoterik-Markt.

lg
MinaM
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Gärtnerin
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Beitrag So., 04.01.2009, 18:51

MinaM hat geschrieben: Auch Menschen mit psychischer Störung sind schließlich noch Menschen mit Verstand und Vernunft.
Das hängt allerdings von der Art der psychischen Störung ab.
MinaM hat geschrieben: Allerdings sollte er immer seine eigene Entscheidungsinstanz bleiben, auf die er hört, sozusagen sein eigener „Experte“.
Da stimme ich dir vollkommen zu. Das ist auch etwas, was ich manchen - nicht allen! - Psychotherapeuten ankreide: dass sie ihren Klienten zu wenig Gespür für den eigenen Genesungsweg (und den eigenen Zeitplan) zutrauen. Ich habe es in der Klinik erlebt, dass mir gewisse Therapien aufgedrängt wurden, zu denen ich zu weder bereit noch fähig war, und meine Weigerung wurde sofort als "Abwehr" pathologisiert. Heute weiß ich, dass meine Ängste damals nicht irrational waren, sondern mich vor einer ganz konkreten Überforderung schützten. Und im Rückblick erkenne ich, dass mich eigentlich in allen Bereichen der Therapie mein eigenes Empfinden am besten geführt hätte, hätte man es mir denn zugestanden.
Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, findet Gründe.

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quovadis
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Beitrag Mo., 05.01.2009, 13:34

MinaM hat geschrieben: Aber ich sag ja mit viel Glück, den es gibt sicher viele, die einfach nach Jahren auch auf nichts stoßen was hilft, ihr Zustand unverändert bleibt oder sich noch verschlechtert.
Da hast du leider Recht. Ich hab’ eine über 3 Jahre lang dauernde Analyse hinter mir. Anfangs war ich optimistisch und mein Zustand besserte sich. Was mich aber immer mehr belastete, war, dass ich’s beruflich nicht mehr hinbekommen habe. Gegen Ende der Therapie verlor ich vollkommen die Hoffnung und wegen meiner Existenzängste konnte ich mich kaum mehr auf mein Innerstes konzentrieren. Meine Therapeutin, die sich bis dahin mir gegenüber immer verständnisvoll und nett zeigte, drehte sich in ihrem Verhalten auf einmal um 180 Grad. Statt mir in der extrem schwierigen Phase beizustehen, distanzierte sie sich und ließ mich komplett fallen. Dadurch hat sie mir einen enormen Schlag versetzt, von dem ich mich bis heute nicht erholt habe. Seitdem leide ich verstärkt unter körperlichen Symptomen und weiß gar nicht, wo ich die ganze Enttäuschung, Traurigkeit und Wut lassen soll. Ich versuch’s mit Sport in den Griff zu bekommen. Ausserdem nehme ich noch Tabletten.
MinaM hat geschrieben: Die PT erzählt natürlich eine andere Geschichte. Sie sagt den Menschen ein, er sei unfähig und hilflos ohne Therapeut und „Experten“ . Was daraus entsteht ist eine Epidemie an Therapeuten-Abhängigen Menschen, die bereit sind jeden Psycho-Auswugs zu glauben und mitzumachen, sofern es ja von einem „Experten“ kommt.
Besonders während einer lange dauernden Therapie entsteht meines Erachtens zwangsläufig eine sehr intensive Bindung. Auch wenn für mich das therapeutische Verhältnis nach wie vor etwas Irreales und Seltsames hat, denn meine Therapeutin sorgte zwar zeitweise für große emotionale Nähe in der Therapie, war aber ansonsten – logischerweise, aber trotzdem leider - unantastbar. Da sie nun für alle Zeiten für mich verschwunden ist, bleibt mir gar nichts anderes übrig, als selbst mit allem klar zu kommen.
Gärtnerin hat geschrieben:Ich habe es in der Klinik erlebt, dass mir gewisse Therapien aufgedrängt wurden, zu denen ich zu weder bereit noch fähig war, und meine Weigerung wurde sofort als "Abwehr" pathologisiert. Heute weiß ich, dass meine Ängste damals nicht irrational waren, sondern mich vor einer ganz konkreten Überforderung schützten. Und im Rückblick erkenne ich, dass mich eigentlich in allen Bereichen der Therapie mein eigenes Empfinden am besten geführt hätte, hätte man es mir denn zugestanden.
Als ich 2004 in die Klink eingeliefert wurde, hatte ich noch überhaupt keine Ahnung von Psychotherapie. Da nahm ich alles, was mir dort geboten wurde, sofort begeistert an, ohne irgendetwas in Frage zu stellen. Das war damals für mich von Vorteil, weil ich mich ohne Vorbehalte sehr motivert auf die Behandlung einlassen konnte und es somit zunächst deutlich aufwärts ging. Durch meine schlechten Erfahrungen gegen Ende der letzten Therapie habe ich diese Einstellung völlig verloren.

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Gärtnerin
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Beitrag Mo., 05.01.2009, 18:35

In einer Klinik ist das zusätzliche Problem, dass es dort einen gewissen Erfolgsdruck den Krankenkassen gegenüber gibt: Dem Patienten soll es nach vier oder sechs Wochen nachweisbar besser gehen als vorher. Bei der Entlassung soll seine Funktions-/Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt sein. So werden die Tage mitunter mit unzähligen verschiedenen Therapien vollgestopft nach dem Motto "viel hilft viel". Da bleibt kein Platz für "Wir lassen den Klienten nach seinem eigenen Zeitplan vorwärtsgehen."

In der Klinik, in der ich war, wurden im Rahmen der Qualitätssicherung bei der Entlassung Patientenfragebögen ausgeteilt, anhand derer man den Erfolg des Aufenthalts bewerten sollte. Leider hat man danach nie wieder von der Klinik gehört. Hätte man diese Befragungen nach einem halben Jahr oder einem Jahr wiederholt, wäre vielleicht ein wirklich objektives Ergebnis über die längerfristige Therapiewirksamkeit herausgekommen. Aber das schien wohl nicht erwünscht zu sein?
Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, findet Gründe.

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Stöpsel
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Beitrag Mo., 05.01.2009, 20:29

Hallo MinaM,
Es klingt ja auch (oberflächlich) betrachtet so einleuchtend und plausibel, man müsse die Ursache kennen um das Problem beseitigen zu können – wer kann da schon widersprechen? Aber wenn man die Aussage näher betrachtet, kann sie durchaus in Zweifel gezogen werden.
ich wollte nur ganz kurz einwerfen, daß der Begriff "URsache" unterschiedlich verwendet werden kann.
1. Ursache für aktuelle Einstellungen, Verhaltensweisen, Störungen ist diese oder jene Begebenheit aus der Kindheit
2. Ursache für aktuelle Einstellungen, Verhaltensweisen, Störungen ist diese oder jene andere aktuelle Einstellung, Verhaltensweise (z.B. weil man immer zu negativ auf die Welt schaut, verhält sich die UMwelt gemäß einer selbsterfüllenden Prophezeiung, worauf man selbst wieder reagiert...)

Die Ursachen Nummer 2 zu suchen und deutlich zu machen, macht schon Sinn, weil man die ja schon verändern kann (sicher unterschiedlich gut). Und machen einige Therapien ja auch.

Komplexes THema, kann nur grad nicht mehr schreiben, ebensowenig wie zu anderen Beiträgen, zu denen ich eigentlich schon lange was sagen wollte.

Viele Grüße

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MinaM
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Beitrag Mo., 05.01.2009, 22:39

Stöpsel hat geschrieben:2. Ursache für aktuelle Einstellungen, Verhaltensweisen, Störungen ist diese oder jene andere aktuelle Einstellung, Verhaltensweise (z.B. weil man immer zu negativ auf die Welt schaut, verhält sich die UMwelt gemäß einer selbsterfüllenden Prophezeiung, worauf man selbst wieder reagiert...)
Ja, diese 2. Ursachen-Wirkungs-Zusammenhang Betrachtung ist ja auch akzeptabel, da es ja wie du schreibst eine aktuelle Einstellung ist. Ein Mensch der eine negative Weltsicht hat, sieht sie jetzt negativ, und deshalb kann man sie auch im Jetzt beheben, z.B dem Menschen zur positiveren Sicht verhelfen.
Sinnlos ist allerdings die Suche in den tiefsten Tiefen der Vergangenheit da a) eh nicht mehr behebbar und b) wahrscheinlich nicht mal nachvollziehbar und auffindbar.

lg
MinaM
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max35
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Beitrag Di., 06.01.2009, 00:37

Moni68 hat geschrieben:Einem Patienten zu Therapieerfolgen zu gratulieren, während es ihm zunehmend schlechter geht, ist nicht nur Ignoranz. Ich glaube, dass Du das alles so erlebt hast. Einige drastische Beispiele könnte ich hinzufügen. Und ich kenne positive Entwicklungen, ehrliche Begegnungen von menschlicher Wärme und Respekt getragen – hier hat dann auch die Methode gegriffen. Eine erfolgreiche Therapie wird nicht so häufig hinterfragt. Patienten denken dann in Dankbarkeit zurück. Es gibt dazu einen treffenden Satz: „Man kommt in der Therapie nur so weit, wie der Therapeut selbst gekommen ist.“
Moni
Nun, ich habe es schon öfter gesagt: Ich kann jetzt nicht sagen, daß die Therapiebeziehung aus meiner Sicht eine schlechte war.
Aber diese Art der Ignoranz war letztlich unerträglich.
Was mich bei allen Therapien erstaunt hat war, daß auf meine Entscheidung bezüglich des Therapieabbruches mit Verwunderung reagiert wurde. Es war fast auch so ein gewisser belehrender Unterton dabei nach dem Motto "Naja, sie können ja machen, was sie wollen, aber richtig wäre es so und so".
Ich finde es aber z.B. absurd, wenn mir gesagt wird, man solle die Therapie jetzt in einer Stunde noch abrunden, obwohl über Jahre hinweg genug Zeit war, sie rund zu gestalten. Man kann nichts mit Gewalt abrunden, was nicht rund ist.
Ich hatte irgendwie den Eindruck, daß es da - so kindisch es auch klingt - nur darum ging, recht zu haben. Um jeden Preis und auch um den, dem Klienten seine Empfindung abzusprechen.
Das zweite, was mich gestört hat (und zwar bei allen Therapeuten): Sie hätten den Schritt, den letztendlich ich gesetzt habe (nämlich mal festzustellen, daß man SO nicht weiterkommt), selbst viel früher setzen müssen. Daß sie das auch in Zeiträumen von Jahren (!) nicht geschafft haben, spricht für sich selbst.
Bei Angst und Depression müßte von Therapeutenseite einer der ersten Schritte meiner Ansicht nach wie folgt laufen: So und ab heute versuchen Sie ganz bewußt, sich nicht mit ihrer Angst zu beschäftigen !
Und die Hauptaufgabe des Therapeuten wäre es, den Patienten nicht von dieser Linie wegzubringen und nicht, mit ihm über die Angst um die Wette zu philosophieren.
Aber bitte in welcher Therapie passiert das heute ?
Es passiert - wie hier schon öfter postuliert - genau das Gegenteil. Es dreht sich letztendlich nämlich alles nur noch um die Angst. Und um es wie in einem Rezept zu beschreiben: Gegen Angstgrübeln bekommt man 1x wöchentlich Angstgrübeln verschrieben, bis man 50 mögliche Ursachen detailiert durchbesprochen hat, alle möglichen Leute daran schuld sind und man in Wahrheit keinen Schritt weiter ist. Weil es auch völlig unlogisch wäre, SO weiterzukommen. Angst ist ja erst durch die Beschäftigung damit akut geworden - mit noch mehr Beschäftigung wird das also kaum umkehrbar sein.
Ich sehe ja selbst Konfrontation teils als Beschäftigung: Da gibt es Klienten, die Angsttagebücher führen müssen und peinlich genau dokumentieren, was mit ihrer Angst passiert, wann sie sich wieder konfrontieren.
Der Angst stellen - Ja. Aber Konfrontieren mit Gewalt und nach Schema F bringt genau gar nichts.

Und ganz ehrlich gesagt: Wenn ich mir ewig einreden hätte lassen, was gut oder schlecht für mich ist, dann wäre ich nie einen Schritt weiter gekommen. Weil ich kann mir nicht sagen, daß es mir gut geht, wenn es nicht so ist. Ich kann nur weiterkommen, wenn ich ehrlich mit mir selbst bin.

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