wenn das Citalopram nicht geholfen hat, dann frage ich mich, warum du es glatte anderthalb Jahre lang trotzdem genommen hast. Dass es anfangs einige Wochen dauert, bis ein Medikament wirkt, und dass die individuelle Dosierung ausgetestet werden muss, ist klar, aber anderthalb Jahre an der Dosierung schrauben ohne deutliche Besserung?! Ist deine Psychiaterin da so unflexibel, dass sie nicht auf die Idee kam, auf ein anderes Medikament umzusteigen? Sorry, aber ich wundere mich gerade wirklich...
O ja, dieses Gefühl kenne ich nur zu gut. Solche Phasen, wo mir dieser ganze Psychokram so zum Hals raushing, hatte ich im Verlauf meiner Therapie immer wieder. Während meines Kliniksaufenthalts habe ich bei meinem Therapeuten sogar mal eine Woche "Urlaub" beantragt, d.h. ich wollte eine Woche lang keine therapeutischen Dinge mehr machen. Na ja, ich hab's leider gerade mal zwei Tage ausgehalten. Dann kam ich mit meinerm Inneren nicht mehr alleine klar und stand wieder reumütig vor ihm. Aber sofern es funktioniert, finde ich es eigentlich gar nicht verkehrt, das Trauma ab und zu mal in eine Ecke zu schieben und sich eine "Pause" zu gönnen.staden hat geschrieben:Irgendwie habe ich manchmal auch die Nase voll, mir immerzu so viele Gedanken um mich und meine Psyche und meine Vergangenheit zu machen.
Puh, so viele Fragen. Da muss ich erst einmal die einzelnen Therapien sortieren. Jede hatte ihre eigenen Stärken und Schwächen.staden hat geschrieben:Du hast ja schon sehr viel und lange Therapieerfahrung, War das eher analytisch, tiefenpsychologisch, verhaltenstherapeutisch? Was denkst du, hat dir am meisten geholfen während dieser Zeit?
1.) therapeutische Gemeinschaft: Das war in einer christlichen Einrichtung und hatte somit auch einen spirituellen Hintergrund, z.B. gemeinsame Gebetszeiten, was ich übrigens nie als einengend erlebt habe. (Aber ich hatte mir das ja auch bewusst ausgesucht.) Die Therapie war sehr intensiv und ganzheitlich (Körper - Seele - Geist) aufgebaut, ohne eine spezielle therapeutische Richtung. Als besonders wohltuend empfand ich dort das Gefühl, ganz bedingungslos angenommen zu sein, sowie das enge Zusammenleben. Die Räumlichkeiten waren sehr einfach. Zwar hatte jeder sein eigenes Zimmer, aber man teilte sich z.B. das Bad. Putzen mussten wir selber. Die Mahlzeiten wurden gemeinsam zubereitet. Auch die Therapeuten gehörten irgendwie dazu und standen nicht so abgehoben obendrüber. Es war wie eine Familie, in der man sich auch gegenseitig auffing.
2.) psychosomatische Klinik: Dort war ich insgesamt 5 Monate und hatte einen Psychoanalytiker als Therapeuten. Er machte zwar nicht ganz die klassische Analyse, aber in die Richtung ging es schon. Besonders geholfen hat mir, dass in der Klinik jederzeit, Tag und Nacht, jemand vom Pflegepersonal zu erreichen war (auch wenn ich erst lernen musste, dass ich das auch annehmen durfte).
3.) ambulante Therapie: Die Therapeutin arbeitete weitgehend tiefenpsychologisch orientiert, ohne jedoch zu eng an der Methode zu kleben. Bei ihr war es auch wieder das Gefühl des bedingungslosen Angenommenseins, das mir am meisten geholfen hat. Sie hatte ein riesengroßes Verständnis für alles und hat nie verurteilt. Zudem hat sie mir von Anfang an versprochen, dass ich so lange zu ihr kommen darf, wie ich will, ganz egal ob es mir gut oder schlecht geht. Dadurch fiel meine große Angst weg, fortgeschickt zu werden, bevor ich dazu bereit war. Wichtig bei den Themen, die ich damals behandelte, war, dass sie eine Frau war. Einem Mann hätte ich vieles so nicht anvertrauen können. Bei ihr war ich 6 Jahre.
4.) Heilpraktiker für Psychotherapie: Da habe ich letzten Herbst eine Therapie angefangen, aus einem diffusen Gefühl der "Sinnsuche" heraus. Er hatte eine sehr zielgerichtete Vorgehensweise und war wirklich gut. So hat er es schon in der ersten Stunde geschafft, meine Grundprobleme ganz klar auf den Punkt zu bringen. Nach der 5. Stunde habe ich trotzdem wieder aufgehört, weil ich gemerkt habe, dass die reine Gesprächstherapie für mich ziemlich ausgereizt ist. Zudem konnte ich ihm als Mann nicht so hundertprozentig vertrauen wie ich es gerne wollte.
5.) Körpertherapie:Da bin ich seit November. Ich denke, dass ich an meine sehr frühen Traumata über den Körper besser herankomme als über die Sprache. Auf Wunsch der Therapeutin (nach einer für sie erschreckenden Dissoziationsphase in unserer zweiten Stunde) gehe ich nebenher hin und wieder zu einer Fachärztin für Psychotherapie, damit für Notfälle ein ärztlicher Hintergrund da ist, also jemand, der evtl. mit Medikamenten eingreifen kann.
(Fortsetzung gleich)