Vater kratzt sich den Kopf blutig

Die Psyche spielt eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung des körpereigenen Abwehrsystems: immer mehr Krankheiten werden heute als 'psychosomatisch' und damit ggf. psychotherapeutisch relevant betrachtet.
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Seestern
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Vater kratzt sich den Kopf blutig

Beitrag So., 25.11.2007, 20:18

Hallo liebes Forum,


Ich bin mir nicht ganz sicher, in welchen Bereich meine Frage passt. @Admins: bei Bedarf bitte verschieben.

Mein Vater ist 72, Rentner und seit einigen Jahren multipel erkrankt. Diverse Gelenke musste schon ausgetauscht werden, er hat einen Herzschrittmacher und eine chronische Herzschwäche. In den letzten fünf Jahren habe ich aufgrund seiner Schwäche den nahenden Tod gesehen aber er hat sich erstaunlicherweise immer wieder aufgerappelt.

Seit ca. anderthalb Jahre ist ein neues Krankheits“phänomen“ bei ihm aufgetreten: aus einer anfangs kleinen Stelle auf dem Kopf, an der er ständig herumgekratzt hat, ist nun eine mittlerweile handtellergroße Fläche geworden, die juckt, nässt und blutet. Haare ringsum gibt es auch keine mehr, kein Wunder er „bearbeitet“ die Stelle ständig mit seinen Händen (auch Nachts).

Vergangenes Jahr bekam er eine schwere bakterielle Infektion, die sich an einem künstlichen Kniegelenk festsetzte. Es wurde lebensgefährlich, das Kniegelenk musste ausgetauscht werden in einer sehr risikoreichen Operation (aufgrund seines schwachen Herzens). Auslöser für die bakterielle Infektion war wahrscheinlich der Eintritt von Schmutz (von seinen Händen) an der Wunde am Kopf.

Die aufgesuchten Hautärzte sind ratlos.

Ich selbst kenne niemanden, der sich ständig selbst so verunstaltet, wie es mein Vater tut. Wenn man ihn auf seine ständige Kribbelei anspricht wird er aggressiv und verletzend. Ich kann mich kaum noch in der Gegenwart meines Vaters aufhalten, ich empfinde Nervosität und Widerwillen wenn ich ihm „dabei“ zuschaue.

Kennt jemand ein ähnliches Verhalten oder ähnliche Symptome bei einem älteren Menschen ?

Viele Grüße
Seestern

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R.L.Fellner
Psychotherapeut
männlich/male
Beiträge: 822

Beitrag So., 25.11.2007, 23:19

Liebe Seestern,

vom Typus her handelt es sich um keine 'psychosomatische' Krankheit (ich habe deshalb auch die Betreffzeile geändert).

Im höheren Alter, und auch nach belastenden körperlichen Eingriffen treten hirnorganische Störungen oder auch Störungen im Neurotransmitterhaushalt vergleichsweise häufig auf. Dies könnte die Ursache dieser sehr speziellen Form von "Kratz-Zwang" Ihres Vaters sein, vermutlich wäre das, was Sie beschreiben, als "Störung der Impulskontrolle" zu klassifizieren.

Ich möchte Ihnen dringend nahelegen, dass Ihr Vater einen Neurologen aufsucht (siehe Begriffserklärung auf meiner Website) und dort die entsprechenden Tests durchführen läßt - offenbar geht es hierbei ja auch um seine rein körperliche Gesundheit! Vielleicht kann er medikamentös so eingestellt werden, dass er seinen gesundheitsgefährdenden "Kratz-Zwang" in den Griff bekommt. Der Erfolg einer Psychotherapie erscheint mir - solange die körperlichen Ursachen angesichts dieser speziellen Rahmenbedingungen nicht abgeklärt sind - fragwürdig.

Alles Gute,
Richard L. Fellner

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Thread-EröffnerIn
Seestern
sporadischer Gast
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Beiträge: 26

Beitrag Mo., 26.11.2007, 15:46

Vielen Dank Herr Fellner, für diese ausführliche und kompetente Antwort.

Mein Vater war heute zu Besuch in einer Universitätshautklinik.
Das Ergebnis kenne ich noch nicht.

Den Vorschlag mit dem Neurologen werde ich ihm machen.

Herzliche Grüße
Seestern

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