Bin ich tatsächlich süchtig?

Dieser Bereich dient zum Austausch über Entzug, Entwöhnung und Therapie von substanzbezogenen Abhängigkeiten (wie Alkohol, Heroin, Psychedelische Drogen, Kokain, Nikotin, Cannabis, Zucker,..)
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lauli
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Bin ich tatsächlich süchtig?

Beitrag Mi., 08.03.2017, 21:37

Hallo an alle!

Irgendwie hab ich keinen Thread gefunden, der auf dieses Thema besonders eingeht.

Der eine oder andere von euch kennt mich vl. schon aus einem anderen Th.

Kurz zu meiner Geschichte:

Ich habe seit ca. 3 Jahren rez. Depressionen. In dieser Zeit habe ich alle möglichen Medis genommen, u. a. auch Temesta, Psychopax und Hydal nach einer Wierbelsäulen OP. Ich nehme zur Zeit noch Efectin 300mg, Abilify 10mg, Trittico 150mg, Concor 5mg und Zoldem 10mg. Temesta war nur bei Bedarf gedacht, aber ich habe es immer wieder genommen, mit der Zeit dann öfter und mehr (ungefähr 10 bis 12mg) und war dann wieder stationär, wo ich 3 mal entzogen habe. Hab aber kaum Entzugserscheinungen gehabt. Heiß - kalt, Nachtschweiß, Kopfschmerzen. Das Ganze hat ca. nach 3 -4 Tagen angefangen und nach 1 Woche war alles vorbei.

Da der Entzug im Vergleich zu anderen, wie ich hier gelesen habe, minimal war, glaube ich nicht wirklich an eine Abhängigkeit. Allerdings, sonst würde ich hier wohl nicht schreiben, denke ich immer wieder daran (an die angenehme Wirkung :) von Benzos :cry: ). Also doch abhängig, wie mein Arzt mir zu verstehen gegeben hat?
Das gute Gelingen ist zwar nichts Kleines, fängt aber mit Kleinigkeiten an.

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Hiob
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Beitrag Fr., 10.03.2017, 11:22

Die Definition würde ich nicht in den Vordergrund stellen. Entscheidender ist dein eigener Wunsch, dein Leben wieder ohne diese Hilfsmittel zu gestalten, freier sein zu wollen. Zum "frei sein wollen" gehört manchmal auch ein selbstgewählter Verzicht oder selbstgewählte Einschränkungen. Wenn jemand sich ein extrascharfes Küchenmeser zulegt, weiß er, dass er damit nicht herumblödeln oder beim Erklären damit in der Luft herumfuchteln darf. Er bekommt also eine gewisse neue Möglichkeit (z.B. Sushiröllchen selber zuzubereiten und damit zu schneiden), muss damit allerdings wiederum eigenverantwortlich umgehen.

Zu deinen Symptomen, wenn ich auf Kaffee ganz verzichten würde, hätte ich wahrscheinlich die gleichen Symptome. Es ist also eher eine Frage willst du das oder willst dus nicht. Manch einen stört es ja auch, immer wieder zum Apothekendealer gehen zu müssen. Wenn der Wunsch noch nicht stark genug ist, frei davon zu sein, kannst du auch warten, bis er es ist. Das ist nicht bös gemeint, es trifft m.E. auf die meisten Probleme zu...du kannst selbst entscheiden, ob du noch mehr Zweifel, Enttäuschung, Unbehagen...aushalten willst...oder ob es reicht. Was ich bedenkenswert finde, ist, dass diese Mittel über Jahrzehnte genommen, nachweislich die Nieren u.a. schädigen. Das wird leider nicht offen genug kommuniziert....ob man dieses "irgenwann schränke ich es sowieso ein", dann vorzieht....könnte man auch überlegen. Außerdem würde ich mir Gedanken machen, ob du nicht paralell dazu auch irgendwas neues in dein Leben aufnehmen willst. Wenn etwas "weggeht", ist es manchmal einfacher, irgendwas neues kommt wieder dazu.

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lauli
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Beitrag Fr., 10.03.2017, 21:04

Danke Hiob! Deine Antwort ist ziemlich aufschlussreich.

Die Idee, etwas Neues in mein Leben aufzunehmen, hat mir meine Thera auch schon in den Kopf gesetzt. Ist nur momentan schwer, da sich in meinem Leben gerade wieder einiges ändert. Muss mein Haus verkaufen. :-((

Wenn irgendwann alles über die Bühne gegangen ist, ist wieder Platz für was Neues. Ich mache mir aber jetzt schon Gedanken darüber und erlaube mir manchmal zu träumen.
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Hiob
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Beitrag Sa., 11.03.2017, 13:29

Du kannst ja auch deinen Lebensstandard mal radikal senken, eine Pause einlegen, bist ja niemandem Rechenschaft schuldig...dann kleinere Brötchen backen und es dir später auf dem einfacheren Niveau gemütlich einrichten. Dieser dauernde Druck, viel Geld ran zu schleppen, die ganze Zeit, die dafür drauf geht, die Nerven und die Kraft, das vergellt einem manchmal die Freude am schönsten Heim.

Vielleicht gibts auch noch anderen Ballast, den du erstmal über Bord werfen kannst. Wir sind in einer Zeit mit steigener Ereignisdichte, immer weiter steigenden Anforderungen, alles geht schneller und schneller, ständig klingelt das blöde Kästl, alle halbe Jahre wird außen eine neue Sau durchs dorf getrieben und neue Ängste absichtlich geschürt. Wir müssen jetzt aus meiner Sicht alle darauf achten, uns nicht zu weit in den Wahnsinn rein saugen zu lassen, manchmal einfach etwas ablehnen und die Kräfte gut einteilen, denn so wie ich die Zahlen verfolge, werden wir in wenigen Jahren erleben, wie um uns herum einer nach dem anderen "durchdrehen" wird. Die Leute halten das garnicht mehr aus.

Dieses ruhige Umfeld ist m.E. wichtig, um mit soeinem Ballast aufzuhören, die ständige Getriebenheit und Nervosität treibt einen sonst immer wieder in die alten Rituale. Irgendwann kannst du es vielleicht sogar genießen, sowas los zu haben.
Ich wünsch dir alles Gute damit.
Hiob

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lauli
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Beitrag So., 12.03.2017, 22:29

Hey, Hiob

Ich war 2 Tage unterwegs ohne PC.

Ja, wenn das so einfach wäre! Ich verkaufe nicht, wiel ich will, sondern weil ich muss. Meine Kinder sind hier aufgewachsen und ich habe hier auch eine sehr nahestehende Angehörige bis zu ihrem Krebstod gepflegt. Jetzt, 1 Jahr nach der Scheidung kann ich es mir einfach nicht mehr leisten! Außerdem muss ich ja auch in Zukunft wohnen. Also eine neue Wohnung suchen, die so groß ist, dass mich auch die Kinder beuchen können.

-wenn ich jetzt darüber nachdenke, wird es mir wieder so schwer im Kopf und da kommen bei mir ganz schnell wieder die Gedanken an meine (bis jetzt ex-)Benzos.

Das ist ja dann wohl doch so etwas wie psy. Abhängigkeit. :kopfschuettel:
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Maskerade
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Beitrag Di., 14.03.2017, 20:55

Daß Du Dein Haus verkaufen mußt, tut mir wirklich sehr Leid. Das stelle ich mir echt hart vor. Das verändert irgendwie das ganze Leben. Und ich kann mir vorstellen, daß Du sehr daran hängst, eben weil Du so viele Erinnerungen damit verbindest. Viel Kraft und alles was Du brauchst. :flower:

Ohne jetzt groß drum rum zu reden, ja, ich glaube, daß es eine Abhängigkeit ist, denn Du setzt die Benzos ein, um schwierige Situationen und Stimmungen " leichter " auszuhalten und zu überstehen. Und schon allein diese Motivation ist extrem aussagekräftig.

Noch zu Deiner Aussage, oder Annahme, daß Du nicht abhängig bist: Das genau ist die Aussage, die auf eine Sucht hindeutet. Die betroffenen nehmen das bei sich selbst meist anders wahr, als Menschen von aussen, wenn sie sich damit auskennen.

Und 10 bis 12 mg ist sehr viel. Über welchen Zeitraum hast Du diese Menge denn
eingenommen ? Warst Du da noch in der Lage, Deinen Alltag zu meistern ?
Liebe Grüße, Maskerade

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lauli
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Beitrag Do., 16.03.2017, 10:27

@ Maskerade

Danke für deinen Klartext! Mir wird langsam die ganze Misere tatsächlich etwas klarer durch deine Worte.

Also die10 - 12mg hab ich erst zum Schluss hin genommen. Aber 5 - 7,5mg waren es beinahe täglich für ca. 3 Monate. Dann hatte ich das Gefühl, es wirkt nicht mehr. Zu der Zeit hab ich auch Hydal (Morphium) genommen. (8mg ret. + 2,6mg 1 -2mal tgl.) Da ich in befristeter Pension bin konnte ich meinen Alltag schleifen lassen, ohne dass jemand groß davon Notitz genommen hat. Das einzige, woran ich immer teilgenommen habe, wenn ich nicht im KH war, waren die Musikproben (mit dem Auto).

In den Ferien waren dann die Kinder zu Hause und mir ging es etwas besser. Danach kam die Einsamkeit wieder und das Grübeln,... . Und mehr Temesta.

Wenn sich jemand angesagt hatte, riss ich mich zusammen und versuchte die Medis erst danach zu nehmen, damit ich nicht zu benebelt war. Nachdem dann der Makler das erste mal im Haus war bekam ich es richtig mit der Angst zu tun. Ich rief meinen Doc. an und meine Freundin brachte mich noch am selben Nachmittag in die Klinik.

Nach dem körp. Entzug sprach mein Arzt von Reha bzw. von einer Suchtklinik. Da begann ich über dieses Thema nachzudenken. Ich hab den Absprung ja schon mehrmals geschafft (?), hatte nie das Gefühl abhängig zu sein. Ich hab das wohl immer nur auf das körperliche bezogen. Dass die eigentliche Abhängigkeit eine psychische ist, war mir, zumindest für mich, nicht bewusst.

Hast du mit solch einer Situation selber mal zu tun gehabt? Wenn ja, wie hast du es geschafft? Kann ich da alleine rauskommen? Ich bin ja auch noch in psycholog. Betreuung (VT wegen Depr.).

glg Lauli
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Maskerade
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Beitrag Do., 16.03.2017, 23:44

Hallo lauli,

freut mich, wenn ich Dir zu in wenig mehr Klarheit verhelfen konnte. Denn nur, wenn Du es für Dich klar hast, kannst Du handeln.

5-7 mg Temesta ist auch schon zu eindeutig zu viel, schon gar wenn Du auch noch Morphium genommen hast! Das ist ja ein weiteres Medikament, das großes Suchtpotential mit sich bringt. Und Du bist mit solchen Mengen noch Auto gefahren ? Das war nicht nur für Dich sehr gefährlich, sondern auch für alle anderen im Straßenverkehr. Auch wenn Du das Gefühl hattest, Du hast es im Griff, so ist die Reaktion doch verzögert. Da täuscht einen die eigene Wahrnehmung gehörig.
Bist Du in einer Band, oder in einem Musikverein ? Weil Du von Musikproben schreibst. Klingt auf jeden Fall gut.

Hat denn Deine Familie nichts bemerkt ?

Das ist ja das tückische, daß man steigern muß, wenn die Menge nicht mehr ausreicht, ein typisches Anzeichen für Sucht.

Gut, daß Du Deinen Doc angerufen hast und daß Deine Freundin Dich gebracht hat. Wie lange warst Du denn dann in der Klinik und folgte dem Entzug eine Anschlußbehandlung ( Therapie ) ?

Weißt, das ist ja da Schlimme und tückische, daß man sellber nicht merkt, daß man abhängig ist. Deswegen ist es, wenn der Betroffene leugnet abhänig zu sein, ebenso ein Zeichen, daß für eine Sucht spricht.
Ja, Sucht ist selten nur auf den Körper bezogen, aber die psychische Abhängigkeit ist leider noch schwerer zu behandeln. Deswegen macht es auf jeden Fall Sinn, eine fundierte Suchttherapie zu machen. Ich bezweifle, daß Deine ambulante Therapeut/in da ausreicht, wenn Du dauerhaft davon loskommen möchtest. Du sagst, Du hättest es schon mehrmals geschafft ? Den körperlichen Entzug vielleicht ja, aber den psychischen vermutlich nicht, denn sonst hättest Du ja nicht wieder damit angefangen ? Du weißt es im Grunde selbst, hast ja ein Fragezeichen gesetzt. Wichtig fände ich es, sich mit den Ursachen auseinanderzusetzen, denn sonst wird dieser Kreislauf vermutlich nicht unterbrochen.

Selbst habe ich Tavor ( Temesta ) ein mal für eine Woche lang mißbraucht. Habe ungefähr 7,5 bis 10 mg über den Tag verteilt genommen. Damals ar ich in einer ganz miserablen Verfassung und wußte mir nicht mehr anders zu helfen.
Mir war schon klar, daß das keine Lösung ist, aber es war mir tatsächlich egal.
Ich schrieb meiner Therapeutin eine email und sie konnte sich keinen Reim auf dieses Kauderwelsch machen und rief mich zurück. Sie merkte sofort, da da etwas nicht stimmte. Meine Mutter merkte das auch und kam deswegen her.
Meine Therapeitin hat dann gesagt, sie soll mich in die Klinik bringen, was sie natürlich tat. Anfangs wurde ich viertelstündlich überwacht, wegen der Gefahr der Atemdepression. Ich habe aus dieser Woche fast keine Erinnerungen, nur das, was man mir erzählt hat. Ich konnte kaum glauben, was ich alles gemacht habe. Dann wurde das Tavor runterdosiert und mußte nun auch noch aus meinem Körper raus. Ich war 3 oder 4 Wochen dort und kann von Glück sagen, daß ich keine Abhängigkeit entwickelt habe. Von da an habe ich die Finger davon gelassen und später nahm ich, als ich in der Klinik war, selten mal 1 mg und hatte keine Probleme damit.

Bevor ich berentet wurde, habe ch 10 Jahre in der Psychiatrie gearbeitet. Und da habe ich sehr viel gesehen und erlebt. Benzoabhängkeit und andere Süchte waren dort an der Tagesordnung. Es war wirklich so, daß für viele ein Benzoentzug schlimmer war, als ein Drogenentzug. Ich kann es nicht beurteilen, denn ich habe nie wirklich Drogen genommen. Und letztlich kann man es auch nie vergleichen, jeder Mensch reagiert ein wenig anders.

Ich wünsche Dir, daß Du dieses Problem wirklich nicht unterschätzt, ernst nimmst und ins Handeln kommst. Mit den Depressionen hast Du schon genug Schwierigkeiten, da brauchst nicht auch noch eine Sucht.

Alles Gute für Dich
Liebe Grüße, Maskerade

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lauli
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Beitrag Fr., 17.03.2017, 18:04

Hallo Makerade!

Meine Familie konnte nichts bemerken. Ich bin geschieden und meine Kinder sind auf der Uni. Ich bin also ganz alleine.

Ja, das mit dem Autofahren hat mich selbst am meisten erschreckt (sonst hab ich es auch keinem erzählt). Ich bin ein sehr pflichtbewusster Mensch. Es würde mir z. B. nie einfallen alkoholisiert zu fahren. Wenn wir nach der Probe noch was trinken gehen, tuts auch Apfelsaft (ich mache Jagdmusik im Verein).

Ich war 5 Wochen stationär. Eine andere Therapie als meine VT hab ich noch nicht gemacht. Ich bin allerdings auch erst seit 5. 3. zu Hause. Zunächst ist erst mal ein 3 wöchiger Orthop. Rehaaufenthalt bewilligt (nach meiner WS OP). Auf die Bewilligung für eine psychosomatische Reha warte ich noch.

Ich weiss, das ist keine Suchttherapie. Mein Doc. meinte, falls das nicht bewilligt wird, würde er eine Suchtklinik empfehlen.
Ganz hab ich ihn nicht verstanden. Er sagte etwas von 6 Monaten clean sein wollen / können? Ob er das als Voraussetzung für die Suchtklinik gemeint hat, oder dafür, dass ich sie dann nicht mehr brauche, weiss ich allerdings nicht.

Mein "mehrmals geschafft " ist dann wohl körperlich gemeint. Das erste mal Temesta hab ich vor 3 Jahren genommen, im Rahmen meiner ersten Episode einer schweren Depression. damals hat es mir vermutlich das Leben gerettet. Ich wusste von Anfang an, dass es abhängig macht, dachte aber, das berifft nur die anderen. Ich nehme es ja nur in Ausnahmefällen zu Hause. Die rezidiv. Episoden zusammen mit dem Temesta haben mich dann immer wieder in die Klinik gebracht. Das ich psychisch abhängig wurde kam schleichend und wird mir erst jetzt, nach dieser krassen Zeit mit Hydal und T. richtig klar.

Du hast ja nach 10 Jahren Psychiatrie richtig viel Erfahrung gesammelt. Was hälst du von dieser Geschichte mit den 6 Mon. clean sein? Warum wurdest du berentet, falls du es erzählen magst? Und welcher Handlungsspielraum steht mir selbst zur Verfügung?
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Beitrag Fr., 17.03.2017, 18:06

p. s. Danke! und alles Gute auch für dich! :)
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Beitrag Fr., 17.03.2017, 19:14

Hallo lauli,

was die Sucht- Langzeittherapie angeht, so bin ich nicht auf dem neuesten Stand, aber ich kann mir gut vorstellen, daß man diese Zeit clean sein muß, bevor man diese Therapie beginnen kann. Das kannst aber z.B. eine Suchtberatungsstelle problemlos herausfinden.

Ich persönlich finde das gar nicht so schlecht, denn die Therapieplätze sind gezählt, da kann ich schon verstehen, daß die wissen wollen, ob jemand auch wirklich aufhören will.

Normalerweise ist es ja so, daß man zuerst den Entzug macht und dann in der Klinik für die Langzeittherapie angemeldet wird. Die Zeit dazwischen ist dazu da, die eigene Motivation zu überprüfen und nocheinmal bewußt die Entscheidung zu treffen, daß man diese Sucht nicht haben will, bzw. da heraus kommen will. Wenn man in dieser Zeit schon rückfällig wird, dann ist davon auszugehen, daß der Leidensdruck noch nicht hoch genug ist.

Ja, das ist schon schwierig, solche Medikamente können halt leider Segen und Fluch zugleich werden.

Ich stamme selbst aus einer Suchtfamilie ( Vater, Mutter, Bruder --->> Alkoholiker ). Bin die einzige, die nicht in diesen Sumpf hinein geraten ist. Was nicht heißt, daß es nicht auch Zeiten gab, in denen ich hochgradig gefärdet war. Meine Mutter und mein Bruder sind seit Jahren trocken und mein Vater trinkt auch nicht mehr viel, er verträgt es nimmer.

In entsprechendem Umfeld bin ich aufgewachsen. Mit sex. Mißbrauch über Jahre hinweg, mit viel Aggression und Gewalt. Mit seelischer Grausamkeit, usw. ... Begonnen hat es eigentlich schon mit Vergewaltigung in der Ehe, so bin ich gezeugt worden. Naja, da ist es nicht schwer, sich vorzustellen, daß ein Kind/ Jugendliche das nicht gut verkraftet und sich eben nicht " normal " entwickelt.
Ich wollte schon als 4-5 jähriges Kind nicht mehr leben. ... Hatte da auch schon Depressionen, aber das hat niemand bemerkt und nach außen hin habe ich immer den Schein gewahrt und das große Geheimnis gehütet.
Viele Jahre konnte ich meine Erkrankung vebergen, doch als mir der Umfang bewußt wurde, ist das nicht länger gegangen. Und irgendwann wollte ich es auch nicht mehr, denn da ging die ganze Energie in die falsche Richtung. Im Grunde in eine destruktive und das wollte ich ändern, aber mir war klar, alleine schaffe ich das nicht ( Bipolare Störung, komplexe PTBS, Borderline, eine dissozative Störung und eine dissoziative Bewegungsstörung ) Das ist das Ergebnis aus meiner Lebensgeschichte heraus. Naja und dann hat sich immer mehr abgezeichnet, daß ich aufgrund dieser Probleme nicht mehr arbeiten kann. Zuerst häuften sich die Krankmeldungen und dann wurde ich in eine Langzeitreha geschickt, um meine Arbeitsfähigkeit zu überprüfen. Mußte irgend welche Tests machen, die dann ergeben haben: Nicht arbeitsfähig. Da wurde mir geraten, mich berenten zu lassen. Mein anfängliches Entsetzen ist nach etwa einer Woche gewiehen und ich begann einzusehen, was mir der Professor gesagt hat. Ja und dann stellte ich damals gleich von der Klinik aus den Antrag. Das war 2005.
Liebe Grüße, Maskerade

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lauli
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Beitrag Sa., 18.03.2017, 15:04

Ohhh! Deine Geschichte hört sich ja total krass an!!!

Bei mir fing es viel harmloser an. Ich war ca. 10 Jahre, als das erste mal körperliche Symptome auftraten. Damals dachte natürlich niemand an Depressionen. Ich wurde noch vor Ende des Schuljahres nach Italien geschickt, um mich zu erholen und an Gewicht zuzulegen. Ich war viel zu dünn und litt unter einem Belastungssyndrom.
In der späten Pubertät hatte ich das erste mal Suizidgedanken, von denen niemand wusste, außer meine damals besten Freundin. In dieser Zeit kam es auch bei mir zu sexuellen Übergriffen innerhalb der weiteren Familie. Nach einer ziemllich drastischen Situation schaffte ich es, mit diesem "Onkel" nie mehr alleine zu sein. Erst Jahre später hab ich erfahren, dass er für sein Verhalten in der Familie bekannt war, aber man das als - so ist er halt- abgetan hat. Dass er sich im Laufe der Zeit scheinbar weiterentwickelt hat, viel nicht auf, da ich zu dieser Zeit das einzige minderjährige Mädchen war.
Wie man sieht, hab ich aber überlebt.
Dann, nach der Matura, wurde es besser. Es folgten 10 schöne Jahre, bis mich alles wieder einholte. Wieder erholte ich möich nach ca. einem Jahr ganz gut.
Probleme in der Partnerschaft, eine insgesamt schwierige Lebenssituation und die Vielfachbelastung, zwei Haushalte, die Kinder (4) und der Beruf, brachten dann den nächsten Schub.
Seit nunmehr 3 Jahren komme ich nicht mehr zur Ruhe. 2016 war die Scheidung, zwei Todesfälle in der engsten Familie, die große WS OP und die Tatsache, dass der jüngste meiner Kinder auch weggezogen ist.
Jetzt hoffe ich, dass endlich wieder Ruhe in meinem Leben einkehrt, ich tatsächlich den Absprung von den Benzos schaffe und mich wieder erholen kann.
lg. Lauli
p.s. mein Akku ist aus und das Kabel vom Hund zerbissen. ::?
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Beitrag Sa., 18.03.2017, 21:00

Weißt Du, ich glaube, daß im Grunde jede Geschichte von Betroffenen sehr schlimm ist. Deswegen würd ich meine auch nicht mit anderen vergleichen wollen.

Die Frage ist, ob man es schafft, trotz und auch mit dieser Geschichte ein lebenwertes Leben zu führen, in dem neben all dem Leid auch Freude und Positives Platz haben darf. In dem das Leid und Leiden zwas ihren Platz haben, es aber nicht dominieren. In dem man sich trotzdem entfalten kann und sein Leben so gestalten, wie man es gerne möchte. In dem man sich selbst entscheiden kann, was man möchte und was nicht. Indem man selbst lebt und nicht gelebt wird. Usw. ...

Deine Geschichte hört sich auch nicht schön an, bis auf daß Du zwischendurch gute Zeiten hattest. Das hat Dich wahrscheinlich gerettet, denn durch dieses Erleben konntest Du ein gewisses Vertrauen entwickeln, daß es auch das Gute gibt, daß es Dir auch gut gehen darf, daß die schlechten Zeiten immer wieder ein Ende haben, ... Oder liege ich da falsch ?
Das ist bei mir anders gelaufen. Ich habe von Anfang an kein Urvertrauen erlebt und so fällt es mir bis hute schwer, zu vertrauen. Es ist zwar schon besser geworden, aber eben immer noch so, daß ich ein Problem damit habe. Z.B. kann es mitunter sehr lange dauern, bis ich einem Menschen ( gerade auch Therapeuten ) wirklich vertrauen kann.

Im Grunde wundere ich mich selbst, daß ich selbst nicht in einer Sucht gelandet bin. Wobei man meine Art von Selbstverletzung durchaus vergleichen könnte. Diese Zeit war sehr schlimm, aber mittlerweile habe ich mich davon Gott sei Dank distanzieren können und bin im 5-ten Jahr clean.

Du hast die vergangenen Jahre sehr viel Belastendes erlebt. Da ist es nicht wirklich verwunderlich, daß Dir die Kraft ausgeht und Du nicht mehr kannst. Hast Du denn Freunde, Menschen, die Dir gut tun und die Dich im Ernstfall auch mal unterstützen ? Wie ist die Beziehung zu Deinen KIndern ? Mußt natürlich nicht antworten, nur wenn Du magst. ...

Ich wünsche Dir jedenfalls von Herzen, daß Ruhe einkehrt und Du Dich erholen und neue Kraft schöpfen kannst. Ja und natürlich, daß Du den Absprung von deb Benzos schaffst. Möchte Dir dazu Mut machen.

:trost:
Liebe Grüße, Maskerade

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