Lesezirkel: 'Der Klavierstimmer' von Pascal Mercier

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Blossom
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Beitrag Fr., 15.02.2013, 21:10

Am Ende erkennt der Vater ja sein Mittelmaß.
So wie Juliette ihn auch eingeschätzt hat.

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weidenkatz
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Beitrag Fr., 15.02.2013, 21:15

Ich habe mich gefragt, ob Patricia wohl wusste, dass die Vorgänge im Boudoir nicht ok waren. Und ob der Vater davon tatsächlich nichts mitbekommen hat, oder vielleicht tatsächlich als eine der vielen kranken Seiten seiner Frau akzeptiert hat. Aber die beiden Elternteile haben ja am Schluss beide eine Art reinen Tisch gemacht, nur davon - kein Wort. Vielleicht war Inzest dann doch ein zu großes Tabu, mehr als ein Mord.

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Fundevogel
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Beitrag Fr., 15.02.2013, 21:19

Blossom hat geschrieben:Am Ende erkennt der Vater ja sein Mittelmaß.
So wie Juliette ihn auch eingeschätzt hat.
Ja, genau. Nur - warum hat erst alles zusammenbrechen müssen?
Aber eigentlich - es kam nur die Wahrheit ans Licht, alle Geheimnisse und die Wahrheit war halt auch, daß er nur Mittelmaß war. Wieso nicht vorher, das verstehe ich nicht, er ist immer nach Anerkennung außerhalb der Familie gelaufen und seine eigene Familie war ihm egal.
Bis auf die Erzählstunden mit der Tochter, da hast du Recht.


Was ich auch bemerkenswert finde:

Beide Geschwister bekommen neue Lebenspartner und beide sind mit dem Schweigen und der Stille vertraut:
Paco, das stumme Kind, für Patrice und
Stéphane, der stumme Ungeliebte für Patricia.
Fundevogel

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Fundevogel
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Beitrag Fr., 15.02.2013, 21:30

weidenkatz hat geschrieben:Ich habe mich gefragt, ob Patricia wohl wusste, dass die Vorgänge im Boudoir nicht ok waren.
Ich glaube schon; gibts da nicht so Passagen im Buch, wo stand, daß sie spürte, daß da was war, weil sie dann nicht mit ihm gesprochen hat oder so ähnlich? Und daß sie gewußt hat, daß die Mutter eifersüchtig war auf sie?
weidenkatz hat geschrieben:Und ob der Vater davon tatsächlich nichts mitbekommen hat, oder vielleicht tatsächlich als eine der vielen kranken Seiten seiner Frau akzeptiert hat.
Das ist natürlich die große Frage, die mich auch umtreibt die ganze Zeit. Entweder er war so eingesponnen in seine Opern und hat von nichts etwas mitbekommen.
Andererseits hat er ja auch gewußt, daß er nicht der Vater der Kinder ist. Und er hat nichts gesagt. Nichts. Wohl wissend, daß seine Frau eingeht an ihrer Morphiumsucht und ihrem Unfall.

Der Vater ist auch irgendwie ziemlich furchtbar für mich.
Irgendwie - ich denke mir, selbst wenn er wirklich nichts gewußt hat, alleine das ist doch irgendwie furchtbar entsetzlich.
Diese Mißachtung der Kinder, dieses Nicht-Sehen, Nicht-Beachten, furchtbar, ganz furchtbar find ich das.

Grade, daß die Tochter mal zu seinen Füßen sitzen darf.
Ich finde diesen Vater richtig übel.
Und die Mutter sowieso.

Wer hat diesen Kindern ein Mittagessen gekocht eigentlich?
weidenkatz hat geschrieben:Aber die beiden Elternteile haben ja am Schluss beide eine Art reinen Tisch gemacht, nur davon - kein Wort. Vielleicht war Inzest dann doch ein zu großes Tabu, mehr als ein Mord.
Da hast du glaube ich ein wahres Wort gesprochen.
Das Foto der Mutter mit deren Vater blieb zerrissen. Was sie mit dem Sohn im Boudoir gemacht hat, weiß man nicht so genau. Sie spricht mit ihrem Mann nicht darüber Sie spricht mit ihren Kindern nicht darüber.

Den Mord, den kann man begehen.
Weil dann ist jemand anderer Schuld am eigenen verpfuschten Leben.
Reue gibts nicht.

Eigentlich ein Wunder, daß diese Geschwister so selbständig lebensfähig sind nach dieser nicht vorhandenen Erziehung.
Fundevogel

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weidenkatz
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Beitrag Fr., 15.02.2013, 21:32

Fundevogel hat geschrieben: Aber eigentlich - es kam nur die Wahrheit ans Licht, alle Geheimnisse und die Wahrheit war halt auch, daß er nur Mittelmaß war. Wieso nicht vorher, das verstehe ich nicht, er ist immer nach Anerkennung außerhalb der Familie gelaufen und seine eigene Familie war ihm egal.
Bis auf die Erzählstunden mit der Tochter, da hast du Recht.
Es war ja aber auch viel Abwehr da von den Kindern, und wohl auch von der Mutter, wenn ich es richtig erinnere, dass sie den Einbau der Polstertür initiiert hat, was für ihn ja wohl eine große Kränkung war. Abwehr gegen sein "Gejammer" über seinen Misserfolg, über die Ungerechtigkeit. Vielleicht auch eigentlich die Ungerechtigkeit mit seinen wirklichen Fähigkeiten nicht genügend gewertschätzt zu werden, obwohl er auf seinem Gebiet ja unübertrefflich war. Keine Begeisterungsstürme wie di Malfitano sie bekam ...

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weidenkatz
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Beitrag Fr., 15.02.2013, 21:35

Fundevogel hat geschrieben:Eigentlich ein Wunder, daß diese Geschwister so selbständig lebensfähig sind nach dieser nicht vorhandenen Erziehung.
... und diesen Traumata ...
und genau das hat mich ja so wütend gemacht an dem Buch, dass damit getan wird, als könnte man so schlimme Kindheitserfahrungen einfach so wegstecken ...

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stilleswasser
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Beitrag Fr., 15.02.2013, 21:35

wie habt ihr patrice' job als dolmetscher empfunden? verstehe nicht so ganz, warum er seinen job missbraucht hat. warum hat er da teilweise so massiv eingegriffen? aber er war immer nur fair, wenn ich es recht in erinnung habe? die guten hat er unterstützt und die bösen noch mehr geschadet.

achja, der unfall der mutter. wurde der konkret beschrieben? irgendwie hab ich die stelle verpasst. mitbekommen habe ich nur den ort (kann mich allerdings auch gerad nicht dran erinnern) und dass es antonio war.
*
Ich bin gerade sehr empfindsam und schnell verletzt. Ich bitte dies zu berücksichtigen, wenn du mir antworten möchtest, da mir achtlose, grenzüberschreitende Kommentare sehr weh tun können u ich aber weiterhin im Forum bleiben möchte. Danke.
*

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Blossom
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Beitrag Fr., 15.02.2013, 21:41

Fundevogel - ich bin gerade ganz überrascht über deine Wut und dein Entsetzen, deine Empörung. Das sind Emotionen, die ich da bezüglich dieses Buches und der Protagonisten so gar nicht habe.
Ich betrachte das an diesem Punkt wohl eher einfach "neutral", aus einer Beobachterperspektive, glaube ich.

Ich wünsche euch noch einen schönen Abend. Ich bin platt. Ziehe mich jetzt zurück.
Danke für eure Eindrücke.
Bin gespannt, ob ich morgen noch was Neues hier lese und würde mich freuen, wenn der Thread noch aufbleibt, wie die letzten Male.

Gute Nacht!

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weidenkatz
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Beitrag Fr., 15.02.2013, 21:41

Fundevogel hat geschrieben:
weidenkatz hat geschrieben:Ich habe mich gefragt, ob Patricia wohl wusste, dass die Vorgänge im Boudoir nicht ok waren.
Ich glaube schon; gibts da nicht so Passagen im Buch, wo stand, daß sie spürte, daß da was war, weil sie dann nicht mit ihm gesprochen hat oder so ähnlich? Und daß sie gewußt hat, daß die Mutter eifersüchtig war auf sie?
Ja, sie hat gewusst, dass da ETWAS war. Was ihr nicht gefiel. Aber wusste sie, dass die Mutter etwas Schlimmes tat? Und dass Patrice darunter litt?

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Fundevogel
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Beitrag Fr., 15.02.2013, 21:42

weidenkatz hat geschrieben:... und diesen Traumata ...
und genau das hat mich ja so wütend gemacht an dem Buch, dass damit getan wird, als könnte man so schlimme Kindheitserfahrungen einfach so wegstecken ...
ja, weidenkatz ... kann man das? wohl eher nicht.
Ich glaube, die müssen getrennte Wege gehen, sonst brechen die zusammen, weil sonst ihnen das alles ständig im anderen vor Augen steht.

Ich hab jetzt übrigens das Buch fertig gelesen.
Und bei diesem eigenartigen Auseinandergehen fielen mir die Anfangszitate der beiden nochmal ein.

Patricia schrieb ja - sinngemäß - ob man so weiterleben kann wie bisher, wenn man einmal alles in Worte gefaßt hat. Wohl nicht ... nach dem Schluß zu schließen.

Und Patrice, er schrieb, daß ihm das Schreiben die Gegenwart zurückgegeben hätte, die er vor langer Zeit verloren hätte.

Die müssen auseinandergehen, sonst bleiben sie in der Vergangenheit stecken und wenn man nur mehr in der Vergangenheit lebt, dann erstarrt und erstirbt man allmählich glaub ich.
Fundevogel

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Fundevogel
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Beitrag Fr., 15.02.2013, 21:48

Blossom hat geschrieben:Fundevogel - ich bin gerade ganz überrascht über deine Wut und dein Entsetzen, deine Empörung. Das sind Emotionen, die ich da bezüglich dieses Buches und der Protagonisten so gar nicht habe.Ich betrachte das an diesem Punkt wohl eher einfach "neutral", aus einer Beobachterperspektive, glaube ich.
Gut, daß du das kannst, mir ist beim Lesen teilweise richtig schlecht geworden.
Diese Uneinsichtigkeit und dieses nur um sich selber und das eigene Leid kreisen, das macht mich wütend. Und nicht sehen, wie man andere verletzt dabei.
Diese Mutter hat ihren Sohn mißbraucht, ihrem Mann zwei Kinder untergeschoben und ihn auch Berechnung geheiratet, hat sich mit Morphium zugedröhnt, war ihr Leben lang für niemanden da außer für sich selbst und erschießt dann auch noch ihren ehemaligen Liebhaber und den Vater ihrer Kinder.

Und alles was übrig bleibt, ist Mitgefühl mit ihr? Von den Kindern und dem Mann und dem Arzt?
Das kann ich nicht verstehen.

Blossom hat geschrieben:Ich wünsche euch noch einen schönen Abend. [...]
Bin gespannt, ob ich morgen noch was Neues hier lese und würde mich freuen, wenn der Thread noch aufbleibt, wie die letzten Male.
Danke Blossom für deine Eindrücke, für dein Hiersein und Mitdiskutieren. Ich finde das wirklich super, daß du es geschafft hast, dieses Buch fertig zu lesen trotz aller Hindernisse.

Ich wünsch dir eine gute Nacht!
Fundevogel

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weidenkatz
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Beitrag Fr., 15.02.2013, 21:54

Ich bin nicht wütend auf den Vater, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob er die Augen davor verschlossen hat, was zwischen seiner Frau und Patrice passierte, und ob er sich da vielleicht rauszog im Sinne von "Geht mich nichts an, sind nicht meine Kinder." Aber sonst mag ich ihn irgendwie. Dass er sein eigenes Leben geführt hat, viel mit Leuten geredet hat, sehr genau war, sich um die Kinder bemüht hat, unermüdlich versucht hat seine Gefühle in der Musik auszudrücken, belesen war, zu seiner Mutter stand, sogar dass er seiner Frau gegenüber immer loyal war (bis hin für sie ins Gefängnis zu gehen), finde ich beeindruckend. Aber wenn er tatsächlich bewusst ihren Inzest gedeckt hat, überschreitet das definitiv eine Grenze.

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Fundevogel
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Beitrag Fr., 15.02.2013, 21:58

stilleswasser hat geschrieben:wie habt ihr patrice' job als dolmetscher empfunden? verstehe nicht so ganz, warum er seinen job missbraucht hat. warum hat er da teilweise so massiv eingegriffen? aber er war immer nur fair, wenn ich es recht in erinnung habe? die guten hat er unterstützt und die bösen noch mehr geschadet.
Ich finde das ziemlich furchtbar, was er da gemacht hat.
Das Problem dabei ist nämlich - wer sagt, wer die Guten und die Bösen sind?
Er hat den Vater von Mercedes beschützt, nur weil er ihr Vater war. Und der ist aber ein Pinochet-Anhänger, ein mittlerweile verurteilter Diktator mit einigem Blut an den Händen.

Außerdem: er hat eine neue Variante der Sprachlosigkeit erfunden.
In der Familie hat keiner miteinander gesprochen und er als Dolmetscher sorgt für noch mehr Sprachverwirrung.

Offiziell glaube ich liegt das daran, daß er dem Erfolgsstreben des Vaters etwas entgegensetzen wollte. Unbewußt glaube ich, wollte er nicht einfach nur die Worte von anderen nachsprechen, so wie er die Sätze der Mutter beenden mußte.

Er wollte eigene Worte haben und eigene Sätze, die hat ihm die Mutter gestohlen.
stilleswasser hat geschrieben:achja, der unfall der mutter. wurde der konkret beschrieben?
Ja - sie wollte Antonio im Hotel besuchen, weil sie wußte, daß er in der Stadt war mit seiner Geliebten. Sie sah ihn, von Ferne, und er war mit Freundin unterwegs, sie trat zurück, damit er sie nicht sieht und fiel vom Gehsteig auf die Straße, Auto kam vorbei und das wars.
Sie war unachtsam und selbst schuld.
Fundevogel

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weidenkatz
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Beitrag Fr., 15.02.2013, 22:03

Fundevogel hat geschrieben:Diese Mutter hat ihren Sohn mißbraucht, ihrem Mann zwei Kinder untergeschoben und ihn auch Berechnung geheiratet, hat sich mit Morphium zugedröhnt, war ihr Leben lang für niemanden da außer für sich selbst und erschießt dann auch noch ihren ehemaligen Liebhaber und den Vater ihrer Kinder.

Und alles was übrig bleibt, ist Mitgefühl mit ihr? Von den Kindern und dem Mann und dem Arzt?
Das kann ich nicht verstehen.
Bei den Kindern kann ich nicht nachvollziehen, dass da keine Wut ist. Der Vater scheint ja generell sehr akzeptierend zu sein, bzw. sich eher zurückzuziehen mit seinen Nöten und vielleicht seine Frustrationen in die Musik zu kanalisieren. Vielleicht auch eine Flucht. An den Arzt kann ich mich jetzt gar nicht erinnern.

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Fundevogel
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Beitrag Fr., 15.02.2013, 22:04

@weidenkatz
ich finde diese loyalität seiner frau gegenüber aber irgendwie so eigenartig. eigentlich liebte er ihre mutter (das foto auf dem klavier). und daß es nicht seine kinder sind, weiß er, nimmt seiner frau aber nicht die schuldgefühle, an denen sie zugrunde geht. gegen ihre morphiumsucht macht er überhaupt nichts. am ende hat er dann aber doch gefühle für seine frau. er will jemanden ermorden für sie. dann doch nicht. dann geht er halt für sie ins gefängnis. äh...??? wo hast du herausgelesen, daß er sich um die kinder bemüht?
Fundevogel

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