Suizid, oder die Entledigung von Verantwortung der Gese

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Nachtvogel
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Beitrag Mo., 29.09.2008, 10:03

Hallo!

Suizid ist lange von Kirche und Gesellschaft geächtet worden. Macht man Suizid, beleidigt man Gott und kommt nicht in den Himmel, sondern in die Hölle - oder so ähnlich. Auch wenn man heutzutage durch Forschung, mehr Wissen über Psychologie etc. ein wesentlich umfassenderes Bild über die menschliche Psyche und Depressionen hat, sind vermutlich doch gewisse Wertvorstellungen aus "früheren Zeiten" geblieben. Ich denke, Religion bzw. Werte und Normen der Gesellschaft spielen durchaus (noch) eine Rolle, wenn man sich übers Pro und Contra von Freitod unterhält.
Wieso ist es überhaupt für Angehörige so schlimm?? Was macht es für die Hinterbliebenen so unglaublich schwer, damit umzugehen?
Vermutlich gerade die Tatsache, dass ein Depressiver körperlich völlig fit aussieht. Auch das Umfeld kann völlig ok sein - gute Ausbildung, tausend Möglichkeiten was aus seinem Leben zu machen, das Leben vor sich ... Alles, was nicht stimmt, sind irgendwelche fixen Ideen, Selbstmitleid, .. Würde sich der Depressive mal am Riemen reissen und mit dem Grübeln aufhören, dann würde doch alles wieder in Ordnung sein, oder nicht ?!
/Zynismus off

Zumindest ich habe es so erlebt, dass "Normalos" mit einer Depression überhaupt nichts anfangen können. Sie verstehen einen Depressiven nicht - die Gedankengänge von einem sind dann ja auch nicht normal. Insofern können sie den Todeswunsch auch nicht nachvollziehen.
Dann ist auch die Frage, ob man nicht was hätte tun können. Ob man Schuld ist, dass sich der arme Mensch nun umgebracht hat. Man hätte doch zuhören können. Oder ihn in eine Klinik stecken. Neben dem Nicht-Verstehen spielt da bestimmt auch noch eine grosse Portion an Hilflosigkeit mit rein. Man weiss halt nicht, wie man helfen kann bzw. ob man helfen kann.

Tödliche (körperliche) Krankheiten sind insofern etwas "leichter" zu verstehen, weil man als Angehöriger keinen Einfluss auf ihren Verlauf hat. Man kann halt nichts gegen das Alzheimer der Oma tun.
Jeder Mensch ist jedoch mal down und kann dann aufgemuntert werden. Warum klappt das bei einem Depressiven nicht?! Das ist für Leute ohne Erfahrung mit Depressionen meist unverständlich.

Ich denke aber auch, dass Depression heilbar ist. Wenn ich z.B. an meinen "Werdegang" denke, dann habe ich durchaus schon grosse Verbesserungen zu verzeichnen!

LG, Nachtvogel

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Xanny
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Beitrag Mo., 29.09.2008, 10:57

Oje, ein ganz heikeles Thema...

Ich habe da auch eine ganz provokante Meinung zu: Jeder Versuch, den Suizidanten am Leben zu binden, ist zwecklos. Keiner wird leichtgläubig sein Leben aufs Spiel setzten. Aber Freunde können in der Situation sehr wohl einem den letzten Gang sehr schwer machen. Dann entscheidet der Suizidant nicht mehr, ob er sich das Leben nehmen möchte, sondern was er seinen Freunden damit antut.
Ich weiß nicht, ob mir einer folgen kann.
Ich kann nur von mir sprechen:
Ich möchte nicht, dass sich jemand in meine Entscheidungen einmischt und mir die für mich offensichtlichen Lebensqualen durch gutes Zureden verlängert. Ich würde es trotzdem tun, so wie jeder, der Suizid begeht es sich lange überlegt hat und es tun wird, egal wie viele ihm Hilfe anbieten würden.
Jeder ist für sein Leben selbst verantwortlich! Und wenn der Betroffene meint, diese Lösung wäre die einzig wahre, dann hat er meiner Meinung nach das Recht dazu. Denn wir als Helfende können dem Betroffenen ja nicht wirklich helfen, außer Hilfe zu holen, dann folgt Psychiatrie usw.

Ich war zum Glück noch nie in der Position, jemandem wirklich in der Lage beizustehen, und ich denke, ich würde wahrscheinlich instinktiv anders handeln, als ich es jetzt hier schreibe. Jeder von uns trägt ja auch irgendwie den Helferdrang in sich. Ich bin froh, dass ich es noch nicht erlebt habe, und möchte auch nie in die Lage kommen

Xanny
*Ein Freund ist jemand, der Deine Vergangenheit versteht, an Deine Zukunft glaubt und Dich so akzeptiert, wie Du bist*

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F43_1
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Beitrag Mo., 29.09.2008, 11:49

DIe unterschiedlichen Sichtweisen, wenn auch tendenziell in Richtung Selbstbestimmung, sind erfrischend (nicht falsch verstehen!).

Ich hatte ja meinen Standpunkt bereits klargemacht und greife nochmals auf:

EInig ist man sich dahingehend, dass ein Suizid verhinderbar ist. Sei es im Vorfeld oder eben auch akut, durch aktive Hilfe/ Hilfeholen.

Die Diskussion geht ja vielmehr in die Richtung, wo es um die Akzeptanz des HAndelns geht. Auch hier klingt durch: Sonst handeln wir auch eigenverantwortlich, warum in dieser Situation nicht.

Hauptargument gegen den Freitod scheint das 2nicht normal" sein zu sein.
Hier greife ich mal ein:

Wer bestimmt den Begriff "normal"? Die Mehrheit schätze ich, oder?
Ist es denn nun normal in den Krieg zu ziehen nur weil 51% der Menschen das wollen? Das ist also kein Kriterium um einen MAßstab anzulegen.

Ich glaube auch nciht, dass es gesellschaftlich zu sehen ist. Vielmehr scheint es der legitime und rein subjektive Umstand zu sein, der JEDEN EINZELNEN zu einer Wertung bewegt. Normal-Nicht normal.

Nun fließen Auch Relegion, Glaube, Hilflosigkeit, Angst, Wut und auch alle anderen Emotionen und Erfahrungen mit ein.

Es bleibt an dieser Stelle aber bei einer reinen Selbstbewertung, die dem Gegenüber dann aufgedrückt und übergestülpt wird.

Wenn man jetzt daran geht, dass viele der Suizidanten Probleme mit der Umwelt haben, so erscheint es fast pervers, dass diese sich über das Ergebnis des eignen HAndelns erneut wundert und zum zweiten Mal etwas überstülpt.

Somit verliert man den Suizidanten sehr schnell aus den Augen und versucht vielmher in der Form "Helfersyndrom" seine eigenen KOnflikte zu lösen und zwar über den Suizidanten. Reiner Egoismus könnte man meinen, aber so einfach wird es im Regelfall nicht sein.
Immer Mensch bleiben!

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GoodHope
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Beitrag Mo., 29.09.2008, 14:15

oh F 43 hats wahrgemacht..hab ich ja gar net gesehen nee...

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Beitrag Mo., 29.09.2008, 14:25

siehste
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Nachtvogel
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Beitrag Mo., 29.09.2008, 16:03

Ich bin, wie wohl auch aus meinen Beiträgen hervor gegangen ist, durchaus für den Freitod. Allerdings sehe ich das nicht ganz so wie du, Xanny:
Ich habe da auch eine ganz provokante Meinung zu: Jeder Versuch, den Suizidanten am Leben zu binden, ist zwecklos. Keiner wird leichtgläubig sein Leben aufs Spiel setzten.


Ein "unerfahrener" Depressiver mag den Suizid als letzte Möglichkeit ansehen, weil er nicht weiss, was mit ihm geschieht. Er nimmt seine depressive Wirklichkeit als die totale Wirklichkeit an. Verhindert man jedoch in dem Moment einen Suizid und versucht mit Therapie, Medikamenten etc. die Sache in Griff zu bekommen, so kann das durchaus funktionieren.
Hätte man z.B. mir damals nicht geholfen, wäre ich jetzt schon seit 4 Jahren tot. Bin ich jetzt aber nicht und habe dank Thera usw. eigentlich schon wieder viel Spass am Leben . Aus dieser Situation heraus sehe ich keinen Grund (mehr), mich umzubringen.
Wäre das allerdings nicht so - hätten Thera etc. nicht angeschlagen und hätte ich die letzten 4 Jahre nur vor mich hingedämmert, dann würde ich es unter Garantie jedem sehr übel nehmen, der mich vor einem erneuten Suizidversuch hintern wollte.

Ich meine Suizidverhinderung kann auch sinnvoll sein. Ähnlich, wie jemanden mit einer Lungenentzündung ins KH zu bringen und nicht zuhause sterben zu lassen (weil man ihm dort ja eh nicht helfen kann). Ist die Krankheit/Depression aber zu schlimm, nicht heilbar, ...

Schwieriges Thema. Kann gut sein, dass es da einfach keine klaren "Richtlinien" geben kann. Jeder ist halt unterschiedlich, genaus wie jede Depression, Lebenssituation etc. unterschiedlich ist.

Lg, Nachtvogel

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Beitrag Mo., 29.09.2008, 18:47

Nachtvogel hat geschrieben: Ein "unerfahrener" Depressiver mag den Suizid als letzte Möglichkeit ansehen, weil er nicht weiss, was mit ihm geschieht. Er nimmt seine depressive Wirklichkeit als die totale Wirklichkeit an.
Das finde ich ein gutes Argument. Das Schlimmste an der Depression fand ich immer dieses völlige Leben in der Gegenwart, wo man sich absolut nicht vorstellen kann, dass das Leben je wieder anders werden kann. (Ich weiß allerdings nicht, ob das bei allen Depressiven so ist oder nur daran liegt, dass mir das Konzept einer Zukunft schon immer sehr fremd war.)

Ich bin jederzeit dafür, dass man seinen Mitmenschen Eigenverantwortung zugesteht. Ich würde niemals einen "geglückten" Suizid verurteilen. Davon zu sprechen, dass der Suizidant im Akutfall frei entscheidungsfähig ist, finde ich allerdings fragwürdig. Ich persönlich bin froh, dass mir meine Therapeutin damals zwar ausdrücklich das Recht auf Suizid zugestanden hat - dass sie mir aber gleichzeitig meinen Tunnelblick bewusst gemacht hat. Das Ergebnis war, dass ich mir vorsorglich die Telefonnummer der nächsten Psychiatrischen Klinik neben das Telefon legte, für den Moment, in dem ich meiner eigenen Urteilskraft nicht mehr trauen würde.
Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, findet Gründe.

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Eve...
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Beitrag Mo., 29.09.2008, 19:06

Hmmm ... schwierig.

Da ich selbst mal in der Situation war, würde ich natürlich niemanden verurteilen, der es versucht. Ich weiß sehr genau, dass man einen Tunnelblick bekommt, der so weit gehen kann, zu meinen, wir würden unsere Liebsten "entlasten" durch unser "frei-williges" (wirklich aus dem freien Willen heraus, nicht vielmehr aus einer inneren Zwangslage?!) Aus-dem-Leben-Gehen.

Warum das den Hinterbliebenen schwersten Kummer verursacht, ist das wirklich eine Frage? Sieh Dich selbst in der Lage, dass Dein liebster Mensch so - auf diese Weise - "geht" - das müsste die Frage eigentlich schon beantworten ... Ob diese Gefühle "berechtigt" sind, wäre die nächste Frage - dann kannst Du aber direkt alle Gefühle, die wir Menschen nun mal haben, infrage stellen. Sind Gefühle jemals berechtigt, oder - wenn wir es ganz objektiv sehen könnten - nicht? Warum schreiben dann hier so viele Menschen? Es geht fast immer um Gefühle - die "sollten" eigentlich nicht da sein ...? Das ist eine Rationalisierung und aus sich selbst heraus nicht möglich.

Ich für mein Teil glaube einfach nicht, dass es uns beliebig freisteht, uns das Leben selbst zu nehmen - ebenso wenig, wie einem anderen! Das aber ist, genau wie die Überzeugung, dass nach dem Tod "noch etwas" kommt, eine sehr persönliche Überzeugung, die man kaum weitergeben kann - sehe ich ein.

Wer sich nach hartem Ringen dazu entschließt, diesen Schritt zu tun - wie gesagt, ich würde seine Entscheidung bzw. seine Gefühle dazu achten. Das heißt aber nicht, ich würde stillschweigend zusehen bzw. mich umdrehen und denjenigen sich selbst überlassen! Ich selbst brauchte damals einfach dringend Hilfe, um weiterleben zu können; staune heute noch, dass ich dieses Wunder erleben durfte - und im übrigen überaus dankbar, noch am Leben zu sein.

Ich gehe soweit, zu sagen, wir haben sehr wohl eine Verantwortung demjenigen gegenüber, der unsere Hilfe brauchen würde; sei es, um ihn aus seinem Tunnel, in dem er gerade steckt, herauszuholen, sei es nur, um einen Aufschub seines Planes zu erreichen. Das kann genügen, um ihm einen regelrechten Blickwechsel zu ermöglichen. Das Leben ist - ob man es nun als Geschenk betrachtet oder nicht - etwas unglaublich Kostbares. Dafür lohnt es jeden Einsatz.

Eve

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(V)
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Beitrag Mo., 29.09.2008, 20:38

@Eve...

Da du dich wohl auf mich beziehst...
Warum das den Hinterbliebenen schwersten Kummer verursacht, ist das wirklich eine Frage? Sieh Dich selbst in der Lage, dass Dein liebster Mensch so - auf diese Weise - "geht" - das müsste die Frage eigentlich schon beantworten ...
Mein Ex hat es oft genug im Affekt versucht. Und ja, manchmal denke ich mir: "Wär's ihm doch gelungen. Wäre besser gewesen." Aber ich betone ja, dass meine Aussage aktuelle, persönliche Gründe hat...
Ob diese Gefühle "berechtigt" sind, wäre die nächste Frage - dann kannst Du aber direkt alle Gefühle, die wir Menschen nun mal haben, infrage stellen. Sind Gefühle jemals berechtigt, oder - wenn wir es ganz objektiv sehen könnten - nicht? Warum schreiben dann hier so viele Menschen? Es geht fast immer um Gefühle - die "sollten" eigentlich nicht da sein ...? Das ist eine Rationalisierung und aus sich selbst heraus nicht möglich.
Aber genau deswegen ja. Hier schreiben so viele Menschen, mit so viel Leid und Kummer und teils über Jahre. Genau das meine ich: Wieso sollte das Leid der Hinterbliebenen BESONDERS schlimm sein? Wieso ist es schlimmer als all das Leid, was uns hier täglich im Forum und realen Leben entgegen schlägt?

Sicher, es ist schlimm. Aber wieso ist es schlimmer und so besonders?

Eine Antwort hier im Topic war darauf, dass sich der Hinterbliebene möglicherweise Vorwürfe macht, ob er hätte helfen können und dies und jenes...

a) vielleicht macht er sie sich ja zurecht
b) geht es ihm dabei immer noch nicht um DEN Toten, sondern um sich selbst, viel Selbstmitleid
c) wird er - weil es ja so BESONDERS schrecklich schlimm ist (mehr als andere Formen des Leids) - so schnell betreut, dass man so jemanden meist SOFORT erklärt, dass man für die Depressionen des anderen nichts kann, dass man sich eben keine Schuld geben soll.

Ich will mal versuchen, es ganz anders aufzurollen:

Jemand verliert einen Partner durch eine sehr schmerzvolle Trennung. Von heute auf morgen. Das ganze Leben bricht zusammen. Der Zurückgelasse ist am BOden zerstört, depressiv, denkt seines Zeichens an Selbstmord, sucht die Schuld bei sich, fragt sich, was er /sie hätte besser machen können, wird durch entstehende Schwierigkeiten vom Ex noch weiter psychisch fertig gemacht

Reaktion der "Gesellschaft" salopp: Lass dich nicht so hängen. Sei froh den los zu haben. So geht es nun mal zu. Trennungen gehören dazu. Kann man nichts machen. Da mußte durch. Wer das nicht aushält, ist irgendwie zu schwach oder abhängig oder oder...

Reaktion der "Gesellschaft" wenn es keine Trennung sondern Suzid war, d.h. selber Effekt, sogar noch weniger (weil man wirklich abschließen kann): "Oh, wie schrecklich. Wie furchtbar. Du ärmste! Dich trifft keine Schuld..." und wenn der Notarzt kommt wird gleich schon mal per forma eine psychologische Erstversorung betroffen.

Das ist es, was ich nicht (ganz) verstehe...? Hart wäre es in beiden Fällen, das will ich nicht herabspielen. Aber wieso soll das eine so besonders viel schlimmer sein als das andere? Wieso reagiert das UMFELD im allgemeinen so unterschiedlich? Weil Suizid ein Tabu-Thema ist und "harte schmerzhafte Trennungen" hingegen heutzutage regelrecht zum guten Ton gehören, was man mal mitgemacht haben müsse?

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F43_1
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Beitrag Mo., 29.09.2008, 20:52

Viele verschiedene Aspekte treffen hier aufeinander und um einer Sortierung mal dienlich zu sein:

Schwarz-------------Grau-------------Weiß

Anfang--------------Mitte-------------Ende


Wo stehen wir in dieser Skala?
Gehen wir nicht davon aus, dass der Freitod das Ende darstellt, die dunkle Seite (Tabuzone etc.)?

Das ist eben EIN Standpunkt und wie so oft im Leben und auch nach dem Tod befindet sich die Wahrheit/Realität irgendwo dazwischen.

Mir fallen hierzu zwei Anmerkungen ein:

Mein PT: Er gibt immer mehrere Wahrheiten/Realitäten.
Mein Anatom: Nur weil wir die rosa Elefanten nicht sehen, heißt dies noch lange nicht, dass sie nicht existieren (Zum Thema "Das Auge und seine Physiologie")
Immer Mensch bleiben!

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Eve...
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Beitrag Mo., 29.09.2008, 22:31

Mein PT: Er gibt immer mehrere Wahrheiten/Realitäten.
Natürlich ist es so.

Gothika: Die Reaktionen der Umwelt sind nicht der Maßstab, das meine ich nicht.

Wenn Du denkst, "Wäre meinem Ex der Suizid doch gelungen", beinhaltet das in meinem Verständnis sehr viel Bitterkeit. WÄRE er ihm gelungen, hätte es dennoch anders in Dir aussehen können - oder eben auch nicht; ich will keine universellen Wahrheiten aufstellen - vielleicht gehe ich auch einfach zu sehr von meinem eigenen Erleben aus bzw. von dem, wie meine Familie damals auf meinen Suizidversuch reagiert hat.

Ich habe verstanden, dass Du meinst, im Moment die Sache nur aus einem beeinträchtigen Blickwinkel sehen zu können. Wobei das ja gar nicht gut klingt ...

Trotzdem noch zum Forum und den hier "stattfindenden" Gefühlen: Eine Skala der Gefühlstiefen lässt sich sicherlich nicht aufstellen (außer wie oben von F.), etwa von "nur leicht betroffen" bis "besonders schlimm". Wir empfinden alle alles sehr subjektiv, von daher kann objektiv keine Rede sein von einer Einteilung in Katastrophenkategorien, klar.

Aber könntest Du Dir denn bei einem Dich traurig stimmenden Ereignis tatsächlich sagen: "Trauer? Nö - muss ich nicht haben, denn eigentlich ist Trauer hier gar nicht nötig" und daraufhin Deine Traurigkeit wie mit einem Knopf abstellen? So angedacht mag das ja gehen, in Wirklichkeit aber?

Eve

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(V)
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Beitrag Mo., 29.09.2008, 23:17

Hi!

Nein, ich sag ja gar nicht, dass man die Trauer herabspielen oder gar abschalten soll. Mitnichten. Oder dass dergleichen nicht schlimm wäre.

Aus meinen momentan tatsächlich eingeschränkten Blickwinkel verstehe ich nur nicht so ganz die besondere Aufmerksamkeit gerade was dieses Leid betrifft.

In dem Sinne hast du Recht, dass man nicht verallgemeinem kann. Aber genau das ist es hier doch: Eine allgemeine Diskussion über ein speziell ausgewähltes Thema. Vielleicht ist es für den einen Angehörigen besonders schlimm, für den anderen weniger. Lässt sich nicht verallgemeinern. Wieso ist also dieses Thema so speziell?

LG,
Gothika

PS:
Ja, wenn mein Ex es damals durchgezogen hätte, hätte ich es ganz anders gesehen als heute. Stimmt. Ich wäre hinterher gehüpft, ganz ohne Frage. Heute bin ich mir allerdings sehr unsicher, ob nicht auch das die bessere Alternative gewesen wäre...

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Eve...
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Beitrag Di., 30.09.2008, 13:00

Heute bin ich mir allerdings sehr unsicher, ob nicht auch das die bessere Alternative gewesen wäre...
Weil es Dir zur Zeit nicht gut geht, siehst Du es so. Du bist arg deprimiert, ja?

Deshalb sage ich auch, dass ich niemals verurteilen würde, wenn sich jemand zu diesem Schritt entschließt. Nur nennst Du den größten Hinderungsgrund selbst: den zeitweise "gestörten" Blick!

Wenn es Dir (hoffentlich bald) wieder besser geht, wirst Du es anders sehen, wetten? Und so geht es den meisten Suizidanten, wenn sie überleben: Viele sagen, sie würden es nie mehr wieder tun. Einige tun es wieder. Sicher, nie ist ein Thema über einen Kamm zu scheren. Was wir hier sehen, ist eben die Vielfalt der Meinungen und Ansichten. Normal eben.

Gruß, Eve

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Dornröschen Dorn
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Beitrag Di., 30.09.2008, 16:43

Halloo an alle!

Ich hab jetzt den ganzen "älteren" Beitrag durchgelesen. Und ich muss sofort dazu was schrieben zu einem bestimmten Absatz!!!! Und erst dann les ich noch hier die ganzen Antworten durch!

Dieser Absatz von F43_1 ist soo genial!!!!
Alos, dazu muss ich noch schrieben, das ich mich gestern leider wieder in dieser Situation gefangen fühlte. Nicht zu wissen wohin mit mir und ob sterben besser wär oder leben.
Deine Sätze waren: Der Suizidant steckt in einer Situation, die ihm erst einmal so vorkommt, dass er einen Ausweg sucht. Bis zum Schluss darf er sich jeden Ausweg aussuchen. Welchen wird er nehmen? Gehen wir einmal davon, dass er sich den wählt, der ihm eine Linderung seiner jetzigen Situation verspricht.

Nun komme ich:
Ich bin in dem Moment anwesend, also nicht neutral! Ich wirke (Man kann nicht nicht kommunizieren) und nun beginnt mein Wirken einzuwirken. Ich kann als meine Wirkung (ich meine damit ersteinmal das Sein) nutzen, um einen Zugang zu bekommen. Dieser Zugang orientiert sich nicht an "Gut-Böse" (Wertungen). Das verschafft dem Suizidanten sehr viel Spielraum, weil er sich WEITERHIN frei entscheiden kann. Und damit sind wir an einem Schlüsselpunkt: Freie ENtscheidung ist etwas, was diese Menschen bis dahin kaum bis gar nicht erlebt haben werden....es entsteht eine Art "AHA-Effekt".......

Und ich sage nun dazu: Du hast es soooo gut beschrieben! Ich unterstreiche deine Einstellung total!! Vielleicht ist es bei anderen wirklich anders. Also ich hatte das auch schon öfters das ich mir lieber eine mitfühlige Person in der situation an meiner seite gewünscht hätte. doch mir war hinterher immer klar, das das letztendlich mir auch ncihts bringt. weil die person verschwindet ja dann auch wieder und ich bin wieder allein.
und so wie F43_1 das beschrieben hat mit dem AHA Effekt ist genau das was ich mir gestern sowas von gewünscht hätte an meiner seite!!!! ein mensch der total neutral ist! für mich ist deine einstellung absolut nicht kaltherzig sondern ich fühle eine richtige befreiung!! was du da beschrieben hast könnte echt genau von mir sein!! wie ich mich gestern fühlte. ich empfinde deine haltung oder sichtweise also erstens als total befreiend und als jemanden der mir in irgendeiner gewissen weise sogar mit dieser neutralität vollstes verständnis und irgendwie ein geborgenheitsgefühl jetzt sogar schobn vermitteln kann. ich stell mich dir auch so vor, als wenn du ganz neutral jemandem zuhören kannst und derjenige sich bei dir mal so richtig aussprechen aknn über alle nöte und sorgen und du dazu aber garnichts sagen oder beurteilen würdest. bist du so jemand? sowas find ich äußerst befreiend!!
und wie du schon sagtest: Das verschafft dem Suizidanten sehr viel Spielraum, weil er sich WEITERHIN frei entscheiden kann. Und damit sind wir an einem Schlüsselpunkt: Freie ENtscheidung ist etwas, was diese Menschen bis dahin kaum bis gar nicht erlebt haben werden....es entsteht eine Art "AHA-Effekt".......
GENAU DAS (besser hätt ich es auch nicht sagen können *total aus dem positiven häuschen bin*)!!
ich aknn nicht so gut beschreiben, aber einfach klasse wie du das so siehst!!

Nun frag ich mich allerdings warum ich wohl die einzige bin die das als wohltuhend empfindet was F43_1 beschreibt?! Ich könnte es mir nur so vorstellen^^: Also wenn man kurz davor ist aus dem Leben zu gehen, sieht man ja sowieso nicht mehr klar. Ich mein, vlt ist man da wirklich schon ein kleines bischen nciht ganz dicht im kopf (Für eine gewisse zeit!!). mal so einfach ausgedrückt.
Und deshalb könnt ihr das nicht so einordnen oder so?! weil bei euch vlt das schon soo lange her ist mit dem letzten sm.versuch?! aber ich hab echt keine ahnung!
ach ich weiss es nicht.

Was ist eigentlich parasuizidal?

@F43_1: Jetzt hast du mich voll auf die Folter gespannt was du beruflich amchst,d a du schon oft mit der Situation zwischen Tod und Leben gestanden bist und es sehen musstest/solltest/konntest!!

Lieben Gruss (ich hoff ich hab nicht zu undeutlich mich ausgedrückt )

P.S.: Ich finde diese Diskussion echt genial momentan! Sehr interessant und aufschlussreich! Achja und ich würde auch aus Reflex wahrscheinlich dem Brückenspringer versuchen zu helfen!!!!
Erfahrungen sind die Schlüssel zu noch mehr Glück und Vollkommenheit, für alle Schlösser, die das Leben mir noch bringen wird..



Lieben Gruss und bis bald!

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F43_1
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Beitrag Di., 30.09.2008, 17:48

So, nachdem ich meine ganzen Unterlagen sortiert habe fühle ich mich durch den obigen EIntrag sortiert genug, um etwas darauf zu antworten.

Zuerst einmal ist es für mich wichtig, anzuerkennen, dass es keine "einzig wahre" Lösung gibt, wie man jeden Suizidanten umgeht. Das ist auch nicht mein Ziel dieser Diskussion, die ich als Bereicherung meines Wissens ansehe. Mir geht es darum aufzuzeigen, wie unterschiedlich die Sichtweise generell ist und wie ICH PERSÖNLICH dazu komme, so zu handeln und nicht anders.

Kommen wir erst einmal zu mir:
Auf meiner angegebenen Homepage findet man sich bezüglich meiner Tätigkeiten schnell zu recht. Ich habe in diesem Forum bereits bei meiner Vorstellung geschrieben, dass ich KEIN Arzt, Apotheker, Heilpraktiker oder PT bin.

Ich bin privat und beruflich von allen Betrachtungsseiten auf Suizidanten eingegangen, in der hochakuten Phase (präklinisch, klinisch), in der abflauenden (klinisch, ambulant) und im Nachhall (FReundeskreis o.ä.). Daher verfüge ich, wie andere Menschen auch, über einen sehr reichen Erfahrungsschatz in dieser Hinsicht. Zudem dürfte ich meinem Leben mehr Tote gesehen haben, als die meisten PTler und Fachärzte f. Psychiatrie, was mich nicht besser macht, sondern sensibilisiert.

Der wichtigste Punkt allerdings ist der, dass ich selbst Betroffener bin. Wobei ich nie suizidal war, aber stark fremdgefährdet und parasuizidal.

Hier möchte ich deine Frage aufgreifen:
Parasuizidalität ist eine Vorstufe des suizidalen Handelns. Ganz einfach beschrieben:"Was wäre wenn....." Es dreht sich um das Ableben, ohne jedoch in eine Planung überzugehen oder das Leben als nicht mehr lebenswert anzusehen. Man erkennt immer noch einen Restsinn.

Meine Haltung dem Suizianten gegenüber hat etwas mit mir selbst zu tun, so wie die Handlung jedes anderen ebenfalls aus sich selbst heraus mitbestimmt wird. Ich halte Respekt dem Individuum gegenüber für eine wichtige Tugend und damit kein "Heiligenschein" über mich gehalten wird: Ich kann auch anders! Hat aber hiermit nichts zu tun.

Aus dem Respekt heraus stelle ich mir die Frage, was ich will und in einer solchen Situation geht es eben nicht um "Was will ICH", sondern was will mein Gegenüber. Ich vertrete eben den Standpunkt, dass grundsätzlich alles ersteinmal OK ist. Moral und Urteil kommen später, zumindest bei mir und deswegen habe ich mein Handeln bereits so beschrieben und es ist für mich erfolgreich! Ich habe noch nie einen Suizidanten durch meine Handlungsweise verloren und ja: Darauf bin ICH FÜR MICH stolz. Mache aber mein Seelenheil nicht davon abhängig. Ich habe aber nicht die Weisheit alleine gepachtet und ich akzeptiere, wenn auch mal mehr oder weniger, die Vorgehensweise anderer hier.

Du hattest die Frage gestellt, ob ich deinem Ideal nahe äme (so verstehe ich dich ). Ja, hierzu zwei Beispiele:

Eine mir unbekannte Freundin eines Freundes geht mit uns aus. Sie steht dort ich dort. Sie hatte nichts gesagt, getan oder einen HInweis gegeben. Ich gehe auf Sie zu, nehme sie in den Arm und dann fällt der Vorhang, die TRänen kommen und seit langer Zeit konnte sie so sein wie sie wollte. Sie hatte in diesen Augenblicken die Freiheit.

Ein anderes Mal betrete ich den Ort des Geschehens, signalisiere den anderen Helfern das sie aus dem Raum gehen sollen und knie mich hin, warte, halte Distanz und warte einfach ab......der Mensch ist freiwillig behandelt worden, ohne HAndschellen, Valium etc......

Ich wirke anscheinend "irgendwie" auf diese Menschen, anders kann ich es nciht beschreiben und so kann ich der Freiheit/ der freien Entscheidung einen Raum geben.

Das ich so auf dich wirke: Es ist dein Anteil dies wahrzunehmen!

Du bist in diesem Forum nicht die einzige Person, die das so annehmen kann. Die anderen Meinungen werden aber wiederum von anderen Lesern geteilt und ich denke so gewinnt diese DIskussion an Tiefgang.


Ich bin übrigens nicht der Meinung, dass der Suizidant "nicht normal" sei. Dafür sprechen meine Erfahrungen für mich ganz allein eine andere Sprache. Uns fällt es allen schwierig auf die Seele zu hören, weil wir selten gelernt haben ihre Sprache zu sprechen. Wie sollen wir erst in einem "Streit" zwischen ihr und dem Verstand die Seele verstehen?


Ich konnte dir gut folgen!
Immer Mensch bleiben!

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