Ist das Therapie?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Hexe11
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Ist das Therapie?

Beitrag So., 05.05.2024, 13:37

Hallo!
Ich bin neu in diesem Forum und beigetreten, weil ich mir nicht sicher bin, ob die Psychotherapie, die ich gerade mache, überhaupt eine Therapie ist.
Vor vier Jahren hat mein Mann begonnen, massiv zu trinken. Ich habe daraufhin mehrere recht sinnlose Beratungen in Anspruch genommen bis ich in einer Suchtberatungsstelle landete, wo ich auf einen wirklich guten Angehörigenberater traf. Dieser hat mir nicht nur die Augen bzgl meinem Mann geöffnet, worauf es zur Trennung von meinem Mann kam, sondern auch in Bezug auf mich selbst und meine Geschichte. Er hat mir viele Tipps gegeben, war Sozialpädagoge und Systemischer Therapeut und ich habe bei ihm vor allem sehr große Fortschritte und Erkenntnisse in Bezug auf mich selbst erreicht. Es war wie eine Therapie für mich. Leider wechselte er nach einem Jahr die Stelle. Er empfahl mir, dringend einen Psychotherapieplatz für mich in Anspruch zu nehmen und so meldete ich mich in der von ihm empfohlenen Praxis an, mit dem Verdacht auf eine Posttraumatische Belastungsstörung. Nache einiger Zeit fand ich eine vor Ort ansässige Traumatherapeutin, die ich ausgesprochen sympathisch fand. Sie machte eine ausfürhliche Diagnostik und Anamnese und begann erstmal 'biographisch' bis in mein Teenie-Alter. Dies führte durchaus zu einigen Erkenntnissen, welche Begebenheiten in meiner Kindheit möglicherweise wichtig für mich und mein Verhalten sind. Die ersten Einheiten fand ich das interessant, weil es mir einige Erkenntnisse bot. Des Weiteren war sie ausgesprochen empathisch und ich mag sie wirklich sehr. Sie ist Verhaltenstherapeutin, Traumatherapeutin und Hypnosystemische Therapeutin. Doch neben der Besprechung der Kindheit und der Besprechung meiner Probleme im Alltag (also ich sprach, sie hörte zu), passierte auch nach Beantragung der Langzeittherapie nichts. Ich bin ein sehr strukturierter Mensch. Bei dem Angehörigenberater hatte ich es mir angewöhnt, immer nach der Beratung alle Erkenntnisse aufzuschreiben und oft machte ich mir auch Notizen für die darauffolgende Einheit. Dies hörte ich in der Therapie irgendwann auf. Es kamen nie Erkenntnisse, ich bakam keine Tipps, Aufgaben, etwas konkret zu machen, zu reflektieren, zu üben, im Alltag anzugehen. Sie hörte zu, drückte ihr Mitgefühl aus, sagte mir viele viele Male, was ich alles leisten würde und wie toll ich zurecht gekommen wäre bisher und wie toll ich doch wäre usw. Also viel Bestätigung meiner selbst, die mir sicher sehr gut tat. Außerdem machten wir eine einzige Stunde eine Traumakonfrontation, über die dann aber nicht weiter gesprochen wurde. Bzgl meiner Sozialphobie meinte sie, ich solle mich doch in Zukunft einfach mehr trauen. Bzgl der Beziehungsthemen hörte ich von ihr, mit Beziehungen wäre sie der falsche Ansprechpartner.
Wir machen das jetzt schon seit 41 Stunden so. Für mich war es bisher völlig sinnlos und wenig ergiebig. Zum reinen Zuhören hab ich genug Freundinnen, die sich das anhören. Das habe ich ihr auch versucht zu sagen. Da meinte sie, sie könne ja an meiner schwierigen Situation und den Alltagsbelastunden nichts ändern. Sich das anhören wäre das einzige, was sie mir helfen kann. In meinem Verhalten mit ihr wäre ich unauffällig und unkompliziert, so dass sie hier keine Folgeerschienungen mehr erkennen könne, die man behandeln könnte. Therapieziele zu Beginn waren eigentlich meine Angst vor Menschenmengen und Fremden, traumatische Kindheitserlebnisse, ein Missbrauchserlebnis, meine Lebensunlust und die Unfähigkeit Freude, Ausgelassenheit, Stolz u.ä. zu empfinden, Probleme in der Beziehungsgestaltung/Bindungsangst. Ich traue mir vieles nicht zu.Selbstwert ist auch ein Thema. Bin alleinerziehend, zweimal geschieden, hab zwei Kinder. Ich finde, das bietet ausreichend Themen, die bearbeitet werden könnten. Oder nicht? Bin ich ein Hypochonder? Kann man daran wirklich so gar nicht arbeiten? Offiziell ist die Diagnose eine PTBS. Und die Dinge, die mir der Berater damals als Anreiz zum Nachdenken, reflektieren und meine Sicht und mein Verhalten zu ändern gegeben hat, war mir eine große Hilfe. So hatte ich mir Therapie eigentlich vorgestellt.
Was denkt ihr? Ich spiele mit dem Gedanken noch ein weiteres mal (4. Versuch) mit meiner Therapeutin über dieses Thema zu sprechen. Da ich nicht genau weiß, wie Therapie eigentlich abläuft, kann ich ihr jenseits meienr Ziele schlecht sagen, was konkret ich mir wünsche bzgl Methodik und co. Wenn nichts dabei raus kommt, würde ich die Therapie beenden. In Deutschland habe ich dann leider zwei Jahre Wartezeit und dann würde ich einen neuen Versuch starten. Ich bräuchte bitte mal einen objektiven Blick darauf, ob das Therapie ist, oder ob einfach meine Ansprüche zu hoch sind?
Herzlichen Dank!

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caduta
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Beitrag So., 05.05.2024, 14:21

Hallo Hexe,

Ich versuche mich mal an einer Antwort. Also, ja ich denke schon, dass das Therapie ist. Aber vielleicht nicht die richtige für dich? Das was sie dir anbieten kann und möchte, passt nicht zu dem, was du dir vorstellst.

Du hast allerdings auch sehr konkrete Vorstellungen. Für mich klingt es so, als würdest du ihr wenig Angriffsfläche bieten, so dass sie gar nicht richtig an dich rankommt und so viel machen kann. Es geht ja nicht immer nur um Übungen und Hausaufgaben in der Therapie.

Also entweder du kannst das mit ihr klären oder du suchst dir wirklich jemand anderen mit dem du besser klar kommst.


Jenny Doe
[nicht mehr wegzudenken]
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Beiträge: 4850

Beitrag So., 05.05.2024, 14:28

Hallo Hexe,
Sich das anhören wäre das einzige, was sie mir helfen kann. (...) Kann man daran wirklich so gar nicht arbeiten? (...) Da ich nicht genau weiß, wie Therapie eigentlich abläuft, kann ich ihr jenseits meienr Ziele schlecht sagen, was konkret ich mir wünsche bzgl Methodik und co.
Ich würde dir empfehlen Dich etwas in Behandlungsmöglichkeiten einzulesen, damit Du eine Vorstellung davon bekommst, wie andere Therapeuten Angst vor Menschenmengen und Fremden, traumatische Kindheitserlebnisse usw. behandeln. Denn man kann, und sollte, mehr machen als nur Zuhören. Zuhören kann Dir auch dein Friseur. Von Psychotherapeuten darf man durchaus mehr erwarten. Da gibt es eine ganze Menge an Methoden, wie man bei solchen Problemen helfen kann.
Wichtig in deinem Fall wäre, so denke ich, dass Du eine Vorstellung davon bekommst, was für Methoden es gibt. Deine Therapeutin scheint diesbezüglich nicht viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Wenn Du z.B. weißt, dass andere Psychotherapeuten mit ihren Patienten z.B. Angstkonfrontation machen, dann hättest du eine Vorstellung davon, wie man Angst behandeln kann. Und du könntest entscheiden, ob die Therapeutin für dich die richtige ist, ob Dir Zuhören reicht oder ob Du dir konkrete wünschst.
Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben, damit wie das Leben leben können, das uns erwartet (Joseph Campbell). Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen (Hermann Hesse).

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alatan
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Beiträge: 953

Beitrag So., 05.05.2024, 20:08

Hexe11 hat geschrieben: So., 05.05.2024, 13:37 Therapieziele zu Beginn waren eigentlich meine Angst vor Menschenmengen und Fremden, traumatische Kindheitserlebnisse, ein Missbrauchserlebnis, meine Lebensunlust und die Unfähigkeit Freude, Ausgelassenheit, Stolz u.ä. zu empfinden, Probleme in der Beziehungsgestaltung/Bindungsangst. Ich traue mir vieles nicht zu.Selbstwert ist auch ein Thema.
Hallo Hexe11,
das oben Geschriebene sind keine Therapieziele sondern zum Teil Symptome, zum Teil Lebensereignisse.

Therapieziele bedeutet, sich zu überlegen: Was möchte ich an mir und meiner Situation ändern, damit es mir besser geht? Dafür braucht es sehr viel Verständnis, wie es zu der jetzigen Situation gekommen ist, wie man so geworden ist.

Traumatische Kindheits- und Missbrauchserlebnisse rechtfertigen keinesfalls die Diagnose einer PTBS. Dazu braucht es einen ganz bestimmten Symptomenkomplex. Da besteht leider oftmals ein Missverständnis. Eine PTBS ist nicht gleichzusetzen mit Bindungstraumatisierungen.

Und nein, nach Therapie klingt das, was du beschrieben hast, in keiner Weise, sondern eher nach missbräuchlichem Verschwenden von Therapiestunden, die aus der Solidargemeinschaft gezahlt werden, wie es leider sehr häufig vorkommt.

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Hexe11
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Beitrag Mo., 06.05.2024, 17:30

Ich danke euch Dreien für eure Einschätzung. Die PTBS Diagnose ist schon berechtigt in Anbetracht der deutlichen Symptomatik, die ich hatte, als ich Therapie suchte. Ich denke, dass sich dieser Teil am Schlüssigsten für die Beantragung der Langzeit beschreiben ließ.
Ich werd mir noch etwas Gedanken machen und tendiere dazu, dann abzubrechen, damit die zwei Jahre Wartezeit recht bald anfangen und das nächste mal muss ich -sofern ich überhaupt nochmal einen Therapieplatz ergattern kann- noch genauer auswählen und nachfragen, wie derjenige konkret arbeitet. Ich werde dann vermutlich einen systemischen Therapeuten ansteuern, weil mir das einfach mehr lag.
Herzlichen Dank euch!

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