Kriegstraumatisierte Eltern / Großeltern

Alle Themen, die in keines der obigen Foren zum Thema "Psychische Leiden und Beschwerden" passen.
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Laura13
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Beitrag Mo., 01.03.2010, 19:05

Eve... hat geschrieben:Danke nochmal, Laura (sorry, hab den Namen oben korrigiert). Ich werde sehen, ob ich den Mut aufbringen es zu lesen - oder ob es doch erst noch "ablagern" muss ...
Nein, nein, du, ich wollte dir keinesfalls Angst machen!!!!
Es ist ein absolut hilfreiches, gutes, feinfühliges und sehr versöhnliches Buch!
Davor muss man keinerlei Angst haben. Ich konnte danach vieles erst verstehen und auf meine Familiengeschichte übertragen. Es hat mir geholfen!
Lies es sobald wie möglich, eben in DEINEM Tempo.

Liebe Grüße
Laura

P.S.: "Anne" ist auch ein schöner Name....
Die Nacht holt heimlich durch des Vorhangs Falten
aus deinem Haar vergeßnen Sonnenschein.
Schau, ich will nichts, als deine Hände halten
und still und gut und voller Frieden sein.

Rainer Maria Rilke

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Eve...
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Beitrag Mo., 01.03.2010, 19:11

Alles klar, liebe Laura-Anne!

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gompert
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Beitrag Mo., 01.03.2010, 19:40

Quercus hat geschrieben: Typisch ist auch, dass ein Holländer ein solches Thema eröffnet
Das kann ich nicht beurteilen, weiss nur dass ich es als ein Privileg empfinde dass dieses verletzliche Thema so seriös und so rührend offen besprochen wird.
Staunend liest's der anbetroffne Chef......

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Quercus
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Beitrag Mo., 01.03.2010, 20:23

gompert hat geschrieben: Übrigens fällt bei uns langsam der Groschen: in keinem anderen Land haben die nazis so leicht regieren können, so leicht die Juden erfassen können usw. wie in Holland.

gompy.
Vor vielen Jahren hat ein ehemaliger KZ-Häftling, der aus Östereich nach Holland floh und dort nach der Besetzung ins KZ kam, die Schule meiner Kinder besucht und von seinen Erlebnissen erzählt. Meine Kinder waren damals tief beeindruckt und konnten kaum darüber reden. Sie haben sein Buch mitgebracht. Darin beschreibt der Autor seinen sieben Jahre dauerten Leidensweg von Östereich nach Holland und am Ende nach Ausschwitz. Beeindruckend fand ich auch wie er von Menschen schreibt, die ihm schlimmstes Leid angetan haben, aber auch von Menschen, die ihr eigenes Leben riskiert haben um ihm zu helfen und diese Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit gab es in allen 3 Nationen.

Fakt ist aber leider, dass dieser Terror von Deutschland ausging. Mich würde aber trotzdem interessieren, ob es solche Erlebnisberichte von Zeitzeugen auch in holländischen Schulen gab/gibt.

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jennyfer
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Beitrag Mo., 01.03.2010, 21:40

gompert hat geschrieben:
Andererseits vermittelte mir die Gruppentherapie eine Sichtweise die mir gut gefiel: dass wir als Kinder traumatisierter Eltern nicht mit ihren Kriegserlebnissen sondern mit ihrem gestörten Gefühlsleben zu tun haben. Wir seien keine eingefrorenen Kriegsopfer, sondern mangelhaft erzogener Nachwuchs unfähiger Eltern. Das gab einigen von uns auch die Antwort wenn die Eltern mal fragten wo’s denn überhaupt juckt. Wir hätten ja den Krieg nicht erlebt. “ Nee, leider! Euch haben wir erlebt!” Ich hätte das meiner traurigen Mutter nicht zufügen können. Aber ich freue mich für diejenigen die es sagen konnten.
Danke dir, lieber gompert. Ich kann vieles für mich damit anfangen.

In meinem Mann ist immer noch verankert "wenn ihr gelebt hättet, wie ich lebte, dann....."

ja was dann? Wüssten dann seine Kinder warum er leidet? Das er unter einer schwerst kriegstraumatisierten Mutter versuchte zu atmen?

Was ich erlebe ist, dass seine Mutter aus diesem Trauma nach Jahrzehnten richtig liebevoll zu leben beginnt, und er noch "darin" feststeckt. Ich glaube, weil er gar nicht weiss, in was er steckt.

Das er womöglich in den Auswirkungen dieser jahrelangen Flucht und Angst steckt, die seine Mutter und Großmutter am eigenen Leibe erfahren mussten.


Lieben Gruß an dich

jennyfer
...

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jennyfer
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Beitrag Di., 02.03.2010, 10:02

Seltsam ist, dass sie mir ihre Geschichte erzählte, und ihrem Sohn nicht.

Die Generationenvertuschung?! um die Kinder vor etwas zu schützen, was sie sowieso trotzdem sehr stark betrifft? Die verzweifelten Versuche den Kindern eine "normale" Welt bieten zu können?

Eltern haben es nicht leicht. Ich frage mich sehr oft, inwieweit mein Erbe meine Kinder beeinflusst und belastet.

Was mich trügerisch beschäftigt ist, dass ich glaube, wenn ich ohne Geheimniss lebe, sie eine bessere Welt, ein besseres Verständniss ihnen gegenüber entwickeln. Ich glaube aber derzeit leider, dass das nur eine "andere" Aufteilung einer "Geschichte" darstellt, und die Kinder trotzdem die Auswirkungen zur Gänze erfahren müssen. Der einzige momentan für mich erkennbare Vorteil ist, dass sie wissen, oder spüren, warum sie nicht nur leicht durchs Leben gehen können. Das macht es trotzdem nicht weg.

Ich frag mich gerade, ob es ein Vorteil ist, eine Geschichte zu zerteilen (auf die Generationen) oder sie langsam erlischen zu lassen. Die unbewusste Last (ich glaube nicht das je das ganze Ausmaß erfasst werden kann) ist - glaube ich - in beiden Fällen vorhanden.

Das war alles laut gedacht. Ich werde mir auch Lesestoff darüber besorgen.

Klar sagt mein Verstand "raus mit der Sprache des Leides". Doch ich glaube derzeit auch, dass das nicht unbedingt zu einer Lösung führen muss/kann. Als ob die Menschheit immer schwerer wird, je mehr Leid verbreitet wird. Ich trage ob ich verstehe oder nicht. Leichter wirds nicht, eher aufgeteilter, bewusster.

jennyfer (die in dem Thema noch unerfahren ist)

Ich ziehe mich wieder zurück, und hoffe niemanden in diesem sensiblen Thema verletzt zu haben.
...

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Eve...
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Beitrag Di., 02.03.2010, 12:23

Die Generationenvertuschung?! um die Kinder vor etwas zu schützen, was sie sowieso trotzdem sehr stark betrifft? Die verzweifelten Versuche den Kindern eine "normale" Welt bieten zu können?
Ja sicher, auch. Aber das passiert wohl mehr unbewusst. Und verfehlt das Ziel absolut, denn durch Familiengeheimnisse wächst in den Kindern die ANGST ... vor dem Unheimlichen, nicht Greifbaren, vor dem Leben, das solch unterdrückte Verzweiflung beeinhaltet, von der man nicht versteht, wo sie herkommt.

"Raus mit der Sprache" mag nicht die Lösung sein, aber es ist ein Schritt zur Möglichkeit hin, am Leben festzuhalten, das sonst den Namen nicht mehr verdient.


montagne
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Beitrag Do., 11.03.2010, 18:04

Ich finde es richtig, richtig gut, das du diesen Thread eröffnet hast, gompert. Warum? Ja weil es in Deutschland wirklich totgeschwiegen wird, bis in den Suizid hinein, wie auch Eve berichtet und wie es nicht selten ist. Auseinandersetzung, auch fachliche, insbesondere psychoanalytische gibt es schon, aber die sind der breiten Masse, die es betrifft nicht zugänglich, in doppelter Hinsicht. Margarete Mitscherlich: Die Unfähigkeit zu trauern, soll dazu gut sein. Habs selbst noch nicht gelesen.

Ich bin ein Kind alter Eltern und sehr alter Großeltern. Obwohl selbst och jung, bin ich die erste in der Familie, die ohne Weltkrieg und ohne Nachkriegszeit aufgewachsen ist.
Vertreibung, Tod, Vergewaltigung, das sind die Schicksale in meiner Familie. Nichts besonderes für die damalige Zeit und doch so grausam und prägend.

Ich denke das Tabu reproduziert sich zum einen durch das Grauen selbst. Ich weiß das, weil ich selbst in politisch sehr unruhigen Situationen gearbeitet habe. Selbst ich kann mir kaum noch vorstellen wie ich mich da gefühlt habe, jetzt wo ich im sicheren und netten Deutschland bin. Täglicher Umgang mit Waffengewalt, Menschen die man kannte, die gestern noch gelebt haben und heute Tod sind. Mir fällt es schwer das innerlich zu erschließen. Vielen, die in Krisengebieten gearbeitet haben ergeht es so, das sie es als zwei getrennte Welten erleben, innerlich wie äußerlich. Wie mag es also Menschen gehen die etwas erlebt haben, das um ein vielfaches schlimmer war?
Ich konnte früher das Schweigen meiner Großeltern und Mutter darüber, was sie erlebt haben auch nicht verstehen. Jetzt kann ich es, wenn gleich ich es nicht gut heiße.

Hinzu kommt, das es Brüche zwischen den Generationen sind, denke ich, zumindest in meiner Familie. Jede Generation hat, aufgrund der Kriegsgeschehnisse etwas, was sie ihren Eltern nicht verzeiht. Angefangen von meiner Großmutter ihrer Mutter. Meine Großmutter war schon weit über 90, ihre Mutter bereits 50 Jahre tot, da sagte sie noch: Wenn meine Mutter damals nicht..., dann... (wäre das und das nicht passiert). Die Kinder meiner Großmutter wiederum werfen ihr ebenfalls, bis über den Tod hinaus Dinge vor. Fühlten sich von ihrer Mutter nicht ausreichend beschützt. Aber wie sollte sie dies auch können auf der Flucht, im Nachkriegsberlin?
Ich habe das Gefühl ich bin die erste, die da irgendwie mal aufräumt. Klar, ich bin die erste in der Familie, die den Freiraum dazu hat. Aber einfach ist es nicht. Zumal die beiden Generationen nun doch schon tot sind. Und das trifft ja auf viele zu. Die Krieggeneration stirbt langsam komplett weg und hat nie gesprochen und die nachfolgende Generation bleibt zurück mit einer namenlosen Angst und ohne passenden Interaktionspartner.
amor fati

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Moni.
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Beitrag Do., 11.03.2010, 19:05

Hallo vallée,

Deine Worte haben mich tief berührt.
Danke.

Moni

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gompert
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Beitrag Fr., 12.03.2010, 11:10

Mich auch. Danke dir, vallée.....

Gompert.
Staunend liest's der anbetroffne Chef......

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Laura13
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Beitrag Fr., 12.03.2010, 12:37

vallée hat geschrieben: Ich konnte früher das Schweigen meiner Großeltern und Mutter darüber, was sie erlebt haben auch nicht verstehen. Jetzt kann ich es, wenn gleich ich es nicht gut heiße.
Liebe Vallee, auch mich haben deine Worte (mal wieder) sehr berührt...Ja, es gibt Betroffene, die bis heute schweigen, weil sie über das Grauen, das sie erlben mussten einfach nicht reden können....
Es gibt aber auch die anderen Betroffenen, die ständig über das schlimme Kriegsgeschehen reden...ich kenne dahingehend viele bekannte, ältere Verwandte und auch meine Eltern waren immer so....(wobei ich hinzufügen möchte, dass ich nicht beurteilen kann, ob das wirklich ALLES war, was sie mir so erzählt haben....möglicherweise gab es noch Schlimmeres)...ich bin nämlich auch ein Kind alter Eltern....Ich habe es als zutiefst bedrückend empfunden, schon im Kindergartenalter ständig mit diesen schlimmen Erlebnissen konfrontiert zu sein...ich empfand tiefes Mitleid mit meinen Eltern und hatte immer das Gefühl, dass ICH an ihnen gutmachen muss, was sie so Furchtbares erlebt haben....so Sätze wie: "ach, das könnt ihr euch ja heute gar nicht vorstellen...euch geht es ja so gut...ihr habt ja keine Ahnung,...."...ich spürte schon sehr früh, das Leid, die innere Not und diese tiefe Trauer in meinen Eltern...ein gewisses Dunkel, das sich auch über mein Leben legte....
Heute weiß ich ja, dass sie traumatische Erfahrungen gemacht haben und dringend eine Therapie gebraucht hätten...

LG
Laura
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gompert
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Beitrag Fr., 12.03.2010, 12:46

Laura13 hat geschrieben: Heute weiß ich ja, dass sie traumatische Erfahrungen gemacht haben und dringend eine Therapie gebraucht hätten...
Und was DU gebraucht hättest Laura13, war kein Thema.... Willkommen im Klub.
Staunend liest's der anbetroffne Chef......

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Eve...
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Beitrag Fr., 12.03.2010, 12:58

Ja, das Grauen wirkt sich über Generationen aus; das habe ich so wie Valleè am eigenen Leib erfahren, das Schlimmste aber war, dass es über viele Jahre ein ungreifbares Grauen - für mich ohne Namen und ohne Gesicht - war, und mich gerade durch das Schweigen und diese Un-fass-barkeit dem Leben gegenüber schrecklich verunsichert hat. Wie sollte ich bewätigen, was nicht einmal im Ansatz zu definieren war? Ich war ahnungslos, bis ich etwa 20 war, dann stürzte die Welt über mir zusammen ... ich schaute dem nackten Grauen ins reißende Maul, als ich erfuhr, was gewesen war

Und ich hätte es vielleicht nie erfahren, hätte es nicht einen Menschen gegeben, der seiner Herkunft auf die Spur kommen wollte ... und seinerseits erforschte, welcher Abstammung er war: Nämlich das Kind aus der vielfachen, mörderischen Vergewaltigung ... und er, auch ahnungslos, erfuhr es erst, als er Kontakt aufnahm mit dem Teil seiner Familie, von der er nach Kriegsende noch weggesprengt worden war ...

Ich kann und will darüber hier nicht mehr schreiben, konnte es inzwischen aber in Gesprächen und auch durch persönlichen Kontakt wenigstens teilweise bewältigen; es ist jedoch so wie bei Dir, Valleè: Ich bzw. er und ich hatten als als erste die Möglichkeit, ein Stück Versöhnung zu schaffen zwischen den Entsetzlichkeiten von damals und dem, was heute ist. Auch für ihn war es furchtbar, zu erkennen, er konnte es nur mit Mühe und teilweise akzeptieren, teilweise musste er vor sich die Tatsachen leugnen, um zu überleben ...

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neko
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Beitrag Fr., 12.03.2010, 13:47

Was gerade rumtreibt, ist die Frage, warum das JETZT, will heißen ERST jetzt auch in Deutschland zu einem auch medial vermittelten thema wird. ich glaub, das hat viel damit zu tun, dass jetzt die kinder derer, die krieg und trauma selber als kinder erlebt haben, in ein alter kommen, wo das mit dem verdrängen und wegstecken nicht mehr so klappt und ihnen die dinge um die ohren knallen. zumindest war es bei mir so.

vor drei jahren hatte ich das erste mal so starke Panikattacken, dass ich mich eines schönen tages gar nicht mehr bewegen konnte. das hat mich so nachhaltig verstört, dass ich dann doch eine therapie angefangen habe - etwas, das mir vrher in den fußstapfen meiner eltern als ungehöriger luxus erschienen wäre. auf der couch hab ich monatelang erst einmal über die quelle meiner ängste gerätselt, hab eine antwort nach der anderen als nicht wirlich überzeugend verworfen und sah mich immer wieder mit der scham konfrontiert, nicht einmal einen grund für meine angt benennen zu können. irgendwann formulierte ich dann erstmals den gedanken, dass in mir vielleicht die ängste wüten, die mein vater in mir abgelegt hat. plötzlich tauchten erinnerungen daran auf, wie er mir als 8 oder 9-jährige von vergewaltigungen im krieg erzählte, die er gesehen hat oder von denen er in seinem umfeld gehört hatte - ausgeschmückt mit vielen details. als nächstes kam mir in den sinn, dass mein vater mir immer einredete, ich sei "mehr schein als sein". zur selben zeit las ich zufällig, dass schüler der napola mit 14 einen dolch überreicht bekamen, auf dem stand "mehr sein als scheinen". dann fiel mir ein, dass mein vater in fast trotziger manier immer damit angegeben hat, auf einer napola gewesen zu sein. wie der zufall es will, fiel mir damals ein buch mit mehrgenerationen-interviews von ehemaligen napola-schülern in die hände. da las ich dann u.a., dass napola schüler als auserwählte der zukünftigen elite oft unter der angst litten, sie könnten doch nicht genügen und ob mangelnder charakterlicher eignung doch noch aussortiert werden. außerdem wurden dort demütigungsrituale als element einer gezielten traumatisierungsstrategie beschrieben, die darauf zielten, in den köpfen und seelen der schüler so etwas wie eine tabula rasa zu errichten, auf der sich dann um so effizienter bedingungsloser gehorsam und ideologische ergebenheit einplanzen ließen. da fiel mir dann wieder ein, dass mein vater, der an meinen leistungen nie etwas aussetzen konnte, immer in düster ahnungsvollen ton von meinen charalterlichen schwächen, von meiner fehlenden härte orakelte...igendwann kam ich dann schließlich darauf, dass mein vater entweder nie auf einer napola war oder nach der halbjährigen probezeit nach hause geschickt wurde. an dem punkt wurde mir erst mal unendlich schwindelig. ich schwankte zwischen wut auf meinen vater, der seine versagensängste in mich hineinprojezierte, weil er nicht in der lage war, sich von seinen peinigern zu distanzieren oder sich hilfe beim aufarbeiten seiner geschichte zu holen. gleichzeitig tat er mir unendlich leid. selbst seiner frau gegenüber, hat er immer an der lügengeschichte von seiner napola"karriere" festgehalten. ich war unendlich betroffen von der vostellung, wie groß die scham in ihm sein musste.

ich kann immer noch nicht mit meinem vater sprechen, pendele immer noch zwischen wut und unendlichem mitgefühl hin und her. ganz langsam versuche ich in mir den gedanken zu stärken, dass ich ihm bei der bearbeitung seiner scham und seiner traumata ncht helfen kann und dass das auch nicht meine verantwortung ist. gleichzeitig ist mir durch lektüre auch klar geworden, wie schwer es gerade für diejenigen, die damals noch kinder waren und die für vieles von dem, was sie erlebt haben, noch keine sprache hatten, sein muss, sich mit ihren tiefen wunden auseinanderzusetzen. für den ein oder anderen klingt es vielleicht schräg, dass ich mit blick auf einen (verhinderten) napola-schüler von wunden spreche. aber er war damals 11-12jahre alt.

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Laura13
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Beitrag Fr., 12.03.2010, 14:19

gompert hat geschrieben: Und was DU gebraucht hättest Laura13, war kein Thema.... Willkommen im Klub.
Ja...so war es....aber das hatte wohl generell mit dem Problem meiner Eltern zu tun....er Alkoholiker, sie psychisch krank und beide absolut uneinsichtig, wenn es darum ging, sich professionell helfen zu lassen....ich war nie Kind....ich war immer das, was meine Eltern gerade brauchten....

Liebe Grüße, gompert.
Laura
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