Was kann ich (man) von Psychotherapie erwarten?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Miesel
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Beitrag Di., 28.10.2014, 17:45

Tristezza hat geschrieben:Hast du Absagen bekommen, weil es keine freien Plätze gab, oder weil die Therapeuten eine Analyse bei dir nicht für indiziert hielten?
Die hatten nichts frei.
Weiter als bis zum telefonischen Versuch einen Termin zu bekommen, bin ich nicht gekommen.
Aber ich denke, ich werde es wieder versuchen, wenn die TFP vorbei ist.

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Widow
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Beitrag Mi., 29.10.2014, 03:03

Vermutlich ist es wieder falsch, dass ich hier schreibe.
Aber ich hab nichts mehr zu verlieren. Und das Folgende muss niemand lesen. - Also:
Ich habe den Thread gelesen, weil mich die Titelfrage seit dem Beginn meiner "Therapie" umtreibt, und ich habe festgestellt, dass ich alles anders gemacht habe und mache, als es hier gesagt worden ist.
(Ich selbst würde das, was ich gemacht habe und mache, mit Blick auf das Thema "falsch gemacht" nennen, aber das würde hier wieder zu vom Thema ablenkenden Diskussionen führen, also nenne ich es "anders gemacht".)

Wenn ich das richtig verstanden habe, gibt es einen Grundkonsens: Die meisten hier hatten das Bedürfnis, sich durch die Therapie zu verändern.
Als ich damals da rein getaumelt bin, hatte ich das Bedürfnis nicht. Und, um ehrlich zu sein, ich glaube, dass ich es bis heute nicht habe. (Und je intensiver der Analytiker darauf besteht, umso weniger, was ja nun auch nicht weiter erstaunlich ist.)

Mir hat heute jemand hier, Marzi war's, in meinem "Blog" etwas geschrieben, das mich bis ins Mark getroffen hat, weil es so sehr stimmt (und ich es so lange nicht sehen wollte/konnte). Es fiel das Wort "Geborgenheit".
Ich habe damals, als ich in die Analyse taumelte, Geborgenheit gesucht - wissend, schon damals wissend, wenn auch nur verschwommen, dass es die nie wieder geben wird.

Seither ist nur noch Kampf und Krampf und Sinnlosigkeit und Wunden.
Auch in der Therapie.

Ich hätte niemals eine Therapie anfangen dürfen. (Ich setze einen Therapeuten mir aus, mir, einer Person, die die wesentlichste "Regel" nicht akzeptiert: Veränderungsbereitschaft. [Die ist auch für den Analytiker die wesentlichste Regel. Hat er mir oft, in allen Strafsitzstunden, gesagt.)]

Wenn ich mich verändern würde - erst recht so fundamental, wie der Analytiker es von mir erwartet -, dann hätte es mich in Leben Nr. 1 niemals gegeben, denn dann würde ich eine vollkommen andere Person werden müssen, weil die vorherige Person falsch wäre, rundum fehlerhaft - - - und damit hätte es mich, mich-als-ich, auch nie für den Liebsten gegeben (was ich ja, könnte ich die Zeit zurück drehen, dem Liebsten wünsche!!!).
Dann wäre ich nie gewesen. - Was für alle Beteiligten bis heute besser gewesen wäre. -
Aber ich krieg das immer noch nicht hin, das wirklich zu verstehen und mich entsprechend zu verhalten (wenn auch nur nachholend zu verhalten, etwas nachholend, was mit meiner Zeugung anfing und nie hätte anfangen dürfen/sollen).

Und ich weiß nicht, wie es lebbar sein soll, mich so dermaßen zu verändern, dass alles, was ich war in Leben Nr. 1 (und davon ist ja eh nur noch was in meinem Kopf übrig, nicht in meinem Leben), nicht mehr ist.
Mich durch die Therapie verändern, hieße genau das: Alles, was einst war, müsste ich a) radikal verändern, b) löschen, c) in ein anderes Gefühlsregister transponieren (je nachdem, worum es sich handelt).

Ich weiß nicht, wie es lebbar sein soll, sich auszulöschen und dann "neu" anzufangen. (Zumal man ja nicht nur sich damit auslöschen würde - das wäre ja völlig okay [sofern gründlich genug und ohne reset] -, sondern auch seine Toten.)

Ich hätte niemals eine Therapie beginnen dürfen.
Und jetzt weiß ich nicht: wie sie beenden, obwohl ich weiß, dass ich die wesentlichste Voraussetzung und Grundlage immer noch nicht aufzubringen imstande bin und dazu nie fähig sein werde.

w


leberblümchen
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Beitrag Mi., 29.10.2014, 07:51

Wenn du sagst, du suchst Geborgenheit - dann kann sich ja die Frage anschließen: "Wofür suche ich Geborgenheit, und welcher Art könnte die Geborgenheit sein?" Die Veränderung bestünde dann z.B. darin, sich durch die erfahrene Geborgenheit durch den Therapeuten auch im Leben geborgener zu fühlen. Die Voraussetzung für solch eine Veränderung wäre aber die Bereitschaft, die Geborgenheit auch in sich fühlbar werden zu lassen - also eher nicht so: "Ich will mich geborgen fühlen, und wenn ich mich geborgen fühle, hasse ich mich dafür, dass ich mich geborgen fühle".

Das wären dann doch schon Veränderungen: etwas suchen und bekommen, es annehmen und bewahren zu können und es auf das Leben übertragen zu können.


Jenny Doe
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Beitrag Mi., 29.10.2014, 08:27

@ Widow,
Ich habe damals, als ich in die Analyse taumelte, Geborgenheit gesucht
ich finde es sehr mutig von Dir, das hier so offen und ehrlich auszusprechen. Denn ich möchte nicht wissen, wie viele Klienten in Therapie sind bzw. in Therapie bleiben, weil es dort so kuschelig warm ist.

Schade finde ich jedoch (bitte erschlag mich nicht ), dass Du deine Therapie nicht nutzt um zu lernen, in der realen Welt das zu finden, was du brauchst. So wirst du immer abhängig vom Therapeuten bleiben, von seiner Wärme, Aufmerksamkeit und Empathie.
Wenn ich mich verändern würde - erst recht so fundamental, wie der Analytiker es von mir erwartet
Hmmm, entscheidet nicht der Klient, was er verändern möchte?

Ich finde mich auch okay, so wie ich bin. Aber es gibt einzelne Probleme, die ich hatte/habe, die ich gerne beseitigen möchte, um glücklicher werden zu können. Das bedeutet für mich nicht, dass ich meine ganze Persönlichkeit von Grund auf ändern müsste und möchte. Nur halt das, womit ich Probleme habe. Da möchte ich gerne lernen, wie ich mit den Problemen umgehen kann.
Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben, damit wie das Leben leben können, das uns erwartet (Joseph Campbell). Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen (Hermann Hesse).

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Lisa99
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Beitrag Mi., 29.10.2014, 08:56

@Widow
Hast du schon einmal überlegt, woher diese Angst kommt, die Analyse und mit ihr die angedachte "Veränderung" könnte oder müsste sogar zur Löschung und Überschreibung deines bisherigen Lebens, vor allem des gemeinsamen Lebens mit deinem Mann, kommen? Diese Vorstellung (mehr ist es ja nicht) kann z.B. an den "neuschaffenden" und lenkenden Vorstellungen deines Analytikers liegen, bei denen du unweigerlich dich selbst verlieren würdest, und/oder kann kindliche Wurzeln haben, aufgrund einer Mutter/Vater z.B., die dich als eine "andere" sehen wollten oder gesehen haben. Das sind nur Beispiele ins Blaue hinein, die gar nichts mit dir zu tun haben müssen. Zu welchem Ergebnis du selbst kommst - die Frage nach den Grundlagen deiner Furcht und deiner Selbst-Blockade fände ich zumindest stellenswert.

Ich selbst hatte lange Zeit eine anders gelagerte und doch in einem Punkt ähnliche Angst, nämlich die Angst, mich völlig neu erfinden zu müssen, mein altes Sein auslöschen zu müssen, um Veränderung möglich zu machen und als "neuer Mensch" daraus hervorzugehen. Das war ein für mich existentielles Thema in meiner Therapie und lag (bei mir) in einer unterschwelligen quasi elterlich übernommenen Ablehnung meines So-Seins.

Tatsächlich hatten Veränderungen in und nach meiner Therapie niemals eine Überschreibung des "alten Seins" zur Folge. Es waren eher so kleine Perspektivwechsel, die nichtsdestotrotz eine tiefgreifende Wirkung hatten: Eine neue Sichtweise auf mich selbst, die im existentiellen Sinne nichts "anders" gemacht hat, aber den inneren Blick immer mehr geweitet hat. Diese Veränderungen haben so gesehen nichts überschrieben oder gelöscht, sondern eher veredelt und (mir selbst) eine stabile Daseins-Berechtigung verliehen.
Zuletzt geändert von Lisa99 am Mi., 29.10.2014, 09:18, insgesamt 1-mal geändert.

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Miesel
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Beitrag Mi., 29.10.2014, 09:11

Widow hat geschrieben: Ich habe damals, als ich in die Analyse taumelte, Geborgenheit gesucht - wissend, schon damals wissend, wenn auch nur verschwommen, dass es die nie wieder geben wird.
Ich finde das weder falsch, noch komisch, noch verwerflich.
Wenn ich an meine erste Stunde denke, dann denke ich an einen Satz, den ich zu meiner Therapeutin gesagt habe.
Der Satz lautet:
"Ich brauche jemanden, der sich um mich kümmert."

Dieser Satz beinhaltet alle diese Wünsche: Versorgt werden, beschützt werden, geliebt werden, gesehen werden, gewärmt werden: Geborgenheit.

Und auch mein Wunsch nach Veränderung beinhaltet letztendlich genau das.
Ich möchte kein anderer Mensch werden, ich will mich nicht umkrempeln, ich will nicht anders werden.
Mein Wunsch nach Veränderung ist dieser:

Ich will mich in sofern verändern, dass ich fähig bin, das wenige an Geborgenheit, das es zu holen gibt (und das gibt's ja immer wieder einmal, wenn auch natürlich nicht mehr so umfassend, wie man sich das von der Mutter gewünscht und so dringen gebraucht hätte) auch annehmen und genießen und nutzen zu können.
Nutzen um Kraft zu finden, nutzen um mich wohl zu fühlen.

Ich will lernen zu akzeptieren, dass das nicht immer möglich ist, aber WENN es grad mal eben möglich ist, es verinnerlichen und genießen zu können.

Und ich danke Dir für diesen Beitrag, der mich endlich dazu gebracht hat, dieses diffuse Gefühl in Worte fassen zu können.


Widow
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Beitrag Mi., 29.10.2014, 11:24

@ Leberblümchen, Jenny und Miesel: Die 'Analyse', die ich mache, ist nicht "kuschlig" und der Analytiker gibt mir keine "Geborgenheit". Wir kämpfen miteinander (meist auf intellektueller Ebene) und der holt wieder und wieder den Knüppel aus dem Sack (auf dem Knüppel steht: Vollkommene Veränderung!). Als ich damals, etwa sechs Wochen nach des Liebsten Tod, da zum ersten mal hintaumelte, war ich einfach nicht mehr von dieser Welt und nach 16 Monaten des Todeskampfes vollkommen zerstört.
Der hat mir gleich zu einem unserer mehrfachen Anfänge gesagt: "Wenn Sie Rundumbetreuung brauchen, dann machen Sie eine Therapie, keine Analyse." Und er hatte dabei Spott in der Stimme. Wir haben dann ja auch nicht gleich angefangen, weil ich wortwörtliche "Rundumbetreuung brauchte" (hätte ich das mal bleiben lassen!) und er sich auch danach noch geweigert hat, ohne längere vorgeschaltete Denk- (und "Trauerarbeits"-)phase meinerseits anzufangen.

@ Lisa: Sehe ich anders: Es wäre eine Auslöschung (und die übernehme ich lieber selber als durch eien Therapie/Analyse), ich wüßte auch nicht, wie ich meine Perspektiven auf mich noch sehr viel stärker vervielfältigen können sollte. Auch halte ich es für nicht so wichtig, ob die Gründe für meine Angst vor einer therapeutisch beförderten Auslöschung/Überschreibung in meiner Kindheit liegen und mithin 'nur' Übertragung wären, oder in der Analyse selbst: Der Analytiker will mich vollkommen anders, ich nicht.
Und dieser Thread besagt (was jetzt niemanden überraschen dürfte, auch mich nicht überrascht hat), dass man zumindest bereit sein muss, sich in vielem sehr zu verändern, wenn man eine Therapie/Analyse macht.
Ich will mich nicht noch mehr verändern, als ich es ohnehin schon tun musste, seitdem Leben Nr. 2 angefangen hat.

w

Edit: Ich hatte in der realen Welt Geborgenheit, fast 14 Jahre lang. Ich habe sie verloren. Und da der Liebste tot ist, und da es damals so lange gedauert hat, sie - also ihn - zu finden, weiß ich, dass ich sie nie wiederfinden werde.

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Miesel
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Beitrag Mi., 29.10.2014, 12:26

@widow
Dazu fällt mir nur ein, dass ihr nicht zusammen passt. Also Dein Analytiker und Du.
Bei einem solchen Satz
"Wenn Sie Rundumbetreuung brauchen, dann machen Sie eine Therapie, keine Analyse."
wäre ich gegangen. Sowas brauch ich nicht.
Ich geh da nicht hin um Kämpfe auszufechten, sondern UM mich dort geborgen und wohl zu fühlen und aus dieser Sicherheit heraus auf mich schauen und wachsen zu können.

Und zu Deinem Edit:
Du hast die Geborgenheit bei Deinem Mann gesucht und gefunden.
Wie ein Kind bei der Mutter.

Das wurde Dir genommen und Du leidest, weil Du nie gelernt hast, die Geborgenheit in Dir zu finden.
Ich kann das auch noch nicht, aber ich fühle mich hierbei auf einem guten Weg.

Findest Du es gut, dass Du in dieser Hinsicht so vollkommen abhängig warst von Deinem Mann?
Dass das gut tut - keine Frage.
Aber will man das, da so abhängig zu sein?


Vincent
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Beitrag Mi., 29.10.2014, 12:29

Wie nur kann man bei Therapie von Auslöschung sprechen?! Wie nur von Überschreibung?!
Ein Mensch verändert sich (durch einen sich verändernden Blick auf das Bisherige). Oder auch nicht.
Zuletzt geändert von Vincent am Mi., 29.10.2014, 12:34, insgesamt 1-mal geändert.
"Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu." (Horvàth)

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Miesel
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Beitrag Mi., 29.10.2014, 12:32

@Vincent
Ich sehe es auch nicht so sehr als Veränderung, sondern empfinde es eher als wachsen, reifen...


Widow
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Beitrag Mi., 29.10.2014, 12:37

Miesel, ich halte es für eine Illusion zu glauben, dass man imstande sei, sich selbst Geborgenheit zu geben. Denn es ist m.E. grundsätzlich so, dass man sich immer nur durch den anderen Menschen erlebt, gewissermaßen IST man nur durch andere Menschen (den Kontakt und erst recht die Beziehung zu ihnen). Also geht auch so etwas wie Geborgenheit nicht als gleichsam "autistisches" Tun.
Das hat für mich nichts von (negativer) "Abhängigkeit" - es ist, jedenfalls für mich, die Basis psychischen Lebens.

Weißt Du, der Analytiker 'ersetzt' (zumindest teilweise) einen einzigen, wichtigen Aspekt der Beziehung, die der Liebste und ich führten: intellektuelle gegenseitige Anregung (durchaus auch kontroverser Art).

Aber ich will jetzt keine Diskussion über "meine Analyse und mich" und schon gar nicht über jene Liebe anzetteln. - Ich habe den Thread gestern genutzt, um für mich selbst etwas präziser herauszuarbeiten, das ich lange nicht greifen konnte oder wollte. Das Dumme ist nur (ist aber mein Problem): Jetzt kann ich es zwar besser greifen, aber ich kann immer noch keine Konsequenzen daraus ziehen.

Dir und allen anderen hier alles Gute in den Therapien/Analysen!
w
Zuletzt geändert von Widow am Mi., 29.10.2014, 12:39, insgesamt 1-mal geändert.


Vincent
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Beitrag Mi., 29.10.2014, 12:39

Miesel hat geschrieben:@Vincent
Ich sehe es auch nicht so sehr als Veränderung, sondern empfinde es eher als wachsen, reifen...
Ja, sicher. Aber wachsen und reifen setzt ja immer voraus, dass das, was bisher am Wachsen und Reifen gehindert hat, erkannt und anders betrachtet werden kann. Und (auch) das leistet Therapie (oder vielmehr man selbst, sofern man das Wirken von Therapie überhaupt in sich wahrnimmt bzw. dann auch als Impuls annimmt).

Problematisch ist's allerdings, wenn das therapeutische Potential (als Gefahr von außen) vom Verstand abgefangen und ausschließlich intellektualisiert (gefiltert) wird. Dann wirkt es eher kontraproduktiv. (Denn Therapie ist ja nunmal nichts, was ausschließlich im Verstand greift.)

Edit: Wenn also ein Therapeut/Analytiker mit seinem Patienten/seiner Patientin überwiegend intellektuell anregende Gespräche führt, so hat er - trotz aller Sympathie - therapeutisch vermutlich längst resigniert.
Zuletzt geändert von Vincent am Mi., 29.10.2014, 13:05, insgesamt 3-mal geändert.
"Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu." (Horvàth)


Widow
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Beitrag Mi., 29.10.2014, 12:45

@ Miesel - eins noch: Sei versichert, dass genauso, wie Du bei Deiner Therapeutin richtig bist, ich bei jenem Analytiker richtig bin/war, jedenfalls, was die persönliche "Passung" anbelangt (nicht, was das grundsätzliche Unternehmen "Therapie/Analyse" angeht).

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mondlicht
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Beitrag Mi., 29.10.2014, 14:21

Hallo Miesel,

mich würde ja sehr interessieren, warum Dein Wunsch, Deine Therapeutin "einzusaugen", Scham auslöst bei Dir und warum Du Dich "gestört" fühlst.
Miesel hat geschrieben: Manchmal sitze ich da so ihr gegenüber und versuche sie "einzusaugen", ein Stück dieser wohlwollenden Akzeptanz mitnehmen zu können.
Und dann schäme ich mich wieder so sehr für diesen Wunsch und fühle mich so gestört dabei.
Ich möchte mit meiner Frage jetzt nicht darauf hinaus, dass Du Dich für diesen Wunsch nicht schämen müsstest oder so. Ausschlaggebend ist ja, dass Du da diese Bewertung vornimmst. Aber wo kommt sie her? Hast Du da eine Ahnung?

Ich gehe zu einer Therapeutin, der ich gesagt habe, dass ich vor allem das möchte - mit einem warmen Gefühl an sie denken, mich aufgehoben und geborgen fühlen. Ich bezahle das Vergnügen selbst und so ist die Dauer unseres Settings meine Entscheidung und nicht die einer Krankenkasse. Ich habe schon viele "problemorientierte" Therapiejahre auf dem Buckel, einige haben mir sicher viel gebracht. Trotzdem ist das emotional vernachlässigte Kind in mir noch sehr bedürftig und ich schließe nicht aus, dass es das immer bleiben wird. Daher meine Sehnsucht nach "Kuschelstunden", wie der eben zitierte Analytiker spöttelte. Vielleicht fügt sich in meinem Leben etwas Heilsames, eine glückliche Beziehung fällt mir in den Schoß, sonstige Veränderungen meiner Lebensumstände stellen sich ein. Dann brauche ich vielleicht das einfühlsame Ohr der Therapeutin nicht mehr so stark. Wer weiß, vieles im Leben ist ja Glück und nicht das Ergebnis gezielter Anstrengungen und "Veränderungen". Vor diesem von Widow erwähnten Analytiker wäre ich auch schreiend davon gelaufen. Mein Leben ist so oft auch Kampf. Ich lebe alleine, arbeite als Selbstständige, entscheide vieles alleine. Ich brauche keinen Therapeuten, der den Wunsch nach Anlehnung und einfach-nur-sein mit Spott bedenkt.

Liebe Grüße!

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Lisa99
Helferlein
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Beitrag Mi., 29.10.2014, 14:36

Nochmal @Widow:
Widow hat geschrieben:ich wüßte auch nicht, wie ich meine Perspektiven auf mich noch sehr viel stärker vervielfältigen können sollte
Im Bereich des Intellektualisierens sicher nicht - den kennst du und hast ihn sicher längst ausgeschöpft. Es gibt aber in dir noch einen weiteren Bereich, der dich ausmacht, der sich aber nur schwer intellektuell erfassen lässt - der große und wahrscheinlich größtenteils unbewusste Bereich deiner Gefühle. Hier wären also durchaus neue "Perspektiven" denkbar (wohlgemerkt: denkbar, nicht zwingend verlangt). Falls du aber irgendwann mal Lust haben solltest, neue Wege in dir zu betreten und dich gefühlsmäßig weiterzubilden (statt "Änderungsbereitschaft" reicht da im übrigen auch Offenheit und Neugier), dann kannst du das ganze Überschreiben- und Löschen-Müssen getrost beiseite legen und einfach nur zusätzliche Erfahrungen machen.

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