Berührungen in der Therapie

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Ottilie1984
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Berührungen in der Therapie

Beitrag So., 23.07.2023, 16:33

Hallo ihr Lieben ,

ich bin neu bei euch und komme gleich mit einer Frage auf euch zu :-)

Wie geht ihr um mit Berührungen während der Therapie/Behandlung ?

Ich bin , durch verschiedene Erfahrungen , ziemlich zurückhaltend was Berührungen angeht - jedoch ist es während meiner Therapie etwas anderes.
Ich befinde mich aktuell in einem Prozess der Konfrontationen mit verschiedenen Phobien und das ist menschlich wirklich eine Herausforderung - wer von massiven Ängsten geplagt ist , wird verstehen was ich meine.
Ich würde mich als reflektierten Menschen bezeichnen , der einen recht guten Kontakt zu sich selbst hat und manchmal frage ich mich , ob es mich nicht ein bisschen zu viel an meinen Therapeuten bindet , wenn er in diesen Konfrontationen 10,20 Minuten meine Hand hält.
Ich empfinde es menschlich als angenehm und auch als entlastend zu spüren , dass man in diesem Moment nicht allein ist - aber so ein kleiner Funke in mir findet es doch irrtierend. Wie geht ihr mit längeren "Körperkontakten" um ? Findet ihr das irrtierend oder irgendwie selbstverständlich ?

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sunny87
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Beitrag So., 23.07.2023, 16:52

Hallo,

also ich würde das als irritierend empfinden. Zu Beginn meiner Therapie haben wir uns die Hände geschüttelt, bis Corona kam. Dann war eh alles auf Abstand.

Bei bzw nach der Traumabearbeitung bzw den jeweiligen Stunden, hatte ich schon mal den Wunsch geäussert, das mich jemand in den Arm nimmt (aber nicht auf die Therapeutin, sondern allgemein bezogen). Das hat sie auch nie gemacht.

Der einzige Körperkontakt war dann beim Abschied, wo sie mich fragte, ob es okay wäre, wenn sie mich umarmt.

Von daher würde 10-20 minütiges Händchen halten, eher ungewöhnlich finden. Hat er das vorher mit Dir abgesprochen? Falls nicht, wäre mir das schon zu grenzüberschreitend.

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peponi
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Beitrag So., 23.07.2023, 16:57

In meiner Therapie gab es nie Körperkontakt, geschweige denn längeren. Ich halte das auch nur so für richtig. Berührungen haben in einer Psychotherapie nichts verloren. Spüren, dass man nicht allein ist, ist auch ohne Berührung möglich.
Das Verhalten deines Therapeuten finde ich unangemessen und unangenehm. In meiner Therapie fände ich es übergriffig. Ob es das für dich auch ist, kannst nur du selbst beurteilen... Du schreibst, du findest es irritierend, aber gehst zugleich über diesen "kleinen Funken Irritation" hinweg. Ich glaube, wenn sich so ein Funken meldet, sollte man den immer ernst nehmen...
Hat dein Therapeut das vorher mit dir abgesprochen? Und hast du ihm das mal zurück gemeldet?
silence like a cancer grows.

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Montana
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Beitrag So., 23.07.2023, 18:00

Ottilie1984 hat geschrieben: So., 23.07.2023, 16:33 Wie geht ihr mit längeren "Körperkontakten" um ? Findet ihr das irrtierend oder irgendwie selbstverständlich ?
Gar nicht, weil es keinen gibt. Auch in früheren Therapien nicht. Und ich finde es selbstverständlich, dass es den nicht gibt und würde das auch nicht mitmachen. Es gibt genau zwei Personen, mit denen ich "längeren Körperkontakt" habe, und das sind mein Mann und mein Kind.

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alatan
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Beitrag So., 23.07.2023, 18:00

Psychotherapie, wenn sie nicht ausdrücklich Körpertherapie ist, arbeitet mit psychologischen Mitteln, nicht mit realer Berührung. Berührung gibt es im seelischen Raum sehr wohl, auch Handhalten und Umarmung, aber eben in der Vorstellung, mit der man sehr gut arbeiten kann.

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Gespensterkind
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Beitrag So., 23.07.2023, 18:32

Ich denke man kann das vielleicht auch differenzieren, weil es auf den Kontext und die Situation und die Art der Berührung ankommt.
Manchmal kann ein Händedruck auch in der Therapie sehr viel wert sein. Und ich denke auch andere Berührungen sind okay. Vorausgesetzt es ist vorab besprochen. Eindeutig besprochen.
Längere Berührungen- also 20 Minuten die Hand halten wäre mir persönlich undenkbar.

Sicherlich ist PT in einem klassischen Verfahren nicht mit körperlichen Berührungen verknüpft. Ich halte es dennoch für zu antiquiert, das völlig und grundsätzlich und für jede Situation auszuschließen.

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candle.
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Beitrag So., 23.07.2023, 18:36

Hallo,

dann sage doch, dass du diese Form der Unterstützung nicht brauchst?! Normalerweise wird das auch vor der Behandlung abgesprochen, was bei dir sein darf und was nicht oder was du brauchst und was nicht.

Und wenn kein Vorgespräch und Vorbereitung stattgefunden hat, dann sehe ich deine Therapie tatsächlich als unseriös, aber ich denke, dass hier einfach ein paar Informationen von dir fehlen.

Viele Grüsse
candle
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Waldschratin
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Beitrag So., 23.07.2023, 18:50

Habt ihr denn vorher drüber geredet, wie ihr mit Berührungen umgehen wollt?
Hat dein Therapeut dich gefragt, ob er das überhaupt darf, bevor er deine Hand genommen hat? Also nicht ein einfaches "Ist doch ok, oder?", sondern ein ernstes Nachfragen bzw. es zum Thema per se machen, ob er das darf, ob das ok ist für dich und was nicht mehr ok ist für dich, was du evtl. ausprobieren möchtest und was garantiert nicht?

Und dann die Dauer, gleich mal 10-20min "am Stück", das würde mich auch sehr irritieren, egal, obs mir grad genehm und hilfreich wäre oder nicht.
Mein Therapeut würde da trotz vorheriger Absprache alle paar Momente nachfragen, obs immer noch ok wäre für mich.

Hast du denn über diesen "kleinen Funken" in dir, der das irritierend findet, schon mal mit deinem Therapeuten ausführlicher gesprochen?
Ernstnehmen solltest du diesen inneren Impuls auf jeden Fall.

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Ottilie1984
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Beitrag So., 23.07.2023, 19:28

Guten Abend an Alle :-)

vielen Dank für Eure zahlreichen Antworten. Es ging mir gar nicht darum , dass ich ein riesen Problem habe - mich hat eher interessiert , wie es bei anderen Menschen mit Angsterkrankungen in der Therapie aussieht ,bezüglich körperlichen Berührungen. Der Körperkontakt zwischen mir und meinem Therapeuten ist nicht explizit abgesprochen aber absolut einvernehmlich. Vermutlich entsteht der irritierende Funke lediglich , weil ich ahnte das es in anderen Konfrontationssituationen ( bei anderen Menschen) nicht so läuft.

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candle.
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Beitrag So., 23.07.2023, 19:35

Ottilie1984 hat geschrieben: So., 23.07.2023, 19:28 weil ich ahnte das es in anderen Konfrontationssituationen ( bei anderen Menschen) nicht so läuft.
Ich denke da ahnst du falsch. Es gibt durchaus die Berührungen in Therapie, so bei mir während des EMDR. Das wurde vorher besprochen, auch ein "therapeutisches DU" gab es in Absprache in diesen Stunden.

Du hast also keine besondere Alleinstellung mit Berührungen in der Psychotherapie. Und wie ich schon schrieb, ist es a) genau abgesprochen oder b) der Therapeut unseriös.

candle
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Waldschratin
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Beitrag So., 23.07.2023, 19:50

Ottilie hat geschrieben: Der Körperkontakt zwischen mir und meinem Therapeuten ist nicht explizit abgesprochen aber absolut einvernehmlich. Vermutlich entsteht der irritierende Funke lediglich , weil ich ahnte das es in anderen Konfrontationssituationen ( bei anderen Menschen) nicht so läuft.
Das liegt deine Irritation eher im Bereich "Vergleiche dich mit Anderen"?

Du schreibst ja, du bist gut reflektiert.
Und therapieerfahren bist du auch.
Wäre dann für mich die Frage, was dich dran irritiert, dass andere wohl andere Erfahrungen in ihrer Therapie machen als du, wenn doch für dich dein Setting tragend und in jede Richtung ok ist?
Was ist deine "eigentliche" Frage?

Und in Verbindung mit Angsterkrankung : Ich geh mal davon aus, dass taktile Berührung von wem auch immer in einer Angst- bzw. Paniksituation immer eine beruhigende Wirkung hat, Stichwort autonomes Nervensystem.
Problem und Hinderungsgründe auf anderen Ebenen gibt es halt jede Menge, die dann im Wege stehen können.

Und eine Angst- und Panikstörung entwickelt man halt auch nicht mal eben so nebenbei, da hats ja auch Gründe und Auslöser dafür, oft genug Gewalt und Übergriffe etc., was die Nähe eines Menschen oder eben Berührungen zu einem Trigger für Negatives machen und somit den berührenden Menschen zur potentiellen Gefahr.

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Louna
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Beitrag Mo., 24.07.2023, 04:43

In meiner Therapie gibt es keine Berührungen und das möchte ich auf keinen Fall. Kein Hande schütteln oder Anderes.
Einmal als ich mir in einem dissoziativem Zustand auf die Augen geschlagen habe, nahm sie meine Faust vom Gesicht weg, das waren vielleicht 2 Sekunden. Sonst nicht und würde ich keinesfalls wollen.

20 Minuten die Hand halten finde ich nicht gut, auch wenn Ängste eine große Rolle spielen. Ich könnte das gar nicht aushalten, das ist mir viel zu nah. Ich finde eh schon in einem Raum zu sitzen viel zu nah.

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Sinarellas
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Beitrag Mo., 24.07.2023, 09:01

Dem schließe ich mich an was Louna geschrieben hat. ich war froh, dass das Händeschütteln zu corona wegfiel (nicht mehr aufgegriffen wurde) und meist rücke ich den Stuhl noch etwas weiter weg, habe ein großes Safe-Space Bedürfnis.
Ich ertrage nicht Mal von meinem direkten Umfeld Berührungen über ein paar Sekunden, vermisse andererseits auch nichts.
..:..

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Beitrag Mo., 24.07.2023, 11:41

Ottilie1984 hat geschrieben: So., 23.07.2023, 16:33 . Wie geht ihr mit längeren "Körperkontakten" um ? Findet ihr das irrtierend oder irgendwie selbstverständlich ?
Also ich hatte viele hundert Therapiestunden so insgesamt und bis auf Händeschütteln gab es nie körperlichen Kontakt. Wurde auch nie angeboten.

Ich wäre da sehr misstrauisch. Männern würde ich immer unterstellen, sie nutzen die Therapiesituation aus, um ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, egal, ob sie der Patientin damit schaden oder nicht. Obwohl Frauen würde ich das auch unterstellen.
Ich wäre da sehr, sehr skeptisch. Immer.

Also mich würde das aggressiv machen. In einer Therapie würde für mich nie so ein Vertrauensverhältnis entstehen, dass das auch nur ansatzweise ok wäre.
Ich kenne die Person gar nicht privat usw. War für much schon anstrengend genug immer so eine fremde Person durch Worte in meine Nähe zu lassen. Also das hat mir gereicht. Alles andere wäre too much. Da wäre ne Grenze die ich nicht überschreiten lassen würde.

Dazu müsste ich eine Person wirklich richtig über länger Zeit wirklich richtig privat kennen. Und das sollte während einer Therapie auf keinen Fall passieren.
"You cannot find peace by avoiding life."
Virginia Woolf


Chamomile
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Beitrag Mo., 24.07.2023, 11:56

Ottilie1984 hat geschrieben: So., 23.07.2023, 16:33 Wie geht ihr mit längeren "Körperkontakten" um ? Findet ihr das irrtierend oder irgendwie selbstverständlich ?
Mehr als Händeschütteln gab es bei mir in der Therapie nicht. Zum Abschluss hätte ich mir beinahe eine kurze Umarmung gewünscht, weil ich sonst Berührungen von jemandem, den ich sehr schätze und auch mag, durchaus gerne habe, aber die letzte Stunde wurde vor dem Laptop gehalten - Corona-Zeit halt.

Mein langjähriger Hausarzt hatte mir in einer sehr depressiven Phase mal eine Umarmung angeboten, die ich angenommen habe. Sie war recht kurz, aber herzlich und dann hatte ich mich auch wieder gefangen. Davor oder danach gab es auch da nie mehr als Händeschütteln und hatte ich mir auch nie weiter gewünscht oder das Gefühl gehabt, mein Hausarzt hätte da mehr gewollt.

In der Tagesklinik vor langer Zeit jedoch gab es einen Chefarzt, der oft einfach ohne Ankündigung meine Hand genommen, meinen Oberschenkel gestreichelt oder mich umarmt hat. Das war äußerst belastend für mich und ich bin regelmäßig erstarrt.

Längere Körperkontakte lasse ich inzwischen nur von Menschen zu, die mir sehr nahe stehen, wie mein Mann und mein Kind. Gute Freunde nehme ich wiederum gerne in den Arm, aber das ist ja nur kurz und nicht mehrere Minuten lang.

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