Arno Grün: Zivilisationskritik

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Mirja
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Arno Grün: Zivilisationskritik

Beitrag Sa., 29.09.2012, 15:35

Arno Grün: Zivilisationskritik

Absolute Zustimmung meinerseits. Ein sehr bedeutender Mann in der Psychologie m. E.. Schade, dass aus diesen großen Erkenntnisschätzen so wenig gezogen wird, um heilsame Veränderungen für die weitere Entwicklung der Gesellschaft zu bewirken. Sei es das Schulsystem, die Politik, die Arbeitswelt etc.. Naja, das würde ein absolutes Umdenken erfordern und teilweise müßte man sich sogar seine Schwächen und Unzulänglichkeiten eingestehen. Im Grunde wäre es ja schön, wenn ein jeder erstmal bei sich selbst anfängt und beginnt die verschütteten Anteile des Selbst, die der Konformität zum Opfer gefallen sind, auszugraben. Wenn es bedeutet dass man aus der Reihe tanzen muß, um authentisch leben zu können, dann los! Dazu muß man jedoch wieder mit seinen wahren Gefühlen und Bedürfnissen in Kontakt kommen, denen man schon lange den Rücken gekehrt hat, was eben auch Folge von fehlgeleiteter Erziehung/ Sozialisation ist, wodurch eine Art Fehlanpassung stattfindet. Wahre Werte gehen verloren und ersetzt durch oberflächliche Werte, denen die große Mehrheit der Menschen nacheifert.

M. E. sollte jeder Mensch einmal in seinem Leben eine Psychotherapie gemacht haben, um die Folgen dieser Verwirbelungen zu beheben. Manches ist so sehr verschüttet, dass man ohne Hilfe dort nicht mehr dran kommt.
Lieben Gruß,

Mirja

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R.L.Fellner
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Beitrag Sa., 29.09.2012, 17:02

Arno Gruen kann ich als Lesestoff psychologisch Interessierten, insbesondere solchen, die Gewalt- und Ausbeutungsstrukturen, Hierarchien und die Dynamiken emotionalen/körperlichen Missbrauchs besser verstehen möchten, nur wärmstens weiterempfehlen.

... lias%3Daps

Freundliche Grüße,
R.L.Fellner

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lonely69
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Beitrag Sa., 29.09.2012, 17:38

Ich möchte auf einen anderen Arno hinweisen, der aus psychologischer Sicht auf das Problem der Gewalt und des Bösen eingeht: Arno Plack, in seinem Hauptwerk "Die Gesellschaft und das Böse".
Hier eine Rezension: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45954108.html
Und hier das Buch selbst: ... nkCode=as2
Leider vergriffen.

PS: Falls der Beitrag hier als OT empfunden wird, bitte verschieben. Ich dachte, er passt..

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Mirja
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Beitrag Sa., 29.09.2012, 18:03

Zum Thema paßt es auf jeden Fall und ist deshalb höchst interessant für mich. Danke für den Hinweis, lonely69. Dem werde ich mich mal in einer ruhigen Minute widmen.

"Der Verrat am Selbst" kann ich in diesem Zusammenhang auch sehr empfehlen.

Lieben Gruß,

Mirja
Lieben Gruß,

Mirja

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Anne1997
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Beitrag Sa., 29.09.2012, 18:42

Danke, liebe Mirja, für diesen tollen Hinweis (erinnert mich daran, die zwei Bücher, die ich von ihm kenne, mal wieder anzuschauen).
Es gibt so einige Anekdoten bzw. wahre Geschichten um ihn: in seiner Klasse wollte die Lehrerin, dass einer der Schüler einen Rohrstock kaufen gehe, da die Klasse zu faul und undiszipliniert sei.
Alle Schüler meldeten sich und wollten (!) den Rohrstock kaufen - bis auf Arno Grün. Dieser verstand wenig später auch nicht, dass er als Jude nicht am Religionsunterricht teilnehmen konnte und man zwischen Religionen, Volkszugehörigkeit usw. unterschied bzw. Menschen kategorisierte: "Wir sind doch alle Menschen", so soll er gesagt haben. (vgl. Wikipedia).

Zwei Zitate (u.a.) waren mir mal sehr wichtig:
"Autonomie ist nicht die Freiheit, sich und anderen ständig Beweise der Stärke und Überlegenheit liefern zu müssen". Autonom, selbständig, erwachsen ist für ihn ein Mensch, wenn er "in voller Übereinstimmung mit seinen eigenen Gefühlen und Bedürfnissen ist".
Und - passend zu Deinem ersten Beitrag hier:
„Was die Welt vor Gewalt und Terror bewahren kann, sind nicht moralische Appelle und politische Bekenntnisse. Nur durch das Mitfühlen mit anderen, mit ihrem Schmerz, den sie durch Demütigung, Erniedrigung und Gewalt erleben, lassen sich Diktatoren und Kriege verhindern. Dieses Mitgefühl können wir aber nur aufbringen, wenn wir auch einen Zugang zu unserem eigenen Schmerz finden.“ (Welt ohne Kriege bzw. "Ich will eine Welt ohne Kriege.")
Mirja hat geschrieben:M. E. sollte jeder Mensch einmal in seinem Leben eine Psychotherapie gemacht haben, um die Folgen dieser Verwirbelungen zu beheben. Manches ist so sehr verschüttet, dass man ohne Hilfe dort nicht mehr dran kommt.
Ja, so denke ich oft auch, ein wichtiger Satz, auch wenn ich manchmal daran zweifle; nicht jedem wird eine Psychotherapie etwas bringen, das ist einfach schwierig und komplex.
Weiß die Bedeutung meiner Therapie sehr zu schätzen, ein besserer Mensch bin ich keineswegs geworden (aber ich weiß tiefer um die Abgründe in mir), wohl bewusster, demütiger, viel schneller bestimmte Prozesse wahrnehmend, dankbarer, mitfühlender, klarer.
Man ist wohl immer auf dem Weg.

Hier noch ein Link zu vielen Grün-Zitaten und noch ein Video zum Thema Empathie (Lindauer Psychotherapiewochen), der hier in einem Borderline-Forum kritisiert wird.

Lieben Gruß,
Anne

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Mirja
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Beitrag Mo., 01.10.2012, 18:02

Liebe Anne,

die Rohrstock- Geschichte erzählte er auch in dem Radiobeitrag. Wirklich paradox aus der Distanz betrachtet, aber daran sieht man was autoritäre Erziehung bewirkt und dass angehende Psychologen (bzw. Psychologie- Interessierte) wohl schon früh einen tieferen Blick auf das Weltgeschehen und das menschliche Funtkionieren haben und dem zufolge mehr hinterfragen.

Ich habe damals auch nicht verstanden, warum ich beim Abschwaschen helfen sollte und meine Brüder nicht und bin in Streik getreten, was jedoch nicht die gewünschte Wirkung hatte. Es wurde einfach hingenommen anstatt dass es eine Veränderung im Denken bewirkte.

Ich habe beim Stöbern auf den Seiten, zu denen mich Deine Links brachten, einen sehr treffenden Auszug gefunden:
Gut möglich. Schliesslich lautet Ihre Grundaussage ja auch: "Während jene als verrückt gelten, die den Verlust der menschlichen Werte nicht mehr ertragen, wird denen Normalität bescheinigt, die sich von ihren menschlichen Wurzeln getrennt haben." Ueberspitzt gesagt: Die Realitätstauglichen, Pflichtbewussten gehören eigentlich zum Psychiater, während die sogenannt "Verrückten" die letzten empfindsamen Menschen sind.

Quelle: Interview mit dem Psychoanalytiker Arno Gruen über den "Wahnsinn der Normalität"

Man kann schon einige Paradoxien in der Welt beobachten... eines davon ist ganz gewiss das oben aufgeführte. In diesem Zusammenhang hört man immer häufiger den Begriff "Narzissmus" oder auch "die narzisstische Gesellschaft". Ja, wir leben in einer solchen Welt, in der oberflächliche Werte immer wichtiger werden und andere wichtige, innere Werte immer mehr verloren gehen. Auch die Empathiefähigkeit leidet darunter sehr. Je weniger der Mensch mit sich und seinen Wurzeln in Konatkt ist, desto weniger an -echten- Gefühlen hat er für sein Gegenüber. Und das zieht immer weitere Kreise.

Ja, Du hast wohl damit recht, wenn Du schreibst, dass nicht jedem eine Therapie etwas bringen wird, denn dazu gehört die ernste Bereitschaft. Ich glaube jedoch ganz fest an etwas, dass uns antreibt. Eine Kraft die uns bewegt zur Mitte zu finden auf unserer Selbstfindungsreise. Jeder reist in seinem Tempo. Ich schließe mit diesen optimistischen Worten und hoffe das Beste.

Lieben Gruß,

Mirja
Lieben Gruß,

Mirja

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