Umgang mit Krankheit der Mutter und sonstiger Familie

Hier können Sie sich über Belastungen durch eigene oder fremde schwere Erkrankungen, aber auch den Umgang mit Tod und Trauer austauschen.
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aglaja
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Umgang mit Krankheit der Mutter und sonstiger Familie

Beitrag Do., 26.07.2012, 09:17

Hallo!

Habe an einigen Stellen schon über meine Geschichte geschrieben.
Hier noch mal die Fakten:
Meine Mutter hat seit vielen Jahren multiple Sklerose -
musste es schon in meiner Kindheit "mitertragen". Heute bin ich 30 und lebe mein eigenes Leben ca. 200 km von der Familie entfernt. Die Situation ist so: Mein Vater hat sich schon vor 20 Jahren scheiden lassen,
da er nach langer Zeit des Mitleidens auf sich selber schauen wollte. Mein Bruder kümmert sich um meine Mutter in bürokratischen Dingen und besucht sie auch des öfteren, sie ist in einem Pflegeheim.

Für mich ist es immer sehr belastend und es schmerzt mir sie immer mehr in diesem Zustand zu sehen -
im Rollstuhl sitzt sie schon lange, und es wird immer schlechter. Natürlich ist auch ein Pflegeheim mit alten Menschen auch nicht so ein toller Ort für Leute die erst um die 50 sind, leider bekommt man MS eben schon sehr früh meistens.

Mein Vater und mein Bruder sind emotional nicht wirklich offen. Mein Vater hat sich eben von der ganzen Sache distanziert und hat meine Mutter seit 20 Jahren nicht mehr gesehen. Mein Bruder übernimmt wie gesagt viel, und das ist insofern komisch da Vater und Bruder zusammenwohnen, und sie nicht mal über meine Mutter sprechen. Sie sind wie zwei sture Berge.

Ich lebe wie gesagt mein Leben in mehr oder weniger sichere Entfernung. Am liebsten hätte ich mal Ruhe von der ganzen Sache, aber auch wenn ich nicht viel von meiner Mutter gehabt habe, habe ich natürlich Mitgefühl..und Angst und schlechtes Gewissen ob ich nicht mehr tun sollte. Und gleichzeitg will ich nicht. Diese ganzen Widersprüche fressen mich ziemlich auf. Und die emotionale Verkapptheit der männliche Mitglieder meiner Familie kotzt mich auch..
Also, meine eigentliche Frage ist: wie mit all diesen Widersprüchen umgehen?

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Dampfnudel
[nicht mehr wegzudenken]
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Beitrag Do., 26.07.2012, 22:19

Liebe Aglaja,

das klingt nach einer ziemlich schwierigen Situation. Als mein Vater krank war und es absehbar war, dass er sterben würde, war ich auch hin- und hergerissen zwischen meinen Gefühlen und Bedürfnissen und Erlebnissen. Meine Therapeutin hat mir damals geraten, so zu handeln, dass ich mir später keine Vorwürfe mache(n muss), weil ich irgendwas versäumt habe, was nicht mehr nachzuholen ist. Das habe ich auch versucht. Es war eine schwere Zeit, aber im Nachhinein bin ich froh darüber.

Liebe Grüße
Dampfnudel
Alles hat seine Zeit.

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Freifrau
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Beiträge: 446

Beitrag Fr., 27.07.2012, 12:42

Hallo Aglaja,

ich kenne das Problem in ähnlicher Weise. Meine Mutter ist psych. krank und seit dem Tod meines Vaters vor drei Jahren immer mal wieder für Monate in der Geschlossenen, weil sie sich selbst schadet. Meine jüngere Schwester kümmert sich um sie, allerdings auch deswegen, weil sie von ihr finanziell abhängig ist und mal das Haus und alles erbt.

Ich wohne auch in sicherer Entfernung und habe vor ca. einem Jahr den Kontakt abgebrochen zu meiner Familie. Das fiel mir aber deswegen nicht so schwer, weil mich meine Mutter in der Kindheit misshandelt hat und auch die anderen total gestört sind. Ich konnte auch einfach nicht mehr mit denen ihren ganzen Problemen leben, zumal sie sich auch alle nie für mich interessiert haben.

Was mich bei Dir jetzt interessieren würde - wie war denn früher Dein Verhältnis zu Deiner Mutter?

Wie oft besuchst Du sie denn? Hast Du eigentlich gar keine Lust mehr, sie zu besuchen oder hast Du das Gefühl, dass es zu wenig ist?

Grundsätzlich kann ich Dein Bedürfnis nach Abstand gut verstehen und auch das schlechte Gewissen kenne ich. Es ist so, dass Du ein Recht hast auf ein eigenes Leben und auch darauf, glücklich zu sein. Du bist nicht verantwortlich für das Schicksal Deiner Mutter. Auch wenn es traurig ist.

Liebe Grüße
Freifrau
"Bei den Frauen gibt es zwei Möglichkeiten, entweder sie sind Engel, oder sie leben noch." (Charles Baudelaire)

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Herzeleide
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Beitrag Fr., 27.07.2012, 23:38

Liebe aglaja,

ich konnte nicht herauslesen, dass es Dir um Gedanken wie einen Kontaktabbruch geht, oder? Sondern eher die Zerissenheit zwischen Mitgefühl und Mit-Leid, dem seltsamen Verhalten/Verhältnis zu Bruder und Vater und dem Bedürfnis nach einem ganz normalen Leben ohne ständiges Erinnertwerden an Krankheit und Tod.

Weißt Du, ich denke, dass das alles in dem Rahmen, in dem Du es erlebst "ganz normal" ist. Dein Bedürfnis nach "Ruhe", aber auch Dein schlechtes Gewissen und Dein wirkliches Mitleid.
aglaja hat geschrieben:Also, meine eigentliche Frage ist: wie mit all diesen Widersprüchen umgehen?
Die erste und einfachste, zugleich schwerste Antwort: Aushalten. Und immer wieder schauen: An welchen Punkten brauche ich Rückzug, an welchen Punkten mag ich meiner Mutter auch nahe sein (vielleicht auch, weil sie nicht mehr alle Zeit der Welt hat?). Deinen Bruder und Deinen Vater wirst Du kaum ändern, Ihr seid alles erwachsene Menschen. Das wichtigste Problem, die UNterbringung, ist "gelöst", darüber zerbrechen Familien manchmal. Die Frage ist dann wohl eher, wie geht es für Dich mit Vater und Bruder weiter, sollte Deine Mama mal nicht mehr sein?

Und wenn Du über Deine Mutter und Dich, über Dein Aufwachsen mit einer kranken Mama und ihr mehr und mehr Verlöschen nachdenken möchtest, suche Dir doch vielleicht eine professionelle Zuhörerin? Hast Du daran schon mal gedacht?

Ich wünsche Dir ganz viel Kraft!
Lieben Gruß
Moana

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Thread-EröffnerIn
aglaja
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Beitrag Sa., 28.07.2012, 21:55

@ freifrau: an das verhältnis früher zu meiner mutter kann mich mich schwer erinnern, ich habe sie ca. 5-6 jahre meines lebens als kind gesund erlebt. da war sie wohl eher lustig, umtriebig, im gegensatz zu meinem eher verstocktem vater. aber grundsätzlich habe ich ein gutes gefühl wegen der ersten lebensjahre,, eben zuerst eine harmonische familie, dann der bruch mit der krankheit.

Ich besuche sie alle paar Monate, der Geburtstag ist ein Fixtermin..der letzte Besuch war eben ein besonders schlimmer, weil ihr Zustand so schlecht war. Natürlich habe ich oft das Gefühl dass es zu wenig ist, wie oft ich sie besuche, auch, weil sie und manchmal Verwandte mir es vorwerfen. Und Lust habe ich eigentlich nie darauf, weil es mir immer sehr weh tut, sie so zu sehen, und die Umgebung des Pflegeheims. Aber ich will es trotzdem manchmal tun, weil sie eben meine Mama ist....Danke für den Satz mit der Verantwortung. Das stimmt sehr.

@ Moana Nun ja, natürlich bin ich widersprüchlich dazu eingestellt, aufgrund der vielen Gefühle in mir dazu, und purer Überforderung. Manchmal denke ich mir, ein einjähriger Kontaktabbruch zur ganzen Familie wäre schon super.
Als Jugendliche hat es auch Zeitne gegeben wo ich es so eine Zeitspanne lang nicht geschafft habe meine Mutter zu sehen. Ja, mein Erleben ist wohl "normal"...

Nun, eben, Aushalten tu ich schon 30 Jahre lang..brachte mich auch dazu in anderen Situationen viel auszuhalten.
Und Zeit , naja an MS stirbt man nicht, es ist eben ein ganz langes und langsames immer mehr gebrechlich werden..das ist ja auch das schlimme, den Verfall schon als Kind miterlebt zu haben.
Ja, ich habe eine sehr gute professionelle Zuhörerin. Wollte halt auch gerne hier einige Meinungen dazu hören.
Danke für die Kraft-Sendung : )

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