Religion, Philosophie und Ontogenese

Fragen und Gedanken rund um Spiritualität und Religionen, alternative Behandlungsmethoden, den üppigen Garten sonstiger "Therapie"-Formen, Esoterik ... und ihre Berührungspunkte mit Psychotherapie bzw. psychologischen Problemen.

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Themis
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Beitrag So., 22.01.2012, 22:54

Danke Anne für den Link, ich werde ihn mir demnächst durchlesen.

Danke auch Passat, klingt interessant, noch ganz durch bin ich noch nicht.
Wäre demnach die Wissenschaft nichts anderes als eine Weiterführung des Verstehen-Wollens unserer Umwelt? (Mal ganz simpel ausgedrückt). Magie, Religion, Wissenschaft - alles ein Ziel?

Ich versuche ja, Religion von Kirche zu trennen. Nur: Passiert nicht genau das Gegenteil bei der Entwicklung und Erziehung unserer Kinder? Da wollte ich ja hin mit diesem Thread!
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Themis
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Beitrag So., 22.01.2012, 23:01

Passat hat geschrieben:
Ist Religiosität etwas, das Kindern hilft, um Halt zu bekommen?
Stelle dir diese Frage nochmals selbst und versuche dir darauf selbst eine Antwort zu geben. Berücksichtige auch: Ist Religiosität etwas, das Erwachsenen hilft, um Halt zu bekommen?
Das ist ja so ein Dilemma, aus dem viele meiner Fragen entstehen.

In Notsituationen beginne ich zu beten, zu bitten. Gleichzeitig meldet sich in mir eine Stimme, die mir die Unsinnigkeit und Kindlichkeit dieser Verhaltensweise vorwirft.
Was ist davon echt, also mein Empfinden, meine Überzeugung? Wie weit wurde ich manipuliert, wurden Ängste geschürt, Hoffnungen geweckt, die ich nicht mehr wegbekomme?

Was wäre gewesen, wenn ich mich frei entwickeln hätte können?

Ich bin überzeugt davon, dass wir in unserer Kindheit so beeinflusst werden, dass wir und in der regel nicht frei entfalten können.

Allein die Darstellung der Folterszene(n) in jeder Kirche und die damit verknüpfte Botschaft - die allein verhindert schon freies Denken.

Ich kann diese Beeinflussung nicht abkoppeln. Deshalb meine Frage: Was wäre wenn schon?
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Passat
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Beitrag So., 22.01.2012, 23:16

Themis hat geschrieben:Wäre demnach die Wissenschaft nichts anderes als eine Weiterführung des Verstehen-Wollens unserer Umwelt? (Mal ganz simpel ausgedrückt). Magie, Religion, Wissenschaft - alles ein Ziel?
Ja, genau. Ich finde diese Entwicklung auch sehr plausibel.
Mit der Formel beschreibt James Frazer die Evolution des menschlichen Geistes.
Themis hat geschrieben:Ich versuche ja, Religion von Kirche zu trennen. Nur: Passiert nicht genau das Gegenteil bei der Entwicklung und Erziehung unserer Kinder? Da wollte ich ja hin mit diesem Thread!
Dazu schrieb ich ja meine Meinung schon: Kinder schaffen sich eigene "heilige Orte". Ich weiß nicht wie weit du dich in deine Kindheit zurückerinnern kannst. Manchmal komme ich bis vor das dritte Lebensjahr. Meine Eltern haben mir nichts Christliches auferlegt - zumindest keine Begriffe, Symbole usw. Ich weiß noch genau, dass ich wußte, wo mein früh verstorbener Großvater weilte: Nicht im Himmel, auch nicht in der Hölle ... aber ich wußte, dass er weilte. In meiner kindlichen Vorstellung war das wie ein heiliger Ort. Da war ich ungefähr sechs Jahre alt.
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Beitrag So., 22.01.2012, 23:41

Ich kann mich noch sehr weit zurück erinnern. Es war da so ein gewisses sprachloses Selbstverständnis der Welt. Sehr unmittelbar. Fragen hatte ich da keine. Es war wie es war.

Ich war sehr neugierig und sicher, hatte keine Angst. Eher verwundert.

Das widerspricht sich scheinbar. Vielleicht ist der bessere Ausdruck "offen".

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Passat
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Beitrag So., 22.01.2012, 23:55

Themis hat geschrieben:Ich kann mich noch sehr weit zurück erinnern. Es war da so ein gewisses sprachloses Selbstverständnis der Welt. Sehr unmittelbar. Fragen hatte ich da keine. Es war wie es war.
Ja. Jetzt wo du es so beschreibst: Vielleicht war unsere gesamte kindliche Lebenswelt noch "heilig". Ein Selbstverständnis. Sicherlich nicht für alle Kinder.

Ich fühlte mich selbstverständlich mit Allem eins - eingebunden in das große Ganze. Ich habe meine Welt erkundet und kindliche Wissenschaft betrieben. Das was ich mir nicht erklären konnte, war "magisch". Jetzt als Erwachsener fühle ich mich eher abgespalten, außen vor. Wie läßt sich das erklären? Vielleicht mit dem Programm der Psychoanalyse?!? Die allmähliche Herausbildung der Ich-, Selbst- und Über-Ich-Instanzen?!? Oder damit, dass wir gelernt haben, dass nichts wirklich sicher ist? Dass Beziehungen nicht dauerhaft sind? Dass wir uns auf nichts wirklich verlassen können?
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Beitrag Mo., 23.01.2012, 00:04

Das verlorene Paradies?
Ich habe länger überlegt: Mit der Eingliederung in den Kindergarten hat sich einiges verändert. Einige Zeit noch sah ich verwundert Kinder weinen, wenn sie gebracht wurden. Ich vertraute auch auf die Gerechtigkeit der Erzieherinnen. Ich besaß noch keine Empathie.

Einige Erlebnisse haben das zerstört, es war für mich unfassbar. Scheinbare Kleinigkeiten wie kollektive Strafen, Benachteiligungen, die man mit ein wenig zuhören aus der Welt schaffen hätte können.

Vielleicht war es das Gefälle, das ich kennen lernte. In der im letzten Post beschriebenen Welt fühlte ich mich gleichberechtigt, ja, eins. Später nicht mehr. Das verstand ich nicht.

Gott und das Gerede darüber empfand ich als unnötig, lästiges Übel. "Da ist noch jemand, der will Beachtung (der liebe Gott nämlich). Wenn ich sie ihm nicht gebe, ist er böse auf mich".

Zu deinen Fragen: Ich glaube, es ist die letzte: Sich nicht verlassen können.
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shouqici
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Beitrag Mo., 23.01.2012, 07:52

Da möchte ich der Darstellung von Passat durchaus zustimmen - Animismus, Religion, Magie, Wissenschaft - das Alles hat zumindest teilweise mit 'Beherrschung der Umwelt' zu tun, aber auch mit Neugier, Wissensdrang etc.
Passat hat geschrieben:Gibt es für dich eigenltich einen Unterschied zwischen Religiosität und Religion? Trenn doch mal die Kirche von der Religion. Bleibt dann noch etwas für dich übrig?
Also ich trenne zumindest mal zwischen Religion und Glauben, Konfession - ersteres als, na sagen wir 'transzendenzoffene Haltung', letzteres als, na sagen wir mal nicht 'Gegenteil', sondern als 'Deckel drauf', als 'fertige Antwort auf eine so nicht beantwortbare Frage'...
Ist Religiosität etwas, das Kindern hilft, um Halt zu bekommen?
Stelle dir diese Frage nochmals selbst und versuche dir darauf selbst eine Antwort zu geben. Berücksichtige auch: Ist Religiosität etwas, das Erwachsenen hilft, um Halt zu bekommen?
Da gibt’s doch diese schöne Geschichte bei Bert Brecht:
Einer fragte Herrn K., ob es einen Gott gäbe. Herr K. sagte: "Ich rate dir, nachzudenken, ob dein Verhalten je nach der Antwort auf diese Frage sich ändern würde. Würde es sich nicht ändern, dann könnten wir die Frage fallenlassen. Würde es sich ändern, dann kann ich dir wenigstens noch so behilflich sein, daß ich dir sage, du hast dich schon entschieden: Du brauchst einen Gott."
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Passat
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Beitrag Mo., 23.01.2012, 08:49

Themis hat geschrieben:In Notsituationen beginne ich zu beten, zu bitten. Gleichzeitig meldet sich in mir eine Stimme, die mir die Unsinnigkeit und Kindlichkeit dieser Verhaltensweise vorwirft.
Was ist davon echt, also mein Empfinden, meine Überzeugung? Wie weit wurde ich manipuliert, wurden Ängste geschürt, Hoffnungen geweckt, die ich nicht mehr wegbekomme?
Erst wenn es sich für dich richtig anfühlt, ist es echt; erst wenn die Stimme verstummt, die Zwietracht in dir sät; erst wenn du dir gewiss sein kannst, dass du die "dogmatischen Autoritäten" besiegt hast, die dein Empfinden und deine Überzeugung fremdbesetzen.
Themis hat geschrieben:Was wäre gewesen, wenn ich mich frei entwickeln hätte können?
Frag doch mal Kaspar Hauser...
In der Regel bleibt es in unserer Kultur/Gesellschaft nunmal keinem erspart, sich ständig beeinflußt zu entwickeln. Sogleich nach der Geburt sind wir Teil eines Regelwerks. Als Baby oder Kleinkind kannst du dich nicht ganz allein auf die Reise des Lebens begeben. Du bist naturgemäß abhängig und unbedingt darauf angewiesen, nur irgendeinen Input von Außen zu bekommen, der dir eine Orientierung gibt. Dass dieser Input oft nicht hätte ungünstiger sein können, zeigt sich dann erst später, wenn du beginnst, durch dein Ich-Bewußtsein zu reflektieren. Ein Kind hat noch kein Rechts-/Unrechtsbewußtsein. Man sieht das unter anderem auch daran, dass Kinder, die mißhandelt werden, diese Mißhandlungen als eine Art Zuwendung verstehen lernen, bis sie im späteren Leben etwas anderes kennenlernen.
Themis hat geschrieben:Allein die Darstellung der Folterszene(n) in jeder Kirche und die damit verknüpfte Botschaft - die allein verhindert schon freies Denken.
Es sei denn, es gelingt dir (noch), dich von solchen Dogmatisierungen zu lösen. Dann hättest du die Chance auf eine selbstbestimmte Religion/Religiosität.

shouqici hat geschrieben:Also ich trenne zumindest mal zwischen Religion und Glauben, Konfession - ersteres als, na sagen wir 'transzendenzoffene Haltung', letzteres als, na sagen wir mal nicht 'Gegenteil', sondern als 'Deckel drauf', als 'fertige Antwort auf eine so nicht beantwortbare Frage'...
Ja, darauf können wir uns einigen.
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shouqici
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Beitrag Mo., 23.01.2012, 08:57

Themis hat geschrieben:Mit der Eingliederung in den Kindergarten hat sich einiges verändert. Einige Zeit noch sah ich verwundert Kinder weinen, wenn sie gebracht wurden. Ich vertraute auch auf die Gerechtigkeit der Erzieherinnen. Ich besaß noch keine Empathie.

Einige Erlebnisse haben das zerstört, es war für mich unfassbar. Scheinbare Kleinigkeiten wie kollektive Strafen, Benachteiligungen, die man mit ein wenig zuhören aus der Welt schaffen hätte können.

Vielleicht war es das Gefälle, das ich kennen lernte. In der im letzten Post beschriebenen Welt fühlte ich mich gleichberechtigt, ja, eins. Später nicht mehr.
Das ist für mich sehr interessant - dieses 'Grundvertrauen in die Erzieher' (gleichgültig welche) hatte ich nicht, soweit ich mich zurückerinnern kann. Dass Alle ungerecht sein konnten, war mir schon sehr früh klar, und ich habe mich dann oft in meine 'eigene Welt' zurückgezogen, wenn eine Lösung nicht in Sicht war - fallweise aber auch recht selbstbewusst entschieden: als ich ca. drei war, schickte mich meine Mutter in den Kindergarten. Dort gefiel es mir nicht, ich fühlte mich ein paarmal ungerecht behandelt - und nach zwei oder drei Wochen kam ich heim und teilte meiner Mutter mit "Das war's jetzt - dort gehe ich nicht mehr hin." Und dabei blieb es auch.
Das Maß, in dem ich zu der 'eigenen Welt' Jemandem Zutritt erlaubte, hatte ich unter Kontrolle, und die handhabte ich recht restriktiv. An das 'Einheitserlebnis' kann ich mich nicht erinnern - das lernte ich erst sehr viel später 'aus dem Kopf' wieder aufbauen

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Beitrag Mo., 23.01.2012, 11:55

Ich möchte nochmals auf den Vortrag von Fulbert Steffensky zurückkommen, den ich im Ganzen recht erfreulich offen und liberal finde - aber doch einige Bedenken anmelden - er sagt dort:
Die alten Erziehungsvorstellungen waren voller gärtnerischer Bilder. Der Erzieher, ob Vater oder Lehrerin oder Pfarrer, ist der Gärtner, das Kind ist die Pflanze. Der Gärtner weiß, was die Pflanze braucht. Er sät, er jätet das Unkraut, er beschneidet, er hegt, er düngt, er sorgt dafür, dass die Pflanze gerade wächst. Er hat das Bild der Pflanze, und er weiß, wie sie werden soll. Die Eltern, die Lehrerinnen und die Pfarrer wussten, was Erziehung ist und wozu zu erziehen ist. Das Kind war die Pflanze, die sich selbst gegenüber blind war. Hören, Gehorchen waren die Aufgabe des Kindes. Seine Freiheit konnte noch kaum gedacht werden. Freiheit und die eigene Entscheidung war eher Abfall und Abirrung vom einzig richtigen Weg. Ohne jene alten Zeiten zu verurteilen, muss man doch sehen, welche Gewaltmomente in jener Konzeption lag.
Es entstanden mit dem „Jahrhundert des Kindes“, das die schwedische Sozialreformerin Ellen Key 1900 propagierte, bis zur antiautoritären Erziehung andere, optimistischere Vorstellungen vom Kind und seiner Entwicklung. Wenn man schon in gärtnerischen Vorstellungen bleibt, könnte man sagen: es entstand die Idee von der selbstwachsenden Saat. Wenn man die Anlagen des Kindes, die naturhaft gut sind, nicht stört, wird es zu sich selber wachsen. Das Kind und der junge Mensch wurden sich selber Ziel. Sie brauchten keinen Vormund, sie lernten die eigene Stimme, indem sie sprachen. Erziehungsziele, die von außen auferlegt waren, konnten die Kinder nur von sich selber entfremden. Gewaltlosigkeit und Zurücknahme ihrer selbst war die hohe Verpflichtung der Erwachsenen. Die Wahrheit dieser Konzeption: Das Kind wurde vom Objekt der Erziehung zum Subjekt und zum Organisator seiner selbst. Wir können hinter dieses Ideal der Gewaltlosigkeit nicht mehr zurück. Die Frage ist, ob wir, wenn wir die Kinder so sich selbst überlassen, sie nicht dem Schrecken ihrer eigenen Einsamkeit ausliefern. Man kann sich die Frage, wer man ist; woran man glauben und worauf man setzen soll, nicht selbst beantworten. „Allein bist du klein“ ist nicht nur ein politischer Slogan, es ist in hohem Maß eine anthropologische Grundwahrheit.
Hier sehe ich allerdings einen gewissen Widerspruch - wenn 'die Anlagen des Kindes naturhaft gut sind' - woher kommen dann 'die Schrecken seiner eigenen Einsamkeit' - wenn die nicht von außen an das Kind herangetragen werden? Irgendwie scheint mir da die im Christentum doch immer wieder hervorgeholte 'Erbsünde' nicht so ganz ausgeräumt, die Annahme, dass der Mensch 'grundsätzlich verderbt' wäre und erst durch 'Gottes Gnade' wieder zu seiner 'ursprünglich gemeinten' Reinheit finden könnte. Er 'kann sich die Frage … nicht selbst beantworten', sondern braucht [die richtige] Gemeinschaft dazu. Dazu passt auch die schon früher angesprochene Aussage, man dürfe nicht sich selbst suchen, sich selbst verwirklichen wollen, das sei 'Selbstversessenheit', ein 'Verarmungsphänomen' - man finde sich, indem man sich nicht suche, sondern 'die Welt, ihr Glück, ihr Unglück und ihre Zerstörung wahrnehme'. Das scheint mir - ohne die Voreingenommenheit religiöser Lehre - eine höchst fragwürdige Sache zu sein. Dieses Misstrauen ist aber nicht auf das Christentum oder die Religionen beschränkt - das gibt es ebenso in Politik, Wirtschaft, Bildungswesen etc. Mir fällt da der Leitartikel der 'Salzburger Nachrichten' vom 21.01. ein, wo es um die Bildung geht, aber eben um genau diesen Punkt. Hätte gerne daraus zitiert, wird aber zu lang - vielleicht in einem neuen posting

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Beitrag Mo., 23.01.2012, 12:37

Steffensky hat geschrieben:„Allein bist du klein“ [...] ist in hohem Maß eine anthropologische Grundwahrheit.
shouqici hat geschrieben:Hier sehe ich allerdings einen gewissen Widerspruch - wenn 'die Anlagen des Kindes naturhaft gut sind' - woher kommen dann 'die Schrecken seiner eigenen Einsamkeit'
Wir mögen nicht ganz "ohne" auf die Welt kommen; vielleicht haben wir soetwas wie einen genetisch dispositionierten Wesenskern. Kognitiv sind wir aber wohl eher "tabula rasa".

Um uns in jeder Hinsicht zu entwickeln, brauchen wir zumindest "anleitende" Menschen; Menschen, die uns zeigen wie wir es machen könnten; Menschen, die uns Handlungsalternativen aufzeigen und uns nicht mit autoritärer Gewalt auf eine festzusetzen suchen.

Aus reiner Beobachtung unseres Umfeldes zu lernen, (ziel-)sicher und selbstbewußt zu handeln, könnte möglicherweise klappen, wenn ein Kind nicht schon so früh erfahren würde, dass Menschen arg dazu neigen, ihr Konzept als einzige Wahrheit zu vermitteln. Das scheint mir ebenfalls eine anthropologische Konstante zu sein.

Die "Schrecken der Einsamkeit" des Kindes können ja eigentlich nur daher kommen, dass man das Selbstverständnis des Kindes erschüttert und ihm ein "richtigeres" aufzuzwängen versucht.
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Beitrag Di., 24.01.2012, 08:02

Passat hat geschrieben:Um uns in jeder Hinsicht zu entwickeln, brauchen wir zumindest "anleitende" Menschen; Menschen, die uns zeigen wie wir es machen könnten; Menschen, die uns Handlungsalternativen aufzeigen und uns nicht mit autoritärer Gewalt auf eine festzusetzen suchen.
Vielleicht ist es des Menschen Art: Wir entwickeln uns durch Lernen und Nachahmen, dazu benötigen wir "Lehrmeister", welche uns zeigen, wie die "Welt" erfolgreich funktioniert.
Kinder a la Kaspar Hauser aufwachsen zu lassen ist grausam und führt zu schweren Schäden am Kind. Obwohl natürlich ein Unterschied besteht, in Isolation leben zu müssen oder reflektierte Gegenüber zu haben, die die eigene Entwickung zu fördern versuchen.
Isolationshaft Erwachsener im Gefängnis ist ja auch grausam.
Aus reiner Beobachtung unseres Umfeldes zu lernen, (ziel-)sicher und selbstbewußt zu handeln, könnte möglicherweise klappen, wenn ein Kind nicht schon so früh erfahren würde, dass Menschen arg dazu neigen, ihr Konzept als einzige Wahrheit zu vermitteln. Das scheint mir ebenfalls eine anthropologische Konstante zu sein.
Unter Umständen eine überlebensnotwendige? An unsere Nachkommen werden erprobte Lebensmuster weitergegeben - meistens als Wahrheiten. Wenn jeder Mensch die Aufgabe hätte, sich neue zu suchen und diese zu erproben, würde das ev. den sicheren Fortbestand unserer Art gefährden. Zumindest was alte Systeme wie Religion betrifft.
(Bezüglich moderner Probleme wie Klimawandel sind wir gänzlich unerprobt und tappen hilflos im Dunkeln, verzweiflelt versuchend, Altes, Bewährtes, bis jetzt Erfolgreiches zu bewahren und Neues zu negieren bzw. auf ein Wunder hoffend).

Sind wir so erfolgreich (zumindest bis jetzt), weil wir an Altbewährtem festhalten und Neues nur gegen Widerstand zulassen? Ich denke schon. Die Geschichte hat oft gezeigt, dass Ideen von Querdenkern erst nach Hunderten von Jahren aufgenommen wurden. Eine Sicherheitseinrichtung?
Hm. Technisch machen wir enorme Fortschritte. Wieso lassen wir hier Neues so bereitwillig zu? Wie sortieren wir aus?
Die "Schrecken der Einsamkeit" des Kindes können ja eigentlich nur daher kommen, dass man das Selbstverständnis des Kindes erschüttert und ihm ein "richtigeres" aufzuzwängen versucht.
Oder weil wir soziale Wesen sind und uns dem Joch der Gesellschaft beugen müssen, um existieren zu können? Das Rädchen und das Getriebe - beide können nicht ohne den anderen.
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Beitrag Mo., 20.02.2012, 23:59

Das meinte laut Wikipedia Herr Freud S. zum Thema:

Religion = Kindheitsneurose, Problem der Vatersehnsucht und Ödipus.

Frau Themis meint dazu: Herr Freud & Co wurden und werden immer noch überschätzt, ebenso die Verehrung einer Gottheit und die Bedeutung eines Sinnes, der unbedingt gefunden werden muss, um - ja was?

Um in den Himmel zu kommen, etwas aufzulösen, was es nicht aufzulösen gilt, etwas zu wissen, was es nicht zu wissen gilt.

Menschen mit einseitigem Blickwinkel wie Herr Freud konstruieren Theorien, um deren Defizite einzuordnen, zu verringern und loszuwerden. Scharen von Menschen folgen ihnen und versuchen, diesem Schema gerecht zu werden oder eben glücklicherweise nicht, wodurch sie sich wieder genau diesem einordnen.

Kann man ein Defizit durch Verringerung verringern?
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