Freundin antriebslos/depressiv

In diesem Forumsbereich können Sie sich über Schwierigkeiten austauschen, die Sie als Angehörige(r) oder Freund(in) von psychisch Erkrankten bzw. leidenden Personen konfrontiert sind.
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blaues_wasser
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Beiträge: 33

Beitrag Mo., 14.10.2013, 00:16

Trotz ihre Depression besteht meine Freundin immer noch darauf, dass selbstständig bleibt. Sie will nicht bemuttert werden. Da sie keine Freunde hat, gibt es, außer mir, sowieso niemanden, den sie um Hilfe bitten könnte. Dazu führen wir ja auch eine Fernbeziehung und da ist nichts mit "schnell mal anrufen". Zwischen ihr und ihren Eltern herrscht seit Monaten auch Eiszeit und der Rest ihrer Familie lebt sein eigenes Leben. Sie hat also sonst Niemanden.

Wir haben uns jetzt neun Wochen lang nicht gesehen, da sie derzeit keine Kraft hat und sie möchte auch nicht, dass ich sie besuche, da sie derzeit nur im Bett liegt. Sie hat mir eben geschrieben, dass ihre Wohnung derzeit einer stinkenden Müllhalde gleicht und sie selbst auch eine stinkende Müllhalde sei. Ich denke mal, sie wird seit zwei oder drei Wochen nicht geduscht haben. Der Müll stapelt sich überall und das Haus hat sie in den letzten zwei Wochen nur zweimal verlassen. Das mit ihrer Betreuung wird auch nichts werden, da sie sich darum kümmern müsste. Schafft sie aber nicht.

Sie geht auch nicht mehr zu einem Therapeuten, da sie zu oft einfach nicht hingegangen ist und sich deswegen schämt. Dienstag hatte sie ihren Termin beim Neurologen, der sie, wohl aus Gründen der Kontrolle, regelmäßig sehen möchte. Sie ist nicht hingegangen und lag bis 23 Uhr im Bett.

Sie hat letztens erwähnt, dass wohl nur die Klinik bleibt. Das würde aber nichts bringen, denn wenn sie wieder in die Wohnung zurückkommt, geht es ihr dann sowieso wieder schlecht.

Wie soll dieser Mensch jemals ein normales Leben führen können? Langsam werde ich wütend auf sie, obwohl ich weiß, dass sie krank ist und sich deswegen so verhält. Sie wird mir langsam gleichgültig. Kein gutes Zeichen.

Ich bin ja mal sowas von am Ende mit meinem Latein. Was würde passieren, wenn ich mich jetzt trennen würde? Sie würde wahrscheinlich die nächsten Monate nur im Bett liegen und irgendwann, wenn im Januar dann kein Geld mehr da ist, würde der Vermieter in ihre Müllhalde kommen und sie dort vorfinden? Grauenhaftes Szenario...

Mein bester Freund hat mir angeboten, mich morgen zu ihr zu fahren. Ich habe abgelehnt. Liebe ich sie nicht mehr?

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Henrike76
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Beitrag Mo., 14.10.2013, 07:48

Hallo blaues Wasser,

das hast Du schon gut beschrieben.
Mich kann da so schnell nix mehr schocken.

"Sie hat letztens erwähnt, dass wohl nur die Klinik bleibt. Das würde aber nichts bringen, denn wenn sie wieder in die Wohnung zurückkommt, geht es ihr dann sowieso wieder schlecht."

Demnach bräuchte auch kein Suchtkranker in eine Klinik zu gehen, weil wenn er wieder kommt ist ja sowieso der ganze Müll wieder da.
Ich sehe da eine unbedingte Notwendigkeit zu intervenieren !
Und hinterher muss mal ein Vertrauter mit aufräumen kommen.

Das sich die Kernfamilie da nicht kümmert ist aber in Deutschland fast standardisiert!
Da muss man drüber stehen!

Im Prinzip bist aber Du auch einer der nun professionelle Hilfe braucht, damit Du da nicht aus den Latschen kippst!

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Marzipanschnute
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Beiträge: 729

Beitrag Mo., 14.10.2013, 07:53

Nein, aber du kannst nun einmal dort auch nichts anrichten.

Ich denke, Klinik ist in der Tat gerade eine gute Lösung für deine Freundin. Der Abstand wird ihr vielleicht erst einmal gut tun. Und wenn sie dann zurück kommt wird sie wohl weiterhin ambulante Unterstützung bekommen müssen, aber dann ist schon ein Grundstein gelegt.

Das hört sich alles furchtbar an bei ihr, bei dir, bei euch.

Ich wünsche dir viel Kraft, das gemeinsam mit ihr durchzuziehen.

@ Henrike, nicht jede Kernfamilie kümmert sich nicht. Vielleicht wissen die auch einfach nichts von den Ausmaßen der Situation, weil so etwas ja auch gerne unter den Tisch geschwiegen wird. Und selbst wenn, Familie ist Familie und bleibt Familie und "drüber" stehen tut man da vermutlich eh nie vollkommen. Man kann das akzeptieren und damit leben, aber ob's einen irgendwann nicht mehr berührt wage ich zu bezweifeln.
“Das Schöne an der Zeit ist, das sie ohne Hilfestellung vergeht und sich nicht an dem stört, was in ihr geschieht.” Juli Zeh

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Henrike76
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Beiträge: 621

Beitrag Mo., 14.10.2013, 10:01

@ Marzipanschnute

Ich habe geschrieben fast standardisiert!
Übrigens auch in Selbsthilfegruppen, Vereinen einfach überall wird bevorzugt weggeschaut.
Kann aber auch sein dass das nur in Hessen so ist und ich dadurch ein verzerrtes Weltbild habe.

Für mich ist das alles nicht mehr nachvollziehbar.
Wenn der Kernhaufen da nix von mitkriegt?
Wenn man denjenigen 11-17 Jahre nicht besucht kann man auch nix mitkriegen!

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blaues_wasser
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Beitrag Mo., 14.10.2013, 10:42

Ihr Familie sind ja hauptsächlich ihre Eltern und die müssen mit dieser Situation ja schon ein wenig länger fertig werden. Denen geht es hauptsächlich darum, dass sich ihre Tochter endlich finanziell von ihnen löst. Ihrer Mutter ist es z. B. völlig unverständlich, warum sie sich nicht intensiv um einen Job bemüht. Bei denen heißt es einfach "Wenn Du willst, dass sich etwas ändert, musst Du etwas dagegen tun.". Ausreden zählen dort nicht.

Ihre Familie besteht nur aus erfolgreichen Menschen. Alle Geschwister sind Akademiker, jetzt teilweise im Ausland. Ihre Schwester ist Ärztin, das wurmt sie sicherlich auch noch, da sie ihr Medizinstudium abbrechen musste. Ihre Mutter hat auch studiert und ihr Vater ist ein erfolgreicher Self-Made-Millionär mit Villa in Hamburg und Strandhaus auf Sylt.

Meine Freundin ist das schwarze Schaf der Familie und wohlmöglich ist das auch eine große Belastung für sie und erzeugt irgendwelche Minderwertigkeitskomplexe usw.

Wie auch immer... Sie ist jetzt 26 und ihre Eltern sehen ihre Schuldigkeit getan. Über mich haben die wahrscheinlich auch keine gute Meinung. Das ist mir aber egal.

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Henrike76
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Beiträge: 621

Beitrag Mo., 14.10.2013, 13:13

Hallo blaues Wasser,

ja das Umfeld von Ihr ist mit solch erfolgreichen Menschen eher wenig hilfreich.

Für mich sind die tendenziell erfolgreichen Leute (materiell) selten die die eine Gesellschaft am laufen halten.
Das sind dann eher die die Vereine und Communities gründen!

Der Kölsche sagt "Freunde in der Not gehen wie Hundert auf ein Lot".
Leider scheint es zu stimmen.

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Thread-EröffnerIn
blaues_wasser
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Beiträge: 33

Beitrag Mo., 06.01.2014, 01:28

Bei meiner Freundin geht es aufwärts. Sie hat nun eine Betreuungsperson, die sie, für einige Stunden in der Woche, in Anspruch nehmen kann. Weiterhin war sie beim Arbeitsamt und hat dort ALGII beantragt. Sie ist nun erst einmal ein halbes Jahr krankgeschrieben und soll sich, in diesem Zeitraum, eine neue Wohnung und einen Ausbildungsplatz suchen. Sie war auch schon vor Weihnachten bei ihren Eltern und hat sich mit ihnen ausgesprochen.

Klingt jetzt alles nicht so negativ, wenn man mal die Vergangenheit betrachtet.

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