Kleine Umfrage zur Therapieform

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sandrin
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Beitrag So., 15.01.2017, 14:17

Na, dann. Ist auch nicht schlimm. Dann werde ich die deinen einfach mal um des lieben Friedens willen ignorieren.

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Möbius
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Beitrag So., 15.01.2017, 14:27

Ein paar Anmerkungen:

1) Ich glaube, es war die Mondin gewesen, die schon mal das schöne Bild vom Werkzeugkasten und den einzelnen Werkzeugen in diesen thread gemalt hat - "und das kann ich nur voll unterstützen": Ein Auto kann man nur selten alleine mit dem 17er Schlüssel reparieren. Meistens braucht man noch andere Schlüssel, die Ratsche, Schraubenzieher, Kreuzschlitz- und Imbus-Zieher, -Schlüssel, -Einsätze ... Als ich mich in meiner Assistentenzeit an der Uni erstmals intensiv mit Aristoteles beschäftigte, habe ich u.a. zu meiner Verblüffung gelesen, daß "Werkzeug" im Griechischen "Organ" heißt, und der "Werkzeugkasten" heißt: "Organon". Und genauso nannte Aristoteles selbst sein von ihm "editiertes" Gesamtwerk: es ist das "Organon", der Werkzeugkasten für das Denken. Das war so ein "Klick" im Kopf gewesen damals ...

2) Die Lektüre, das Studium von psychologischer und (psycho-)therapeutischer Fachliteratur ist sozusagen die aristokratische Form der Psychotherapie: warum werden denn Leute Therapeuten, studieren Psychologie ? Ich bin in meinem Leben noch keinem einzigen Therapeuten oder Psychologen in der Realität begegnet, der nicht den Eindruck bei mir hinterlies, auch selbst irgendwo ne Schraube locker zu haben, wie man so schön sagt. "Normal" wirkten diese Leute nie auf mich - wenngleich meist nicht unsympathisch ... Wer's nicht glaubt, der besuche mal eine x-beliebige Hochschule mit psychologischen Studienangeboten, und stelle sich mal vor den Hörsaal, in dem eine große Vorlesung demnächst beginnt oder endet - etwa die "Einführung in das Studium der Psychologie" für die Erstsemester! Dagegen ist aber durchaus nix einzuwenden - im Gegenteil ! Es ist immer von Vorteil, wenn man weiß, wie's auf der anderen Seite der Frontlinie aussieht.

3) Bei vielem, was ich hier zur Körpertherapie gelesen habe - ich gestehe: meist nur flüchtig überlesen, weil ich ja mit brennenden Nägeln darauf warte, daß mein Thema: die Psychoanalyse endlich mal wieder drannkommt, wo ich mich auskenne und mir keiner was kann und so - ja ... bei diesem Überlesen sind mir Parallelen zu meinen promiskuitiven Erfahrungen und Aktivitäten ins Auge gesprungen, die ja zu einem Gutteil ganz konkret therapeutische Zielsetzungen bekommen haben, seit ich bei meinem sexualwissenschaftlichen Überpsycho in Behandlung bin.

Da ist zB dieses gemeinsame körperliche Agieren - körperlich annehmen und angenommen werden, auffangen und aufgefangen werden, das in der "Szene" ja auch bei einem guten Kontakt immer wieder stattfindet. Eine enorm positive und therapeutisch hochwirksame Erfahrung war es zB für mich gewesen, in der Szene überhaupt wieder "angenommen" zu werden, weil ich mich nach den ganzen Operationen, der Hauttransplantation gerade "untenrum" selbst als furchbar entstellt fühlte und hässlich vorkam - generelle Zurückweisung befürchtete. Die so übel beleumundete Szene hat mir jedoch gleich zu Beginn die Botschaft zukommen lassen: Du bist ok so wie Du bist und brauchst Dich wegen Deiner Narben und so nicht zu schämen !

Da gibt es zB auch Berührungen (durchaus nicht nur "untenrum"), die man einfach "abfragen" kann auch ohne Rücksicht auf einen aktuellen "Beziehungsstatus". Das funktioniert natürlich nicht bei jedem, den man da so trifft - vornehmlich bei den "buddies" oder Sexfreunden, wie ich lieber sage.

Selbst dann, wenn ich bei einem Szenebesuch keine Kontakte hatte, mich auch nicht erheblich autoerotisch-exhibitionistisch betätigt habe - dann war ich, solange ich mich dort aufgehalten habe, ein ganz dezidiertes "Körperwesen". Am See passiert mir soetwas recht häufig. Man "entgeistigt" sich und "verkörperlicht".

Worauf sich nunmehr die Frage erhebt, ob Körpertherapie nicht nur ein ziemlich teueres Surrogat für's rumsauen ist, oder umgekehrt das kostengünstige rumsauen nicht durch die Krankenkassen gefördert werden sollte ?! (OK - das war mal wieder Polemik, ich geb's ja zu. Aber ich hab's halt mal wieder gebraucht !)


isabe
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Beitrag So., 15.01.2017, 14:39

Mein Analytiker ( ) hat nichts dagegen, dass Patienten psychoanalytische Literatur lesen. Ich hatte das irrtümlicherweise auch angenommen, aber ich hab mich geirrt. Allerdings haben wir darüber gesprochen, was das für mich bedeutet. Bzw. bedeutet "hat", denn ich mache das nicht mehr. Ich habe das in der ersten Therapie sehr ausgiebig betrieben, und wir haben herausgefunden, warum ich das tat: Ich war misstrauisch und wollte (und konnte) dem Therapeuten nicht alleine die Verantwortung für das Geschehen überlassen (zu Recht, wie sich später herausstellen sollte).


mio
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Beitrag So., 15.01.2017, 15:17

lisbeth hat geschrieben: Bei den "Ich-will-aber-die-Kontrolle-haben"-Therapeuten würde ich Reißaus nehmen.
Ich auch. Mich erstaunt es auch, dass das überhaupt akzeptiert wird. Denn das muss es ja, sonst gäbe es die nicht. Mir wäre auch das "Argument" dass dann die Übertragungsdynamik nicht mehr funktioniert zu manipulativ.

Meine Thera hat mich immer wieder mal auf "psychologische Ansätze" aufmerksam gemacht, wenn sie das Gefühl hatte, dass das für mich wichtig und interessant sein könnte und sie weiss auch, dass ich mich da selbst auch mit beschäftige. Das sind Situationen wo wir uns eher wie "Co-Therapeuten" unterhalten, nicht so wie Thera-Patientin.

Wir arbeiten gemeinsam an meinem Problem, nicht sie an mir. An "mir" (meiner Seele/Psyche) würde ich wohl niemanden blind arbeiten lassen. Da muss ich schon wissen, was da geschieht. Ich würde aber auch keinen anderen Arzt blind an mir arbeiten lassen ohne entsprechend informiert zu sein.

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montagne
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Beitrag So., 15.01.2017, 15:21

Möbius hat geschrieben:Ein paar Anmerkungen:

Selbst dann, wenn ich bei einem Szenebesuch keine Kontakte hatte, mich auch nicht erheblich autoerotisch-exhibitionistisch betätigt habe - dann war ich, solange ich mich dort aufgehalten habe, ein ganz dezidiertes "Körperwesen". Am See passiert mir soetwas recht häufig. Man "entgeistigt" sich und "verkörperlicht".

Worauf sich nunmehr die Frage erhebt, ob Körpertherapie nicht nur ein ziemlich teueres Surrogat für's rumsauen ist, oder umgekehrt das kostengünstige rumsauen nicht durch die Krankenkassen gefördert werden sollte ?! (OK - das war mal wieder Polemik, ich geb's ja zu. Aber ich hab's halt mal wieder gebraucht !)
Ich finds nicht mal polemisch, sondern nüchtern und ehrlich.
Ich würde sogar so weit gehen oder eher sagen, Körpertherapie (ebenso wie Psychotherapie) hat Parallelen zur Prostitution.
Allerdings würde ich eher behaupten Prostitution ist ein Surrogat für Körperbehandlungen aller Art.

Was die Verkörperlichung angeht, kenne ich auch, ja am See, beim Sport und eben auch wärend einer Behandlung. Denke zumindest bei mir ist es auch ne Spaltung zwischen Körper und Geist. Wenn ich den Geist nicht zu einem guten Grad runterfahren kann, kann ich mich körperlich überhaupt nicht entspannen oder fallen lassen. Da ich aber den Geist in bestimmten Situationen runterfahren kan, auf der Tanzfläche, beim Sport, wärend einer (pasiven) körperlichen Behandlung, kann ich mich da echt auf Knopfdruck fallen lassen. Ist nicht immer ganz unproblematisch, würd ich sagen, wie immer, wenn man das ein oder andere abspaltet.
amor fati


mio
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Beitrag So., 15.01.2017, 15:27

Möbius hat geschrieben:ob Körpertherapie nicht nur ein ziemlich teueres Surrogat für's rumsauen ist
Ich finde auch, dass man das durchaus so sehen kann. Im Grunde hat es ja auch einfach was damit zu tun, dass uns die Berührungen anderer Menschen auch dabei helfen uns unserer selbst wieder "gewahrer" zu werden und uns sicherer zu fühlen (unbewusst). Ich denke das ist ein bisschen so ein "Uterus"/"Kleinstkind" Relikt. Sicherheit ist ganz basal mit Körperberührung verbunden. Interessant fand ich in dem Zusammenhang immer diese Technik bei der Schreibabys ganz fest eingewickelt werden so dass man eigentlich denken könnte, dass das denen doch unangenehm sein muss. Aber nein: Es beruhigt sie.

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Lockenkopf
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Beitrag So., 15.01.2017, 15:32

Sunna hat geschrieben:Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass parallele Therapien und das Lesen von Fachliteratur trotz aller Vorteile für den Patienten die "Haupt"therapie negativ beeinflussen können. In dem Moment, wo man sich mit Inhalten beschäftigt, verändert man sich und für Therapeuten kann es bisweilen schwierig sein, einen stabilen Zugang zum Patienten zu finden. Sie haben dann nicht in jeder Sitzung den Patienten vor sich sitzen, der sie verlassen hat, und müssen sich sozusagen jedes Mal völlig neu orientieren. Der Therapeut kann so u.U. nicht mehr mit seinen Methoden arbeiten.
Ein Th. muss während jede Sitzung sowieso einen Rebefund machen und schauen was sich verändert hat. Ohnedem kann er nicht erfolgreich therapeutisch arbeiten, weil sich ständig etwas ändert, in erfolgreichen Therapien zum positiven.

Wenn in einer Therapie beim Pat. keine Veränderungen eintreten, ist diese als misslungen anzusehen.
Liebe Grüße
Lockenkopf

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sandrin
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Beitrag So., 15.01.2017, 15:37

Ich wurde auch in den Einzelstunden der KBT nicht vom Therapeuten berührt. Also mit Prostitution hatte das in meinem Fall überhaupt nichts zu tun.

Allerdings könnte man sich bei der gesamten Psychotherapie fragen, ob das nicht alles ein wenig Seelenprostituion ist, immerhin bezahlt man jemanden unter anderem dafür, dass er einem Zuwendung und Beziehung gibt - ein Beziehungskauf gewissermaßen.

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Lockenkopf
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Beitrag So., 15.01.2017, 15:41

Sunna hat geschrieben:
Irgendwie habe ich mir gedacht, dass der Einwand kommt . Würde das nicht passieren, würde die Therapie auch nicht funktionieren. Wenn man eine Parallel-Therapie beginnt, ist man allerdings noch viel stärker jemand anderes und zwar auf eine Weise, dass es für einen Therapeuten mitunter nicht absehbar ist. Die Sprünge werden dann zu groß und der Therapeut muss jedes Mal ausloten, was Stand der Dinge ist, was für ihn kraft- und zeitraubend ist. Dass da nicht jeder ohne weiteres begeistert ist, kann ich mir jedenfalls gut vorstellen. Es ist in dem Moment so, dass der Patient gewissermaßen das Arbeitsbündnis verlässt und im Alleingang weiterarbeitet, ohne dem Therapeuten die Möglichkeit zu geben, darauf einzuwirken. Wie soll ein Therapeut die Entwicklung da adäquat begleiten? Manche werden an dieser Stelle ein Problem haben können - nicht müssen. Der Therapeut kann auch nicht immer etwas dafür, dass seine Kompetenz so und nicht anders aussieht.
Es ist grundsätzlich Aufgabe des Th. jeder Stunde auf neue den Stand der Dinge zu überprüfen. Ein Th. kann sich grundsätzlich nicht darauf verlassen, das ein Entwicklung nur so weit voranschreitet, wie er es gerne hätte.
Ein Th. der damit nicht umgehen kann oder will sollte seinen Job aufgeben!!!
Zuletzt geändert von Lockenkopf am So., 15.01.2017, 15:42, insgesamt 1-mal geändert.
Liebe Grüße
Lockenkopf


Sunna
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Beitrag So., 15.01.2017, 15:42

@Lockenkopf
Es geht mir nicht um "keine Veränderungen", sondern darum, dass die Veränderungen größer sind als zu erwarten. Das können z.B. bewusst gewordene Prozesse sein. Wenn das ein zweiter Therapeut das forciert, muss der erste nicht glücklich damit sein, weil es vielleicht sein Konzept untergräbt. Wobei es da auch viel subtilere Veränderungen geht, z.B. wenn es um Prozesse auf Empathieebene geht.


mio
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Beitrag So., 15.01.2017, 15:45

Ich glaube der Witz dabei sind die "Körpergrenzen" die bewusster wahrgenommen werden (was Sicherheit vermittelt für meine Begriffe). Wahrscheinlich ist es egal, wie ich diese bewusster wahrnehme aber eine direkte Berührung macht es "einfacher". Das Ziel sollte aber sein, dass diese auch allein bewusster wahrgenommen werden können.

Körperwahrnehmung ist ja Selbstwahrnehmung und das "sichert" glaube ich unbewusst zu wissen: Es gibt mich (körperlich) und ich bin im Kontakt mit anderen (auch über den Körper bzw. seinen "Außenraum", also die individuelle Wohlfühldistanz).

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sandrin
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Beitrag So., 15.01.2017, 15:52

Also ich weiß nicht, woran es genau lag. Ich kann nur sagen, mir hat das echt geholfen, dass ich mich selbst (!) oder in der Gruppe mit ausgewählten Personen ausprobieren konnte. Das war damals fast schon ein Quantensprung in meiner Entwicklung

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Möbius
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Beitrag So., 15.01.2017, 16:08

@ isabe und noch so einige

Die Lektüre von Fachliteratur braucht aber nicht unbedingt auf Mißtrauen zu beruhen - wenn der Patient (Fachliteratur) lesen kann, erleichtert das doch den Therapeuten von der "Erklärbär-Funktion" in hohem Maße:

"Wo simmer denn dran ? Ahso - heut krieje-mer: dat Unbewußte ! Ahlso: wat is en Unbewußtet ? Da stelle mer uns jaanz dumm - un dann saache-mer so: en Unbewußtet, dat is enne jroße, schwarze Raum und der schwarze Raum der hat zwee Löcher. Dat eene Loch, dat is die Vadrängung - un dat annere Loch, dat krieje-mer später !" (Frei nach H. Spoerl: Die Feuerzangenbowle)

Wenn der Therapeut zudem diese Literatur und ihre therapeutischen Auswirkungen auf den Patienten gut kennt und einzuschätzen vermag, kann das doch für allerlei sehr hilfreich sein. Nennen wir es "Bücherbasierte Therapie" ?

Ich hab grad mal wieder ne "Hausaufgabe" vom Überpsycho bekommen: Didier Anzieu: Das Haut-Ich. Ein Klassiker der analytischen Psychodermatologie, den ich letztes Jahr schon lesen wollte. Kernthese etwa: das Erleben der eigenen Haut sowohl als Grenze wie auch als Kommunikationsmöglichkeit ist der Ursprung des "Ich".


MariJane
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Beitrag So., 15.01.2017, 16:18

Bibliotherapie ist ein anerkanntes Verfahren. Allerdings ist die Idee, dass der Therapeut die begleitende Literatur empfiehlt.


isabe
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Beitrag So., 15.01.2017, 16:21

Ich behaupte, dass das Lesen nur dann "gut" ist, wenn man mit dem Therapeuten darüber spricht bzw. sprechen kann. Wenn der Patient das Gefühl hat, es verheimlichen zu müssen, kann man von einem Widerstand ausgehen.

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