Artifizielle Störung

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Belze
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Beitrag Di., 25.04.2017, 18:50

@wirschaffendas: Hier hab ich was interessantes gefunden:

https://www.kvno.de/60neues/2017/17_04_ ... index.html

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Belze
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Beitrag Do., 30.01.2020, 10:35

Mal ein vorsichtiges hallo in die Runde,

liest hier noch jemand?

LG Belze


Kirchenmaus
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Beitrag Do., 30.01.2020, 12:40

Also, ich hab es jedenfalls jetzt gelesen. :)
Es ist in Ordnung, mich zu akzeptieren.

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wundernase
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Beitrag Do., 30.01.2020, 20:27

Ich auch. 😉

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Belze
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Beitrag Fr., 31.01.2020, 09:25

Hallo ihr zwei,

Vielen Dank für eure Rückmeldung. Wie geht es euch? Und gerade dir wundernase, wie ist es in dir in der Zwischenzeit ergangen? (Nur wenn du das hier öffentlich schreiben magst).

Ich ärgere mich gerade tierisch, gestern Abend habe ich einen ellenlangen Text hier verfasst und beim Absenden kam die Anmeldemaske. Also habe ich mich eingeloggt und puff war mein ganzer Text weg. Deswegen versuche ich nun in Kurzform das wiederzugeben, was ich euch schreiben wollte:

Vor langer Zeit entstand in einer Therapiesitzung ein Lügenkonstrukt, nicht geplant und mit Absicht konstruiert. Ich hatte mich ziemlich schwer selbstverletzt und der Therapeut bohrte nach was bei mir die Ursachen sein könnten. Er vermutete schlimme Dinge in meiner Kindheit. Ich gab an, dass dem nicht so sei. Doch plötzlich entstand eine Atmosphäre, die mich umschwenken ließ und ich erzählte was mir passiert ist. (Was aber definitiv nicht stimmte).
Ich habe von ihm ab da Unmengen an Verständnis, Fürsorge und Zuwendung erhalten und an dieser "Geschichte" bis heute festgehalten. Es ist so, dass ich tatsächlich schlimme Dinge erleben musste - allerdings habe ich diese teilweise ausgebaut und andere wie die Sache von dieser Therapiesitzung in meinen Lebenslauf aufgenommen. Versteht mich nicht falsch, ich hatte das nie aktiv geplant und mir überlegt, aber obwohl ich in mir eigentlich immer wusste dass es da "falsche" Tatsachen gab habe ich daran festgehalten. Manchmal war ich mir unsicher was nun wirklich die Wahrheit sei, das vermischte sich in mir oft und ich wollte es wohl irgendwann einfach selber glauben und habe es als die Wahrheit angesehen. Bei meiner jetzigen Therapeutin hatte ich 2017 als ich zuletzt hier geschrieben habe den Verdacht geäußert, dass ich unter der artifiziellen Störung leide.
Natürlich habe ich nicht alle Tatsachen angeführt, sondern ihr von den einfacheren Fällen, wie fingierte Krankheiten und kleinere Lügen erzählt. Sie wiederum konnte das gar nicht so sehen, sondern erklärte es mit der riesigen Sehnsucht nach gesehen werden, Liebe, Zuwendung, Verständnis, Fürsorge und Geborgenheit. Zudem sagte sie, dass sich so etwas schlimmes kein Mensch ausdenken würde. Und ehrlich, trotz dieser leisen mahnenden Stimme in mir, nahm ich das als eine Art Freispruch hin, eine Art Bestätigung, dass ich nichts erfunden habe, sondern es wohl einfach sehr lange verdrängt habe und nun die Erinnerung erst wiederkam. Ich habe einfach so fest daran glauben wollen, denn alles andere würde  nur zeigen was für ein Monster ich bin. Ein Mensch der so schlimme Dinge erfindet um von Menschen Liebe, Zuwendung und Fürsorge zu bekommen, der andere benutzt, missbraucht, belügt und betrügt. Nun habe ich genau bei dieser Therapeutin eine Traumatherapie gemacht um all das Geschehene aufzuarbeiten. Ich habe immer mehr diese Geschichte als Wahrheit gefühlt, ich hatte Bilder und Erinnerungen und beim Erzählen auch wirklich schreckliche Gefühle, mir ging es richtig dreckig und habe auch tatsächlich dissoziiert, nicht gespielt.
Vor wenigen Tagen dann habe ich aus dem Nichts (also ich weiß nicht warum ich das gemacht habe) bei mir eine Blasenentzündung verursacht, absichtlich. Und da plötzlich ist mir das klar geworden, so geht das nicht mehr. Ich habe wieder viel im Internet zu der artifiziellen Störung gelesen, fand mich in einigem zu 100% wieder, in aderem so gar nicht, letztendlich ist es aber auch egal wie man das nun nennt, Tatsache bleibt was ich gemacht habe. Ich fühle mich nun mit dem Wissen, mit dem Blick auf die tatsächliche Wahrheit schrecklich - was bin ich nur für ein abartiger Mensch, der so etwas macht? Ich habe die Menschen, die mir vorbehaltlos glaubten und vertrauten hintergangen, belogen und betrogen. Ich stehe nun vor der Entscheidung was ich tun soll - soll ich meiner Therapeutin die Wahrheit sagen? Das kommt doch meinem Todesurteil gleich, wenn sie mich nicht gleich einweist oder als ihre Klientin rausschmeißt wäre das schlimmste die Enttäuschung, ihr Erkennen was ich ihr angetan habe mit den Lügen.
Und dann mein Mann - er hält seit Jahren vorbehaltlos zu mir, egal was ist, auch ihn habe ich aufs härteste mit diesen Geschichten hintergangen. Wie soll er mir je wieder Vertrauen können? Ich stehe nun vor der Entscheidung alles zu zerstören oder an der Geschichte festzuhalten und dann muss ich innerlich einfach damit leben. Gesund ist anders.... Hat von euch jemand schon mal eine ähnliche Erfahrung gemacht? Was soll ich denn jetzt tun? Kann jemand verstehen wie sehr man sich als Monster fühlt nach so einer Aktion?
Ok Kurzform war das nun nicht, sorry für den langen Text,
Liebe Grüße,
Belze
Zuletzt geändert von Pauline am Di., 04.02.2020, 05:56, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Absätze für bessere Lesbarkeit angebracht. Bitte darauf achten, danke.

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wirschaffendas
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Beitrag Mo., 03.02.2020, 21:58

Hallo Belze,
ich habe gerade deinen Eintrag gesehen. Zunächst mal: Es gibt Hoffnung!!!
Ich weiß gerade gar nicht mehr, was in meinem letzten Beitrag so alles stand. Meine Geschichte ging jedenfalls so, dass ich in meiner Kindheit und Jugend bis ins junge Erwachsenenalter auch immer wieder mich selbst verletzt hatte und Leuten etwas vorgemacht hatte. Ich dachte auch IMMER, dass ich niemals eine Person richtig nah an mich heranlassen könnte, weil es so verabscheuenswert ist, was ich tue und dass die Menschen, die ich doch so gern mag, dann wissen, dass ich sie all die Jahre nur ausgenutzt und verarscht habe.

In einem Auslandssemester vor fünf Jahren ist mir dann alles wie Schuppen von den Augen gefallen. Ich habe einiges über die Artifizielle Störung gelesen und konnte endlich System in meinem Handeln finden. Und da habe ich beschlossen, dass ich ein glücklicher Mensch sein möchte, ohne dieses "dunkle Geheimnis". Und ich habe, entgegen all meiner Widerstände, meine Familie und engsten Freunde in mein Geheimnis eingeweiht. Der Schock war natürlich groß, aber mindestens genauso groß war das Mitgefühl dafür, dass ich das all die Jahre allein mit mir rumgetragen habe. Es ist ja klar, dass man so aus einem enormen Leidensdruck heraus handelt. Alle, mit denen ich je darüber gesprochen habe, und das sind mittlerweile tatsächlich einige Menschen, haben mir ihre Unterstützung zugesichert und fanden es stark, dass ich mittlerweile so (ziemlich) offen mit diesem Tabuthema umgehe.

Seit knapp einem Jahr mache ich eine Therapie und mittlerweile kann ich mir selber die ganzen Dummheiten verzeihen. Ich weiß, dass das damals meine einzige Möglichkeit war, mit meiner Not umzugehen. Und zugleich kümmere ich mich gut um mich, damit ich nicht wieder den Druck verspüre und damit geht es mir sehr gut. Du siehst also: die Lage ist nicht aussichtslos :)

Nun zu deiner Situation. Ich glaube, die zentrale Frage ist: willst du ein glückliches, authentisches? Willst du gesund werden? Willst du deinem Partner gegenüber ehrlich sein können?
Wenn die Antwort auf diese Fragen "Ja" lautet - dann weißt du sicher selbst, was zu tun ist! Deine Therapeutin kennt sich psychologischen Störungen aus und weiß, dass das nichts persönlich mit ihr zu tun hat, sondern dass du gelitten hast. Dein Partner - wenn er dich liebt, dann wird er zu dir halten. Ich denke, es kommt ganz darauf an, wie du/ ihr mit der Situation umgehst. Und deine Geschichte gehört nunmal zu dir...

Stell dir vor, du liegst auf deinem Sterbebett: Wie würdest du auf dein Leben zurückblicken, wenn du diese Personen weiterhin belogen hättest aus Angst vor ihrer Ablehnung? Und wie würde es dir gehen, wenn du dich deiner Angst gestellt hättest und dein Leben in die Hand genommen hättest, um so gesund und glücklich zu werden wie möglich?

Ich bin rückblickend so froh und stolz auf mich selbst, dass ich mich vor fünf Jahren dieser Angst gestellt habe und würde das auf Anhieb sofort wieder tun.
Ich hoffe, ich kann dich mit meinem Eintrag ermutigen und dir ein bisschen Hoffnung geben.

Viele Grüße
wirschaffendas

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Belze
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Beitrag Mi., 05.02.2020, 19:15

Hallo ihr Lieben,

@wirschaffendas und @wundernase,
Vielen lieben Dank für eure unterstützenden und mutmachenden Zeilen. Ich packe die Thematik nun an. Dazu habe ich am Montag meiner Therapeutin alles erzählt. Puh, das war ein Kraftakt. All meine schlimmen Befürchtungen traten nicht ein. Sie hat sehr mitfühlend und verständnisvoll reagiert, wenn auch immer wieder irritiert. Sie meinte aber, dass sie all die Not hinter meinem Verhalten sieht.

Also ehrlichgesagt kriege ich das gerade noch nicht so ganz auf die Reihe. Ich bin noch misstrauisch ihrer Reaktion gegenüber. Ich bin sehr beschämt über all meine "Aktionen", ich schwanke sehr zwischen Selbsthass und Verständnis für mein Handeln. Das muss ich nun erst mal in mir sortieren.

Aber - es ist raus. Noch spüre ich keine direkte Erleichterung, aber es ist nun eine völlig neue Situation und werde mich langsam einfinden.

Ich wollte euch nur kurz diesen Zwischenstand mitteilen.
Alles Liebe,
Belze

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wundernase
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Beitrag Do., 06.02.2020, 08:38

Versuch, ein bisschen stolz zu sein - Du bist auf einem guten Weg! Und ich freu mich, dass die Therapeutin verständnisvoll reagiert hat! 😊👍

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Lucyunderpressure
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Beitrag So., 09.02.2020, 14:30

Hallo! Ich bin neu hier. Und auf der Suche nach Austausch.

Liebe Belze, ich hab mich in deine aktuelle Lage eingelesen und möchte dir auch Hoffnung und Mut zusprechen! Ich bewundere dich für deine Ehrlichkeit und dafür, dass du es geschafft hast, deine Geschichte bei deiner Therapeutin nun richtig zu stellen. Das allein zeigt, auf einem wie guten Weg du bist. Denke ich :).

Zum Thema Artifizielle Störung. Selbstdiagnose ist so eine Sache, aber ich finde mich auch sehr darin wieder. Ich wünsche mir ins Krankenhaus zu kommen. Egal ob wegen meiner Endometriose, den Mandeln, ... oder auch auf die geschlossene Psychiatrie.
Ja so empfinde ich wirklich. Ich will dort hin. (Obwohl ich schon dort war und es mich in eine schwere Depression gestürzt hat... aber momentan hält der Gedanke mit der Hoffnung darauf ins KH zu kommen und dort Fürsorge und Zuwendung zu bekommen, die Depression in Schach)
Könnt ihr verstehen wie ich mich fühle?
Ich hab Angst vor möglichen Reaktionen. Aber ich will gleich ehrlich sein.

Lg
Lucy

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wirschaffendas
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Beitrag Mo., 10.02.2020, 00:00

Zunächst mal, liebe Belze, ein fester Schulterklopfer an dich. Ich weiß genau, wie viel Überwindung das kostest. Du kannst richtig stolz sein, dass du so mutig warst - nur weiter so! :)

Und an dich Lucy, erstmal herzlich Willkommen hier. Ich kenne auch deine Empfindungen sehr gut - wollte immer wieder ins Krankenhaus (und habe auch nicht davor zurückgescheut, Dinge zu erfinden oder mich tatsächlich krank zu machen, um dieses Ziel zu erreichen). Aber wie du auch sagst, wenn es dann so ist (ob selbst verursacht oder ohne Eigenbeteiligung), so gut fühlt es sich dann doch nicht an, und die Lösung aller Probleme ist es gleich dreimal nicht. Deswegen ist es echt sinnvoll, sich andere Strategien zu suchen, wenn es dir schlecht geht und du Zuwendung brauchst. Hast du denn auch schonmal so etwas getan? Gelogen oder dir selbst etwas zugefügt, um ins Krankenhaus zu kommen?
Du brauchst dich hier wirklich nicht zu schämen dafür - wenn dich jemand versteht, dann deine Leidensgenoss*innen.

Liebe Grüße,
wirschaffendas

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Lucyunderpressure
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Beitrag Mo., 10.02.2020, 11:10

Liebe Belze, hältst du uns am laufenden? Ich will dir keinesfalls die "Show stehlen".

Ach bin ich erleichtert. Danke für deine mitfühlende Antwort wirschaffendas!
Nein, ich habe es (noch) nicht getan. Aber die Impulse mich selbst zu verletzen werden immer stärker.. ich hab mich grad das erste mal selbstverletzt. Nicht wild. Aber trotzdem. Ich weiß nicht, was ich tun soll...

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Lucyunderpressure
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Beitrag Mo., 10.02.2020, 12:18

Upsi. Die vorige Nachricht war ja sehr gscheid formuliert ^^
Nein noch nicht.. ich habe mich gerade. :red:

Ich habe noch nicht gelogen, um ins KH zu kommen. Ich habe allerdings Endometriose- eine Unterleibskrankheit. Die bei starken Schmerzen operiert wird. Diese OP hatte ich schon zwei mql. Beide male hatte ich auch wirklich starke Schmerzen und Symptome. Allerdings war ich mit der Entscheidung für die OPs sehr, sehr schnell. Daran hab ich nun auch gemerkt, dass es mich da gewissermaßen einfach sehr schnell hinzieht und ich das ganze vielleicht auch herausfordere.
Als ich das erstmal meiner Ärztin erzählte, meinte sie, ich solle mich auf keinen Fall stressen. Ruhig bleiben. Und sie stellte mir die Frage, was ich für ein Leben leben möchte.. und wie ich es auch lebenswert gestalten kann.

Das Problem ist, im Moment erscheint ein KH-Aufenthalt als sehr lebenswert..

Ich überlege ob ich einen Intervallsaufenthalt machen soll. Ich war schon mal in Eggenburg, allerdings wegen meiner Essstörung. Nicht, um das System auszunutzen und möglichst lang betreut zu sein. Ich will mit meiner Problematik ganz ehrlich und offen umgehen und an mir arbeiten. Was denkt ihr?

Ich bin mal aufgeregt, was meine Ärztin heute zu den Entwicklungen mit den Psychiatriewünschen sagt.. ach Hilfe. :neutral:

Alles liebe

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Belze
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Beitrag Mi., 12.02.2020, 19:29

Hallo zusammen,

zuerst noch ein herzliches Willkommen an dich @lucyunderpressure. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch klarstellen, dass dies nicht "meine Show" ist und ich den Ort hier als Möglichkeit zum Austauschen und Unterstützen sehe - von und für uns alle. Auch wenn ich denke ich weiß, wie du es gemeint hast. :cool:

Gerne möchte ich ein wenig davon berichten wie es mir gerade geht und wo ich stehe: @wirschaffendas: Als ich deinen längeren Eintrag gelesen habe, in dem du von deinem "Heilungsweg" geschrieben hast, dachte ich noch dass dies so weit von mir weg ist und ich nicht weiß, wie ich da je hinkommen soll.

Nach meinem "Outing" meiner Therapeutin gegenüber keimte kurz ein Hauch von Verständnis für mich und mein Verhalten auf. Doch schnell schlug es in reinen Selbsthass um - ich habe dieses Verhalten nun knapp 30 Jahre aufrecht erhalten (bzw. bin ich mittlerweile der Überzeugung, diese Überlebensstrategie hat mich aufrecht und am Leben erhalten). Mir kamen so viele Einzelheiten in den Sinn mit welcher Dreistigkeit, Hinterlistigkeit und Absicht ich gehandelt habe. Furchtbar.

In der nächsten Therapiestunde erzählte mir meine Therapeutin dass sie im Nachhinein ziemlich geschockt war, nicht so sehr von den Lügen und Inszenierungen, sondern dass ich unter Umständen in einer nächsten Inszenierung, die ich "vorhatte" auch ihr als meine langjährige Therapeutin sehr geschadet hätte - emotional und beruflich. Da saß ich wie ein begossener Pudel, meine erste Reaktion war, alles von mir zu weisen, mich rauszureden, nicht hinschauen zu wollen - und am liebsten auch nicht hinhören. Nie hatte ich vor jemanden mit reinzuziehen oder gar zu schaden.  Doch sie hat mir mit ihrer klaren Ansage die Augen geöffnet, auch wenn ich nicht will, dass andere Schaden nehmen, mein Verhalten hat IMMER Auswirkungen auf andere. Das saß erstmal. Aber das war eine sehr wichtige Erkenntnis für mich.

Mittlerweile kann ich mein Verhalten immer weniger abwertend, sondern eben als Überlebensstrategie sehen. Meine "Lebensgeschichte" macht nun Sinn und ich kann verstehen, warum ich diesen Weg gewählt habe. Nun geht es darum Alternativen zu finden um trotzdem meine Bedürfnisse zu erfüllen.

@wirschaffendas Und nun kann ich auch deinen Text besser "verstehen". Was hast du für Strategien gefunden um nicht mehr das destruktive Verhalten zu nutzen? Hast du einen Weg gefunden wie du trotzdem Zuwendung und Aufmerksamkeit bekommst?

Ich habe auch viel über die artifizielle Störung in der letzten Zeit gelesen, viel Literatur gibt es ja nicht, aber in einem Fachbuch hat eine Betroffene einen Satz geschrieben, der mich sehr zum Nachdenken brachte. Sie schrieb:" Ich dachte immer ich wäre unzerstörbar." Und das dachte ich bisher ehrlichgesagt auch, so viel Zerstörung ist relativ glimpflich abgegangen, ich möchte es nicht herausfordern und feststellen, dass mein Körper doch zerstörbar ist.

@lucyunderpressure: konntest du mit deiner Ärztin reden? Du schreibst, dass sich ein KH-Aufenthalt gerade als sehr lebenswert anfühlt und ja das ist wohl auch das extrem Schwierige an der Krankheit, es lohnt sich, also man wird mit Zuwendung, Pflege und Fürsorge belohnt. Dieses Muster zu erkennen ist finde ich aber der erste Schritt.

Ich möchte euch allen - auch den stillen Lesern - danken für die Möglichkeit hier so offen über ein noch sehr stark tabuisiertes Thema zu schreiben. Mir persönlich hilft der Austausch, sowohl selber eine Plattform zu haben mich zu äußern, aber auch zu lesen, dass es andere gibt, die auch kämpfen oder gar schon auf dem Heilungsweg sind. Für mich ist das sehr wertvoll.

Und ich werde mich mal im Kurzfassen üben, damit nicht immer so Romane entstehen... ;-)

Alles Liebe,
Belze

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Räbin
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Beitrag Mi., 12.02.2020, 23:42

Liebe Belze und alle anderen,

ich lese mit Interesse den Thread. Ich habe auch einige (wenige) Menschen mit dieser Problematik (oder, wo ich den Verdacht darauf hatte) kennengelernt und es tut mir gut, eure Ansichten dazu kennenzulernen. Großen Respekt, wie ihr um eure Heilung kämpft! Denn ich vermute, es wird ähnlich wie bei einer Sucht sein, wenn man diese versucht, in den Griff zu bekommen.

Erstmal finde ich den Mut, den du, Belze (und ihr anderen), aufgebracht hast, dich zu outen, bewundernswert. Und die Reaktion deiner Therapeutin finde ich klasse. Sie beschönigt nichts, gibt dir ein authentisches Feedback. Alles andere würde dir und ihr (als dadurch auch Betroffene) auch gar nichts bringen. Und ich finde es auch richtig klasse, dass du dich nach anfänglicher Abwehr inhaltlich damit auseinandersetzen kannst. Es scheint sogar so, dass ihre erste (therapeutisch freundliche) Reaktion eher zu mehr Selbsthass führte und als sie dann in der nächsten Stunde authentisch ihre Reaktion beschrieb, eine gewisse Erleichterung (?) bei dir eintrat. Denn nun ist die angebrachte Wut von der Seite geäußert worden, wo sie auch sein müsste und damit erübrigt sich der Selbsthass.

Deinen (und euren) Weg finde ich bemerkenswert und ich wünsche dir sehr, dass du mehr und mehr bei dir selbst landen kannst und dadurch der vermeintliche Gewinn der Störung durch den Gewinn authentischer Begegnungen abgelöst wird. Du scheinst eine sehr gute Therapeutin zu haben und das freut mich sehr.

Ich hoffe, es ist nicht unangebracht, dass ich mich dazu äußere. Ich habe mich nie geschädigt gefühlt durch Begegnungen mit Menschen, die diese Störung tatsächlich oder mutmaßlich hatten, da es bei diesen (meinen Begegnungen) relativ leicht für mich mich spürbar war. Aber ich ich habe mich immer gewundert, wie es wohl in diesen Menschen dahingehend aussehen mag und ich danke euch sehr, dass ihr einen kleinen Einblick in eure Erlebensweise gebt.

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Belze
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Beitrag Do., 13.02.2020, 20:32

Hallo Räbin,
Hallo an alle,

vielen Dank für deine lieben Worte und deinen Beitrag, den ich in keinster Weise unangebracht finde. Für mich sogar sehr interessant zu hören wie es Außenstehenden und dennoch Betroffenen (was ja unweigerlich passiert) mit der Krankheit bzw. dem Verhalten geht.

Bisher war mir nicht bewusst, dass es doch so viele Betroffene (Erkrankte) gibt. Und ich finde es etwas schade, dass man sehr wenig von diesen Menschen selbst liest, als viel mehr von Fachleuten, die über "solche" Menschen schreiben, die dabei meist sehr "ungünstig" wegkommen. Manchmal wird fast der Eindruck vermittelt dass es kaum Chancen gibt, dass Erkrankte Einsicht erlangen.

Noch zu der Reaktion meiner Therapeutin: @Räbin, ja ich war tatsächlich in einer Form erleichtert, zumal sie mir deutlich vermittelt hat, dass sie deswegen nicht mich als Mensch verachtet, sondern sie hat mir deutlich gemacht was mein Verhalten für Auswirkungen hat. Das war glaube ich ein echter Schlüsselmoment für mich. Und ja, ich weiß es sehr zu schätzen, sie als meine Therapeutin zu haben - vielleicht auch der Hauptgrund, warum ich genug Vertrauen hatte mich ihr zu öffnen.

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