Sich selbst therapieren

Fragen und Gedanken rund um Spiritualität und Religionen, alternative Behandlungsmethoden, den üppigen Garten sonstiger "Therapie"-Formen, Esoterik ... und ihre Berührungspunkte mit Psychotherapie bzw. psychologischen Problemen.

isabe
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
anderes/other, 39
Beiträge: 3066

Beitrag Mi., 30.08.2017, 08:01

Warum das Thema hier gelandet ist, finde ich eigentlich ganz offensichtlich: Man kann sich eben nicht selbst therapieren (es sei denn, man hatte vorher schon therapeutische Begleitung); und wenn man das so fragt bzw. formuliert, entsteht der Eindruck, Therapie sei eine Frage des Sich-zusammen-Reißens, so von wegen: "Wozu zum Therapeuten gehen? Geh lieber joggen!" - aber das trifft ja die Essenz von "Therapie" gar nicht, denke ich mal. Therapie ist ja - nach meinem Verständnis - immer auch ein Heilen und nicht vor allem ein "Managen" der Störung. Und um zu heilen, müssen die Wurzeln zumindest als Wurzeln erkannt werden. Also nicht: "Ich bin krank, weil ich nicht jogge", aber natürlich hilft das, was hier geschrieben wurde, jedem Menschen. Nur ist es eben keine Therapie, sondern ein gut strukturierter Alltag (auch Gesündere treiben Sport, stehen morgens regelmäßig auf, schlafen genug und ernähren sich vernünftig).

Also eher so: Für eine erfolgreiche Therapie ist ein gut strukturierter Allgag wichtig; aber dieses Vorgehen IST keine Therapie.

Werbung

Benutzeravatar

stern
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 99
Beiträge: 24439

Beitrag Mi., 30.08.2017, 08:31

Ich würde solche Maßnahmen (auch) weniger als "Selbstherapie" bezeichnen, sondern eher als etwas, wie man seine Heilung unterstützen kann bzw. teilweise vllt. sogar als konkrete Veränderung (des Lebensstils o.ä.). In der Verhaltenstherapie mögen entsprechende Empfehlungen vielleicht etwas mehr Raum nehmen als in tiefenpsychologischen Verfahren (aber ein Gesetz ist das sicherlich auch nicht), aber auch Verhaltenstherapie beschränkt sich ja nicht darauf. Als beliebiges Beispiel nehme ich mal Bulimie und gestörtes Essverhalten. Hier geht es dann natürlich auch konkreter darum, wie jemand zu einem möglichst normalem Essverhalten zurückfinden kann (und je nach Ausprägung von Störung kann man, nicht nur bei Essstörungen, tatsächlich verlernt sein oder war noch nie wirklich vorhanden. Bzw. "wir" sind Laien und da ist es auch normal, dass man nicht immer weiß, was man tun kann. Also was für jemanden selbstverständlich ist, ist es für jemand anderem noch lange nicht. Z.B. bestimmte sportliche Aktivitäten habe auch m.W. auch nachgewiesenermaßen einen antidepressiven Effekt wie bestimmte Antidepressiva). ABER es geht IN der Therapie dann z.B. auch um meinetwegen Einstellungen, die "normalem" Essen im Weg stehen. Und nun, das ist dann auch etwas, worauf man (wenn das relevant ist), dann natürlich im weiteren Verlauf selbst achten sollte. So gesehen ist dann wieder jeder Therapie immer nur Hilfe zur Selbsthilfe. Nach meinem Verständnis gehört beides auch zusammen. Also wenn es bei den Einstellungen stehen bleibt, greift das evtl. zu kurz. Aber auch, wenn der Kern nicht erwischt wird, rutscht jemand vermutlich umso leichter wieder in den alten Trott. Und was konkret hilfreich ist, ist oft learning bei doing bzw. hängt natürlich auch davon ab, woran es evtl. haperte. Mitunter finde ich es nützlich auch mal etwas zu lesen... und dabei finde ich unerheblich, ob das Fach- oder Selbsthilfeliteratur ist (oder beides), denn beides kann nütztlich und umsetzbare Ideen beinhalten. Damit dass ich lese, hatte bisher auch noch kein Therapeut Bedenken. Denn das ist nicht automatisch problematisch, z.B. im Sinne von Rollentausch, etc. Dass Tagestruktur für jeden Menschen wichtig ist, sehe ich auch so. Das Probleme bei psychischen Störungen ist, dass oft Dinge, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, nicht mehr selbstverständlich sind. Z.B. der Mager- oder Esssüchtige isst nicht mehr regelmäßig verträgliche Mengen. Sondern daran ist dann auch zu arbeiten. "Normal" wirken sich Krankheiten aufs Leben aus... wenn man daher sagen kann: Das schaffe ich locker alleine... ist das ein andere Niveau als bei jemandem, bei dem z.B. wieder ein Tagesablauf mit Körperhygiene, Essen, etc. zu implementieren ist. Weil x Zwangshandlungen (oder sonstige Störungen/Symptome) den Tagesablauf konterkarieren. Und das geht dann (je nach Ausprägung) auch eher nicht mehr ganz alleine... wobei das sicher vorher oft versucht wird bis Hilfe gesucht wird.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
«

(alte Weisheit)

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
sandrin
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 33
Beiträge: 3313

Beitrag Mi., 30.08.2017, 09:35

Ich meinte ja, dass ich ernstere Erkrankungen davon ausschließe. Mir geht's hauptsächlich um Depressionen und vielleicht auch noch Ängste.

Und esoterisch finde ich meinen Ansatz nach wie vor nicht. Zumal man sich ja durchaus auch selbst mit seelischen Baustellen auseinandersetzen kann. Das kann dann ja auch tiefer gehen.


isabe
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
anderes/other, 39
Beiträge: 3066

Beitrag Mi., 30.08.2017, 10:06

Ich denke aber durchaus, dass Depressionen eine ernste Erkrankung sind.

Werbung

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
sandrin
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 33
Beiträge: 3313

Beitrag Mi., 30.08.2017, 10:09

Ich auch. Aber ich glaube mit einem relativ hohen biochemischen Anteil. Drum bin ich auch ein Verfechter dafür, dass Depressionen auf alle Fälle und vor allen Dingen medikamentös behandelt werden

Benutzeravatar

Tristezza
ModeratorIn
weiblich/female, 60
Beiträge: 2253

Beitrag Mi., 30.08.2017, 10:32

Aber Medikamente scheinen dir doch nur sehr begrenzt zu helfen, denn du machst ja auch schon länger Psychotherapie und fragst jetzt noch nach Möglichkeiten, sich selbst zu therapieren?

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
sandrin
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 33
Beiträge: 3313

Beitrag Mi., 30.08.2017, 10:38

Ich glaube, ihne Medikamente wäre es bei mir deutlich schlimmer.
Und bei Psychotherapie ist es einfach so, dass die für mich immer irgendwie zu einseitig ist. Deshalb ist sie nicht schlecht. Aber sie genügt eben nicht, sondern deckt nur einen Teil ab.


Waldschratin
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 80
Beiträge: 4199

Beitrag Mi., 30.08.2017, 10:50

Liebe sandrin,
lass dich nicht verunsichern!

Ich sehs genau anders rum : Im Grunde ist doch ALLES "Selbsttherapie", denn der "Heiler" kann ja eh nie der Therapeut sein, der "was tut", damit es einem besser geht.
Der Therapeut ist Begleiter und "Raum- und Haltgeber", wie bei nem kleinen Kind, das laufen lernen will : Da hält einer die Hand, damit das Kleine nicht gar so heftig auf seinen Windelpoppes zurückfällt, sich den Kopf nicht stößt und leichter Vertrauen fassen kann in seine eigenen Kräfte und Kompetenzen.

Aber aufstehen, seine wackeligen Füßchen unter Kontrolle bringen, hinfallen und wieder aufstehen, das muß das Kleine halt so oder so ganz alleine machen.

Und in "schlimmere/schwerere" und weniger schwere "Krankheiten" einzuteilen, finde ich von Haus aus schon nicht förderlich.
Ich habe in meinem Beruf viele Schwerstkranke und -behinderte erlebt, die aus eigener Findigkeit und ihrem eigenen Wollen und Anstrengen raus sich mehr Lebensqualität und "Freiraum" geschaffen haben, als so mancher Arzt für möglich gehalten hatte.

Ich bin aber eh jemand, der kompetenzorientiert denkt, egal, wie heftig es mich "erwischt". Auch und gerade, was meine Depressionen angeht.

Benutzeravatar

Tristezza
ModeratorIn
weiblich/female, 60
Beiträge: 2253

Beitrag Mi., 30.08.2017, 10:51

Wenn du bei deinen Depressionen eine so starke biologische Komponente siehst - wie wäre es, neue Behandlungsmethoden wie Magnetstimulation auszuprobieren?

Benutzeravatar

lisbeth
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 80
Beiträge: 3900

Beitrag Mi., 30.08.2017, 11:08

Waldschratin hat geschrieben: Mi., 30.08.2017, 10:50 Ich sehs genau anders rum : Im Grunde ist doch ALLES "Selbsttherapie", denn der "Heiler" kann ja eh nie der Therapeut sein, der "was tut", damit es einem besser geht.
Der Therapeut ist Begleiter und "Raum- und Haltgeber", wie bei nem kleinen Kind, das laufen lernen will : Da hält einer die Hand, damit das Kleine nicht gar so heftig auf seinen Windelpoppes zurückfällt, sich den Kopf nicht stößt und leichter Vertrauen fassen kann in seine eigenen Kräfte und Kompetenzen.
Das sehe ich auch so.
Mir ist das andere zu sehr Entweder-Oder.
Es geht doch nicht darum, das eine gegen das andere zu stellen. Oder gegeneinander "auszuspielen".
Sondern zu schauen: Wie greift das ineinander? Wie schaffe ich es, die neue (und hoffentlich bessere) Beziehungserfahrung aus den Therapiestunden (und machen wir uns nix vor: Eine Stunde/Woche ist verdammt wenig...) in meinen Alltag zu überführen und dort auch zu spüren?

Wie kann ich andersherum in meinem Alltag hilfreiche Erfahrungen machen, die wiederum auch meine Therapiestunden befruchten? Und dabei geht es mir nicht (nur) um Änderungen in der Lebensführung oder Strukturen. Sondern auch darum, die neuen "Kompetenzen" aus dem therapeutischen Kontext auch aktiv ins restliche Leben hineinzubringen und auszuprobieren. Denn das passiert (bei mir zumindest) nicht von alleine oder automatisch.

In der Therapie bekomme ich Anstöße, Rückkopplung und Ermutigung. Hilfestellung, das einzuordnen, was mich nur verwirrt. Machen, verändern, umsetzen: das muss ich machen, das nimmt mir keiner ab.
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
sandrin
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 33
Beiträge: 3313

Beitrag Mi., 30.08.2017, 11:20

Eben. Das denke ich auch. Und man hat im Alltag ja auch eine ganz andere Situation wie in einer Therapiestunde. Wenn ich zu Hause abstürze, dann geht es darum, mir selber wieder Stabilität zu geben, mich an das eine oder andere zu erinnern, was ich mir in der Therapie erarbeitet habe, aber vor allem auch aktiv zu werden und dem Kreislauf zu entfliehen. Ich weiß nicht, welche Therapien ihr so macht, aber mir geht es da so wie Samantha - da bekomme ich in der Therapie wenig Input. Das muss ich mir selber überlegen, wenn ich nicht im Alltag untergehen will.

Wie gesagt, soll nicht heißen, dass ich in emotionalen Themen keine Impulse bekomme und dass mir das nicht hilft. Aber es reicht nunmal nicht.

Das Beispiel mit dem Kind, das Laufen lernt, finde ich total richtig. Es braucht z. B. auch Hilfestellungen, wie es sich notfalls auch alleine wieder aufrichten kann, wenn die Eltern mal nicht gleich zur Stelle sind. Und das Ziel ist es auch, dass das Kind lernt, alleine zu laufen.

Und in tiefenpsychologisch orientierten Therapieformen ist Kompetenzvermittlung - drücken wir es mal vorsichtig aus - eher kein Schwerpunktthema. In einer Verhaltenstherapie hat mir hingegen die Auseinandersetzung mit der emotionalen Seite gefehlt. Von daher - ich kann nur für mich sprechen. Ich habe noch keine Therapie erlebt, die mich wirklich umfassend weitergebracht hätte. Mondin sprach mal von der "Buffet-Vorstellung". Genau dieses Bild habe ich hier auch immer. Ich kann mir überall Anregungen holen und mir dann das zusammenstellen, was MIR guttut. Und diese Vorschläge finde ich evtl. auch in Büchern oder Erfahrungsberichten.

@tristezza: Hm... keine Ahnung. Da kenne ich mir ehrlich gesagt nicht so aus.


isabe
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
anderes/other, 39
Beiträge: 3066

Beitrag Mi., 30.08.2017, 11:33

Nun, wenn man erst einmal den Begriff bzw. das Konzept von "Therapie" aufweicht, indem sozusagen "alles" Therapie ist, was einem gut tut, dann ist es nicht mehr weit bis zu dem Punkt, an dem euch eure Krankenkassen erklären, dass bei Depressionen ein Schwimmbadbesuch genauso effizient sei wie eine Therapie.

Dann fällt euch bestimmt auch wieder ein, worin der Unterschied zwischen beidem besteht... (und ja, ich denke, genau deswegen ist es gut, dass der Thread verschoben wurde).

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
sandrin
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 33
Beiträge: 3313

Beitrag Mi., 30.08.2017, 11:37

Wie gesagt, am allerwichtigsten ist mir, dass ich medikamentös behandelt werde. Ohne Medikamente geht es nicht.

Die Krankenkassen freuen sich übrigens auch, wenn man selber ein wenig was tut! Das eine schließt das andere nämlich nicht aus ;-).
Zuletzt geändert von sandrin am Mi., 30.08.2017, 11:38, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar

Blume1973
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 43
Beiträge: 1536

Beitrag Mi., 30.08.2017, 11:38

@ isabe

Der Schwimmbadbesuch gemeinsam mit der Therapie. Nicht entweder/oder.

Lg Blume
Die einzigen wirklichen Feinde des Menschen, sind seine negativen Gedanken.

Albert Einstein

Benutzeravatar

lisbeth
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 80
Beiträge: 3900

Beitrag Mi., 30.08.2017, 11:52

isabe hat geschrieben: Mi., 30.08.2017, 11:33 Dann fällt euch bestimmt auch wieder ein, worin der Unterschied zwischen beidem besteht... (und ja, ich denke, genau deswegen ist es gut, dass der Thread verschoben wurde).
@isabe: Es geht nicht um die Meta-Frage: was ist "Therapie" und, wo fängt sie an und wo hört "Therapie" auf. Sondern darum: Was kann ich selbst tun. Jenseits der Psychotherapie-Stunden. Und darüber hinaus. Und eventuell auch losgelöst davon. So hatte ich die Eingangsfrage von Sandrin jedenfalls verstanden. Und wie du das jetzt nennen willst: Selbst-Therapie, Selbst-Behandlung, Autosuggestion, Selbsthilfe oder Hilfe zur Selbsthilfe - das tut an dieser Stelle mMn überhaupt nichts zur Sache.
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag