Religion

Fragen und Gedanken rund um Spiritualität und Religionen, alternative Behandlungsmethoden, den üppigen Garten sonstiger "Therapie"-Formen, Esoterik ... und ihre Berührungspunkte mit Psychotherapie bzw. psychologischen Problemen.
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Gärtnerin
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Beitrag So., 12.10.2008, 19:28

in einem Land hat geschrieben: Wir Menschen und die Tiere brauchen keinen mitleidigen, mitleidenden Gott, sondern einen handelnden Gott.
Nur wo soll er anfangen zu handeln? Soll er dem Raucher die Zigarette aus dem Mund schlagen, um zu verhindern, dass dieser später Lungenkrebs bekommt? Oder soll er warten, bis der Lungenkrebs manifest ist und ihn dann heilen? Oder soll Gott nur dann helfen, wenn das Leid fremdverursacht ist, man also nicht selber daran schuld ist? Aber wie definiert man dann Schuld? Ist jemand, der psychische Probleme hat, an seinem Leid mit schuld, wenn er aus Angst vor einer Therapie nichts zur Verbesserung seiner Probleme tut? Und ab welchem Punkt ist das Leiden schlimm genug, dass Gott eingreifen soll?
Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, findet Gründe.

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Dunkle
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Beitrag So., 12.10.2008, 20:04

Liebe In einem Land,

so wie Gärtnerin schrieb, wäre auch meine Rückfrage an Dich...
Wo beginnt denn Allmacht...? Und vor allem: Wo endet sie?
Was hat Gott in seiner Macht und was hat er eben nicht mehr in seiner Macht?

Ich finde den Gedanken an einen mitleidigen Gott einen großen Trost. Und ich erwarte keine "Wunder". Ja, ich kann, ich darf soweit zu gehen zu sagen, Gottes Macht reicht nicht überallhin, bzw. manchmal besteht die Macht eben auch darin, NICHT einzugreifen (was Du wahrscheinlich dann wieder sadistisch findest...).

Auf die schnelle habe ich einen guten Artikel dazu gefunden:
http://www.kath.de/kunz/index.htm

Und das, obwohl der von katholischer Seite kommt, ts ts ts

Der für mich wichtigste Absatz daraus:
Zum Abschluss: Gottes Macht - so habe ich als Questio diputata vertreten - ist nicht grenzenlos. Indem Gott die Welt erschafft, akzeptiert er auch Grenzen und ist er bereit, auch Mühen auf sich zu nehmen und zu erleiden (wie Ignatius es in den Exerzitien sagt: "Gott müht sich in allen geschaffenen Dingen auf dem Angesicht der Erde für mich und arbeitet; er verhält sich in der Weise eines Arbeitenden": Ex. Nr. 236. Aber trotz aller Grenzen und in allen Mühen kommt Gottes Macht als Macht der Liebe an kein Ende; sie ist unerschöpflich. So ist Gottes Allmacht zu verstehen. Es ist die Macht der Liebe, die anderen - seinen Geschöpfen - Sein, Leben und Wirkkräfte und darin Eigenständigkeit und Freiheit mitteilt, die Begrenzungen und Mühen nicht scheut, aber als Liebe unerschöpflich ist. "Die Liebe hört niemals auf" (1 Kor 13, 8). Auf dies freilassende, ohnmächtige, aber unerschöpfliche Macht der Liebe können wir uns verlasen in guten und in schweren Tagen. Deshalb ist das Bekenntnis zu der so verstandenen Allmacht Gottes durchaus noch an der Zeit.

Und noch mal zum Schluss:
Ich finde es sogar verständlich, wenn man diese Gedankengänge nicht mitgehen kann und die Theodizeefrage für sich negativ, mit nicht-mehr-glauben beantwortet....Insofern akzeptiere ich einen wohlüberlegten Atheismus oder Agnostizimus eher als Denkfaulheit und Unwissen...

Lieben Gruß, D.

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MinaM
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Beitrag So., 12.10.2008, 20:52

Hallo Dunkle,
Was hat Gott in seiner Macht und was hat er eben nicht mehr in seiner Macht?
Diese Frage wundert mich doch jetzt von einer Christin? Willst du damit sagen Gott ist nicht allmächtig?

Ist das nicht auch wieder eine beliebige Auslegung. Die Theodizee ist der wohl größte Schwachpunkt in der Christenheit. Denn sie zwingt sie entweder die Gütigkeit Gottes in Frage zu stellen oder dessen Allmacht? Je nach dem, man kann es sich aussuchen. Entweder Gott ist allmächtig, dann kann er aber nicht gütig sein (sonst würde er seine Macht einsetzten um Leid zu verhindern) . Oder er ist gütig (voller Liebe) aber nicht allmächtig (und damit unfähig Leid zu verhindern).

Aber wie sehr bist du da noch Christin?

Wie sehr gehst du da noch mit deiner Religion konform, die sich doch auf die Allmacht und Allgütigkeit Gottes stützt? (Ursprünglich jedenfalls, nachdem die Problematik der Theodizee keine Wahl ließ das eine oder andere zu beschneiden)

Tut mir leid, aber dein Link, liest sich für mich auch nicht anders, wie die von inEinemLand und auch mir bekannten Erklärungen und Verbiegungen wie sie auch im Islam vorkommen. "Gott war in Ausschwitz anwesend, durch die guten Menschen die es dort gab." Ein schwacher und fast schon hilfloser Versuch die Religion noch zu retten.

lg
MinaM
Nichts bereuen ist aller Weisheit Anfang.
- Ludwig Börne

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Dunkle
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Beitrag So., 12.10.2008, 21:11

Hallo MinaM,

kann ich mir denken, dass das auf den ersten Blick Erstaunen auslöst.

Ich glaube nicht an eine All-Macht, die dem Menschen, der ein Kind schlagen will, den Arm festhält, die Manager in die fällige Sinnkrise mit nachfolgendem Lebenswandel stürzt oder den starken Arm Gottes, der das Böse hinwegfegt.

Ich glaube an einen schwachen, liebenden Gott, einen der mitweint und mitleidet. Der als Gegenmacht zur Macht des Bösen die Liebe anbietet - und zwar ohne Restriktionen und ohne Bedingungen.

Wenn man schon das alte Wort Allmacht benutzt, hätte ich es gern anders definiert. Gott nicht als Welteingreifer, Weltlenker, Weltpolizist. Sondern als einen wartenden Liebenden. Diese Liebes-Allmacht ist eher etwas, worauf sich meine Hoffnung bezieht, auch über dieses Leben hinaus: es ist eher eine letztgültige Macht und in DIESEM sinne über alles erhaben.

War das verständlich?

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MinaM
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Beitrag So., 12.10.2008, 21:22

Hallo Dunkle,
Ich glaube an einen schwachen, liebenden Gott, einen der mitweint und mitleidet. Der als Gegenmacht zur Macht des Bösen die Liebe anbietet - und zwar ohne Restriktionen und ohne Bedingungen.
Ich bin auch schwach, ich kann lieben, mitweinen und mitleiden. Ich bin nicht fähig das Böse zu beseitigen kann aber duchaus Liebe bieten, auch ohne Bedingungen. Was unterscheidt mich noch von deinem Gott?

lg
MinaM
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Eve...
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Beitrag So., 12.10.2008, 21:29

An einen liebenden Gott glaube ich auch, aber nicht an einen schwachen!

Ich glaube sehr wohl, dass Gott allmächtig ist, aber auch, dass wir ihm viel in die Schuhe schieben, wofür er nicht zuständig ist, sondern wir. Insofern könnte man Gott vielleicht "partiell hillflos" nennen.

Wenn er dazu, zu dieser teilweisen Hilflosigkeit, nicht bereit wäre, was wohl sollte er mit uns renitenten menschlichen Wesen machen? Sollte er uns etwa belohnen für das, was wir aus der Welt machen / gemacht haben? Was wäre denn da wohl "gerecht"?

Wir wollen Gott unbedingt nach unseren eigenen Maßstäben messen, und was wir als ungerecht empfinden, soll er gefälligst auch so sehen. Wieso glauben wir eigentlich alles besser - am besten - zu wissen? Das ist für mich der Sündenfall, den die Bibel am Beispiel "Adam und Eva" beschreibt.

Der Mensch maßt sich an, zu "erkennen", und will Gott dafür maßregeln. Warum schaffen wir es nicht, die Dinge, die wir nicht verstehen und die uns so maßlos ungerecht erscheinen, so stehen zu lassen, indem wir demütig zugeben: Wir verstehen es nicht?! Und genau das dem allmächtigen Gott sagen.

Eve

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Dunkle
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Beitrag So., 12.10.2008, 22:45

MinaM hat geschrieben:Ich bin auch schwach, ich kann lieben, mitweinen und mitleiden. Ich bin nicht fähig das Böse zu beseitigen kann aber duchaus Liebe bieten, auch ohne Bedingungen. Was unterscheidt mich noch von deinem Gott?
Mina, öhmmm
Soooo alt biste eben nich, dass jesus Dich schon gekannt hat. Du hast dann auch eher nichts mit der Bibel zu tun, sterblich biste auch.
"Mein" Gott kann meinetwegen auch den Namen MinaM tragen, aber er ist keine Person, dafür höchstperönlich....

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Dunkle
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Beitrag So., 12.10.2008, 22:50

Eve... hat geschrieben:An einen liebenden Gott glaube ich auch, aber nicht an einen schwachen!
Ja, liebe Eve, schwach nicht in dem Sinne von "schwächelnd", sondern die "Schwäche der Liebe" am eigenen Leibe erspürt habend (am Kreuz!!). Liebe hat ja eine so besondere Art, Schwäche und Stärke zugleich zu sein. Man ist in der Liebe wieder ganz klein und schwach, aber dann macht einen Liebe ja auch ganz stark und erhaben. Und eine Schwäche als Gegensatz zum geforderten Superman-Tun. Gott ist nicht bei den Kriegern, sondern eher bei den Kindern...

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in einem Land
sporadischer Gast
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Beitrag Mo., 13.10.2008, 14:45

Hallo ihr,

Liebe MinaM danke für den informativen Link.
Ich habe mit Religionen die von Autoritäten geführt werden, wie sie auch speziell im tibetischen Buddhismus vorkommen, schlechte Erfahrungen gemacht. In den meisten Religionen steht der Mann an höchster Stelle, gleich nach Gott und die Frau ist eine Art Beifügung, die ihn in seinem Leben unterstützen soll, obwohl eine Religion doch kein Geschlecht bevorzugen sollte.

Oder nur dem Mann wird die Fähigkeit zur Erleuchtung zugeschrieben, wobei vielleicht Siddhartha Gautama, gar nicht so dachte (es gibt ja viele Sichtweisen im Buddhismus, wo auch Frauen Erleuchtung erlangen können).
Aber gut im Moment spricht mich so etwas wie Erleuchtung nicht wirklich an, da ich nicht will, dass mir alles gleichgültig wird. Hat man dann noch das Bedürfnis die Lage auf der Welt zu verbessern? Hat man dann noch das Bedürnis eine Beziehung zu anderen Menschen einzugehen/aufrechtzuerhalten (Freunde, Familie, Partnerschaft)? oder hat man dann andere Prioriäten im Leben?


Gärtnerin hat geschrieben:Nur wo soll er anfangen zu handeln? Soll er dem Raucher die Zigarette aus dem Mund schlagen, um zu verhindern, dass dieser später Lungenkrebs bekommt? Oder soll er warten, bis der Lungenkrebs manifest ist und ihn dann heilen? Oder soll Gott nur dann helfen, wenn das Leid fremdverursacht ist, man also nicht selber daran schuld ist? Aber wie definiert man dann Schuld? Ist jemand, der psychische Probleme hat, an seinem Leid mit schuld, wenn er aus Angst vor einer Therapie nichts zur Verbesserung seiner Probleme tut? Und ab welchem Punkt ist das Leiden schlimm genug, dass Gott eingreifen soll?
Liebe Gärtnerin, ich glaube, dieser Gott hätte schon das ganze Konzept des Lebens anders gestaltet, denn durch sein Allwissen hätte er vorausgewusst, dass viele Naturgesetze zu Leid führen (viele Tiere fressen Tiere, Naturkatastrophen zerstören Leben, Menschen können hassen, egoistisch sein und nur an ihr eigenes Glück denken, dadurch bringen viele Menschen Tiere aus Spaß um (-> "Jagdsport") oder töten sich gegenseitig, weil sie dadurch Vorteile für sich erzielen).
Und durch seine Allgütigkeit hätte er diese ganzen Konzepte gar nicht zustande gebracht, weil er freundlich und mitfühlend ist.

Jeder ist verantwortlich für das was er tut (sofern das Gehirn dazu in der Lage ist, etc. ), und bis zu einem gewissen Grad können wir selbst unser Leben beeinflussen.

Und wenn wir keine Therapie machen, obwohl wir selbst eine bräuchten, uns aber nicht dazu in der Lage fühlen, hat es wohl im Moment keinen Sinn eine zu machen, weil sie kein Ergebnis bringen würde. Wir müssen bereit sein uns zu verändern, sonst wird das nicht funktionieren.

Warum hat jemand Angst vor einer Therapie, kannst du mir das näher erklären?
Ich denke wenn wir Angst haben und sie deshalb nicht machen, hat das nichts mit selbst-schuld-sein zu tun, weil für uns die Angst nun mal real ist und uns daran hindert, und es ergibt sich eben als Konsequenz, dass wir weiterhin unglücklich sind.
Wenn jemand Angst hat, dann wird das ja einen Grund haben, also muss man diesen herausfinden und besprechen, vielleicht ist man danach bereit sich darauf einzulassen, weil man keine Angst mehr hat?

lg
in einem Land

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in einem Land
sporadischer Gast
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Beitrag Mo., 13.10.2008, 14:47

Hallo liebe Dunkle
Dunkle hat geschrieben:Wo beginnt denn Allmacht...? Und vor allem: Wo endet sie?
Was hat Gott in seiner Macht und was hat er eben nicht mehr in seiner Macht?
Für mich bedeutet Allmacht, dass was das Wort aussagt- alle Macht- er ist allmächtig, und ist in der Lage, alles zu tun was er will. Folglich gibt es auch kein Ende seiner Allmacht, sonst wäre sie eingeschränkt, seine Macht wäre nur innerhalb bestimmter Grenzen, und dadurch wäre es keine Allmacht, sondern nur eine große Macht.

Und ich glaube, ich darf hohe Erwartungen in einen Gott haben, der sich mit den höchsten Attributen schmückt und Respekt und Gehorsam von uns verlangt.
Aber um Respekt zu verdienen bedarf es eines anderen Verhaltens seinerseits. Wenn man gläubig ist, bekommt man leicht das Gefühl als wären wir ihm egal, oder nur manchmal sind ihm die Lebewesen wichtig, dann wieder nicht, dann schon, dann nicht, ...
Dunkle hat geschrieben: Ich finde den Gedanken an einen mitleidigen Gott einen großen Trost. Und ich erwarte keine "Wunder". Ja, ich kann, ich darf soweit zu gehen zu sagen, Gottes Macht reicht nicht überallhin, bzw. manchmal besteht die Macht eben auch darin, NICHT einzugreifen (was Du wahrscheinlich dann wieder sadistisch findest...).
Wird im Protestantismus nicht an einen allmächtigen Gott geglaubt? Was bedeutet dann „Alle Dinge sind möglich bei Gott" (Markus 10, 27) oder ist das deine persönliche Auslegung, weil du geschrieben hast, du denkst über manches anders?
Und ja, du hast Recht, ich denke es ist, pervers, wenn er seine Macht dazubenützt NICHT einzugreifen, wenn ein Kind vergewaltigt wird, etc. Nehmen wir an, du hättest ein Kind (es ist auch religiös), das vergewaltigt wurde. Was sagst du ihm, wenn es dich fragt, warum das geschehen ist? Glaubst du es wird Gott noch genauso lieben wie vorher?
Dunkle hat geschrieben:Zum Abschluss: Gottes Macht - so habe ich als Questio diputata vertreten - ist nicht grenzenlos.
Die Religion erklärt das Gott nicht allmächtig ist, aber verlangt dass man glaubt er ist allmächtig? Verlangt dass man glaubt er hat die Welt geschaffen? Soll man jetzt dem Glauben, was in der Bibel steht, also was Gott den Menschen gesagt haben soll, oder was die Oberhäupter gesagt haben? Ist er nun allmächtig oder doch nicht? Was ist wahrer? Wem soll man Glauben schenken? Und vor allem warum?
Indem Gott die Welt erschafft, akzeptiert er auch Grenzen und ist er bereit, auch Mühen auf sich zu nehmen und zu erleiden
Gut, Gott akzeptiert Grenzen, meinetwegen, aber nicht auf Kosten von Menschen, Tieren und Natur!
Wo bleibt da seine Liebe?
Und noch mal zum Schluss:
Ich finde es sogar verständlich, wenn man diese Gedankengänge nicht mitgehen kann und die Theodizeefrage für sich negativ, mit nicht-mehr-glauben beantwortet....Insofern akzeptiere ich einen wohlüberlegten Atheismus oder Agnostizimus eher als Denkfaulheit und Unwissen...
Und ich akzeptiere einen wohlüberlegten Protestantismus

beste Grüße,
in einem Land

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Gärtnerin
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Beitrag Mo., 13.10.2008, 18:41

in einem Land hat geschrieben:Soll man jetzt dem Glauben, was in der Bibel steht, also was Gott den Menschen gesagt haben soll, oder was die Oberhäupter gesagt haben?
Erst dieser Tage fiel mir ein Zitat in die Hände, das Buddha zugeschrieben wird:

"Glaube nicht an die Macht von Traditionen, auch wenn sie über viele Generationen hinweg an vielen Orten in Ehren gehalten wurden.
Glaube an nichts, nur weil viele Leute davon sprechen.
Glaube nicht an die Weisheiten aus alter Zeit.
Glaube nicht, dass deine eigenen Vorstellungen dir von einem Gott eingegeben wurden.
Glaube nichts, was nur auf der Autorität deiner Lehrer oder Priester basiert.
Glaube das, was du durch Nachforschungen selbst geprüft und für richtig befunden hast und was gut ist für dich und für andere."
Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, findet Gründe.

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Eve...
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Beitrag Mo., 13.10.2008, 20:08

Liebe Dunkle,

scheint nur eine kleine Definitionsfrage zwischen uns zu sein. Wenn Liebe Gott "schwach" macht, okay.

Aber ich denke, das ist nur eine Seite Gottes. Er ist schon auch - um mit dem altmodischen Wort zu reden, die alte Sprache hatte da viel bessere Bilder - Ehrfurcht gebietend. Demonstrationen seiner Stärke sollten wir uns aber nicht unbedingt wünschen.

Viele Grüße
Eve

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Dunkle
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Beitrag Di., 14.10.2008, 09:04

Liebe In einem Land,

da muss ich wieder weeeeiiiiiit ausholen, aber ich tue es gern!

Erstmal: In der evangelischen Konfession gibt es zwar bestimmte grundsätze, die Auslegung dieser Grundsätze bleibt jedoch jedem Mensch selbst vorbehalten, es gibt ja in dem Sinne keine "Oberhäupter", nicht einmal Pfarrer oder Pfarrerin sind wirklich als "Oberhäupter" zu sehen, sondern stehen im DIENST einer Gemeinde, die sie auch abwählen kann, wenn es unüberbrückbare Differenzen gibt. Im allgemeinen gilt das "Priestertum aller Gläubigen", d.h., der Mensch steht OHNE Mittler Gott gegenüber (zum Beispiel im gegensatz zum Katholizismus auch ohne Heilige).
Dass es medienwirksame Menschen aus der Kirchenverwaltung gibt (Huber, Käßmann) dient der Öffentlichkeitsarbeit, sie sprechen aber mitnichten ex kathedra, d.h., sie verkünden keine allgemeinen Wahrheiten, sondern sind einfach redegewandte Protestanten. Die "Wahrheit" muss jeder evangelische Christenmensch für sich selbst finden - innerhalb von bestimmten "Formeln", z.B. dem Galubensbekenntnis. Diese Eigenverantowrtlichkeit für das, was man glaubt, die Aufforderung, selbst Bibel zu lesen (Luther!) und sich selbst ein Urteil zu bilden, statt sich belehren zu lassen, das liebe ich am Evangelisch-Sein.

Nun zur Bibel: Ich habe schon in meinem Konfirmanden-Unterricht gelernt, dass die Bibel kein historischer Bericht ist und dass wir nicht an "die Bibel" glauben, sondern an Gott und Jesus Christus. Ich habe mir dann später einen Zugang zur sog. "historisch-kritischen" Bibelauslegung erarbeitet, und das war sehr befreiend für mich. Denn so hatte ich einen Zugang zu vielen für mich unlösbaren Fragen gefunden. In der Kurzfassung etwa so: Die Bibel wurde von Menschen aufgeschrieben, die Erfahrungen mit Gott gemacht haben. Darum sind es menschliche Schriften, sie enthalten Fehler, sie irren sich, aber sie enthalten eine "Erfahrungswahrheit". Es geht darum, sie für die jeweilige Zeit auszulegen. Die biblischen Berichte sind Predigten, Zeugnisse, sie rufen zu etwas auf, sie werten, sie mahnen. Sie müssen in ihrem historischen Kontext betrachtet werden, und es muss ihnen durch Befragen und durch Meditieren, durch vielerlei Zugang, eine Wahrheit FÜR HEUTE abgerungen werden. Darum studieren Pfarrer jahrelang Theologie, damit sie die Techniken lernen, mit denen ein Zugang für die heutige Gemeinde eröffnet werden kann.

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Dunkle
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Beitrag Di., 14.10.2008, 09:26

in einem Land hat geschrieben:Wenn man gläubig ist, bekommt man leicht das Gefühl als wären wir ihm egal, oder nur manchmal sind ihm die Lebewesen wichtig, dann wieder nicht, dann schon, dann nicht, ...
Hmmmhm
Also, nee, ist bei mir anders. Ich ertappe MICH eher beim Egalsein. Ich erlebe es so: Wenn ich mich Gott zuwende, IST DA AUCH WAS. Es bedarf aber meiner Hinwendung, es muss "von zwei Seiten" kommen. Und wenn ich nichts vernehme, so liegt es viel eher an MEINER Seite. Ja, die Bibel ist voll von Menschen, die versuchen, Zugang zu Gott zu finden, teils auf groteske Weise. Gott ist aber viel eher in der Stille zu finden, im IN-Sich-Hineinhorchen. Und manchmal ist die Leitung einfach gestört. Und das kann dann auch traurig sein. Aber auch das läßt mich nicht sofort meinen Glauben infrage stellen. Glauben ist für mich sowieso ein Prozess, eine neverending story. Ich erlebe Angezogensein und Abgestossenwerden.
in einem Land hat geschrieben:Wird im Protestantismus nicht an einen allmächtigen Gott geglaubt? Was bedeutet dann „Alle Dinge sind möglich bei Gott" (Markus 10, 27) oder ist das deine persönliche Auslegung, weil du geschrieben hast, du denkst über manches anders?
Und ja, du hast Recht, ich denke es ist, pervers, wenn er seine Macht dazubenützt NICHT einzugreifen, wenn ein Kind vergewaltigt wird, etc. Nehmen wir an, du hättest ein Kind (es ist auch religiös), das vergewaltigt wurde. Was sagst du ihm, wenn es dich fragt, warum das geschehen ist? Glaubst du es wird Gott noch genauso lieben wie vorher?
Ja, aber wie gesagt, die "Allmacht" ist eine Glaubensfrage. Ich konnte die Theodizeefrage FÜR MICH so am besten lösen, indem ich sage, doch, er hat alles in der Hand, alles kommt von ihm und geht zu ihm und deswegen sind auch alle Dinge möglich. Aber eben vielleicht in einer Weise,die ICH NICHT verstehe oder noch nicht verstehe. Mein Horizont ist ganz bestimmt eingeengt und ich maßemir nicht an, alles zu verstehen, wa sGott tut oder nicht tut. Und überhaupt: Wo tut er - und wo nicht? Kann ich das immer erkennen? Wohl kaum! Markus 10, 27 ist für mich aber eher als Gegenteil dazu gedacht, dass wir als Menschen glauben, uns sei alles möglich.
Ich habe ein Kind, dem Gott sein Dank (!) noch nichts Schlimmes zugestossen ist und ich würde mit Gott dementsprechend hadern, wenn dem so wäre. Ich kann nicht sagen, was dann mit meinem Glauben passieren würde. Vom jetzigen Standpunkt aus könnte ich sagen, aber nicht Gott hat das Kind vergewaltigt, sondern ein Mensch. Und ich muss fertigwerden damit. Und dabei hätte mein Glauben sicher zu leiden. Ein Bruder von mir starb im Alter von 27 Jahren. Ich fand die Predigten an seinem Grab damals teilweise verlogen. Ich sehe im Leid keinen "Sinn", ich finde Leid genauso sinnlos wie du. Was ich hoffe, ist, dass ich eines Tages "verstehen" werde, d.h., dass sich mir entweder ein "sinn" oder ein "Verstehen" öffnet. aber das kann evtl. nicht Bestandteil "dieses" Lebens und Verstehens sein. An diesem Punkt weiß ich, hat Gott für mich so etwas wie einen "dunklen" Fleck, eine dunkle Seite. Da kann ich mit ihm hadern, es ist auch "erlaubt" (Hiob in der Bibel!) Ich bin auch in dieser Frage nicht fertig. Aber ich komme nicht auf diesselbe Strasse wie Du und schlussfolgere für mich: Entweder er tut etwas, das ich verstehe und das ich erwarte, oder er kann mir gestohlen bleiben. Ich finde, wir werden eben immer wieder zurückgeworfen auf UNS, auf unser Tun und unsere Verantwortung.

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Dunkle
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Beitrag Di., 14.10.2008, 09:50

in einem Land hat geschrieben:Gut, Gott akzeptiert Grenzen, meinetwegen, aber nicht auf Kosten von Menschen, Tieren und Natur!
Wo bleibt da seine Liebe?
Ich finde, Leben allein ist schon auf eine Art und Weise geschaffen, in der erkennbar wird, das NICHTS unverletzlich oder unsterblich ist. Alle, was geschaffen wurde, kann auch (von Menschen) wieder vernichtet werden und alles Lebendige ist auch dazu bestimmt, wieder zu sterben. Das ist natürlich ein sehr heutiger Gedanke, dass wir die Dinge so ansehen, als könnten wir sie für ewig erhalten oder haben. Insofern finde ich, die Grenzen der Schöpfung gehen nicht "auf Kosten" von Lebewesen, sondern das ist der Grundzug alles Lebendigen. Trotzdem wieder: Das Geschenk Leben ist auch eine Aufforderung: Kümmere dich darum, Mensch. Ich lege es in deine Hand! Die Liebe besteht für mich darin, dass es Leben unerschöpflich und immer wieder neu gibt, es gibt jede Zehntelsekunde eine neue Chance!

Viele Grüße von D.

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