Spiegel: Artikel zum Thema Alkoholismus

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Stacheldraht
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Spiegel: Artikel zum Thema Alkoholismus

Beitrag Mi., 06.06.2012, 12:33

Debatte über Alkoholsucht: Eine Frage des Willens

Es geht zunächst darum, dass ein US-Psychologe unterstellt, dass Alkoholsucht keine Krankheit, sondern eine Willensschwäche ist (dabei will er aber nicht stimgatisieren ).

Letztlich landet man dann hier:
Sollte der Hang zur Flasche so tief in unserer Stammesgeschichte und Psyche verankert sein, wie die Evolutionsbiologen glauben, dann ist das, was dem Alkoholismus zugrunde liegt, weder eine klassische Krankheit noch eine Willensschwäche, sondern eine sozio-genetische Konstante.
Spricht anscheinend einiges dafür, nur was soll einem das dann sagen bzw, inwiefern kann man dies Wissen nutzbar machen?
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Passat
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Beitrag Mi., 06.06.2012, 12:57

Mit dem Alkoholkonsum verhält es sich wohl wie mit jedem anderen Konsum (jeder Sucht, jedem Zwang) auch: Ein Zuviel davon macht eben krank. Nennt man es aber erst Krankheit, so impliziert das auch immer irgendwo ein Selbst-nicht-(mehr)-verantwortlich-Sein ("ich bin krank und kann ja nichts dafür").

Mit Willensstärke läßt man es entweder erst gar nicht soweit kommen oder man findet selbstverantwortlich aus der Krankheit heraus - was sich für mein Verständnis auf alles andere übertragen läßt, das Leid verursacht.

Edit: Stacheldraht, wie siehst du das denn persönlich?
"Alles entsteht durch den Konflikt" (Heraklit)

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hawi
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Beitrag Mi., 06.06.2012, 14:37

Tja?
schon interessant. Zumal der Artikel einem wenigstens nicht klar vorgibt, was draus zu folgern ist, was dann allen gefälligst zu meinen haben, als Wahrheit zu sehen haben.(ein im positiven Sinn Spiegel untypischer Artikel)

Zwei Seiten, wie, warum, weshalb rein in diese Sucht/Krankheit/Abhängigkeit und wie gelingt es wieder raus zu kommen.
Ich glaube eher nicht, dass es nur ein rein bzw. ein raus gibt. Ich glaube eher, jeweils sind es mehrere Dinge, Faktoren, die reinsppielen, zumindest reinspielen können.
Wenn überhaupt, dann spielt wohl vor allem immer der menschliche Wunsch nach Anerkennung eine große Rolle. Rein, weil Alkohol, auch mal zuviel Alkohol trinken, halt dazu gehört. Und wer mag schon außen vor sein. Heute zählt das zwar etwas weniger als früher, eine ziemliche rolle dürfte es aber immer noch spielen.
Aber auch beim Rausfinden. Findet sich was anderes wichtiges, etwas erstrebenswertes, das nur ohne die Sucht/Abhängigkeit zu verwirklichen ist, dann ist das zwar keine Garantie auf Heilung aber eine Menge „Antrieb“. Allein der Antrieb „clean werden“ , mag zwar auch mal reichen, aber wohl selten. Wille (wobei ich den Fokus eher auf der Motivation sehe, denn auch Wille ist ja nichts, das beim einen immer klein, beim andern immer groß ist) , aber auch vieles andere zählt, muss individuell passen, passen um krank zu werden, passen um gesund zu werden.

LG hawi
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und die Intelligenten voller Zweifel sind.“
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Jugendstil
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Beitrag Mi., 06.06.2012, 14:47

Jede Sucht hat multifaktorelle Ursachen:

Psychisch - große Sensibiliät und Überempfindlichkeit, eine gewisse Labilität
Gesellschaftlich - Sogwirkung der Gepflogenheiten, Anerkennungswunsch
Körperlich - Verlangen nach dem Suchtstoff und nach immer mehr davon, um eine gewisse "Homöostase", ein Wohlbefinden zu erreichen und aufrechtzuerhalten

und weiteres.

Der Wille? Ja, der spielt irgendwann mit, einwandfrei. Und hinter einer Krankheit kann man sich auch verschanzen, ebenso hinter Prägungen, Genetik, Bakterien, Gehirnarealen, Unterbewusstsein, gesellschaftlichem Zwang. Wurde alles schon als Grund für Abhängigkeit herangezogen, und sicher schön, damit die Verantwortlichkeit ablegen zu können. Ich will aber nicht zynisch sein, manchmal ist es tatsächlich notwendig, das so zu betrachten.

Eine große Chance, der Sucht oder besser Abhängigkeit zu entrinnen bietet die persönliche Reifung und Weiterentwicklung. Wozu dann auch die Fähigkeit zum Einschalten des Willens gehört.

Jugendstil

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Stacheldraht
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Beitrag Mi., 06.06.2012, 19:23

Passat hat geschrieben:Edit: Stacheldraht, wie siehst du das denn persönlich?
Ich finde nicht, dass das eine Frage der persönlichen Sicht ist, da es ja um eine wissenschaftliche Frage geht. Insofern ist es im Grunde uninteressant, was man dafür eine Meinung hat. Ich meine, die Erde wurde ja auch nicht dadurch zur Scheibe, dass viele dachten, sie wäre eine.

Aber wenn ich nun spekulieren soll, dann vermute ich, dass der Alkoholismus wohl wirklich auf mehreren Faktoren beruht.
Da die komplette Familie meines Vaters unter Alkoholismus litt spricht dieser Einzelfall für die Steinzeittheorie mit der sozio-genetischen Konstante. Andererseits könnte das aber auch schlicht innerhalb der Familie erlerntes Verhalten gewesen sein und somit auch eine Frage des Willens. Für die Krankheitsthese spricht, dass man den Leuten die Schuldgefühle nimmt, damit sie sich trauen offen darüber zu reden und sich Hilfe zu suchen. Aber stimmt eine These, nur weil sie aus Rehabilitationsgründen sinnvoll ist?

Ich weiß jedenfalls, dass ich meinem Vater nie verziehen habe, wie sein Suff meine Kindheit zerstört hat und ich werde es ihm auch nie verzeihen. Zumal er später, als er dann trocken war im Grunde auch nicht mehr wesentlich anders war. Irgendwann scheint die Aggression ins Blut über zu gehen. Mein Vater hatte es natürlich leicht, in dem er meinte, dass war ja nur eine Krankheit und er konnte da ja nichts für.

Mag ja sein, dass Alkoholismus, wenn er dann besteht eine Krankheit ist. Aber eine Krankheit, die man sich selbst gesucht hat. Ich würde einem HIV-Infizierten ja auch vorwerfen, warum er ungeschützten Sex hatte. Warum also dem Trinker nicht vorwerfen, dass er es zur Gewohnheit hat werden lassen?
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Jugendstil
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Beitrag Mi., 06.06.2012, 22:21

Das Vollbild einer Abhängigkeit, also auch der Alkoholsucht, entspricht auf jeden Fall einer Krankheit. Bis dahin ist es aber ein mehr oder weniger weiter Weg. Ob nicht unterwegs an einem Kilometerstein doch Halt gemacht werden kann, auch mit dem Wollen, und wenn ja an welchem, ist individuell. Es gibt viele Menschen, die es schaffen "unterwegs anzuhalten", indem sie frühzeitig einen Arzt, Suchtberater, eine Gruppe aufsuchen, einen Entzug machen, und von da an trocken sind.

Sicherlich gibt es auf der anderen Seite psychische Zwänge, die scheinbar ausweglos bis zum abhängigen Konsum der bestimmten Substanzen führen und wo der Wille ausgeschaltet ist. Wo ist da die Grenze zur Krankheit? fragt es sich dann.

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Pitt
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Beitrag Mi., 06.06.2012, 22:45

Ein Gedanke...

Wenn man das Konzept der "Selbstverantwortung" zuende denkt, - dann ergeben sich auch "politische Implikationen".
Letztlich sind auch sehr viele Menschen, die "sozial schwach" sind, selbst für ihr "Schicksal" verantwortlich. Waren halt in der Schule schon faul.
Oder z.B. "extrem Dicke". Naja, können sich beim Essen halt nicht beherrschen.

Will sagen:
Mir ist dieses Konzept der Selbstverantwortung suspekt.
Ich halte diesen Gedanken für asozial und menschenverachtend.

Lg
Pitt

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Anne1997
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Beitrag Do., 07.06.2012, 06:02

Stacheldraht hat geschrieben:Ich weiß jedenfalls, dass ich meinem Vater nie verziehen habe, wie sein Suff meine Kindheit zerstört hat und ich werde es ihm auch nie verzeihen. Zumal er später, als er dann trocken war im Grunde auch nicht mehr wesentlich anders war. Irgendwann scheint die Aggression ins Blut über zu gehen. Mein Vater hatte es natürlich leicht, in dem er meinte, dass war ja nur eine Krankheit und er konnte da ja nichts für.
Mag ja sein, dass Alkoholismus, wenn er dann besteht eine Krankheit ist. Aber eine Krankheit, die man sich selbst gesucht hat. Ich würde einem HIV-Infizierten ja auch vorwerfen, warum er ungeschützten Sex hatte. Warum also dem Trinker nicht vorwerfen, dass er es zur Gewohnheit hat werden lassen?
Liebe Stacheldraht,

auch mein Vater trinkt schon immer, seit ich ihn kenne. Er ist noch nie "trocken" geworden. Ein intelligenter, wacher, in seiner Umgebung auch geschätzer, beliebter Mann....
Dies und die Beziehung meiner Eltern zueinander, meine extreme Unsicherheit in u.a. Beziehungsfragen usw. waren Gründe, in eine ziemlich lange Therapie zu gehen. Und ich hab' mich auch manchmal bei Schuldzuweisungen ("Er ist schuld, dass ich so bin....", Kindheit schwierig etc.) ertappt, wohl wissend, dass diese überhaupt keinen Sinn machen. Meinem Vater vorzuwerfen, dass er nicht will, ist der falsche Weg. Ja, objektiv: er will nicht, keine Motivation, er wird sogar aggressiv, wenn man ihm den Alkohol entzieht. Die letzten Jahre und aktuell sind sehr schwierig, für uns und vor allem für meine Mutter, die sich ja direkt um ihn kümmert (und sich bewusst dafür entschieden hat, sich nicht zu trennen, schwach war, sehr stark ist etc.). Wir sind im Notfall und auch sonst (mit dem Wissen um notwendige Abgrenzungen, Selbstschutz etc.) "da".
Ob er sich die Krankheit selbst gesucht hat? Die Frage stellt sich nicht, weil es für ihn keine "Krankheit" ist, obwohl er jetzt mehrere Entzüge hatte, er regelmäßig beim Arzt war.
Täter? Systemisch gedacht: unsinnig. Er hat viel getan, ich aber auch. Diese Kindheit hat mir ungeahnte, wertvolle Fähigkeiten gegeben, die ich (unageachtet aller Schwierigkeiten und Probleme) nicht missen möchte.

Mir war und ist wichtig (dies ist "grottenschwer" und verlangt harte Arbeit), mich mit meiner Geschichte zu versöhnen bzw. es zu lernen, dahin zu kommen (d.h. nicht den "Ist-Zustand" nicht zu sehen, sondern ihn ganz klar zu sehen in seinem Umfeld, ihn auch zu kommunizieren).
Mein Vater ist mein Vater ist mein Vater usw.. Ich habe viel von ihm gelernt. Und manches würde ich nie so tun wie er, ich mache andere Fehler, wodurch sich manche verletzt fühlen, leiden usw. - So, wie ich ihn jetzt oder schon länger erlebe, ist es schwer, tragisch, sehr traurig - es beschäftigt mich täglich (und ist dennoch leichter geworden), ich musste lernen mich abzugrenzen, meine Familie nicht zu besuchen etc.
In diesem Zustand ist er ncht mehr wie ein Vater. Er ist krank, schwer krank. Habe ich jetzt Jahre meiner Kindheit verloren? Ja, ich habe einiges verpasst, manches hat sich so bei mir bis heute noch nicht erreignet, mir fällt manches schwer und: ich bin auf vielen Gebieten tätig "bis zum Umfallen", engagiert, mag Menschen (von meinem Vater "gelernt"). Ob daran jetzt mein Vater "schuld" ist, weiß ich nicht, weil es genauso Menschen in der gleichen Situation gibt, die manches von dem geschafft haben, dafür anderes nicht. Ja, manches ist traurig, doch ich bin im wahrsten Sinne "lebendig" (lebendiger und klarer als früher), dabei.
Mein Vater hat viel gearbeitet, war (ist) für viele Menschen wichtig, er hat mich auf die Welt gebracht, einiges (sich) geleistet und: er ist aggressiv, extrem launig, schwerer Alkoholiker, er lebt in seiner Welt, übernimmt dafür nicht die Verantwortung. Dafür, dieses "zusammen" sehen zu können, nebeneinsander stehen lassen zu können, habe ich Jahre gebraucht und ich war echt schon "alt" (das hat mich erschüttert, dass ich so lange brauchte, um realistischer zu "sehen" - hier waren Freunde wichtig, die mich fast "schüttelten", da waren).

Und ich sehe es wie Pitt, der das immer so kurz und treffender ausdrücken kann: natürlich spielen Wille und Verantwortung auch eine Rolle, aber sie reichen nicht aus. Sonst müsste ich auch aussortiert werden in enigen Dingen, wo ich schwach, angreifbar bin, weil ich's einfach nicht schaffe (da gibt's einiges), obwohl ich doch "nur" entscheiden, wollen müsste. So auf meinen Vater zu sehen ist ein Blick von oben herab und das wäre verächtlich, "a-sozial" und nicht sein, sondern ausschließlich mein Problem. (Ich kenne diesen Blick gut!)
Damit möchte in keiner Weise Deine Gedanken bewerten oder abwerten, liebe Stacheldraht, sie sind ja so da "wie sie da sind". [Weil es Dich natürlich wohl wütend macht, dass er sich mit der Krankheit entschuldigt.]
Und ich kenne sie (die Gedanken, die Wut und bei mir v.a.: innere Aggressionen....) gut und sie haben ihre Berechtigung; es reichte mir nur nicht aus und so habe ich nach anderen Wegen, Möglichkeiten gesucht.

Lieben Gruß,
Anne

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hawi
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Beitrag Do., 07.06.2012, 06:49

Pitt hat geschrieben:Mir ist dieses Konzept der Selbstverantwortung suspekt.
Ich halte diesen Gedanken für asozial und menschenverachtend.
Pitt, mir auch, oft auch!
Warum? Weil recht häufig die, die das Konzept Selbstverantwortung propagieren, es weitgehend ablehnen, selbst soziale Verantwortung zu übernehmen!
Mir sind umgekehrt auch die suspekt, die meinen, die Gemeinschaft solle sehr viel verantworten. Nicht nur, dass ich das dann oft für bevormundend halte, es funktioniert auch eher nicht, weil das, was grad beim einzelnen ansteht, meist nicht generell sondern nur sehr individuell verantwortet werden kann. Außerdem seh ich Selbstverantwortung auch positiv im Sinne von Selbstverwirklichung. Auch wenn die Motive, von außen einzugreifen noch so toll sein mögen, nehme ich Menschen ihre Selbstverantwortung? Ich finde, dann nehme ich ihnen einen Teil ihres Menschseins, einfach nur, weil ich so sage, ihr könnt das selbst nicht.

Die sozio-genetische Konstante?
Ich behaupte mal, ganz zu Beginn, sogar bei Wissenschaftlern, gibt es generell eine Konstante, eine in der Art zu Denken, nach Lösungen zu suchen. Mensch scheint mir sehr gut darin, hier ein Stück und da ein Stück des Ganzen zu sehen, jedes einzelne auch gar nicht so verkehrt, aber kaum einer integriert dann mal all diese Wahrheiten. Im Gegenteil! Oft sind die Einzelsichten gleich so formuliert, dass nur sie wahr sind, alle anderen falsch.
Eine - wie ich finde - bemerkenswert hartnäckige Konstante, die selten passt, die auch dazu führt, mal der einen, mal der anderen Wahrheit zu folgen und es grad deshalb dann oft ziemlich verkehrt zu machen.

Ob nun beim Alkohol oder sonst wo, vielleicht sollten mal erst alle mehr zu dieser Konstante lernen, sonst wird das mit dem Rest oft nicht so dolle.

Schon deshalb, bei Alkoholabhängigkeit muss zwar einerseits das Ganze im Blick bleiben, aber für das, worum es hier im Thread, worum es im Artikel geht?. Ich finde wichtig, zu sehen, differenziert mindestens drei Phasen zu betrachten: Gründe, Funktionsmuster, wie Menschen in (diese) Abhängigkeit geraten, wenn sie dann zweitens drin sind, dies zu beleuchten und drittens so treffend wie möglich die wichtigen Faktoren für den Ausstieg zu untersuchen.
Und weil Alkoholübermaß - wie ja im Artikel zu lesen - dafür sorgt, dass der „Wille“ nach (mehr) Alkohol sehr dominant ist/wird, sehe ich es schon als Krankheit an, als eine Krankheit, bei der die Behandlung immer auch den Willen, die Willenssteuerung behandeln, kurieren muss. Da dann nur zu sagen: du bist ein Wille, seh doch endlich zu, dass du was richtiges willst? Für mich ein ziemlicher Käse! Wer auch nur ein wenig mit so was mal zu tun hatte, mir völlig unverständlich, bei einem Abhängigen von Willensschwäche zu reden. Im Gegenteil. Der will doch zu stark, viel zu stark.
Dass dann alle drum herum stehen und was ganz anderes wollen? Einfach mal so sind das die, mit dem schwächeren Willen! Wenn man sich denn auf diese (einseitige) Sicht einlässt.

Vieles an Argumentationen seh ich daher als Frustreaktionen derer, die im Willenswettstreit mit Abhängigen so oft den kürzeren ziehen oder schlicht für anmaßend. Ich selber hoffe jedenfalls, dass ich Menschen, die was anderes als ich wollen, nicht dehalb Willensschwäche unterstelle, andichte, nur weil ich meinen Willen grad so klasse finde, für was besseres als den anderer halte.

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Nico
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Beitrag Do., 07.06.2012, 08:06

Also ich aus meiner persoenlichen Sicht als Ex - Alkoholiker sehe die alleinige Verantwortung fuer mein Saufen bei mir. Wie das bei jemand anderem ist, oder ob der Artikel recht hat oder nicht, moechte ich nicht beurteilen.
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Anne1997
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Beitrag Do., 07.06.2012, 08:15

@Nico: Verantwortung, ja klar, die trägst du natürlich. Wille ist ein anderes Kapitel.

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hawi
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Beitrag Do., 07.06.2012, 08:22

Nico hat geschrieben:Also ich aus meiner persoenlichen Sicht als Ex - Alkoholiker sehe die alleinige Verantwortung fuer mein Saufen bei mir.
Passt doch auch! Find ich oft grad auch zu Abhängigkeiten bemerkenswert, dass so gesehen Antialkoholiker und Alkoholiker die oft gleiche Sicht haben, nur halt von verschiedenen Seiten aus.

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Nico
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Beitrag Do., 07.06.2012, 08:34

Stimmt, Wille ist bei Alkoholismus ein anderes und sehr kompliziertes Kapitel.
Viele Ex Alkoholiker mit denen ich gesprochen habe, haben mir erzaehlt, dass es bei ihnen erst geklappt hat, als sie den unbedingten Willen zu trinken aufzuhoeren, aufgegeben haben.
Solange sie sich gesagt haben, dass es nur von ihrem Willen abhaengt, haben sie es einfach nicht geschafft.
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Beitrag Do., 07.06.2012, 09:43

Anne, es wäre mir lieb, wenn Du Deine Kindheit nicht mit meiner vergleichen würdest. Insofern kannst Du mir nicht das überstülpen, was für Dich gut war, denn da sind erhebliche Unterschiede. Zumal mein Vater beim ersten Mal gleich den Entzug geschafft hat und dann bis zu seinem Tod trocken geblieben ist. Nur war es da dann eh zu spät. Bei ihm war es zuletzt nämlich eindeutig eine Frage des Willens: er dachte, wenn er einen Entzug macht könnte er die Scheidung noch verhindern. Konnte er aber zum Glück nicht.
Und nein, ich sehe nicht, wie ich als 5 Jährige Schuld daran gewesen sein soll, dass mein Vater auf einmal immer mehr säuft und dann zum Monster mutiert, welches er zum Schluss durchgehend war. Ich bin froh, endlich nicht mehr mir die Schuld für alles zu geben und endlich mal die Wut zuzulassen. Von diesem ganzen Versöhnungsgebrabbel halte ich ohnehin nichts. Warum soll ich mich mit jemandem versöhnen, der mir nichts gegeben, dafür eine Menge genommen hat, nur weil meine Eltern zu doof beim Umgang mit der Pille waren?

Ich glaube nicht, dass es für alle Menschen einen allgemeingültigen Weg gibt mit der eigenen Kindheit umzugehen, da schon allein die Kindheiten unterschiedlich sind und zudem sind auch nicht alle Alkoholiker gleich. Ich habe jedenfalls nicht eine gute Erinnerung an meinen Vater. Für mich war er immer nur ein unberechenbares Monster, vor dem ich Angst haben musste. Insofern finde ich es schön, dass Du für Dich einen Weg gefunden hast, aber bitte erkenne an, dass es Dein Weg ist, der aber nicht meiner sein kann.

@ Rest: Vielen Dank für Eure Gedanken. An manches davon hatte ich noch gar nicht gedacht. Da habe ich wieder einiges zum Grübeln.
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Beitrag Do., 07.06.2012, 09:58

Stacheldraht hat geschrieben:Da habe ich wieder einiges zum Grübeln
das liegt in deiner Verantwortung, aber....Achtung/Vorsicht beim Grübelwillen

LG hawi
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