Acura Fachklinik Allgäu in Pfronten-Ried

Kliniken u.a. in Deutschland (keine generellen Fragen)
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Möbius
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Acura Fachklinik Allgäu in Pfronten-Ried

Beitrag Mi., 20.01.2016, 14:24

Vorab: Ich leide an dekompensierter schizoider Störung mit sexueller Deviation aufgrund schwerster Traumatisierung durch beide Eltern während der Kindheit (sexueller Mißbrauch durch die Mutter, anschließende jahrelange Mißhandlungen durch beide), psychosomatischer Akne Inversa (somatisierte Autoaggression), Asthma bronchiale und noch ein paar Kleinigkeiten. Psychotherapeutisch werde ich seit Sommer 2013 an der Uni-Klinik Leipzig betreut. Die somatischen Krankheiten kann ich heute im wesentlichen selbst behandeln. Nach zweijährigem Verfahrenskrieg wurde mir endlich eine Reha in der Acura-Fachklinik Allgäu vom 15.10-11.11.15 bewilligt. Mein Bericht von dieser Klinik ist kein Positiver, um es gleich zu sagen. Ich bin deutlich kränker von dort zurückgekommen, als ich hingefahren bin und bereue es heute, nicht schon nach den ersten Tagen abgebrochen zu haben.
Die Klinikanlage selbst stammt aus den 70er Jahren und ist etwas heruntergekommen, aber eigentlich sehr schön, ein durch Gänge verbundener Halbkreis von ca. 10 größeren Wohn- und Anwendungsgebäuden in einer schönen Parklandschaft im malerischen Pfrontener Tal, in Ortsrandlage. Wer Hochgebirge mag, wird sich dort sehr wohl fühlen. Pfronten selbst ist nur ein Dörfchen mit sehr magerer Infrakstruktur in jeder Hinsicht, aber gleich nebenan, in Reutte in Tirol, da steppt der Bär - man kann es also dort aushalten. Mein Zimmer war sehr groß, angenehm ruhig, einfach aber behaglich eingerichtet.

Die Klink enthält eine pneumologische und eine psychosomatische Abteilung und nur von der Letzteren kann ich etwas erzählen. Diese Psychosomatik ist sehr einseitig auf eine bestimmte Klientel ausgerichtet, die ich als spezifische "Zwangsgestörte" im "klinischen" Sinne bezeichnen würde: jene hoffnungslos in sich verkrampften und nicht nur sexuell total verklemmten Spießertypen: bildungsfern, materialistisch, und überangepasst, aggressiv oder passiv narzistisch, jenseits der 50 und mit einseitig massenmedial-, ethanol- und kohlenhydratorientierter Lebensweise, ganz so, wie bei Loriot: Ödipussi, Papa ante portas, Kosakenzipfel, Jodeldiplom, Weihnachten bei Fam. Hoppenstedt. Für diesen prägenden Typus meiner "Mitpatienten" (nur wenig Ausdrücke aus dem Gesundheitsjargon sind mir so verhaßt, wie dieser) hatte ich mir sogar eine eigene Spaßdiagnose gebastelt: die "Psychosklerose".
Die Patienten der Psychosomatik bestanden zu 70-90% (die Fluktuation ist sehr stark) aus diesen armen Leuten, die für mich jedoch geradezu psychopathogenes Gift sind: weil genauso habe ich als mißbrauchtes und mißhandeltes Kind mein bewußtes Leben lang meine Täter: meine Eltern, wahrgenommen, und meine kranke Psyche hat natürlich diese permanenten und ubiquitären Einladungen zur Projektionspychose freudig angenommen. Ich habe also psychisch gesehen 4 Wochen unter lauter "Tätertypen" verbracht, zu denen ich natürlich keinen Kontakt gesucht, aber nicht gänzlich habe vermeiden können. Bis auf ganz wenige Ausnahmen am Beginn und am Ende der 4 Wochen war ich dort ebenso freiwillig wie fast vollständig sozial isoliert gewesen. Ich hatte eigentlich keine "Mitpatienten" sondern nur "Gegenpatienten", und jeder Gang durch die Klinik oder den Park war wie eine Fahrt mit der Geisterbahn für mich.

Auf dieses Publikum war auch das Therapieangebot zugeschnitten. Diese Leute sollen "aktiviert" werden, dh sie werden in einem vollgepropften Tagesplan von einem zum anderen Ende der Anlage gescheucht - hiervon hat man mich alsbald fast vollständig befreit, weil nämlich die im wesentlichen auf Reha-Sport und Bewegung ausgerichteten Anwendungen für mich aufgrund Bewegungseinschränkungen durch große Narbenflächen in fast allen Beugefalten nicht mitzumachen gewesen waren. Ein Schwimmbad gibt es, ist aber wohl aus Kostengründen geschlossen. Auf der psychischen Seite gab es einige interessante Vorträge des Chefarztes Dr. Wangemann - der einzige dort übrigens, der sich auch als "Psychotherapeut" vorstellte. Die übrigen Psychologen führten diesen Titel nicht. Diese Psychologen, die "Therapeuten" genannt werden, sind für die Patienten die Bezugspersonen und Ansprechpartner, verordnen die jeweiligen Anwendungen, soweit sie nicht in den ausschließlich ärztlichen Zuständigkeitsbereich fallen. Mindestens einmal wöchentlich finden Einzelgespräche statt, "seinen" Therapeuten kann man auch alle zwei Tage bei der verpflichtenden "Morgenrunde" für alle Patienten und Therapeuten für ein kurzes Gespräch und organisatorische Fragen erreichen - die Organisation der Klinik ist durchaus "up to date".

(Fortsetzung folgt)

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Möbius
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Beitrag Mi., 20.01.2016, 14:29

(Anschluß an Teil 1)

Die Psychotherapie, die mir dort jedoch angeboten wurde, vermochte mich nicht zu erreichen. Wer sich selbst bis zum Wiedererleben des Traumas analysieren konnte, bleibt ein Leben lang auf hochqualifizierte Psychotherapeuten angewiesen. Mein "Therapeut" gab sich redlich Mühe, hat das Beste gegeben - aber für mich war das halt zu wenig und die nervöse Überforderung war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Ich glaube sogar, er hatte Angst vor mir. Effektive psychotherapeutische Hilfestellung in meiner Not konnte er mir nicht geben, ausser mich von Anwendungs- und Anwesenheitsverpflichtungen (auch den Gruppentherapeutischen Veranstaltungen) großzügig zu befreien, und die einzige Anwendung, die mir dort etwas gebracht hatte, auf 4x90 min wöchentlich zu erhöhen: die Ergotherapie - die "Ergo-Tante", wie sie sich selbst nannte, hat ihren Job super gut gemacht. Ich wollte zeichnen lernen - sie hat mir gute Anleitungsbücher in die Hand gedrückt, und mich in Ruhe gelassen, als sie sah, daß ich auf gutem Wege war, ansonsten mir und meinen "Mitpatienten" eine behagliche Wohlfühlatmosphäre im "Ergo-Raum" geschaffen. Das hatte natürlich auch wieder eine positive Übertragungspychose - "Verliebtheit"- in die Ergo-Tante zur Folge, aber sowas im Griff zu halten, hat man ja als Selbstanalytiker gelernt.

Langweilig war mir dort nie - ich war vollauf beschäftigt, meine permanenten Dissoziationen und Re-Inszenierungen, konfligierende "Begegnungen" mit meinen "Mitpatienten", psychotische Angst- und Aggressionsanfälle einzufangen, zu analysieren und notdürftig zu integrieren. Geholfen haben mir ein Bergsee in der Nähe, der für mich mit dem Zug gut erreichbar war - "hardcore-Kneipp-Anwendungen" haben tiefenentspannende Wirkung, und meine Wochend-Ausflüge nach Reutte und v.a. Ulm: das Ulmer Münster ist eine wundervolle hochgothische Kathedrale, und das quasi in seinem Schatten liegende Pornokino im "Dolly-Buster-Center" ist ebenfalls sehr empfehlenswert. Sex hat eben auch eine tiefenentspannende Wirkung. Trotzdem war ich am Ende der 4 Wochen am Rande der Psychose angekommen gewesen, was ich auch "offen rübergebracht" habe. Ich hatte diese Maßnahme alsbald als "psychopathologischen survival-trip" gesehen, als Test für meine psychische Belastbarkeit, und war eigentlich stolz, die Psychose (oder psychotische Episode) selbst vermieden zu haben.
Letztursächlich für das fast-ausflippen war: in der letzten Woche war mein Ekel und meine übertragungspsychotische Angst vor meinen "Mitpatienten" so groß geworden, daß ich den Speisesaal nicht mehr betreten konnte, nicht mal um mir einen Kaffee oder so zu holen. Von der Verpflichtung zur Teilnahme an der Klinikverpflegung wurde ich freigestellt, habe mich eben im Ort "durchgefuttert", Picknick im Zimmer veranstaltet. Das hatte die Folge, daß die enormen Flatulenzen, unter denen ich dort seit meiner Ankunft gelitten hatte, spontan wieder verschwanden. Schon bei den Wochenend-Ausflügen nach Ulm und Reutte hatten sie stark nachgelassen. Ich hielt sie deswegen zunächst für psychosomatisch. Ich erfuhr auch, daß viele Patienten darunter litten, man bei den Ärzten Tropfen dagegen bekommen könnte - wovon ich keinen Gebrauch gemacht habe. Aber durch meinen Ausstieg aus der Klinikverpflegung unter Beibehaltung der pathogenen Umstände flogen mir dann die Tomaten von den Augen: das - an sich wohlschmeckende, abwechslungsreiche und "gut aussehende" Klinikessen war mit Konservierungsstoffen oder sonst irgendwas vollgepumpt bis zum Anschlag, auch wenn die halbe Klinik dann wegen Verdauungsstörungen behandelt werden muß. Diese "Tropfen" werden ja womöglich von den Krankenkassen bezahlt und kosten auch nicht so viel - vernünftiges Essen dagegen wäre sehr teuer und müsste vom Klinkiträger aus den Tagessätzen bezahlt werden, "gesundheitsökonomisch" eine klare Sache. Das war dann "too much", nicht nur für meinen Darm, sondern auch für meine Psyche, als mir das klargeworden ist. Da waren es aber gottlob nur noch 2-3 Tage bis zur planmässigen Entlassung. In diesen letzten Tagen habe ich eigentlich nur noch dort geschlafen.

Heute ist mein Zustand so, daß sich meine psychosomatische Hautkrankheit erheblich verschlechtert hat, mein Imunsystem, daß durch meine regelmässigen Kneipp-Anwendungen eigentlich topfit ist, total "runtergefahren" ist - ich bekam einen grippalen Infekt nach dem anderen schon während des Aufenthaltes im Allgäu und dem Rest des Jahres 2015 - nur ganz langsam erholt es sich wieder. Am übelsten ist, daß sich (wieder) eine generalisierte Angststörung breit gemacht hat, die mich aktuell am allermeisten behindert. Ich bin auch jetzt, 3 Monate nach Ende der Maßnahme, immer noch "down", mein seelischer Akku ist ausgelutscht, meine Widerstandskraft immer noch enorm gering.


leberblümchen
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Beitrag Mi., 20.01.2016, 14:48

Ich war noch nie in einer psychosomatischen Klinik, nur in "klassischen" Kurkliniken, und dennoch könnte man meinen, deine Erlebnisse seien in etwa dieselben wie meine. Nur ein Pornokino im Schatten eines Domes gehört nicht zu meinen Erfahrungen. Kurz gesagt: Ich war noch nie so krank wie damals in der Kur (war immerhin auch im Allgäu): Das Zimmer war schlecht gehezit, und ich erkälte mich immer, wenn ich mit kalten Füßen ins Bett muss. Die Erkältung war so stark, dass ich einiges nicht mitmachen konnte. Vom Essen hatte ich drei Wochen lang Durchfall (dass ich vieles nicht vertrage, wusste ich schon vorher, aber zu Hause kann ich wenigstens selbst bestimmen, welche Zutaten ich verwende). Mir waren die anderen Patienten zu viel und die unausgesprochene Erwartung, man solle doch einfach socialising betreiben. Das Schwimmbad war aus hygienischen Gründen oft geschlossen. Die Psycho-Anwendungen habe ich nicht mitgemacht, weil ich nach dem ersten Kontakt festgestellt habe, dass mich das unterfordern würde (die Message war: "Mütter sind überfordert und deshalb schreien sie ständig"; da ich nicht schreie, fühlte ich mich nicht angesprochen). Es gab eine Ernährungsberatung, in der uns gesagt wurde, dass gesundes Essen wichtig ist. Gut war die Massage (die hätte ich in Berlin aber auch billiger haben können). Und die Ärztin vor Ort erschien mir auch nicht gerade ein Überflieger zu sein. Von den Entspannungsübungen auf dem harten Holzboden bekam ich Rückenschmerzen. Während die neben mir schnarchten, zählte ich die Minuten, bis ich endlich wieder aufstehen konnte. Es war voll, es war laut, es war - natürlich - vollkommen anders als im Prospekt. Aber immerhin wäre ich sonst wohl niemals freiwillig ins Allgäu gefahren.

Was ich sagen will: Ich glaube, das, was du beschrieben hast, ist Alltag in solchen Kliniken. Massenabfertigung, die irgendwie nach Wellness aussehen soll.

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